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entgegengesezten, zeugt eben dafür, wie tendenzlos sie geschaffen. Nur an ihrer Gestaltungskraft erfreuen wir uns, wie wir uns an einer Landschaft Ruysdaels erfreuen, in welcher alle Einzelheiten durchaus der Natur entnommen sind und die doch einen bestimmten Eindruck hinterläßt, weil die Seele des Meisters aus ihr spricht. Tendenziös verfährt der Dichter, wenn er, was Spielhagen nicht bloß als zulässig, sondern als nothwendig erachtet, seine „subjektive Auffassung“ der Geschehnisse, die er erzählt, zur Geltung bringt; wenn er den Geschehnissen andere Theilnahme beweist, als die rein dichterische des Gestaltens, wenn sein Werk noch anderes soll, als ein Spiegel sein, ein Abdruck dessen, was er sieht. Durch jedes Weitere wird die Wirkung geschädigt und nicht erhöht, und die Meinung der Dichterlinge, daß sie einen tieferen Eindruck auf ihre Zeitgenossen erzielen, wenn sie ihnen ihre subjektive Auffassung möglichst klar zu verstehen geben, wird auf jeder Seite der Literaturgeschichte widerlegt. Der objektive Romandichter sagt: horcht auf, ich will euch erzählen von dieser Zeit, von den Menschen, ihrem Thun und Treiben, das ich gesehen, der Tendenzdichter dagegen: ich will euch zeigen, wie ich eure Zeit gesehen, wie verderbt die Menschen sind, wohin ihr Treiben führt. Nur jener schafft, wie es der Epiker soll, göttlich objektiv, dieser ist und wäre es im besten Sinne des Wortes Didaktiker. Jenem folgen wir deshalb, wohin er uns führt, dieser muß jeden Augenblick gewärtig sein, daß wir des Schulmeisters müde werden und unsere eigenen Wege gehen. Daß aber jene göttliche Objektivität, welche allein das Höchste, Ewigwirkende schafft, kein unerreichbares Ziel bildet, dafür zeugt die Ilias; wo ist dort etwas zu spüren von Parteilichkeit, subjektiver Auffassung, Absichtlichkeit, um es kurz zu sagen, wo ist da Homer, der Mensch ? Nur der Dichter ist zu erkennen, nicht der Mensch. Und wenn ich ein neueres Werk nennen soll, so weise ich hin auf den David Copperfield, das Dickens'sche Hauptwerk, das wol der Größe, aber nicht der poetischen Echtheit entbehrt. Unecht aber, vergoldet und nicht Gold, ist alle didaktische Epik.

Ich habe damit das Wort gesagt, das den Spielhagen'schen Roman, das die Masse aller unserer Romane charakterisirt, sie bilden nicht mehr Erzählungen, sondern Gemengsel von Epik und Didaktik in allen möglichen Mischungsverhältnissen. Ein wenig Fabel und viel Moral und der Unterschied zwischen den Talenten und ihren Nachtretern ist nur der, daß jene die Moral künstlicher verstecken oder einkleiden, als diese. Fast alle anderen Fehler entsprießen aus dieser Verirrung, wie Blätter aus einem Stamm. Allerdings soll der Dichter ein Lehrer der Menschheit sein, aber das heißt nichts anderes, als daß die Menschheit Seelennahrung in seinen Werken finden soll, das heißt aber in keinem Falle lehrhaft sein. Auch die Natur soll uns Lehrer sein, weil wir an ihrer Größe uns erheben, in ihrer Schönheit uns verklären, weil in ihr Alles liegt, was unser Geist zur Anregung bedarf. Und nur in diesem Sinne hat das Wort auch für den Dichter Gültigkeit. Wir werden aus jeder seiner Dichtungen Ideen entnehmen können, aus jeder wird uns eine besondere Grundstimmung entgegenwehen, aber bei alledem verfährt nicht der Dichter didaktisch, sondern wir. Es ist leicht möglich, daß ein verbohrter Pädagoge in der Ilias eine Ausführung des Gedankens sieht, Einigkeit macht stark oder Zwietracht ist die Mutter der Niederlage, und gewiß, dieser Gedanke läßt sich auch herauslesen. Aber ebenso gut läßt er sich finden in einem Walde, der dem Sturme widersteht, während die Stämme vereinzelt zusammenbrechen würden. Wer aber wird deshalb sagen, daß der Wald nur blüht, daß die Ilias gedichtet ist, um jenen Gedanken zu verkörpern. Wol aber ist es lehrhaft, wenn Spielhagen einen Roman „In Reih und Glied" betitelt und einen Helden, eine Handlung construirt, welche in allen Gliedern, allen Phasen den Gedanken zum Ausdruck bringen, daß der heutige Mensch in Reih und Glied kämpfen muß, falls er das Wohl des Allgemeinen fördern will, daß er zu Grunde gehen muß, wenn er sich allein stellt. Eine solche Lehrhaftigkeit reizt sofort zum Widerspruch, sie zwingt den Dichter, alle Aufmerksamkeit darauf zu wenden, daß seine Erzählung gehörig jenen Gedanken erweist und sie zwingt den Leser nachzusinnen, ob der Beweis geführt ist. Dieser Widerspruch aber, dieser Zwang ist mit dem wahren ästhetischen Genusse unvereinbar, denn der Leser soll sich der Dichtung gegen=

über fühlen wie der Natur, er muß Gedanken hineinlegen können, aber sie müssen ihm nicht aufgedrängt werden. Irgendwo in seinen Schriften gesteht Spielhagen, daß ihm den Titel „In Reih und Glied" Berthold Auerbach eingeblasen hat, und es ist bezeichnend für ihn, daß er in Auerbach ein Ideal des Epikers, einen echten Homeriden erblickt. Und gerade Auerbach ist ein Didaktiker vom Scheitel bis zur Sohle, es steckt immer auch in seinen besten Schöpfungen der Kalenderschreiber in ihm, der seine Leser als Kinder betrachtet, denen er kein Wort sagen kann, ohne mit dem Finger darauf hinzuweisen, daß in dem Worte noch mehr steckt, als es eigentlich besagt. Ein trefflicher, lebhafter Schriftsteller, gewiß, ein Mann, der eine reiche Saat von Gedanken und Gleichnissen ausgestreut hat, ein Mann, der die Menschen wie die Natur gleich liebte und kannte, aber nicht selbst eine Natur, die zwecklos, morallos schafft, und deshalb kein großer Dichter. Nicht einmal ein großer Erzähler, denn nur ein Dichter kann das sein, wol aber ein packender Plauderer, der mit dem Leser ein ständiges Gespräch führt, ein Gespräch, das naturgemäß vom Hundertsten ins Tausendste schweifen und alles aufnehmen darf, was gerade die Seele des Sprechenden berührt. Und weil er eben ein Plauderer ist, kommt es ihm nicht darauf an, eine Erzählung durch die Weitschweifigkeiten von Colloboratorseelen in lauter Stücke zu zerreißen oder sie gemüthlich zu unterbrechen durch eine Anweisung, wie einer dem anderen Feuer zur Cigarre bieten soll. Und weil er lehrhaft ist in jedem Zuge, so sind seine Individuen fast immer Typen, aus deren Geschick er irgend eine treffliche Moral erweisen will, von der Lorle bis zum Landolin.

Es hätte daher Spielhagen stußig machen sollen, daß der Didaktiker Auerbach einen so unbedingt lehrhaften Saß, wie ihn der Titel „In Reih und Glied" enthält, seinem Romane entnehmen konnte, nicht als einen Gedanken, der auch darin enthalten, sondern auf den das Werk hinausläuft, aber Spielhagen erblickte vielleicht gerade darin die Stärke seiner Schöpfung, daß sie in einer so klaren, seiner „subjektiven Auffassung" der Zeit so scharf entsprechenden Moral wie ein Exempel ohne Rest aufgehe. Ich will im Einzelnen andeuten, wie weit jene Didaxis geht, wie sie in allen größeren

Schöpfungen Spielhagens zu Tage tritt. Daß er mir den Beweis so leicht wie eben möglich macht, daß er die Didaris so ganz und gar nicht verbirgt, ist um so schlimmer für ihn, weil auf diese Weise die Mängel seiner Schaffensmethode um so deutlicher in's Auge springen. Es überkommt mich diesen Mängeln gegenüber eine wehmüthige Empfindung. Wie kurze Zeit ist es her, daß ich in Spielhagen das Ideal erblickte nicht nur eines edlen bedeutenden Schriftstellers, das ist er mir auch noch heute, sondern auch eines großen modernen Dichters. So lange ich nicht anders als mit jugendlicher Begeisterung zu ihm aufschaute, schien er mir die Sehnsucht zu erfüllen nach einem Dichter, der nicht abseits steht vom Wege der Zeit und voll Abneigung gegen sein Geschlecht sich in Probleme vertieft, welche uns fremd anmuthen wie ein indisches Götterbild, sondern der als ein Führer vorangeht. Damals bedachte ich noch nicht, daß ein Dichter nur dann ein Führer der Menschheit ist, wenn er die ihm verliehene Waffe, die dichterische Begabung, rein und blank erhält, wenn er sie nicht mit Spitzen versieht, die fremden Rüstkammern entnommen sind, wenn er nur als Dichter, nicht als Moralist, nicht als Pamphletist wirkt und schafft. Nur durch die Dichtkunst, die reine, unverfälschte kann er siegen, jede Zuthat macht ihn kleiner, vermindert seine Wirkung, jede Zuthat macht sein Werk zu einem Lämpchen, das ein Zimmer erhellt, während es ein Stern sein sollte, der durch die Zeiten leuchtet. Je mehr ich mich in die Meister der Kunst vertiefte, je mehr sich meine Anschauungen klärten, desto unbehaglicher wurde mir, wenn ich einen Roman Spielhagens las, desto mehr reizte er mich zum Widerspruch, desto tiefer fühlte ich, daß Spielhagen mir noch als etwas Anderes entgegentrat, denn als Dichter. Er schilderte mir nicht die Zeit wie ein großer Historiker die Vergangenheit, indem er die Thatsachen, die volle Wirklichkeit reden läßt, sondern wie ein mittelmäßiger Historiker, der seine vorgefaßten Meinungen aus den Thatsachen heraus zu construiren sucht und bei Gelegenheit die Thatsachen, die ihm nicht passen, übersieht. Er erzählte mir nicht ein Menschenleben, einfach wie er es gesehen, sondern um an diesem Menschenleben einen bestimmten Gedanken zu erweisen, statt das Leben einfach zu gestalten, wollte er es mich verstehen lernen und je kräftiger meine eigenen Ansichten wurden,

desto verstimmter wurde ich über den, der mir die seinen aufzudrängen suchte. Später las ich die Romane Spielhagens in einem Familienkreise vor und fand meine Erfahrung bestätigt, daß das Falsche auch dem unkritischen Leser offenkundig wird, sobald er nicht das bloß Stoffliche aus der Dichtung herausklauben kann, sondern genöthigt ist, das Ganze in sich aufzunehmen.

Ich habe gesagt, daß Spielhagen die Didaxis gar nicht zu verbergen sucht, sondern seine Morallehren, natürlich nicht selbst, sondern durch den Mund seiner Personen offen vorträgt. Einzelne Beispiele mögen das belegen. Die Tendenz des Romans „In Reih und Glied" wird von dem braven Walter in liebenswürdiger Weise wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Wenn nicht alle Zeichen trügen, so ist die Zeit des Heroenthums vorüber vorüber die Zeit, wo die Helden auf ihren Streitwagen das Blachfeld durchdonnerten und die kopf- und herzlose Heerde schreiend, thatenlos hinterdrein zog. Wohl mag es der groß angelegten Natur schwer werden, sich zu beugen unter das allgemeine Gesetz, schwer, von dem Irrthume zurückzukommen, daß sie allein schon ein Ganzes sei. Und doch ist es ein Irrthum. Das Feldgeschrei heißt jest nicht mehr: Einer für Alle, sondern: Alle für Alle. Das ist der große demokratische Gedanke, der freilich schon mit der Menschheit geboren wurde, aber doch erst mit dem Christenthum die rechte Weihe empfing, der dann scheinbar wieder verloren ging, bis er in unseren Tagen aus der Asche des Mittelalters, wie ein Phönix verjüngt, sich erhoben hat, um nun nie und nie wieder verloren zu gehen . . . . . Keiner soll jezt mehr tragen, als er tragen kann; kein Heiland unter der Kreuzeslast zusammenbrechen, kein Dezius Mus den Speer weit hinein in die Feinde schleudern, und so, indem er seinem kühnen Ziele nachjagt, den Heldentod finden. Nein, nein, Leo, und abermals nein! Wir wissen jetzt, daß alle Länder gute Menschen tragen und diese guten Menschen bilden eine einzige große Armee; der Einzelne ist nichts weiter, als ein Soldat in Reih und Glied. Rechts und links Fühlung zu behalten und im Takt zu marschiren, und wenn zur Attaque commandirt (! es steht also doch der und jener außer Glied, der Commandirende nämlich) wird, aus voller Brust Hurrah zu schreien und sich mit voller Gewalt auf den Feind zu werfen das ist seine

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