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in der gesittetsten rücksichtsvollsten Berliner Gesellschaft anno 1882 nach Christi Geburt. Der longobardische Don Juan ist nach allem, was wir in den ersten Scenen von ihm erfahren, sehr gebildet, etwas verweichlicht und von den alten rauhen Sitten seines Volkes abgefallen, Epikuräer und verliebter Natur, ein „liebenswürdiger Reisebegleiter“, „freundlich gegen Jedermann, gefällig, höflich“, und „gutmüthig wie alle Bösewichter", aber, wenn man der biederen Anna trauen darf, „ohne Herz“. Sieht man von dem legten Unglück ab, so verfügt er allerdings über eine Reihe entzückender Eigenschaften, welche eine so überspannte Bildungsnärrin, wie Kruse's Rosamunde, bezaubern, hinreißen, auf ewig fesseln müssen. Aber Helmichis ist auch ehrgeizig:

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Kann ich ihn stoßen, stoß ich ihn gewiß.“

Am Schluß des ersten Aktes haben wir also unser Urtheil ein wenig zu modificiren. Rosamunde ist allerdings in ihren Reisemarschall ein wenig verliebt, da er ein gebildeter, höflicher Mensch ist, Helmichis führt sie aber an der Nase herum, er heuchelt ihr etwas vor, stellt sich nur verliebt, im Grunde aber sucht er nichts als ihre Krone und die Longobardenherrschaft an sich zu reißen.

Im zweiten Akte erfahren wir eigentlich nichts Neues, nur das Eine, daß der Atheismus und Darwinismus am Hofe Alboins ge= radezu floriren muß. Nicht nur Alboin ist der niedlichste Freigeist von der Welt, der sich zur rechten Stunde noch erinnert, was er der Bildung des neunzehnten Jahrhunderts schuldig ist, auch Helmichis kann sich nicht enthalten, bei der unpassendsten Gelegenheit sein materialistisches Glaubensbekenntniß sich von der Seele zu beten und zu beweisen, daß Häckel nur ein tölpelhafter Nachbeter Helmichis’scher Naturphilosophie ist und dabei nicht einmal den Anstand besitzt, die Quelle seiner Weisheit anzugeben.

„Die Menschen wären allesammt aus Schlamm!“

höhnt Euphrosyne;

Helmichis (eifrig :)

Die Menschen krochen aus dem Schlamm hervor;
Denn die Geschöpfe, die auf Erden leben,
Sie mußten doch aus ihrem Schooße kommen,
Das heißt, so lang er lebenskräftig war,
Und je nachdem die Sonne feuriger
Und milder jenen Lebensschlamm durchwärmte,
Entstanden die Geschöpfe groß und klein.
Die Menschen überheben sich der Affen,
Verachten Mäus' und Ratten und verabscheu'n
Die schönen Schlangen und das Krokodil,
Und sind doch Alle, Alle Kameraden,

Sind lauter Kameraden aus dem Schlamm.

"

"

Danke, Herr Schullehrer, Danke, Herr Kruse, Sie haben wirklich schon einmal ein Feuilleton über Häckel's Natürliche Schöpfungsgeschichte“ gelesen! Aber wollen Sie uns das mit Ihrem wohlfeilen Redestrom beweisen? Wollen Sie uns beweisen, daß Sie an Bildung mit einem Manufakturwaarenhändler rivalisiren können, daß Sie auf der Höhe Ihrer Zeit" stehen oder gar, daß die Materialistische Philosophie schon vor dreizehn Jahrhunderten der Schatz aller Hohlköpfe war? Aber warum sagen Sie das nicht in einer Broschüre, warum quälen Sie das arme Drama damit, sicher der ungehörigste Ablagerungsort solchen Gedankenschuttes ?! Darf ich Sie an eine Stelle in Freytags Technik des Drama's“ erinnern, die eines Beweises wohl nicht mehr bedarf!? Wie heißt es da doch gleich auf Seite 235 der dritten Auflage: „Der Dichter soll sich hüten, daß ein modernes Empfinden der Charaktere dem gebildeten Zuschauer nicht im Gegensaß erscheine zu den ihm wohlbekannten Befangenheiten und Eigenthümlichteiten des Seelenlebens der alten Zeit. Die jungen Dichter verleihen ihren Helden leicht ein Verständniß der eigenen Zeit, eine Gewandtheit über die höchsten Angelegenheiten derselben zu philosophiren und für ihre Thaten solche Gesichtspunkte zu finden, wie sie aus modernen historischen Werken geläufig sind . Die jungen Dichter, Herr Kruse, wie tendenziös sich das ausnimmt!

"

Die jungen Dichter, und Sie versifiziren nun schon seit anderthalb Dezennien gedrückt vom Lorbeer des Schillerpreises, hätten Sie aber wirklich noch nicht die dramatischen Kinderschuhe ausgetreten?!

*

Von einer neuen Seite lernen wir Helmichis im dritten und vierten Akt kennen. Hier erscheint er auch vorsichtig, was wir bisher nach der Offenheit, mit der er überall sein Verhältniß zu Rosamunde in die Lüfte hinaus trompetete, eigentlich gar nicht vermuthen sollten. Allerdings bin ich an Kraft der Glieder ihm fast gleich," verkündet er uns in einem Monolog, „aber Alboin wird von seinem Volke angebetet und ich kann ihn daher nicht gut, wie einen Tyrannen, im Angesicht des Heeres niederstoßen. Gewiß, er muß getödtet werden," sagt er zu Rosamunde auf ihre Aufforderung hin, „denn,“ merkwürdiger Grund! „er weiß, daß ich gebildeter bin als Er, auch ist er dazu noch eifersüchtig auf mich. Aber die That selbst ausführen, — nein Königin! Kommt es doch nur darauf an, daß er falle, aber nicht durch wen. Wahrhaftig, ich bin nicht feige, aber Milchbruder des Königs, dieselbe Brust hat uns beide gesäugt und wenn ich auch nicht an Vorurtheilen hänge" -er thut es gleichwohl „so darf ihm meine Hand doch nicht brudermörderisch den Streich versehen.“ Man sieht, wie scrupulös urplöglich der gewissenlose Helmichis, der große longobardische Materialist des fünfzehnten Jahrhunderts geworden ist, der geistvolle longobardische Lucian, der sich so erhaben über alle Götter dünft:

Mag sein, daß Götter find, ich läugn' es nicht,
Doch Niemand hat erlebt und je gesehn,
Daß aus den Wolken ihre Hand herabgreift,
Sie fümmern sich nicht um der Menschen Thun;
Die Welt geht ohne Götter, merkt man wohl,
Die Götter schlafen.

Vielleicht hat jedoch Kruse mit jenem Charakterzug etwas ganz Besonderes beabsichtigt; er will uns fein zu verstehen geben, daß all das philosophisch sein sollende Geschwät des Mannes nichts als ein

H. u. J. Hart, Kritische Waffengänge.

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und

glatter leichter Firniß ist und doch darunter der barbarischste Aberglaube schlummert. Fein zu verstehen geben? O nein! Die Absicht ist so dick aufgetragen, daß sie verstimmen muß, dann! Was interessirt es uns für das Drama, ob Helmichis eine gründliche oder oberflächliche Bildung genossen hat, wenn wir aus seinen Thaten weder eine gründliche noch oberflächliche Bildung erfennen können.

Aber genug! Helmichis will den Mord nicht mit eigener Hand ausführen, und so spinnt er einen Plan aus, einen kunstvollen raffinirten Plan, der das edle Paar unbedingt zu dem gewünschten Ziele führen muß. Die Geschichte berichtet ihn uns ja! Peredeus, ein rauher starker Krieger von altlongobardischem Schlag, liebt Euphrosyne, eine zierliche kokette Zofe der Königin, von griechischer Herkunft. Bei einem zärtlichen Stelldichein vertauscht Rosamunde die Rolle mit dem Mädchen und empfängt an ihrer Statt die derben Liebkosungen des täppischen Bären, der nach longobardischem Rechte dadurch sein Leben verwirkt hat. Die Königin gebraucht ihre Gewalt und läßt dem Unglücklichen nur die Wahl, selber zu sterben oder den König zu morden, daß er das Lettere vorzieht, dürfen wir ihm als Menschen vergeben. Ein ausgeklügelt feiner Plan, welcher der Schlauheit der geschichtlichen Rosamunde und ihres Helmichis alle Ehre macht, und den Herr Kruse nur gleich aus der Geschichte übernehmen könnte. Er thut es auch aber nur nicht gleich! Eine Zuthat aus der eigenen Geistesküche muß er noch freigebig spenden, — und richtig, diese eine Zuthat genügt, um Helmichis im Augenblicke zu einem vollkommenen Dummkopfe zu machen. Was ist nämlich sein schlauer Plan bei Kruse? Er stiftet Euphrosyne an, bei einem Stelldichein den guten Peredeus zu küssen, die den Recken dann auch ganz ruhig, als handle es sich um die gleichgültigste Sache von der Welt, auffordert, den König zu ermorden. Das ist alles, das ist die ganze Schlauheit des klugen Mannes Helmichis, der freilich bei unserem Poeten schon überraschendere Beispiele seiner unverfrorenen naiven Unvorsicht gegeben. Natürlich muß solch ein origineller, solch wunderbar feiner Plan auch bei Kruse mißlingen, der sich denn auch schließlich dankbar aneignet, was ihm die Geschichte in den Schooß wirft. Wenn man ein Habenichts

ist, sollte man nicht allzu spröde in der Annahme dargebotener Geschenke sein!

Der Schluß des dritten Aktes endet mit einem inhaltsvollen Gespräche:

„Und wenn der König todt ist?" fragt Helmichis.

„Ich lebe ja!" antwortet Rosamunde.

"

Aber nur ein Mann kann in dieser wilden Zeit das Scepter faffen."

„Meinst Du?" fragt sie, ihn verwundert ansehend. „Nun, es sei,“ nämlich, daß sie ihn heirathen wird.

"

Helmichis will sie stürmisch umarmen, sie aber wehrt es ab, indem sie ihm stolz die Rechte entgegenstreckt. Während Helmichis zum Handkusse das Knie beugt, fällt der Vorhang."

Also wir haben uns schon wieder einmal getäuscht. Wie Helmichis nicht die Königin liebt, sondern nur zur Erlangung der Königskrone benußt, so ist umgekehrt auch Helmichis troß seines gebildeten Wesens, trotz seiner vorzüglichen Talente als werther Reisefreund“ und „Reisemarschall" der Königin ziemlich gleichgültig und wird von ihr nur als der eventuelle Todtschläger Alboins hoch geschätzt.

"

Es geht nach der Ermordung dieses Mannes denn auch ziemlich funterbunt mit den Beiden durcheinander.

Rein menschlich genommen, haben sie das heißersehnte Ziel erreicht, das Hinderniß ist gefallen, Helmichis wird Rosamunde hei= rathen und sich zum König aufschwingen und Rosamunde keine ernstlichen Bedenken tragen, die Wünsche des feingebildeten Mannes zu erfüllen. Das Warme vom Leichenschmaus giebt kalte Hochzeitsschüsseln! Nein! durchaus nicht. Rosamunde empfindet plöglich den bitteren Nachgeschmack ihrer Rache.

"Zwar mit dem Augenblick,

Wo mit dem blut'gen Schwert in seiner Hand,
Er kam als Sieger und als Ueberwinder,

Schön war er da und göttlich anzuschaun!
So schön war Hermann der Cherusker nur,
Da er als Sieger vor Thusnelda trat,
Den Adler schwingend, den eroberten.

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