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derselben einzelnes in sich aufgenommen haben, so ist die rechte Folgerung nur die, daß auch die Poesie der Gegenwart nicht selbst zur Naturwissenschaft werden, sondern blos an deren Geiste theilhaben muß. Das ist ein berechtigter Gedanke, jeder Schritt aber, der weiter herausgegangen wird, führt zu eben so kleinlichen Beschränkungen der Poesie, wie der falsche Idealismus der Gegner Zola's. Mag man sich die Entwicklung des Romans auch noch so eigenartig denken, niemals wird er zu einem pathologischen Lehrbuche werden, wie es Zola möchte. Die Wissenschaft sucht das Allgemeine aus dem Individuellen heraus zu extrahiren und in Begriffe aufzulösen; der Roman und nicht minder die Poesie überhaupt sucht im Individuellen das Allgemeine darzustellen und in Formen zu verkörpern. Jean Paul fordert daher vom Dichter mit sinnvoller Unterscheidung, nicht die Natur nachzuahmen, sondern der Natur nachzuahmen. So verstanden ist es allerdings möglich, aus poetischen Werken zu lernen, aber nicht anders wie aus der Natur, während man aus der Wissenschaft nichts lernen kann, sondern nur durch die Wissenschaft. Die Poesie verhält sich eben nicht zur Wissenschaft wie kindliches Empfinden zu männlichem Denken, sondern beide sind coordinirte Gebiete wie Empfinden und Denken selbst, die mit einander wachsen und sich erweitern, ohne einander Eintrag zu thun.

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Der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit!“ Das ist das Prinzip aller echten Poesie, das jede Einseitigkeit verhindert, — und das einzige, freilich nicht genug zu preisende, Moment, das wir den Theorien Zolas wie seinen Romanen als ewig gültig entnehmen können, das ist die Betonung der Wahrheit. Aber wie sündigen die meisten unserer deutschen Schriftsteller tagtäglich gegen dies Prinzip! Unwahrheit der Sprache, der Gedanken, der Handlung, der Charakteristik, der Weltanschauung ist der Masse unserer Roman- und Dramenschreiber fast zur Norm geworden, wie selten begegnet uns eine Figur, bei der man von Herzen sagen könnte, was man jedem dichterischen Gebilde gegenüber sagen sollte: Tat

twam asi, das bist du, wie selten ist deshalb auch eine Spur von dem Sprößling der Wahrheit, von der freien, kühnen und starken Männlichkeit, zu entdecken. Unsere Literatur ist mit geringen Ausscheidungen zu einer bloßen Frauen-, ja vielleicht Mädchenliteratur geworden; was den verzärtelten, prüden und albernen Geschöpfen einer kleinlichen Erziehungsmethode nicht gefällt, das wird verboten, was ihnen gefällt, wird als Richtschnur hingelegt. Schon haben wir es denn auch dahin gebracht, daß ernste, begeisterte Worte von der unendlichen Größe und Schönheit wahrer Poesie als Ergüsse eines verrückten Idealismus verspottet werden und daß eine Kritik, die nicht um jedes lektüregierigen Backfisches willen aus einem bornirten Ochsen ein herziges, anspruchsloses Weidethierchen macht, für berserkerwüthig gilt. Nun, verzagen wollen wir darum nicht. Jeder großen Geschichtsperiode folgt eine Erschöpfung des geistigen, aber noch weit mehr des Empfindungs- und Phantasielebens, und natürlich vollzieht sich dieser Prozeß am sichtlichsten in der Literaturgeschichte. Fast unsere gesammte Epigonendichtung ist ihrem Wesen nach nichts mehr, als ein zweiter Aufguß der klassischen, eine glatte, durch Lektüre vermittelte Reproduktion, nirgendwo ein urendlicher Naturlaut, nirgendwo lebendige Quelle. Was ihr fehlt, ist nicht die Empfindung überhaupt, aber wohl die elementare, aus dem Herzen der Natur aufquellende Empfindung, mit anderen Worten, das Genie, der Naturalismus im höchsten Sinne des Begriffes, als Gegensatz zum Formalismus, der im antiken Hellenenthum die höchste Blüte erreichte und durch Goethe, den Dichter der „Iphigenie“, unserer Literatur eingeimpft wurde. Dieser Formalismus bildete eine nothwendige Stufe der Entwicklung, aber gegenwärtig, wo er seine Vollendung bereits erreicht hat, muß er wiederum durch den Naturalismus des Genies überwunden d. h. aufgesaugt werden. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn ich sage: wir müssen wieder anknüpfen an den jungen Goethe, den Schöpfer des „Werther“ und „Faust", denn da ist nicht nur Wahrheit wie bei Zola, da ist poesiegetränkte Wahrheit. Nur dann wird unsre Poesie die rechte Mitte finden zwischen erdfrischem Realismus und hoher Idealität, zwischen kosmopolitischer Humanität und selbstbewußtem Nationalismus, zwischen gedankenreicher Männ

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lichkeit und tiefquellender Empfindung, nur dann wird sie das Höchste erreichen, nämlich aus dem vollen Born der Gegenwart schöpfend ursprüngliche, individuell gefärbte Natur zum Ideal verklären. Verschiedene unserer Dichter, wie Hamerling, Gottfried Keller und einige Andere stehen bereits auf dem Boden dieses neuen Literaturgeistes, - ich fürchte nicht, daß sie eine Vorhut ohne Hauptheer bilden werden.

Leipzig, Walter Wigand's Buchdruckerei.

Heinrich Hart. Julius Hart.

Kritische Waffengänge.

Drittes Beft.

Sugo Bürger.

Ein Lyriker à la mode.

Leipzig

Verlag von Otto Wigand.

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