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Offener Brief an den Fürsten Bismarck.

Ew. Durchlaucht haben es zu verschiedenen Malen im Parlamente wie in Privatkreisen ausgesprochen, daß Ihr Streben sich darauf beschränke, das deutsche Reich in seinen Fundamenten und Mauern festzugründen, allenfalls es wohnlich zu gestalten, daß Sie es jedoch anderen Männern, anderen Geschlechtern überlassen müßten, dem Gebäude durch Ornamente und Ausstattung inneren wie äußeren Glanz zu verleihen.

Gewiß, jene Beschränkung faßt einen Thatraum in sich, welcher wohl ein Leben auszufüllen vermag. Und doch bin ich der Ansicht, jene Aeußerungen sollen nicht dahin verstanden werden, daß Ew. Durchlaucht und das Geschlecht der Gegenwart die höchsten Ziele einer Volksentwicklung zur Zeit ganz außer Acht lassen dürften. Diese höchsten Ziele aber sind in der Wissenschaft, in der Kunst und in der Literatur eingeschlossen und daß neben den politischen und socialen Einrichtungen auch eine neue, gesunde und ziel bewußte Pflege der idealeren Kulturkräfte schon heute anzubahnen ist, das kann dem Baumeister des Reiches nicht entgangen sein. Jene Einrichtungen sollen unsre Stärke bilden, diese Pflege aber unser Glück, jene sollen gleichsam der Wohlfahrt des Leibes dienen, diese dem Wohlbefinden der Seele, denn wie die Vollkommenheit des Individuums, so beruht auch die des Staates auf der harmonischen Ausbildung aller Kräfte, die in ihm ruhen. Jede Einseitigkeit tödtet ein Volk, Sparta ging durch den Mangel an ästhetischer Kultur, Athen durch die Ueberfeinerung derselben zu Grunde. Es mag Zeiten geben, in denen es nothwendig erscheint, die höchste Sorgfalt auf die Sicherung der äußeren Macht zu

verwenden, aber stets muß es möglich sein, mit ihr die Rücksichtnahme auf die lebendigen Interessen des Geistes zu vereinigen.

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Inwieweit dies lettere im gegenwärtigen Deutschland bezüglich der Wissenschaft, der Musik und der bildenden Künste geschieht, das zu untersuchen ist meine Aufgabe nicht, für die Literatur, so viel steht außer Frage, thut der Staat (weder das Reich noch die Einzelländer, denn die Munifizenz der Fürsten kommt hier nicht in Betracht) nichts, nichts, nichts. Gleichwol bildet die Literatur das eigentlich Unsterbliche eines Volkes, mit ihr hat es vor der Nachwelt seinen Werth, seine Bedeutung, sein Daseinsrecht zu bezeugen. Unsere Schriftsteller jedoch, unsere Dichter, die Vertreter der Literatur, find allem inneren Selbstbewußtsein zum Troß, ein bescheidenes, ich möchte sagen blödes Völkchen, uneigennüßig treten sie ein für die Forderungen aller Welt, bald Dieses, bald Jenes, und für sich selbst begehren sie nichts. Ja, bei Manchem gilt es für ein Ariom, daß die Literatur niemals eine Förderung vom Staate erwarten dürfe, sowie es früher ein allgemeiner Grundsaß war, daß Dichten und Darben noch tieferen Zusammenhang hätten, als bloß die Alliteration.

Elf Jahre sind nunmehr vergangen, seit aus dem Chaos des großen Krieges das neue Reich emporstieg. Wer gedenkt nicht mit Wehmuth jener Tage, deren Begeisterung auf allen Gebieten das Höchste erhoffte und es wie im Sturme erreichen wollte. Auch die Literatur sollte einer neuen Blüthezeit entgegengehen, nationale Epen, nationale Dramen, nationale Theater erwartete man von einem Tage zum andern. Die Entnüchterung folgte bald, man hatte eben vergessen, daß nicht die Alten, die Langbewährten, die Fertigen plöglich in einem neuen Geiste schreiben, von einem neuen Lichte durchglüht ihre Manier, ihre Ideale ändern würden, sondern daß erst die Jugend heranwachsen müsse, deren Geist unter dem Einfluß der gewaltigen Ereignisse gehämmert und geschmiedet worden. Nun aber ist die Zeit gekommen, wo diese Jugend hervortritt, ob sie etwas leisten wird, ist noch die Frage, aber sie ist da und pocht an.

Es ist wahr, unsere Väter haben eine herrliche Literatur geschaffen und nicht gesorgt, ob der Staat ihnen Hülfe leisten werde.

Aber warum? Sie hatten keinen Staat, kein Vaterland. Bitter genug haben sie das empfunden, als Klopstock nach Dänemark auswandern mußte, als Schiller und Wieland und wie sie alle heißen mögen, genöthigt waren, in die Enge kleiner Fürstenhöfe sich zu flüchten.

Wie jedes andere Lebensgebiet, so muß auch die Literatur auf dem nationalen Staate basiren und aus seiner Kraft die ihre saugen, denn im anderen Falle treten Fürsten und Mäzenaten an Stelle des Staates und die Entfaltung der Literatur wird einseitig und gedrückt.

Sie hatten keinen Staat, fein Vaterland. Wir aber sind Kinder einer Nation geworden und deshalb verlangen wir, was Jene entbehren mußten, denn der nationale Staat ist der Literatur die gleiche Achtung und Hülfe schuldig, die er (freilich durch die Kanäle der partikularen Bundesglieder) der Kirche und Schule, theilweise auch der Kunst und Wissenschaft gewährt.

Anfänge einer solchen Staatshülfe sind allerdings in Deutschland vorhanden, oder sollte nicht die Gesetzgebung über das Urheberrecht, sollten nicht die literarischen Conventionen mit mehreren fremden Staaten als solche zu bezeichnen sein! Aber das ist auch alles.

Wie wenig Achtung der Staat hegt vor der Literatur und den Kunstzweigen, die mit ihr zusammenhängen, das bezeugt die Thatsache, daß die Gewerbe- Gesetzgebung auch das Theater umfaßt, eine Verquickung des Reinpraktischen und des Aesthetisch-Kulturellen, aus welcher eine ganze Reihe von Mißständen für die Bühne entsprungen ist. Wol als Entschädigung für diese Rücksichtslosigkeit ist die liebevolle Rücksichtnahme zu betrachten, mit welcher — wenigstens in Preußen die Theatercensur noch immer beibehalten und gehandhabt wird, obwol es gar keinen durchschlagenden Grund gibt, Bücher- und Theatercensur zu trennen, die eine aufzuheben und die andere zu bewahren. Gerade das Theater, das vor allem ein Spiegelbild der Zeit, nicht ihrer äußeren Zustände, sondern ihres Geistes bieten soll, leidet unter einer kleinlichen Ueberwachung ganz besonders, zumal wenn diese Ueberwachung der in ästhetischen Dingen nicht immer feinfühligen Polizei anvertraut ist. Allerdings ist es

möglich, daß ein Drama heftige und erschütternde Wirkungen auszuüben vermag, aber dann tragen doch die Zustände, welche es schildert, die Schuld, nicht der Dichter, dann censire man also jene.

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Zum mindesten aber sollte dem Rechte, das der Staat in der Censur für sich in Anspruch nimmt, eine Pflicht gegenüberstehen, nämlich die Subvention des Theaters. Ich weiß, welche horrende Anschauungen man mit dem Begriffe Staatstheater" verbindet, gleichwol sehe ich für die Entwicklung der deutschen Bühne, wenigstens ihrer heutigen Lage nach, kein dauernd Heil, als in einer geordneten Staatshülfe. Die Hoftheater, welche sich einer stetigen Subvention (seitens der Fürsten) erfreuen, sind gezwungen, exklusiv zu bleiben und Rücksichten zu nehmen, die auf eine emporblühende Bühnendichtung gleich giftigem Mehlthau wirken, deshalb hat der Staat diejenigen Privatunternehmungen zu unterstüßen und sicher zu stellen, welche ein wahrhaft künstlerisches Streben und eine schaffenskräftige, strenge Leitung verrathen. Des Näheren einlassen kann ich mich auf diese Frage, auf Gründe und Gegengründe, nicht, denn mein Brief ist kein Exposé, sondern nur ein Mittel, die öffentliche Diskussion wachzurufen.

Nicht allein das Theater aber, sondern auch andere literarische Unternehmungen haben dasselbe Recht, wie archäologische Ausgrabungen und geographische Expeditionen, Unterstüßung vom Staate zu heischen, ich meine vor allem Zeitschriften, Jahrbücher u. dgl. m., welche in hervorragender Weise geeignet erscheinen, Hochschulen ästhetischer Kultur zu bilden oder die Strömungen der Gegenwart wiederzuspiegeln. Strittiger möchte die Frage sein, ob es auch angezeigt und durchzuführen wäre, Talenten, welche sich in irgend einer Weise als solche bewährt haben, zur Hülfe zu kommen; ich glaube auch diese Frage bejahen zu dürfen. Jedes Talent, das aus dürftigen Verhältnissen hervorgegangen ist, gelangt im Laufe seiner Entwicklung zu einem Punkte, wo es sich zu einer gewissen Höhe durchgekämpft hat und nun einer freien, ungestörten Muße bedarf, um wahrhaft Ausgestaltetes und Harmonisches zu schaffen. Diese Muße kann ihm nur der Staat gewähren; wohl gibt es allerlei Stiftungen, welche diese Aufgabe haben sollten, aber diese scheinen

sämmtlich mit der Zeit zu Versorgungsanstalten für Wittwen und Waisen zu werden, die lebendige Literatur hat fast nichts von ihnen. Der Einwand, daß eine Staatshülfe, wie ich sie mir denke, unbedingt zu einer Staats literatur führen müsse, schreckt mich nicht, denn ich fürchte nicht, daß ein allzustarker Einfluß politischer Strömungen auf die Literatur ein nothwendiges Correlat zu jener Hülfe bilden würde, sobald diese nur nicht als Almosen, sondern als planmäßig in den Rahmen der gesammten Staatsfürsorge eingefügtes Glied aufgefaßt wird. Die Geschichte der letzten Jahre sollte denn doch das eine klargelegt haben, daß es Zeit ist, in dem Staate etwas Höheres zu sehen, als eine Zwangsanstalt, welche alles Individuale zu erdrücken sucht; jedenfalls bietet eine Staatsliteratur, auch das Schlimmste angenommen, die Möglichkeit einer weiteren, freieren Entfaltung, als eine Hofliteratur, die von der Gnade der Medici, Este u. s. w. zehrt.

Wichtiger ist der Einwand: Wie soll der Staat erkennen, wo die Hülfe erforderlich, wo heilsam ist? Dazu hat er weder Zeit noch Organe.

Nun, das ist gerade der Uebelstand, der mir den Anlaß zu diesen Zeilen gegeben hat. Soll Deutschlands Kultur jene Höhe erreichen, welche dem Streben seiner besten Söhne gebührt und welche es erreichen muß, um seine Stellung im Rathe der Nationen zu behaupten, so ist es nöthig, ein besonderes Reichsamt für Literatur, Theater, Wissenschaft und Künste zu freiren. Das sind vier Gebiete, so umfassend und so bedeutsam, daß sie von den Ministerien des Cultus nicht mit der gehörigen Sorgfalt behandelt werden können, das sind aber auch Gebiete, welche nichts speciell Preußisches, Sächsisches oder Bayrisches bilden, sondern ein Allgemeines, Deutsches, dessen Pflege nicht den Partikularstaaten, sondern dem Reiche gehört. Es braucht mir Niemand zu sagen, daß mein Verlangen nicht viel besser, als utopisch ist. Wo sind die Gelder, wo ist die Bereitwilligkeit der Einzelstaaten, eine Einrichtung herbeizuführen, welche so viele grundstürzende Aenderungen im Gefolge haben müßte?

Immerhin, nur der Zielpunkt kann vorläufig noch als utopisch erscheinen, aber ein erster, zweiter und dritter Schritt auf dem Wege

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