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Wie bedeutend aber auch der Historiker, wie bedeutend der Uebersezer Schack sein mag, das Höchste an ihm ist dennoch nicht die Kraft, uns Fremdes anzueignen, sondern die eigenschaffende Kraft. Mit jener hat er für die Literatur gethan, was er durch seine Kunstsammlungen für die Kunst gewirkt, nämlich tausendfache Anregung und Förderung ausgestreut, sein eigenes Dichten aber gehört uns wie ein Fundament, auf dem wir weiterbauen sollen, ohne das wir nicht weiterbauen können. Die Literaturgeschichte hat ja Recht! Trotz aller Anläufe, ein Neues zu erringen, trog knorriger Eigenart im Einzelnen, stehen die Dichter, welche der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts angehören, fast ganz im Banue der Formen und Ideale ihrer großen Vorgänger. Geistig wie zeitlich sind sie Epigonen der Romantik Goethe's, der formalen Klassik Lessings und Schillers, des Pathos Klopstocks; der Versuch, die tiefsten nationalen und modernen Anschauungen zu erfassen und einen nationalen Stil zu begründen, bleibt Versuch und haftet nur an einzelnen Werken, erfüllt niemals den ganzen Dichter. Das „Junge Deutschland", dessen Kritik und Reflexion hier in Betracht kommen möchte, besaß keinen echten Poeten. Erst gegen Ende der 50er Jahre wird das Streben ein allgemeineres, zielbewußteres, in den Dichtungen eines Freytag, Spielhagen, Hamerling mehren sich die Züge modernen Sonderwesens; wenigstens erzeugen sie die Gewißheit, daß die Periode Goethe-Schiller keineswegs all die großen Ideale, die in uns ringen, erschöpft hat, daß sie weder im Drama noch in der Epik Früchte gezeitigt hat, die uns zum bloßen Nachahmen verdammen müßten, daß sie ein Blütejahr des deutschen Geistes bildet, welches seither durch manchen Regentag unterbrochen wurde, das aber noch immer nicht zu Ende gegangen ist, sondern neue Blüten verspricht. Und wenn nicht Blüten, so doch Früchte. Graf Schack ist der Erste, dessen ich möchte fast sagen gesammte Thätigkeit den Stempel eines neuen, großen Geistes trägt, er ist der umfassendste, nationalste und modernste Dichter unsrer gegenwärtigen Epoche. Dies im einzelnen zu erweisen, ist der Kern meiner Aufgabe, um es zu können, muß ich zunächst die Dichtungen Schacks analysiren, untersuchen und nach Inhalt und Form zur Anschauung bringen, diese Dichtungen, welche alle Weisen des poetischen Gestaltens umfassen und welche den Hart, Krit. Waffengänge. Heft V.

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ist

Dichter wiedergeben wie er ist, nicht wie er scheinen will. Schack liebt sein Volk, aber er buhlt nicht um die Gunst desselben, sein Werk ist er und er ist sein Werk, er schraubt sein Können und sein Ideal nicht herauf noch herunter, je nach der Verdauungskraft des Publikums, er dichtet, was und wie er dichten muß, nicht was die Mode, die jährlich wechselnde, heischt. Er ist eben ein Dichter, nicht ein Macher. Ganz erklärlich, daß ihn die landläufige Kritik als einen poetischen Aristokraten, als ein Genie bezeichnet schroff und erhaben, dem es natürlich" verwehrt sei, populär zu sein. Schack ist allerdings kein Dichter für den Pöbel, weder für den rohen der Straße noch für den blasirten des Salons, Schack ist ebensowenig ein Dichter für die unreife Jugend, er schreibt keine Colportage-, er schreibt überhaupt keine Romane (wenigstens nicht in Prosa), er confurrirt weder in historischen Zerrbildern mit Herrn Ebers, noch in lyrischen Knallbonbons mit Herrn Träger, - und dennoch hat er etwas bessere Anwartschaft auf Popularität, als diese Eintags= fliegen, die weiter nichts suchen, als den Beifallszucker urtheilsloser Lesekränzchen. Ich sage Anwartschaft, denn populär ist nur selten ein Dichter schon bei Lebzeiten, populär vermag ein Dichter nur zu werden, nämlich in Zukunft, und die Zukunft sollte doch für unsre Alltagskritiker ein Kräutchen Rührmichnichtan sein, damit haben sie nichts zu thun. Populär ist freilich ein vieldeutiger Begriff; wenn darunter verstanden wird, daß ein Dichter dumm wie ein Kalendermacher oder geleckt wie unsre Salonprofessoren schreiben soll, so wird Graf Schack in alle Zeit hinein unpopulär sein und bleiben. Heißt aber das populär, daß ein Dichter das innerste Empfinden seiner Zeit und seines Volkes poetisch wiedergibt, daß seine Werke nach Form und Inhalt jenes körnige Leben athmen, welches zu allen geistig gesunden und ringenden Elementen einer Nation, welchem Stande sie auch angehören, nach und nach hindurch zu sichern vermag, dann wird auch Schack populär sein. Jedenfalls ist wahre Popularität etwas anderes als ein kurzes, vorübergehendes Bekanntsein, soust wäre sie ein Schein und ein Schemen, um den Niemand zu beneiden wäre und nichts Erstrebenswerthes. Das eigentliche Wesen eines Dichters spricht sich am deutlichsten aus in seiner Chrik, sie zeigt am klarsten seinen Charakter und sein Streben, Anomalien

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kommen freilich vor - und vor allem wird es sich aus ihr am offensten ergeben, wie ein Dichter zu seiner Zeit und seinem Volke steht. Bei Schack und darauf kommt es mir an ist das in höchstem Maße der Fall, sein ganzes Wollen, Können und Empfinden hat bereits in seinen Liedern und Gedichten treuen Ausdruck gefunden, -nur der Humor tritt sehr zurück. Gedichte, Chrif das hat allerdings einen üblen Klang. Gepflegt von einer Unzahl Dilettanten und handwerksmäßigen Vieldichtern, verspottet von der Kritik, scheel angesehen vom Publikum ist unsere Lyrik eigentlich täglich in der Lage, um Entschuldigung für ihr klägliches Dasein zu bitten. Singe, wem Gesang gegeben, meint Uhland; warum auch nicht, singen mag ein jeder soviel er will, nur muß nicht ein jeder mit seinem Singfang der Oeffentlichkeit beschwerlich fallen. Wol keine Kunst bedarf so sehr des Meisters, als die Kunst des Liedes, weil keine so reingeistig, keine so bestimmt ist, nur die edelsten Fasern der Seele in Schwingung zu verseßen, keine so jedes sinnlichen Beiwerks ermangelt, wie sie. Soll daher die Empfindung eines Volkes nicht ermüden, nicht erlahmen, so müssen immer neue, immer klangvollere Saiten angeschlagen werden, und das geschieht, wenn der Dichter erfüllt ist von der Weltanschauung seiner Zeit, wenn er die ihr eigenthümlichen Gebilde und Bestrebungen in Fleisch und Blut hinübergenommen hat. In jenen Liedern aber, welche die Gefühle des Herzens wiedergeben, die nimmer altern und nie sich ändern, vermag nur Jener etwas Neues zu bringen, der in sich selbst eine große Eigenart verkörpert und in voller Wahrheit das kundgiebt, was in ihm ringt und blutet. Und das ist eben der Genius. Die Schöpfungen des Dilettanten, des Stümpers, des Halbtalentes sind nicht deshalb so elend, weil sie stofflich den Schöpfungen der Meister entlehnen und nachäffen, sondern weil sie Ge= burten innerer Lüge und Hohlheit sind. Diese Männlein und Fräulein singen nicht von den Empfindungen, welche sie selbst durchpulsen, denn sie haben gar keine, sondern von dem, was sie gelesen und gehört, und deshalb fehlt ihrer Lyrik der Blutschlag der Aktualität, der Nothwendigkeit. So kommt es denn, daß in der Epoche des Streites und des Dampfes und wiederum der werkthätigen Liebe und Entsagung, in der Epoche heißen Suchens und Forschens auf

allen Gebieten die Träger, Wolff, Scheffel und ihre Nachtreter, welche unentwegt die Minne- und Kneipempfindungen unsrer Vorfahren wiederkäuen, den großen schreienden Haufen bilden. Spielmannsweisen und Vagantenlieder blühen aller Ecken und Enden hinter dem Ofen, während die echten Vagabunden dem Reichstage sehr wenig poetische Sorgen machen, von edler Minne klingt es Tag und Nacht, und zugleich suchen unsre Minnedichter ihre Gelüste nach einer Frau mit entsprechender Mitgift durch Zeitung und Heirathsbureau zu befriedigen. Es ist wahrlich kein Wunder, daß derartiges Gewäsch nur noch auf Backfische einigermaßen Eindruck macht, daß jeder kräftige, gesunde Geist darauf verzichtet, bei unsren Lyrikern einen Wiederklang dessen, was ihn bewegt, eine Offenbarung dessen, womit er ringt, ein Licht für die dunklen Regungen seiner Seele zu finden. Was uns fehlt, sind Wahrheit und Männlichkeit, was uns notthut, sind Dichter, denen es ernst ist mit dem Schlachtruf: Das Wort sie sollen lassen stahn, nämlich das lautere Wort innerlichen Lebens, denen das Lied eine sittliche, befreiende Macht, ein Bote ist alles Höchsten, Wahren und Reinen, das in uns webt.

Graf Schack ist solch ein Dichter, er lebt in seiner Zeit und seine Zeit lebt in ihm und was er singt, das hat ihn zuvor im Innersten gepackt, deshalb konnte nur er es singen. Die beiden Sammlungen von Liedern, die er bislang veröffentlicht hat, tragen die Titel „Gedichte“ und „Weihgefänge"; mit Recht hat der eine Theil den ausschließlichen Namen Weihgefänge erhalten, denn Gedichte weihevoller Art bilden den Hauptast der Schack'schen Lyrik. Wie Adlerflug rauscht es um unsre Seele, erhabener Schauer durchwühlt uns das Herz, wenn uns wogender Hymnenrhythmus emporträgt auf jene Höhen, von denen herab wir Natur und Geschichte als ein lebendiges Ganze überschauen, von denen herauf wir Blicke, wenn auch nur verschleierte Blicke, werfen in das Weben der Gottheit. Zwischen den Trümmern von Persepolis hingelagert sah der= einst Volney im Geiste Völker und Reiche entstehen und vergehen, und seine „Ruinen“ wurden zu einer großen Klage: Alles ist

Schatten, Tod, Nichts. Auch Schack ist durch die Länder des Orients gewandert, überall umringt von den morschen Resten vergangener Herrlichkeit, auch er hat zweifelnd und bangend emporgeschaut zu dem ehern ruhigen, unveränderlichen Firmament, auch ihm ist keine Antwort geworden auf seine Fragen, aber die Verzweiflung hat ihn nicht übermannt und im eigenen Innern hat er Ruhe, Troft und Hoffnung wiedergefunden. Jener bangen Stimmung gibt er in einem feiner gewaltigsten Gedichte, in den „Tempeln von Theben "lebendigen, mit großen Gleichnissen malenden Ausdruck:

...

. „Ueber der Erde weiten Todtenacker

Bin ich gewandert;

Vom Auf- zum Niedergang versank mir der Fuß

In der Asche zerstörten Lebens,

Wirbelte der Völker Staub

Unter meinem Tritt.

Werke von Uebermenschen

Fand ich wie Kinderspielwerk zerbrochen,

Reiche und Religionen

Bis auf den Namen verschollen.

Und ist in dem ew'gen Vergehn und Werden

Denn nirgend ein Halt?

All der Myriaden Menschen Geschick,

Die über die Erde geschritten,

Ift es, ein Frrlichttanz,

Im großen Dunkel erloschen,

Und taumelt Geschlecht auf Geschlecht

Der Vernichtung entgegen,

Daß ein Weltalter das andre betrauert,

Bis Vergessenheit Alles verschlingt?

O in die öde Nacht des Gedankens

Laß einen Lichtstrahl gleiten,

Daß in der Verzweiflung finstern Abgrund
Nicht die zagende Seele verfinke !

Stille ringsum, nur vom Kniftern

Der zerbröckelnden Trümmer unterbrochen.

Schweigend hat die Göttin den Schleier
Um ihre Träume gebreitet.

Fort und fort brüten die Sphynxe

Ueber der Zeiten großes Räthsel;

Aber droben, wo aus der weiten Unendlichkeit

Mit leuchtenden Sternenaugen

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