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Und so geht es durch alle Gedichte durch, kindische Uebertreibungen als Material, Bilder, wie von dem „Adelsbrief, um den sich die ersten grünen Halme als Siegespalme schlingen und der gleichwohl auf die gebräunte Stirn geschrieben wird“, als Puß, und dazu das immergleiche Pathos knallender Festtoaste, der= artiges Feuerwerk mag bei lärmenden Festen und in Versammlungen, wo jeder nur die Schlagworte „Blut“, „Kampf“, „Recht“, „Haß“, „Bliz“, „Geschick" hört, seine Wirkung thun, aber man muß es nicht für Poesie ausgeben, noch weniger herausgeben. Sehr wahrscheinlich haben am Gutenberg-Tage die Hörer das erhabene Wortspiel Das deutsche Volk, aus deffen Schooß der erste Drucker einst erstanden, Kein Drücker, sei er noch so groß, schlägt seinen freien Geist in Banden", um seines lobenswerthen Sinnes willen mit donnerndem Beifall aufgenommen, aber poetisch ist dergleichen nicht.

Und so frage ich denn die Literarhistoriker, welche Träger für einen Dichter erklärt haben: wo steckt nur das tiefe Gemüth, wo steckt die flammende Kraft, wo find' ich sie, die edle Formschönheit, die Sie ihm zurühmen? Ohne jedes Vorurtheil habe ich die Gedichte des Mannes zur Hand genommen, aber was ich entdeckte, war kein Gemüth, sondern Anempfindung und Nachempfindung, keine Kraft, sondern Phrase und Verschwommenheit, keine Formschönheit, sondern Formleerheit und Eintönigkeit. Doch nicht, um dies Resultat urbi et orbi fundzuthun, habe ich diese Zeilen geschrieben, nein, mein einziger Zweck war, in Albert Träger einen namhaften Vertreter jenes Dilettantismus, der unsere Literatur überwuchert, zu zeichnen und zu schildern. Je mehr Dichterlinge durch meine Zeichnung sich getroffen fühlen, desto lieber ist es mir; weshalb, habe ich im Eingange dargethan. Unsere Kritik trifft nicht zum geringsten der Vorwurf, das Unkraut mittelmäßiger Lyrik viel zu zärtlich und liebenswürdig geschont, ja, in manchen Fällen es gepflegt zu haben. Und gerade auf dem Gebiete der Lyrik bedeutet das doppelte Schuld. Im Drama wie im Roman, vielleicht auch in der Versepik, haben wir noch eine Entwicklung zu erwarten, welche weit über die bis

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herigen Leistungen deutscher Dichter hinausgeht es ist das nicht meine Ansicht allein, und jeder, der auf diesen Feldern hervortritt, hat daher eine gewisse Berechtigung, beachtet zu werden, aber in der Lyrik, welche die Namen Bürger, Goethe, Heine, Platen, Uhland und andere gleichen Schlages auf ihrem Paniere leuchten läßt, haben wir längst den Maßstab echten Könnens und müssen ihn daher anwenden. Aus diesem Grunde läugne ich ganz entschieden das Daseinsrecht eines jeden Lyrikers, dessen Produkte nicht ein eigenartiges und echtes Gepräge tragen, eines Jeden, der die Empfindungen und Gedanken, die in edelste Form gegossen bereits vorhanden sind, in miserabler Form noch einmal auf den Markt bringt. Freilich kann die Kritik keinem das Singen und Publiziren verbieten, aber sie kann es ihm gründlich vergällen, wenn es nichts taugt. Im Hause unsrer Mutter Poesie sind viele Wohnungen, - das ist richtig, und Charaktere der verschiedensten Art finden dort die gleiche freundliche Aufnahme, aber eine Grenze hat diese Freundlichkeit doch, für die literarischen Bettler, Falschmünzer und Troßbuben giebt es dort keinen Platz. Und so muß es auch für die Kritik eine Grenze ihrer Nachsicht geben, die eine Forderung muß sie stets beachten: Ihr Kritiker, sehet zu, daß die Literatur vor- und aufwärts, nicht aber rückwärts sich entwickele. Neben den Kritikern haben dann auch die Redaktionen, besonders der literarischen und poetischen Blätter, die Aufgabe, den Strom des Dilettantismus einzudämmen, indem sie ihn von den eigenen Organen ablenken. Gegenwärtig erfüllen allerdings die wenigsten diese Aufgabe; selbst ein Bodenstedt, der, wenn auch als Dichter ungebührlich überschätzt (er ist ein durchaus reproduzirendes Talent), so doch als Mann von Geschmack und Feinsinn gelten muß, macht die „Dichterstimmen aus der Gegenwart", welche er für ein größeres Journal redigirt, nur zu oft zu einem abschreckenden Asyl für Krethi und Plethi.

„Menschliche Schwäche verdient Nachsicht in der Sphäre des Handelns, Wer im Gesang schwach ist, schlage die Leier entzwei.“

sagt bereits Platen und so wird man es auch mir nicht als Rigorismus auslegen (dem Talente gegenüber kann die Kritik nicht bescheiden genug sein), wenn ich in Hinsicht auf die Gefahren, welche aus dem maßlosen Umsichgreifen der Mittelmäßigkeit erwachsen müssen, wieder und wieder mahne „Kritik werde hart!"

Heinrich Hart. Julius Hart.

Kritische Waffengänge.

Biertes Beft.

Das „Deutsche Theater“ des Herrn L'Arronge.

Leipzig

Verlag von Otto Wigand.

Das „Deutsche Theater" des Herrn L’Arronge.

Daß das deutsche Theater der Gegenwart an Haupt und Gliedern frankt, ist eine Behauptung, in dem letzten Jahrzehnt so oft ausgesprochen und in Büchern und Broschüren bewiesen, anderer= seits so wenig abgeleugnet, daß es überflüssig erscheint, sie von neuem zu erhärten. Die Dichtung sollte nach dem Tode Schillers ein neues wahrhaft großes Drama, die Schauspielkunst seit den Tagen der Befreiungskriege die erhabensten Höhenpunkte nicht mehr erklommen haben, diese und andere Vorwürfe, so viele man gegen das Epigonenthum des deutschen Theaters nach und nach in unserem Jahrhundert erhoben hat, kamen wie ein allgemeiner schwerer Niederschlag in unseren Tagen zu Boden. Die Anklagen waren gegen= seitig der triviale, flache Geschmack des Publikums mußte die Theaterleitungen entschuldigen, der Dichter warf den Direktoren vor, daß seine Dramen ungelesen in den Papierkorb wanderten, und erklärte, die Kritik habe allen Sinn für das Große verloren, und der Recensent behauptete zum Dank dafür, in dem gegenwärtigen Wirrwarr einen Dichter überhaupt nicht entdecken zu können.

Man fühlte längst die Sehnsucht nach würdigeren Zuständen, allgemein aber wurde dieses Gefühl, wie naturgemäß, während des nationalen Aufschwunges der Jahre 1870/71. Dem Sedan der stählernen Waffen sollte das Sedan des Geistes auf den Fuß folgen und vor allem das Theater, der Mittelpunkt aller frommen Segenswünsche, einer neuen ungeahnten Blüthe entgegengehen! Spiegelt doch diese volksthümlichste Anstalt das Culturleben eines Volkes am klarsten wieder, bildet sie doch die schönste Frucht einer nationalen Entwicklung. Den Grund ihres Niedergangs wollte man in der „nationalen Zersplitterung" finden. „Ueber den gutherzigen Einfall, den

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