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vermehrt werden, jeder Schriftsteller weiß von ihnen zu erzählen, .. und man fragt sich unwillkürlich, ob es noch immer kein antikritisches Blatt giebt, welches auch den Herren Recensenten auf die Finger sieht.

Ist es ein Wunder, daß bei solchen Thatsachen die Kritik dem Publikum uichts mehr gilt, soll man sich da über den SacherMasoch'schen Cynismus wundern, der die Aufgabe aller Beurtheilung dahin zusammenfaßt, daß sie viel, recht viel Lärm zu machen und die Reclametrommel zu rühren habe? Doch nein! Es ist an der Zeit, daß sich die Besseren unter uns aufraffen gegenüber den Männern, die nur schreiben um zu schreiben, nur kritteln um zu verdienen, denen die Literaturentwickelung unseres Volkes kein Heiliges ist, für das man Gunst und Genuß aufopfert, für das man Angriffe kleinlichster Art und alle Wuth der Coterie getrost erleidet, sondern denen nichts höher steht, als ihr erbärmliches Ich, mag auch das Piedestal ein Kehrichthaufen sein. Es ist Zeit, daß die Redaktionen von ihren kritischen Mitarbeitern etwas mehr verlangen, als fingerfertige Schreibkunst, nämlich Ernst, Wahrhaftigkeit und Neigung, es ist Zeit, daß der alte Schlendrian wieder falle, der in ebenso leichtfertigem Loben wie gewissenlosem Absprechen besteht, daß er ersetzt werde durch eine ästhetisch geschulte Kritik, in welcher kein Sag vorhanden, der nicht begründet ist, in welcher jedes Urtheil belehrend, veredelnd und anregend auf Künstler und Leser wirkt. Wenn das geschehen wird, dann werden vielleicht zehntausend Recensionen jährlich weniger geschrieben werden, aber was wir lesen, wird von Berufenen herrühren, nicht von blasirten Schwäßern und Paul Lindau wird sich wieder auf das ihm eigene Gebiet beschränken, auf „harmlose“, „überflüffige“ Plaudereien.

Für und gegen Bola.

In seinem Buche "The Koran" spricht sich Sterne über das Verhältniß der Poesie zur Wissenschaft und zur Kunst in folgender Weise aus: „Ich behaupte, daß Poesie weder Kunst ist noch Wissenschaft. Künste und Wissenschaften können gelehrt werden (Arts and sciences may be taught, poetry cannot — Goethe übersezt diese Stelle fälschlich: „K. u. W. erreicht man durch Denken“), Poesie nicht. Poesie ist Eingebung, sie war bereits in der Seele empfangen, als sie zuerst sich regte. Deshalb sollte man sie weder als Kunst noch als Wissenschaft bezeichnen, sondern als Genius."

Diese Bemerkung sagt viel zu viel, wenn sie die Poesie ganz aus dem Zusammenhange mit den Künsten herausreißen will, auch diese können ihrem tiefsten Wesen nach nicht gelehrt werden, aber sie ist berechtigt als Forderung an die Kritik, den Begriff der Poesie weiter zu fassen, als es zumeist geschieht.

Poesie ist Kunst, ja in ihr finden alle anderen Künste ein zweites Dasein, - der Tanz in der stilistischen und strophischen Bewegung, die Musik im Rythmus, im Reim, wie in der Klangfarbe der Worte, die Malerei in der Schilderung, die Plastik in der individuellen Charakteristik und die Architektur in der Symmetrie des Aufbaus, aber in der Poesie ist auch mehr als Kunst, denn sie ist zugleich Wissenschaft, mit der sie die Herrschaft über Sprache und Gedanken theilt (Faust, Hamlet, Divina Comödia) und wiederum mehr als Wissenschaft, weil sie auch Religion ist, denn mit dieser hat sie das Vermögen mystischer Versenkung gemein (Angelus Silesius, Dschelaleddin Rumi, Ponce de Leon, Juan de la Cruz)

und wiederum mehr als Religion, weil sie rückgreifend alle Sphären umfaßt, Religion, Wissenschaft, Kunst und Natur.

Eine ähnliche Anschauung der Poesie gelangt auch bei Wilh. v. Humboldt zum Ausdruck, wenn er (in der Abhandlung „Hermann und Dorothea") von einem Etwas in der Dichtkunst spricht, „das gar nicht mehr Kunst ist ", desgleichen bei Schelling, bei dem es (im System des transcendentalen Idealismus) heißt: „Es ist zu erwarten, daß die Philosophie, sowie sie in der Kindheit der Wissenschaft von der Poesie geboren ist und mit ihr alle Wissenschaften nach ihrer Vollendung als ebensoviel Ströme in den allgemeinen Ocean der Poesie zurückfließen, von welchem sie ausgegangen waren", nicht minder bei Solger, wenn er im „Erwin" die Poesie als die Kunst bezeichnet, welche allein die Idee in ihrer Wahrheit, in ihrer Wesenheit ausdrückt, oder auch bei Weiße (Aesthetik, Bb. 2 S. 352), bei Hegel, demzufolge (vgl. s. Aesthetik) die Poesie die absolute, wahrhafte Kunst des Geistes bildet, sowie seine Aeußerung als Geist, ferner bei Goethe und bei Jean Paul. Troßdem also Dichter und Aesthetiker darin einig sind, dem poetischen Genius ein Gebiet anzuweisen, so umfassend, so unbeschränkt wie der Geist selbst, unendlicher als die Natur, verharrt dennoch die Masse der Kritik bei uns wie anderwärts jeder neuen eigenartigen Literaturerscheinung gegenüber auf dem Standpunkte bornirtesten Philisterthums, verlebtester Zopfträgerei und pedantischen Regelzwanges. Oder ist es etwas anderes, wenn man einen Charakter, eine That, eine Schöpfung nicht aus deren eigenem Wesen heraus beurtheilt, sondern den Maßstab des Alltäglichen, des Conventionellen daran legt, wenn man das Handeln eines Bismarck von dem Standpunkte eines Schulmeisters, die Befreiungskriege vom Gesichtspunkte eines Mennoniten, Rubens', Jüngstes Gericht" in Rücksicht auf ein Mädchenpensionat betrachtet. Das ist pedantisch, das ist zopfträgerisch, das ist philiströs, nicht wahr? Nun, ganz dasselbe ge= schieht in dem Streite, der gegenwärtig in Frankreich, Dänemark und Norwegen in betreff des sogenannten Naturalismus entbrannt ist und der auch nach Deutschland lohend herüberschlägt. Die meisten Angriffe in diesem Streite hat Emile Zola zu erleiden, da seine Romane die naturalistische Richtung. am schärfsten zum Ausdruck

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bringen und durch ihre rücksichtslose Consequenz die tugendhaften Deutschen, welche bei allem, was sie schreiben, zunächst an die prüden Jungfrauen ihrer Bekanntschaft denken, zur Verzweiflung bringen. Jene Recensenten, welche Zola einfach einen „schmußigen Gesellen" heißen, lasse ich hier ganz unberücksichtigt, die haben ihn gar nicht gelesen, - und mit bloßen Verleumdern ist nicht zu rechten, aber es giebt eine andere Gesellschaft von Kritikern, welche das gewaltige Talent des Autors anerkennen, und welche nur bedauern, daß . . . . Vielleicht daß er in übertriebener Weise charakterisirt, daß die Handlungen seiner Romane der künstlerischen Entwicklung und Concentration entbehren, daß seine Schilderungen mehr durch Quantität, als Qualität wirken? - nein, von dieser Art nichts. Sie bedauern, daß Zola, wenn er Menschen aus der Hefe des Volkes darstellt, diese nicht erst in ein irisches Bad schickt, sie nicht erst in Eau de Cologne taucht und dann in reine Wäsche und schwarzen Anzug steckt, sondern daß er sie vorführt, wie sie sind, und reden läßt, wie sie ohne Zweifel in ihren Höhlen reden. Und warum bedauern sie das? Weil es sich nun einmal nicht schickt, in anständiger Gesellschaft Wörter wie le derrière, merde u. s. w. zu gebrauchen, weil schmußige und unsittliche Scenen überhaupt den Anstand beleidigen und weil unser Lesepublikum doch wohl zur anständigen Gesellschaft gerechnet werden muß. Halt! das ist der erste Fehler, den diese Leute begehen. Wendet sich der Dichter wirklich an den Leser als an den Gesellschaftsmenschen, als an ein in Vorurtheilen, Rücksichten und conventionellen Lügen eingeschnürtes Wesen, oder wendet er sich nicht vielmehr an den Menschen als solchen, losgelöst von den irdischen Gebrechen kleinlicher Thorheit und Befangenheit? Gewiß an den letteren, denn andernfalls würde auch die Darstellung seelischer Reinheit und heiligen Friedens, also etwa die Goethe'sche Iphigenie oder eine Madonna Raphaels auf ihn keinen Eindruck machen, denn jene Reinheit steht eben so hoch über seinem anständigen“ Empfinden, wie die Darstellung des Gemeinen vielleicht unter demselben. Das ist ohne Frage ein entscheidendes Versehen und doch, was will es heißen gegen den ästhetischen Grundirrthum jener Kritiker, gegen die Verwechslung desjenigen, was in der Wirklichkeit gemein ist, mit dem künstlerisch Dargestellten und

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gegen die Aufstellung der Schicklichkeit als eines Marksteins des poetisch zulässigen.

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Als Gogol dereinst im „Revisor“ und in den „Todten Seelen die sozialen Mißstände Rußlands so düster, so entsegensschwanger malte, wie er sie vor Augen sah, da rief die Kritik zürnend und höhnend ihr Anathem gegen den Ketzer, dessen Kunst einen grellen Aufschrei der Wirklichkeit bedeute, aber kein versöhnendes, harmonisches, verklärendes Gebilde. Nun, die Kritik hat längst nachgegeben, Gogol gehört zu den anerkannten Heiligen der russischen Literatur, aber gelernt hat die Kritik aus diesen und ähnlichen Fällen nichts. Noch immer wird ein Jeder, der in die hausbackene Anschauung, die Poesie habe nur das Vergnügen, höchstens das bildende Vergnügen zum Zweck, mit seinen Werken Bresche schießt, als Verräther an den hehren Idealen der Dichtkunst verschrieen. Dagegen aber rufe ich den Begriff zu Hülfe, den ich oben aus den hervorragendsten Schöpfungen der Poesie selbst abstrahirt habe, er beweist, daß die Poesie keine andere Aufgabe haben kann, als die gesammte Welt wiederzuspiegeln oder im Anschluß an die uiunois des Aristoteles sie nach- und neuzuschaffen. Was der Dichter darstellt, ist ganz gleichgültig, es kommt allein darauf an, daß er als Dichter darstellt. Wohlverstanden, schon in der Stoffwahl kann sich des öfteren ein höheres oder niederes Talent beweisen, aber die Thatsache, daß fein Stoff, auch der unsittliche und gemeine nicht, an und für sich undichterisch ist, bleibt gleichwohl zu Recht bestehen.

„Jenes Geistig-Häßliche“ (das Unsittliche nämlich u. f. w.), bemerkt Schasler in seiner kritischen Geschichte des Aesthetik, „hat mit der Kunst nichts zu thun, im Gegentheil kann dieses Häßliche als Charakteristisches sogar der Gegenstand der künstlerisch-vollendetsten Darstellung sein." Und an einer andern Stelle: „Auch die holländische Genere-Malerei kann man im gewissen Sinne häßlich nennen, sofern man nämlich auf den objektiven Inhalt der Darstellung reflektirt. Allein dieser ist in seiner äußeren Erscheinung nicht das Wesentliche in der Kunst, sondern die Art und Weise, wie dieser durch die Kulturentwicklung gegebene Inhalt aufgefaßt, und

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