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Keine Frage auch! Rosamunde, die Alboin erschlagen hat, weil er ihr nicht fein genug erzogen war, welche sich mit Helmichis seiner Bildung wegen verbunden, hat natürlich ohne jedes Zögern beschlossen, den letzteren zu tödten und den Exarchen zu heirathen, sobald sie erkannt, daß dieser der Spiegel feiner Sitte und jener nur ein halbgeschorener barbarischer Pudel. Der reine Bildungswahnsinn! Wenn der so lustig weitergrassirt, wird sich Rosamunde zulezt noch mit ihrem Complimentirbuch oder doch mindestens mit einem Tanzlehrer verehelichen müssen. Vergessen wir es also nicht, in diesem Augenblicke soll Helmichis getödtet und Longinus geheirathet werden, im nächsten weiß Kruse aber schon nichts mehr davon. Mit demselben Athemzuge, mit welchem die Königin den Exarchen als wahren Fürst der Menschen preist, verkeßert sie ihn auch schon wieder auf die gröbste Weise:

„Ein Mensch, wie dieser, kann uns schlimmer nicht
Beleidigen, als wenn er uns getrost

Für seines Gleichen hält.“

Giebt sie noch auf Seite 139 durch ihr Stillschweigen zu verstehen, daß sie mit dem Mordplane des Longinus einverstanden ist, kaum ist der Exarch fort, eine Seite später, bereut sie schon wieder ihr Thun und beschließt, den heimlichen Ehegemahl vor der Heimtücke des Griechen zu retten. Händeringend fleht sie ihn an, sich sein Leben zu erhalten, warnt, beschwört ihn, zu fliehen, ehe es zu spät ist, und ist um ihn besorgt, wie die zärtlichste Mutter um ein troßiges böswilliges Kind. Helmichis hätte nun allen Grund, ihr zu glauben, denn er hat bereits erfahren, daß der Exarch alle Maßregeln getroffen hat, sie in Ravenna zurückzuhalten, aber nein, — ob motivirt oder nicht, wahrscheinlich oder unwahrscheinlich, gestorben muß werden!" - und so muß Helmichis ganz plötzlich den Mißtrauischen herauskehren und sich in einigen ekelhaft-kindischen Drohungen gegen Rosamunde ergehen. Zur rechten Zeit tritt der Haushofmeister mit zwei Bechern Weins herein. Natürlich wittert die Königin gleich, was dahinter steckt und beschwört stürmisch den Anderen, nicht aus seinem, sondern aus ihrem Pokale zu trinken. Gewiß würde das im gewöhnlichen Leben selbst den vertrauensvollsten, dümmsten

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Menschen stubig machen, und ein Helmichis, der nach eigener Aussage den Longinus durchschaut, der ohne Frage von den Künsten des griechischen Hofes in der Giftmischerei erfahren hat, sollte sich eigentlich wohl bedenken, überhaupt einen der mit so sonderbarer Gastfreundschaft dargebrachten Becher zu leeren, — aber nein, der Kruse'sche Helmichis reißt sich ordentlich um das Bischen Wein, um keinen Preis möchte er es ungetrunken lassen. Bald genug merkt er jedoch die Wirkung, sett der Königin, von der er sich verrathen glaubt, den Dolch auf die Brust und zwingt ihr den Rest in den Mund. Ein widerliches Zankduett zwischen Beiden schließt sich an diesen Auftritt, dann geht's zu Ende:

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Wohl gemerkt; die Nuganwendung aus dem Drama zieht Helmichis; bevor er stirbt, wirft er sich noch einmal in die Brust : „Seht wie die Götter walten!" Wo bleibt da Wahrheit, wo bleibt da Natur?

Eine wirre zusammenhangslose Handlung, eine wirre zusammenhangslose Charakteristik, Trivialität der Personen, kann man noch mehr von einem Dramatiker verlangen?

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Wie Kruse es nicht versteht, seine Dramen innerlich zu vertiefen und zu motiviren, die Charaktere wahr und bedeutend zu gestalten, so läßt er es auch an jeder Feinheit und Zweckmäßigkeit im äußeren Aufbau mangeln.

„Rosamunde“ ist eine Tragödie der Rache, die Ausübung dieser Rache daher ihr naturgemäßer Höhepunkt, auf den sich vor allem die Aufmerksamkeit des Zuschauers richtet; bis dahin spannen sich die Nerven der Heldin an, ihre Augen sind vorwärts auf ein

bestimmtes Ziel gerichtet und sie allein drängt die dramatische Handlung diesem Ziele entgegen; sobald sie aber dasselbe erreicht, verliert sie die Führung, treibt nicht mehr, sondern wird getrieben, sucht sich vergebens den Folgen ihrer That entgegenzustemmen, aber diese Folgen sind stärker als sie und schieben sie unaufhaltsam, unwiderstehlich in die Tiefe hinab. In der „Rosamunde" bildet den naturgemäßen Höhepunkt, zu dem alles aufsteigt und von dem später alles abfällt, -die tragische Schuld der Heldin, die Ermordung des Königs Alboin. Nun fordert die Technik des Dramas die Verlegung dieses Höhepunktes in den dritten Akt, sobald nicht ganz besondere Gründe dagegen sprechen, und wenn sich derselbe bei Kruse dennoch erst im vierten Akte zeigt, so ist diese Verschiebung nicht ein berechtigtes Auflehnen gegen ästhetischen Formelkram, sondern nur ein Beweis mehr, daß jenes Verlangen nicht ganz grundlos ist.

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Es beweist, daß Kruse der dramatischen Energie völlig ermangelt, daß er das Ziel gänzlich aus den Augen verliert, daß er das Unwesentliche dem Wesentlichen als völlig gleich zur Seite stellt. Zum Schlusse des zweiten Aktes wissen wir, daß Rosamunde Rache nehmen wird:

„Für diese Schmach, die Du mir angethan,

nehm ich Rache."

und zum Schluß des dritten Aktes, ja, da wissen wir nur, daß sie ganz sicher Rache nehmen wird. Und womit sind die vierzig Seiten, die in der Buchausgabe dazwischen liegen, angefüllt? Mit einem lang lang ausgedehnten Versöhnungsversuch, mit Vorbereitungen zur Ermordung Alboins! Akt heißt aber Handlung, Handlung nicht insofern, als er möglichst viel Geschehnisse in sich faßt, wie Mord, Brand und Todschlag, sondern nur in Hinsicht darauf, daß er in der großen Handlung der Tragödie als wesentlich fördernde Einzelhandlung auftritt. Wir wollen also am Schlusse eines jeden Aufzuges dem Ziele um einen mächtigen Schritt näher gekommen sein. Und sind wir das bei Kruse? Ist uns wirklich der Gipfelpunkt des Dramas näher gerückt? Nein, durchaus nicht! Nachdem Rosamunde in fester Weise ihren Entschluß kundgegeben hat, Rache auszuüben, ist die nächste wesentliche That die Rache selbst,

wie sie dieselbe ausführt, wann, wo, unter welchen Umständen und mit welcher Hülfe eine unwesentliche Nebenfrage, wie Kruse selbst durch den Mund des Helmichis hervorhebt:

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Ob Rosamunde selber ihrem Gatten den Dolch in das Herz stößt, oder ob ihn Peredeus zur Mittagsstunde mit dem Schwerte niederschlägt, ob Peredeus erst nach langem Kampfe und Zweifel die Hand an seinen König legt oder ob er ein Mörder von Profession ist und zu seiner That, wie zu lustigem Tanze auszieht, ist für das Schicksal Rosamundens unwesentlich und ohne Bedeutung für die Idee des Dramas. Nur als einen Schmuck können wir den Plan des Helmichis auffaffen, als eine einzeln für sich interessante Episode, die aber gewiß nicht überwuchern und am wenigsten die hervorragendste Stelle im Drama einnehmen darf, die des dritten Aftes.

Natürlich wirkt diese Verschiebung des dramatischen Mittelpunktes in weiteren Kreisen fort und trägt die Verwirrung auch in alle übrigen Akte hinein. Die Linien fließen durcheinander, die Harmonie löst sich auf, die Spannung verzettelt sich. Mühsam, wie ein Wagen im Sande, schleicht die Handlung keuchend bis zum Höhepunkte herauf, oben kaum angekommen, schießt sie die Böschung hinunter, jählings, ohne Halt, wie ein niedersausender Stein. Gegenseitige Erbitterung, Angst vor Entdeckung, Trauung, Flucht, neue Liebe, neue Mordpläne, Reue, Giftversuch, Tod der Rosamunde und des Helmichis, - das alles rollt sich mit reißender Geschwindigkeit vor unseren Augen ab, und es ist daher nicht allzusehr zu verwundern, wenn bei so vielen und so widersprechenden Gefühlen jede psychologische Motivirung, jede seelische Feinheit zum Teufel geht. Gerade vor der Katastrophe verlangt das Drama noch einen lezten Ruhepunkt, und eine letzte Spannung, damit das Gemüth des Zuschauers einerseits nicht betäubt, andererseits nicht gelangweilt wird. Mit einer letzten Anstrengung wirft sich die tragische Person dem Schicksal, den Folgen seiner Schuld in den Weg, hält noch einmal den heranrollenden Wagen mit kräftiger Faust an, und auf

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einen Augenblick scheint es wirklich, als wollte er übermenschlich stark die bäumenden Rosse zurückdrängen, aber schon erlahmen seine

Kräfte, wird sein Arm schlaff, wanken und brechen die Kniee zusammen, und über ihn jagt das Schicksal mit donnernden Rädern dahin. Die tragischen Begebenheiten allzusehr zusammengedrängt und aufeinandergehäuft erzeugen in einer naturgemäßen Reaktion des Geistes einen komischen lächerlichen Eindruck, ein nacktes Abfallen der Thatsachen hingegen, ein feiges Ergeben in das Schicksal und haltlose Flucht Langeweile und Interesselosigkeit. Kruse ist nur zufrieden, wenn er beide Wirkungen mit Geschick zu gleicher Zeit erreichen kann.

Kaum ist Alboin todt, so verlieren Rosamunde und Helmichis den Kopf, werden willenlos vorwärts getrieben, von Fall zu Fall, ohne daß sie auch nur einen energischen Versuch machen, mit ent= schiedener Kraft festzuhalten, was sie durch ihre Verbrechen erlangt, kühn zu erobern, wonach sie gestrebt haben, — die Krone und Herrschaft über das Longobardenreich. So müssen sie einerseits auf alles Interesse und alle Spannung verzichten, andererseits aber weckt die planlose unmotivirte Häufung der Begebenheiten eine unbeabsichtigte, unfreiwillige Komik in der Seele des Lesers. Und in einer solchen Stimmung läßt die Tragödie den Leser zurück!

Zur Abwechslung dafür wird in den ersten Akten die Handlung auf das Prokrustesbett geschnallt und auseinander gereckt, gerissen und gezogen, bis sie die unnatürliche Ausdehnung erhält, welche Kruse für nothwendig erachtet. Der Bau des Dramas verlangt die energischste Concentration, ein rücksichtsloses Ausscheiden aller Längen und Weitschweifigkeiten, vor allem ein Ausmerzen jeder Scene, welche nicht die Handlung motivirt, weiterfördert oder mit einem für die Idee, den Kern des Dramas charakteristischen Stimmungsbilde begleitet. In Kruse's Rosamundentragödie hingegen werden wir jeden Augenblick zerstreut, aufgehalten, vom Wege abgebracht und auf Bahnen geführt, welche ganz abseits von den Kreisen der Dichtung Hinziehen.

So beginnt dieselbe gleich mit einer Volksscene, denn unser Dichter liebt Volksscenen, wie sie Shakespeare geliebt hat, frisch, kräftig und urwüchsig. Aber während das Volk beim Shakespeare

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