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darum auch falscher ausgedrückt, als wenn Eduard Devrient in seinen Auslassungen über den Magister Velthen und seine Kunstepoche triumphirend ausruft: „Deutschland hat früher Schau spieler als Schauspieldichter gehabt". Die kühne Einführung der Improvisation sei ein offenbar ernst gemeinter Versuch gewesen: „die Schauspielkunst gänzlich aus der Abhängigkeit vom Dichter zu emancipiren“. „Die genialsten Köpfe der Velthen'schen Genossenschaft rafften aus allen möglichen vorhandenen Dramen die wirkungsreichsten szenischen Erfindungen zusammen, beuteten die Moderomane, die Historienbücher, selbst die Staatsbegebenheiten der Neuzeit aus und combinirten weitläufige Szenarien, in denen alle Bühneneffekte zusammengebaut, alles Dagewesene überboten werden sollte. Politische Vorgänge, erstaunliche Großthaten berühmter oder fabelhafter Helden und Könige, die blutigsten Greuel neben der ge= ziertesten Schönrednerei der Prinzeß und Prinzessinnen und den impertinentesten Schwänken der Possenreißer, Zauberstückchen und Verwandlungen, Träume und Erscheinungen, Himmel und Hölle, Alles das in der abenteuerlichsten Verknüpfung mit feierlich allegorischdidaktischen Gestalten, Zwischenspielen, Balletten, Chören, Arien, Illuminationen und Feuerwerken, das waren ungefähr die Ingredienzien dieser Velthen'schen Hauptaktion."

Und das nennt man eine Emancipation vom Dichter?! Aber nein! Das war nur eine Emancipation vom Berufs dichter, nur ein schauspielerischer Protest gegen jene Herren Dramatiker, welche damals, wie noch heute, Buch- und Lesedramen schrieben und die lebendige Bühne aus dem Auge ließen. Von dem Poeten, sagen wir besser von der Poesie konnte sich auch Magister Velthen, der erste deutsche Theaterdirektor, nicht lossagen, und so wurde er selbst Poet, wie seine talentirtesten Schauspieler es wurden, so schrieb er selbst Dramen, wenn auch schlechte Dramen, zusammengeleseñe Plagiate. „Deutschland hat früher Schauspieler als Schauspieldichter gehabt?!" Nein, ihr Manen Eduards Devrients! Das ist ganz unrichtig ausgedrückt! Die Wahrheit kann gar nicht anders lauten als: „Deutschlands erste Schauspieler sind auch Schauspieldichter gewesen, wären sie das leztere nicht gewesen, so hätten sie auch das erstere nicht sein können." Das lehrt uns Magister Velthen mit seinen Hauptaktionen

und extemporirten Schauspielen! Und ob das Theater durch diese gerade gewonnen hat, ist noch immer die Frage!

Der Zweck des Theaters besteht zunächst in nichts anderem als in der möglichst lebendigen Darstellung dramatischer Kunstschöpfungen. So nüchtern das auch tlingen mag, so giebt es doch keine herrlichere, schönere Aufgabe, als sie in diesen Worten liegt. Denn das Drama bildet den Gipfel aller Kunst, und seine Wirkungen fallen daher mit dem der Schaubühne zusammen; ein und dasselbe wollen und sollen Drama und Theater für die Menschheit sein. Die Schaubühne eröffnet uns also die reine Welt der Ideen, frei von allen Zufälligkeiten und frei vom Endlichen; sie zeigt uns den Menschen in seiner Wesenheit, in der ganzen Reihe seiner Thaten und Handlungen, „sie ist der Spiegel der Menschheit und bringt ihr, was sie fühlt und treibt zum Bewußtsein“. Ein jeder findet daher auch bei ihr seine Befriedigung; das Kind der Welt und das Kind Gottes, der Moralist und der schönheitstrunkene Aesthetiker, der vergnügungsfüchtige Krämer und der phantastische, begeisterungsdurstige Jüngling.

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Durch die Schauspielkunst tritt das Drama körperlich-lebendig in die Erscheinung ein. Die aus dieser Gemeinschaft erzeugte Wirkung wird noch erhöht durch tausend szenische Mittel, so daß die Illusion schließlich den denkbar höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht. Ist dies der Fall und das dargestellte Drama ein in allen Theilen vollendetes dichterisches Kunstwerk, so hat die theatralische Vorstellung den Gipfel ihres Könnens beschritten. Doch nur äußerst selten wird dieser schönste und herrlichste Kunstgenuß der Menschheit bereitet und viel ist es, diesem Ziele nur nahe zu kommen. Aber es ist immer das Ziel allen theatralischen Lebens, und eine Musterbühne, ein Nationaltheater, welches das Gute will, wird es daher fest im Auge behalten müssen und die Wege bedenken, auf denen sie es erreichen kann. Und diese Wege sind?

Wie wir sahen, besteht der erste Zweck des Theaters in der Darstellung dichterisch-dramatischer Kunstwerke, und deshalb ist das dichterische Wort auch auf der Bühne die gebietende Macht. Tritt der

Dramatiker dieses sein Recht an den Schauspieler ab oder gar an den Dekorateur und Maschinisten, ordnet er die reingeistige Poesie dem Virtuosenthum oder der blos sinnlich wirkenden Coulissenmalerei, Beleuchtungskünsten und ähnlichen schönen Dingen unter, um so tiefer sinkt das Theater an Bedeutung, an culturellem Werth. Die erhabenen Wirkungen, die es im Dienste einer edlen Poesie auf den Nationalgeist ausüben kann, jener mächtige Einfluß, den Schiller in so feurigen Worten darthut, werden mehr und mehr zurücktreten, und es kommt zuleßt die Grenze, wo sie ganz und gar aufhören und zugleich in ihr Gegentheil sich verkehren: Entnervung, Trägheit, Sinnlichkeit heißen dann die Folgen. Eine Bühne, wo der Poet, Schriftsteller oder Skribent, wie man ihn nennen will! seinen zweifelhaften Geist nur zu einigen passenden oder unpassenden Worten für die Kunst des Maschinisten hergiebt, wird zur bloßen Ausstattungsbühne, und es ist wohl keine Frage, daß die Ausstattungsbühne auf der niedersten Rangstufe steht und sich von dem Circus mit seinen glänzenden Schaustellungen wesentlich nicht unterscheidet. Das Berliner Viktoriatheater ragte seiner Zeit an geistiger Bedeutung um nichts über den Circus Renz empor.

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Aber auch die ausgezeichnetste schauspielerische Darstellung ermangelt der tieferen Wirkung, sobald sie um ihrer selbst willen da ist und den Dramatiker in ihren Dienst nimmt. Sie kann interessiren, reizen, fesseln, aber nicht hinreißen, entzünden und begeistern. In seinen Briefen an Karl Immermann erzählt Michael Beer aus der Zeit seines Pariser Aufenthalts: „Eine unglückliche Wuth_im_buchstäblichsten Sinne des Wortes hat sich der hiesigen Dramatik bemächtigt ich meine die Hundswuth, die man seit vierzehn Tagen rasend genug ist auf unsere Theater gebracht zu haben. In zwei sehr besuchten Stücken „Isaure“ im Théâtre des nouveautés und „Paul Morin" im Ambigu comique find die Heldin und der Held von tollen Thieren gebissen worden und die verschiedenen Stadien der Wasserscheu bilden die Verwickelung und Katastrophe der Dramen. Ich habe bis jetzt nur eine dieser theatralischen Monstruositäten, "Isaure" nämlich, gesehen und zwar deswegen, weil ganz Paris hineinläuft, um die Meisterschaft der ersten Schauspielerin, Madame Albert, zu bewundern, die das wasserscheue Mädchen mit einer so

vollendeten Wahrheit spielt, daß es mir kaum möglich gewesen ist, fortwährend die Augen auf dieses Bild des Entsetzens zu heften." Die Schauspielkunst tritt hier in Widerstreit zur Dramatik; jene ist kühn, groß, bedeutend, diese erbärmlich, flach und trivial. Dennoch vernichtet die Wirkung des schriftstellerischen Lumpenerzeugnisses völlig den reinen ästhetischen Erfolg der genialen Darstellung und der geistige Gewinn, den man von solchen Aufführungen mit nach Hause nimmt, ist gleich Null.

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Niemals ist ein Theater ein wahrhaft großes gewesen, wenn ihm die großen Dichter fehlten, auch die Schauspielkunst nicht. Beide reiften in Deutschland erst an Shakespeare und Lessing heran, Leben flößten ihr die großen Dramatiker ein und jede Bühne trägt daher den Stempel ihrer Dichter an sich.

Das Repertoire giebt daher den ersten und wichtigsten Faktor bei der Beurtheilung des Werthes der Schaubühne ab. Und will das zukünftige Deutsche Landestheater in Berlin die von ihm angeregten Hoffnungen erfüllen, so wird es darauf seine vornehmste und erste Aufmerksamkeit richten müssen. Wir sehen eine glänzende Kunstgenossenschaft, die trefflichsten darstellenden Kräfte, vereinigt in dem Mittelpunkt des deutschen Reiches, wo sich das geistige Leben großartig entfalten kann; soll sich nun diese zusammengehäufte Summe von Kraft an kleinlichen Aufgaben zersplittern oder soll sie nicht das Theater würdig machen, eine Stellung zu behaupten, Spige der geistigen Institutionen unsres Volkes ?!

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an der

Die theoretische Auseinanderseßung dessen, was die Bühne darstellen soll, ist nicht schwer! Lessing faßte seine Wünsche in die einzige inhaltsschwere Frage zusammen, warum sich noch kein deutscher theatralischer Schriftsteller der Empfindung der Nation bemeistert habe? Die Empfindung der Nation also soll ihren Widerhall, — der Nationalgeist seinen mächtigsten Ausdruck finden. . . Unter Nationalgeist aber versteht Schiller „die Aehnlichkeit und Uebereinstimmung der Meinungen und Neigungen eines Volkes bei Gegenständen, worüber ein anderes anders meint und empfindet. Nur der Schaubühne ist es möglich, diese Uebereinstimmung zu bewirken, weil sie das ganze Gebiet des menschlichen Wissens durchwandert, alle Situationen des Lebens erschöpft und in alle Winkel des Herzens

hinunter leuchtet; weil sie alle Stände und Klassen in sich vereinigt und den gebahntesten Weg zum Verstande und zum Herzen hat. Wenn in allen unsern Stücken ein Hauptzug herrschte, wenn unsre Dichter unter sich einig werden und einen festen Bund zu diesem Endzweck errichten wollten, wenn strenge Auswahl ihre Arbeiten leitete, ihre Pinsel nur Volksgegenständen sich weihten, mit einem Worte, wenn wir es erlebten, eine wirkliche Nationalbühne zu haben, so würden wir auch eine Nation. Was kettete Griechenland so fest an einander? Was zog das Volk so unwiderstehlich nach seiner Bühne? Nichts andres als der vaterländische Inhalt der Stücke, der griechische Geist, das große überwältigende Interesse des Staates, der bessern Menschheit, das in denselben athmete."

So glänzende Kunstepochen erlebten nur noch das spanische und englische Theater, jenes zur Zeit Calderon's, dieses in den Tagen Shakespeare's. Eine Reihe ausgezeichneter Talente und unter ihnen zwei weltumspannende Genien, hatten das ganze Leben und Treiben ihres Volkes in sich aufgesogen und was diese Menschen bewegte, an Freud und Leid, an erhabenen und schönen Gedanken, an Leidenschaften und Lastern, fand einen Ausdruck in tiesinnerlich wahren und großen Gemälden. Calderon's farbenfunkelnde Poesie leuchtete einem untergehenden Volke als funkensprühende Fackel ins Grab hinein. Noch einmal zog der Reigentanz vorüber. Die Degen flirrten, die Guitarren rauschten heimliche Liebeslieder, auf stillen Wegen schlich der Dichter den Liebenden nach in die dämmernde Kammer. Die feinsten Netze der Intrigue werden gesponnen, der anmuthigste, echtspanische Wiz sprüht in den Versen und bis zu den kleinsten alltäglichen Verhältnissen entfaltet sich das Leben und Treiben der Nation. Aber diese Dichter lassen uns auch in die Gedanken und Ideen, in die tiefsten philosophischen Spekulationen durchdringende Blicke thun; noch einmal lassen sie uns die mystischen Bücher lesen, welche damals auf den Bücherbrettern der Weisen standen und zeigen uns die Denker des Volkes im ernsten Kampfe mit Gott und der Sünde. Und über alles strömt der brennende Glanz der spanischen Sonne, der süße Duft der Mandelbaumblüthen, Rosen und Veilchen, durch die ernsten, stolzen Trochäen weht das Rauschen der Cypressen- und Myrthenwälder, und tiefblaue Luft

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