ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Gedanken, an lebendiger Gluth, an starken Empfindungen hin, es bezeugt, daß der Poet bewußt oder unbewußt das Bedürfniß in sich fühlt, seinen fadenscheinigen Stoffen durch Aufbügeln mit blendendem Klingklang einen Schein von Neuheit und Glanz zu geben. Und wirklich, der Armuth an Formen entspricht die Armuth an Stoffen und die Plattheit der Stoffe. Im Grunde genommen finde ich nur zwei Arten, nämlich Leitartikelpoesien und sentimentalen Gewohnheitstratsch; lezterer läßt sich unter die bekannten Gruppen „Liebe“ (d. h. schattenhafte Empfindelei und Spielerei), „Freundschaft" (desgleichen), „An die Armen" (desgleichen), „Wanderlieder" (d. h. Abschied von der Mühle, Handwerksgesellenluft u. s. w., ge= treu nach beliebten Mustern) restlos vertheilen. Von der Verlogenheit der Gefühle, die in all diesen Reimereien waltet, soll nur ein, weil kleines Liedchen (oder Liedlein; Lied klingt derartigem Zeug gegenüber viel zu würdig) Zeugniß ablegen:

Ihr Sternlein, hoch am Himmelszelt,
Ihr schaut ja auf die ganze Welt,
Sah keines mein verrathnes Lieb,
Weiß keines, wo die Aermste blieb.

Ihr Sternlein, die ihr tröstend scheint,
Wo still ein Herz verlassen weint,
Sah keines ihre Wange blaß,
Ihr Auge, das von Thränen naß.

Ihr Sternlein geht ja auf und ab,
Saht ihr vielleicht ein frisches Grab?
O, zeiget mir die Stelle an,

Daß dort auch ich mich betten kann.

Heiliger Siegwart! Wer hätte denken mögen, daß hundert Jahre nach deinem seligen Hungertode noch ein vernünftiger Mensch derartig winseln könnte; wen übermannt nicht die Rührung, wenn er von dem „verrathnen, ärmsten Lieb“ hört, das ohne Zweifel durchgegangen und nicht mehr polizeilich zu ermitteln ist, denn die „Sternlein" sollen nachsehn, wo die Aermste blieb", ob sie blaß und naß verlassen irgendwo weint, oder ob sie schon im „frischen Grabe“ liegt. Lieber Poet, Sie wissen, daß Ihnen die Sternlein nichts antworten werden, Sie haben daher gut erklären, daß dort auch

"

"

ich mich betten kann“. In diesen, wie in fast allen sentimentalen Gedichten Trägers herrscht jene Anempfindung, welche jeder Selbstständigkeit, jedes eigenen Lebens bar ist und welche zum tausendsten Mal die Volks- und Kunstlyrik der Vergangenheit wiederfäut, anstatt aus den Impulsen der eigenen Seele und der Zeit heraus zu schaffen. Nicht blos für den Roman, nicht blos für das Drama gilt die Forderung nach einer Kunst, welche Aktualität und modernen Geist athmet, auch in der Lyrik wirkt es allgemach betäubend, wenn man ein halbes Jahrhundert, nachdem Wilhelm Müller in diesem Tone gesungen, noch immer als Novität Verse vorgesett erhält, wie:

„Schon wieder hab' ich mein Bündel geschnürt,

Du giebft mir, mein Schaß, das Geleite, . . . . ."

oder „Leb wohl, leb wohl! Der Mühlbach rauscht", wenn man stets von neuem Geibel und Uhland in Varianten liest, wie „Durch manchen Wald noch werd' ich schweifen, am Hut des Blattes grüne Zier, Noch manchen. ..“ und „Siehst Du ein Herz in Liebe glühn, o, lieb es treulich wieder", oder Tieck zu hören glaubt, sobald es wieder einmal heißt „Wunderbare Sommernacht, deine Zauber lasse walten", oder auch Freiligrath in Gedichten wie „Ohne Cruzifix", „Der Spizenhändler“, „Des Armen Kind" auferstehen sieht. Aber ich habe als Zeichen des Dilettantismus nicht nur die Unwahrheit der Empfindung, nicht nur das Anempfindeln (als Mangel an eigenartiger Persönlichkeit), nicht nur die Hohlheit der Form hingestellt, als ebenso trostlos und der Mittelmäßigkeit eigen nannte ich die Verschwommenheit des Ausdrucks und das Durchgehen der Phantasie mit dem Verstande.

Beides tritt am meisten zu Tage in der Bilderpracht, welche Träger entwickelt und ich will daher einige Proben aus dem reichen Album, das er uns in dieser Hinsicht darbietet, mittheilen und die eine oder andere näher beleuchten.

In dem Gedichte Glühende Asche" heißt es:

"

[ocr errors]

„Das Leben ließ mein Herz erkalten,
Nur in der Asche glimmt die Gluth,
Wo still in seinen tiefsten Falten

Dein heilig Bild begraben ruht."

Jedes Wort dieser Zeilen ist ein leuchtender Funke genialen Aftersinns. Ein erkaltendes Herz, dessen Gluth nur noch in der Asche glimmt, in dessen Falten aber ein heilig Bild still begraben ruht, ich wollte, ich wäre ein Maler, um das malen zu können. Zunächst das begrabene Bild, wie das Jeden anheimeln muß, der die Bilder der Geliebten zu begraben pflegt, ein Anderer kann sich freilich nichts Schwungvolles genug dabei denken, dann die höchst nothwendige Versicherung, daß dies begrabene Bild sich still verhält, wer unter uns wüßte denn nicht, wie begrabene Bilder sonst zu rumoren wissen, ferner die Bemerkung von den tiefsten Falten und schließlich das alles sagende „Wo“, das nur die kleine Unklarheit aufkommen läßt, worauf es sich eigentlich bezieht. Nehme ich an, daß es auf Gluth oder Afsche zielt, so würden die folgenden Verse bedeuten „das heilige Bild ruht in seinen eigenen tiefsten Falten begraben", nehme ich an auf Herz, so weiß ich nicht, wie das Bild in den Falten des Herzens liegen soll, ohne von den glimmenden Funken angesengt zu werden. Aber beim Himmel, lieber Leser, Du hast vielleicht mehr Zeit als ich, Dich durch ein solches Irrsal hindurchzuarbeiten, versuchs und theile mir die Lösung mit. In einem anderen Liedel preist Herr Träger das Schneeglöckchen als Märzenblume, wie ein Banner auf dem Tische aufgepflanzt“ ; ein auf dem Tische aufgepflanztes Banner in Gestalt eines Schneeglöckchens, diese Macht der poetischen Anschauung wirkt mehr als großartig, sie wirkt zermalmend. Und doch, sie kann noch übertrumpft werden, freilich nur von Träger selbst. Auf Seite 211 erscheint nämlich eine „Thräne, die still im Herzen verblutet“. Eine Thräne, die im Herzen verblutet, ist gewiß eine Rarität, wunderbarer jedoch ist es, daß sie still und nicht laut verblutet. Verzeihen Sie, lieber Herr Träger, aber ich komme allmählich zu der Ansicht, daß Sie mit Ihrem ewigen „still“, „leise“ und ähnlichen Wörtchen gar nicht andeuten wollen, eine Thräne könne allenfalls auch laut verbluten oder ein Bild auch lärmend begraben ruhen,

"

sondern nur den Vers ausflicken möchten. Unter uns gesagt, ich hätte mir derartige Nothbehelfe allenfalls noch in der zweiten Auflage Ihrer Gedichte gefallen lassen, aber in der fünfzehnten, das ist etwas viel verlangt, besonders seitens eines Poeten, der als formge: wandt gerühmt wird.

Aber weiter, weiter!

,,Das Leben winkt, genieße ohne Raft,

Was Du versäumst, beut es Dir niemals wieder,
Wenn Du Dich selber einst verloren hast,

Dann seße trauernd Dich auf Gräbern nieder.“

[ocr errors]

So heißt es auf Seite 63 der Gedichte, und ich weiß nicht, was mehr zu bewundern ist, die Fertigkeit, zwei Säte wie „Das Leben winkt“ und „Wenn Du Dich selber“, die gar nichts miteinander zu thun haben, ohne weiteres in einer Strophe aneinander= zuhängen, oder die köstliche Vorstellung, daß jemand sich selbst verlieren und dann doch auf Gräbern niedersizen könne. Wohlgemerkt, auf Gräbern, der bloße Singular genügt Herrn Träger nicht, er bedarf einer breiteren Unterlage.

"

Nicht minder genial ist das Bild, das dem Dichter auf Seite 100 aus der Feder schlüpft, dort weiß er eine unschuldige Zeitung nicht anders zu kennzeichnen, als durch ein welkes (!) Blatt, vom Tagessturm auf meinen Tisch geweht". Beim Himmel, was seid ihr alle für Stümper gewesen, ihr Marinisten und Gongoristen, gegen Albert Träger! Gleich auf Seite 101 geht's in diesem Stile weiter!

„Und jener Lenz, dem jede Mannes f a ust

Bewehrt von heil'gem Zorn, entgegenbebt."

Ein Lenz, dem die Fäuste entgegenbebten und nicht die Herzen, das wird ein schöner Lenz gewesen sein. Aus dem halb kindischen Liede „Hinaus!“, wo der Dichter seiner Geliebten gegenüber aufflammt wie ein Bündel Stroh, braucht man kaum ein einzelnes Bild herauszuheben, das ganze Ding ist ein sinnloses, zweckloses, unmögliches Bild. In der ersten Strophe versichert der Poet seiner Ge= liebten, daß er schwer bei ihr gelitten, ungesehn von ihr, doch sei der Friede jegt erstritten und er bete nur noch einmal still vor ihrem Bilde, um sich dann schweigend in Erz zu hüllen und mit

der Liebe Demantschilde das verwundete Herz zu bedecken. Ob ein Demantschild für eine Wunde gerade das beste Pflaster ist, das mögen die Aerzte entscheiden. Die zweite Strophe giebt uns hoffentlich Aufschluß, weshalb sich Träger eigentlich in Erz gehüllt hat. Richtig! Da heißt es „Hinaus zum Ringen und zum Schaffen!" Leider jedoch erfahren wir sonst nichts; gegen wen, aus welchem Grunde gekämpft werden soll (das Schaffen" ist wohl nur des Reimes auf „Waffen“ wegen da ), das mag sich jeder selbst ausdenken. Einen Augenblick scheint es, als ob Träger die Geliebte erstreiten wolle, denn er ruft: „Ich schwinge ja für Dich mein Schwert", aber gleich darauf sagt er:

"

Kann ich Dich selbst auch nicht erringen,

Ich kämpfe Deiner werth zu sein."

Also nicht! Die dritte Strophe versichert uns, daß die Geliebte die Sonne, der Liebende ein Aar sei, daß die feuchten Wangen des Aares schon trocknen und es nun mit dem „träumerischen Minnen vorbei sei", denn

„Meine Liebe sei die That,

Ohnmächtig ist der Thränen Rinnen,
Mein Blut tränkt fortan meine Saat.“

Das klingt etwas wild, ist nicht allzu ernst gemeint. der Minne doch nicht so ganz verkündigt wird:

etwas schaurig, aber ohne Sorge, es Gleich darauf merkt man, daß es mit vorbei ist, da in der vierten Strophe

,,Doch lagre, müd vom wilden Streiten,
Am Abend ich in Busch und Nied,

Dann greif' ich in der Laute Saiten . . .“

und singe Dir ein Lied voll Liebe und Treue. Die fünfte und sechste Strophe schließen sodann: „Und so im Streiten und im Singen hab ich mein Leben Dir geweiht“, Du aber sage, wenn ich einst mit Beute und Lorbeerumkränzt heimkehre, die Welt dankt diesen Helden mir"; sollte ich jedoch fallen, so beuge Dich zum Schlachtfeld nieder, bis Du meine Leiche entdeckt und bringe dies Herz zur Ruh, das ruhlos Dir geschlagen."

Ein größeres Geschwafel ist mir selten vorgekommen, der Kopf

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »