ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

leuchtet wieder von den Blättern der Dichtung. Das Volk, welches sich damals in den Madrider und Londoner Theatern drängte, saß da mit staunendem Herzen, im tiefften Innern gepackt von der Fülle und Wahrheit der Bilder; denn jeder fand sich wieder; der Bauer und der Bürger, der Weise und der König, Ritter und Dame, jede Leidenschaft, jeder Gedanke und jedes Empfinden, jeder Beruf und jede Arbeit erkannten ihr Selbst und in leuchtenden Buchstaben schwebten ungesehen über der Bühne die Worte: „Volk, das bist du!" Der Dichter war sein Diener und sein Herrscher; befangen in ihrem Aberglauben, ihren Fehlern und Thorheiten, erhob er sich doch wieder über die Menge empor zu den Gipfeln der reinen Menschheit.

Und darin besteht auch die Bedeutung des modernen französischen Theaters. Freilich entbehrt es aller Größe und die tiefere Gedankenwelt ist seinen Dichtern verschlossen. Der alles erforschende, erhabene, philosophische Geist der Poesie blieb ihnen versagt. Aber die Leute da drüben sind zum Theil glänzende Schriftsteller und sie kennen die Grenzen ihrer Macht. Sie klammern sich mit zähen Armen an ihre Gesellschaft fest und haben ein scharfes Auge für die Triebe und Gefühle, welche die Welt der Salons bewegen. Nur einen Theil ihrer Nation kennen sie und vielleicht ist dieser nicht einmal der interessanteste. Doch dieser Bruchtheil füllt schon die Theater und sucht seine Doppelgänger; und er erkennt sie, bald freudig erregt, bald peinlich berührt, bald ein Lächeln auf den Lippen, bald die Röthe der Scham oder die Blässe des Zorns auf den Wangen. So wird das Theater nicht blos zu einem Vergnügen, das man je nach Laune und Gelegenheit aufsucht, sondern zu einem Bedürfniß. Es fesselt das persönliche Interesse und wird dadurch lebensfähig, nicht nur lebensfähig, sondern auch lebenswürdig, da es die Wahrheit ausspricht.

Und um so vollkommener ist das Repertoire einer Bühne, welche sich nicht einseitigen Specialitäten widmen, sondern dem ganzen Volke angehören will, je umfassender und reicher die Bilder sind, in denen das nationale Leben voll und rein zum Ausdrucke kommt. Dem ganzen Deutschland den wahrheitstreuen Spiegel der Poesie vorhalten, bald die ernsten Gedankenkämpfe darstellen, bald die Conflikte des socialen Lebens, bald die heiteren, bald die düsteren Szenen in der

[ocr errors]

Familie künstlerisch abgerundet vorführen, alles das find würdige Aufgaben des Theaters, und L'Arronge's neue Bühne wird diese Aufgaben erfüllen müssen, soweit es eben die dichterischen Schöpfungen unserer Nation erlauben.

Universalität und Abwechslung gehören zu den vornehmsten. Tugenden eines Repertoires und an Einseitigkeit leidet es gleichermaßen, ob es nun blos in hohen Tragödieen, ernsten erschütternden Dramen seine Stärke sucht, oder allein in kecken Lustspielen, Farcen und Schwänken. Keines giebt den ganzen Gehalt eines Volksgeistes wieder, keines kann den Anspruch auf ein Nationaltheater erheben, und wenn sich eine solche Bühne nicht auf eine Groß- und Welt= stadt stüßt, wo auch die Arbeitstheilung" ihre Früchte zeitigt, so wird sie nur zu leicht das Publikum ermüden und an dem bald. nachlassenden Besuche die Fehler ihres Systems bemerken.

"

Aus was für Quellen schöpft nun die Bühne die einzelnen dichterischen, darzustellenden Werke?

Zuerst aus der Vergangenheit! Ein Alter von ungefähr vier Jahrhunderten hat das moderne deutsche Drama in allmähliger Entwickelung erreicht und in diesem Zeitraum Tausende von Schöpfungen hervorgebracht. Schier unermeßlich breitet sich der Reichthum aus, und unmöglich ist es, ihn ganz zu heben. Nicht einmal zählen kann man ihn. Der Literarhistoriker, der Kenner mag sich an jedem einzelnen Funde erfreuen, mit Freuden und Staunen verfolgt er, wie sich aus unscheinbaren Quellen der breite, mächtige Strom entwickelt und selbst die unscheinbarsten Zuflüsse, die geringfügigsten Bächlein dürfen seine Aufmerksamkeit erregen. Wie ganz anders steht die lebendige Bühne dieser Fülle und diesem Reichthum gegenüber! Nur das Allerwenigste kann sie ihnen entnehmen.

Ihr Publikum ist aus dem ganzen Volke zusammengesett, ihre Wirkungen sind momentan, wie der Bliz. Der Zuschauer will nichts als rein empfangen, auch der Gelehrteste steht völlig naiv den theatralischen Vorgängen gegenüber. Das ist gerade das Merkwürdige, daß sie uns alle Schulgelehrsamkeit, alle voreingenommenen Theorieen vergessen und den Menschen bloß Mensch sein lassen. Aufgeregt und entzündet wird sein Herz deshalb nur in jenen Momenten, wo der Dichter den Eindruck für des Zuschauers ureigenste Gefühle gefunden

hat, wo er darstellt, was dessen Herz und Seele tief und groß bewegt. Der Hörer will sich wieder erkennen und das Bühnendrama, welches ihn packen soll, muß daher im schönsten Sinne des Wortes ein modernes Drama“ sein. Seine Gedanken und Gefühle sollen Jedem verständlich sein, Jeder soll sie mitdenken und mitfühlen können.

"

Wie viele Dichtungen der Vergangenheit aber dürfen das noch heute von sich sagen. Ich habe oben die wahrhaft großen Dramatiker die Diener ihrer Zeit genannt und ihren Herrscher! Jenes giebt ihnen die Gewalt über die Gegenwart, dieses über die Zukunft. Wer aber nur der Diener seiner Zeit ist, dessen geistige Kraft verrauscht mit dem leiblichen Tode! Und die Meisten sind eben nur die Diener! Getrieben von der Tagesströmung, huldigen sie den zufälligen Launen des Geschmacks, stellen sie bloß die rasch vorüberschwindenden Erscheinungen ihrer Gegenwart dar. Es sind die Helden der Mode! Gefeiert von ihren Zeitgenossen und beschenkt mit Lorbeeren und Reichthümern, stehen sie für einige Jahre glänzend da, jeder spricht von ihnen, jeder drängt sich nach der Darstellung ihrer Dichtungen, aber die nachfolgende Generation weiß von ihnen nichts mehr. Wir alle sahen die rasselnden „Kulturkampfsdramen" über unsere Bühne gehen und mit frenetischem Jubel überschüttet werden, . . und schon sind sie verschollen, obschon selbst der Kulkurkampf in den Reichstags= debatten noch fortbraust. So ist es mit fast allen den tausenden Werken, welche das deutsche Drama erschuf. Wie ein Leichentuch hat es sich über die einst auf dem ganzen Erdball bejubelten Werke Kozebue's gelegt, und die Seufzer seiner Helden und Heldinnen werden von uns belächelt, ihre Scherze klingen frostig. Die moderne Bühne hat von ihnen nichts.

Nur die Werke der Vergangenheit gehören dem lebenden Theater an, deren Menschen auch als unsere Spiegelbilder gelten können, deren Ideen einen allgemeingültigen Gehalt haben, deren Dichter auch über ihre Zeit hinweg in die Zukunft sahen, die gewissermaßen den unter der Oberfläche verborgenen, tiefstruhenden, keiner Wandlung unterworfenen, sich stets gleichen Geist der Nation in sich aufgenommen haben. Diese freilich müssen den Kern eines jeden Repertoires bilden. Dem Volk sind sie liebe Freunde geworden, es sieht sie immer wieder voller Ehrfurcht und Vergnügen,

immer neue Vorzüge entdeckt es an ihnen. Sterne sind es, zu denen man emporschaut. Der Schauspielkunst bieten sie die großartigsten Aufgaben, in das Herz der aufstrebenden Dichterschaft flößen sie Begeisterung, Ehrgeiz, Muth und Kraft. Sie bilden eine Schule des Geschmacks und weisen nach oben hin: was das Theater sein soll, und wo die Ziele liegen, nach denen die Menschheit zu streben hat. Es sind die bahnbrechenden Führer! Ueber die literarischen Kämpfe des Tages erhaben, verleihen sie dem Repertoire Ansehen, Größe und Würde. Sie geben gleichsam die Festgerichte einer Bühne ab und demgemäß sollten sie auch zur Darstellung kommen; die Direktionen müßten sie mit all dem Anstand in Szene setzen, die ihre Größe verlangen darf, die Schauspieler sollten in einer gewissen gehobenen Stimmung an sie herantreten und beweisen, daß sie werth. sind, als die Dolmetscher so großer Genien aufzutreten. Nur nach sorgsamster und glänzendster Vorbereitung darf ein Theater, welches auf seinen Ruf hält, sie über die Bretter gehen lassen. Viel Werke sind es ja nicht, die diese Ehren beanspruchen dürfen. Wenige glänzende Namen! - wenige Werke haben eine so scharfe köstliche Prägung erhalten, daß sie uns noch heute wie eben aus der Münze gekommen, anmuthen, daß sie noch heute unser Gedanken- und Empfindungsleben mächtig aufrühren. Nur die Schöpfungen Lessing's, Goethe's, Schiller's und Kleist's, und von Neueren die Gußkow's, Laube's, dessen dramatische Dichterthätigkeit ja bereits in der Vergangenheit liegt, Otto Ludwig's und Friedrich Hebbel's können das klassische Repertoire unserer Theater bilden. Vielleicht möchten auch einige Werke Immermann's (Friedrich II.) einer Neuerweckung würdig sein. Unsere dramatische Literatur, soweit sie heute noch lebensfähig, ist wirklich von peinlicher Armuth und nach fünfzig, hundert Jahren vielleicht muß auch von den Werken der lettgenannten Männer, die uns noch heute so frisch und lebenskräftig anmuthen, manches gestrichen werden. Wie alsdann auch Benedix ganz vergessen sein wird, dessen allerbeste Schöpfungen ja noch heute als Darstellungen des bürgerlichen Alltagslebens nicht mit Unrecht für bescheidene Theile des Publikums zur Aufführung kommen. Ganz haben sie ja noch nicht ihre Farben verloren und ganz sind wir noch nicht Benedir'schen Zeiten entrückt! Bis dahin also mögen sie ein Recht auf die Bühne besigen.

Aehnlich steht es mit den großen Werken anderer Nationen! Die eben erwähnte Armuth unseres Volkes an lebendigen dramatischen Erzeugnissen, unser universaler, gern in die Ferne schweifender Sinn hat das deutsche Theater, wie kein anderes, fremdländischen Genien eröffnet und Engländer, Franzosen und Spanier haben bei uns eine neue Heimath, selbst die antike griechische und indische Literatur ein gelegentliches Absteigequartier gefunden. Doch sollte hier die Auswahl eine noch viel peinlichere und sorgsamere sein! Denn noch schwerer vermag sich unser naives Theaterpublikum in das Geistesleben dieser fremdländischen Klassiker zu versehen! Zu der zeitlichen Beschränktheit kommen die nationalen Befangenheiten. In einzelnen Werken aber erhebt sich der Genius über beide, und solche Großthaten gehören nicht einem einzelnen Volke, sondern der ganzen Welt an. Sie lassen uns den Sinn in die Weite richten, das Universelle verstehen und bewahren uns vor einseitiger nationaler Verkümmerung. Dem Strom der volksthümlichen Poesie führen sie neue Quellen zu, - neue Anschauungen, neue Stoffe breiten unsern geistigen Horizont aus. Shakespeare, der größte germanische Dramatiker, ist längst ein deutscher Klassiker geworden, aber auch der glänzendste Vertreter des Romanismus, Calderon, besigt Anbauten auf unserer Bühne. Freilich, Verständniß findet er nur bei einigen Auserwählten, ein Freund ist er uns noch nicht geworden. Und doch verdiente er es! Schade, daß der größte Theil unserer Theaterkritik in den Händen banausischer Geister liegt, welche, statt das Verständniß zu wecken, mit oberflächlichen Redensarten jeden Versuch, Calderon uns nahe zu bringen, abthun. Der dichterische Genius des Spaniers ist, das behauptet Jeder, der ihn tiefer studiert, beinahe dem des Britten ebenbürtig! Freilich wandelt er nicht so sicher auf der Erde, wie dieser, in der festen Zeichnung von Menschen ist er ihm nicht gewachsen, . . aber an Größe der Ideen übertrifft er ihn bei Weitem. Seine Flügel tragen ihn zu geistigen Höhen empor, die Shakespeare nicht erreichte. Ein Volk, welches einen „Faust“ als seine erhabenste Dichtung mit Stolz bezeichnet, wird gerade bei Calderon herrliche Schäße finden. Nur sollte man nicht ängstlich sein! Letterer ist ein echtes Kind seiner Zeit und die Anschauungen dieser Zeit muthen uns heute oft genug märchenhaft, ja geradezu grotesk an. Doch bedenke man nur,

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »