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Friedrich Spielhagen

und der deutsche Roman der Gegenwart.

Friedrich Spielhagen verkörpert in sich eine ganze Epoche deutscher Erzählungskunst. Diese Epoche geht allgemach ihrem Ende ent= gegen, aber eine neue kündigt sich erst durch wenige Vorläufer an. Trozdem geschieht es nur um der aufgehenden willen, daß ich die untergehende zu kennzeichnen versuche; ich möchte ergründen, welche Ursachen den deutschen Roman bislang verhindert, jene Höhe zu erreichen, die von Spaniern und Britten bereits erklommen wurde und ich möchte erkennen, in welcher Richtung die Wege, die hinaufführen, liegen.

Die Schöpfungen Spielhagens bilden daher nur den Ausgangspunkt für mich; er ist mehr als irgend ein Anderer der Vertreter des Heute, nicht weil er höher steht, als etwa ein Gustav Freytag oder Gottfried Keller, sondern weil er troß all seiner Begabung im einzelnen, doch im gesammten ein Thpus des durchschnittlichen Talentes und des durchschnittlichen Könnens ist, weil sich in seinen Fehlern am klarsten die Fehler widerspiegeln, welche dem deutschen Romane überhaupt anhaften, an seine Vorzüge aber sich am leichtesten die Voraussicht eines Besseren anknüpfen läßt.

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Wie unsre Literatur im allgemeinen hat auch der deutsche Roman eine Bahn durchlaufen, die in den mannigfaltigsten Windungen, fortwährend durchkreuzt von fremden Pfaden und hier und da zu einem bloßen Spurweg verkümmernd, kaum noch den Eindruck einer Sonderheit, einer eigenen naturgemäßen Richtung hinterläßt. Seit

dem Ende des 14. Jahrhunderts, da der Geist des Ritterthums im Niedergang begriffen und das breitere behagliche Leben des Bürgerthums die nationale Herrschaft gewann, zerfiel auch das mittelalterliche Epos, nachdem es zulezt jeden tieferen Gehalt, jeden Glanz der Form verloren, und ging unter, unverstanden in seinen Zielen wie in seinem künstlerischen Ausdruck. Dieser lettere war nach den Tagen Konrads von Würzburg mehr und mehr zu bloßer Spielerei ausgeartet und konnte daher den ernsteren Sinn eines neuen Geschlechtes, das nach kräftigem Realismus begehrte, nicht länger be= friedigen. Wie zu allen Zeiten wandte sich das realistische Bedürfniß zunächst von der Tändelei der bestehenden Form ab und löste daher das Metrische in Prosa auf, ohne zugleich einen neuen Stoff und neue Ideen finden zu können. In solchen Uebergangsepochen scheint deshalb die neue Form nach neuem Gehalt zu suchen und nicht der neue Gehalt sich in neuen Formen auszuprägen. Aber das ist nur äußerlicher Schein; in Wirklichkeit ist der neue Geist stets das Erste, nur fehlt es ihm im Anfang an der Kraft, sich anders als durch das Medium der Form zu neuem Inhalt durchzuringen. So ist es denn ein Zeichen ebenso der Kraft wie der Schwäche, wenn eine Literatur vom Vers zur Prosa übergeht und das Gleichgewicht tritt erst dann wieder ein, sobald die Prosa künstlerische Form annimmt und der Vers von neuem sich mit Idee und realistischem Ernst erfüllt.

Die ersten Romane nun zeigen noch nichts von künstlerischer Prägung und Gestaltung, es sind in Prosa aufgelöste Epen, überall behaftet mit den Spuren ihres Entstehens, nicht Eis, nicht Wasser. Bald aber wuchs den Verfassern solcher Umarbeitungen auch der Muth, die Sagen, welche den Epen zu Grunde lagen, fret und ohne Anlehnung an ein episches Muster zu behandeln. Da es jedoch kein innerer, dichterischer Trieb war, welcher diese Schriftsteller beseelte, so wurde ihnen die Mühe selbstständigen Schaffens schnell leid und sie holten sich lieber von den immer dienstfertigen Nachbarn, den Franzosen, welche bereits einen tüchtigen Vorrath fabulirender Prosa angehäuft, ihr Pensum Rittergeschichten und übertrugen es. Wir können nun einmal ohne fremden Sauerteig nicht in Gährung gerathen, und es ist gut so, unser Bestes wird dafür

allezeit etwas weit Besseres, als das Allerbeste Derer, die sich abschließen. Zu den ersten Ueberseßern, die nach und nach auch die Schäze anderer Völker, zumal der Italiener, plünderten, gehörten natürlich zwei Frauen, die Herzogin Margarethe von Lothringen und Elisabeth von Nassau. Während der Roman lange Zeit ausschließlich in solcher Abhängigkeit vom Auslande verharrte und zu= gleich an keiner Stelle aus dem bloßen Fabuliren zu einer realistischen Spiegelung von Zeit und Volk gelangte, kam endlich in den kleineren Erzählungsformen ein frischeres, natürliches Element zum Durchbruch. Hierhin rechne ich Pauli's Schimpf und Ernst, den Eulenspiegel und das Lalenbuch, deren lebendige Prosa und urwüchsiger Stil auf den Errungenschaften fußt, welche durch Luthers Bibelübersetzung der deutschen Sprache gewonnen waren. Alle Anzeichen deuteten nunmehr darauf hin, daß eine große Epoche deutscher Literatur im Werden begriffen sei, aber es bildeten sich nur Knospen, die Entwickelung zur Blüthe wurde durch die Nachtfröste politischer und religiöser Zerrissenheit, die in endlosen Bruderkämpfen gipfelten, verhindert. Solche Knospen waren die Romane des Jörg Wickram, der im „Knabenspiegel“ zum ersten Male ein deutsches Zeit- und Landschaftsbild entrollte; nichts anderes, als solche Knospen blieben aber auch Johann Fischarts überschüssig lebens- und geistesvolle, noch mehr jedoch virtuosenhafte Schöpfungen. Inzwischen hatten bereits von Frankreich her die Amadisromane mit ihrem Reichthum packender Situationen und reizvoller Schilderungen, getragen von einer klaren, feingegliederten Sprache, Deutschland überschwemmt und ebenso siegreich drangen die aus Spanien stammenden Schäferromane vor. Uebersetzungen und Nachahmungen dieser Eindringlinge erfüllen das ganze 17. Jahrhundert, gegen Mitte und Schluß dieses Zeitraumes vollendeten sodann die englischen Abenteurerromane die Abhängigkeit vom Auslande. Eine grünende Insel nur in diesem Fluthschwall, der Simplizissimus; aber auch dieser vermag keine neue Entwicklung anzubahnen, weil er nicht, wie etwa der Don Quijote, zu vollendeter Kunstform ausgeprägt ist und weil die Sprache, aus der er herausgeboren, noch nicht abgeschlossen und durchgebildet genug war, um in künftigen Geschlechtern mehr als culturhistorisches Interesse zeugen zu können.

Das 18. Jahrhundert seßte zunächst die Bestrebungen des 17. ohne eigenartige Zuthat fort, denn die dickleibigen Heroenromane geben nichts als eine Mischung abenteuerlichen Ritter- und ge= schminkten Schäferthums, erst in den 40er Jahren kommt die etwas modernere und halbrealistische Gattung des moralisch sentimentalen, meist bürgerlichen Romans zur Geltung. Wiederum ist es jedoch das Ausland und zwar England, welches die Muster bietet.

Die erste deutsche Erzählung, welche die Welt für sich gewinnt, weil sie individuelles und nationales Leben athmet, ist der Werther. Von nun an tritt Deutschland auch im Romane den anderen Ländern selbstschöpferisch zur Seite, aber im allgemeinen nur der Quantität nach ebenbürtig. Ein großer einheitlicher Stil will sich nicht bilden und selbst der Wilhelm Meister Goethe's entbehrt zu sehr der einheitlichen Gliederung, bleibt zu sehr im Subjektiven stecken und ist dem nationalen Horizonte nach zu sehr begrenzt, als daß er mit dem Don Quijote oder dem Tom Jones in eine Reihe treten könnte. Weder die wüste Albernheit der Ritter- und Räubergeschichten noch die Dürre kleinlicher Familienromane, weder unsere Humoristen, unter deren Bizarrerien die gesunde Triebkraft des Realen erstickt, noch die Romantiker weisen mehr als zerstreute Keime eines nationalen, blüthefähigen Romanes auf, die großen Talente wenden sich fast ausschließlich der Lyrik und dem Drama zu. Das letztere wird erst anders, als das junge Deutschland in die Scene tritt. Der Roman erscheint von jezt an als bevorzugte Gestaltungsform, man sucht ihn mit klarer Bewußtheit als Träger moderner Ideen und als Spiegelbild des Lebens zu verwerthen, doch weder Guzkow noch Laube waren echte gestaltungskräftige Poeten und durch das Suchen nach Tendenz stellten sie sich unter ihren Stoff, statt über denselben. Seiner Nation Führer zu sein, ist gewiß des großen Dichters Sache, aber politische, sociale und sonstige Tendenzen sind etwas andres als ethische und nationale Ziele, -wahre Epik ist wol mit diesen, mit jenen aber nimmermehr vereinbar.

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Die politische Ernüchterung, welche der Wirbeltanz des Jahres 1848 im Gefolge hatte, jenes Jahres, in welchem 118 Professoren in der Paulskirche die Begeisterung des Volkes in einige Dußend Löcheriger Paragraphen einsargten, diese Ernüchterung trennte auch

die Schriftsteller, denen eine Gesundung der Nation am Herzen lag, alsbald nach ganz verschiedenen Richtungen hin. Während Gußkow, Max Waldau und Andere den reinen Tendenzroman, der sich bes gnügt, einen einzigen Moment der zeitigen Volksgeschichte mit der Dellampe des Herrn Verfassers zu beleuchten, weiter pflegten, wandte sich Willibald Alexis der historischen Erzählung zu und gelangten Gustav Freytag und Fritz Reuter zu einer lebendig treuen Wiedergabe socialen Lebens und Treibens in realistischer Form. Reuters Gesichsweite war jedoch eine sehr beschränkte, die Genrebilder, welche er zeichnete, sind einem sehr engen Stoffgebiet entnommen, alles Umfassende, Große liegt ihm fern, er ist ein gemüthlicher Hausund Feldpoet, aber kein Zeitpoet. Freytag dagegen fehlt es an mächtigem Willen nicht, nur geht ihm zu schnell der Athem aus und der Gelehrte in ihm ringt fortwährend mit dem Dichter. Er vermag es, ein Lustspiel zu schaffen, das in der Nacht unseres Komödienelends wie ein Stern aufgeht und neue Bahnen zeigt, um dann mit ebensolchem Eifer der Komödie den Rücken zu kehren und seine Kraft an Fabier und Kulturgeschichte zu vergeuden. Er schafft einen Roman, der ohne aufdringliche Tendenz die Wirklichkeit verklärt, der, ein treffliches Gemisch von Humor und Idealismus, deutsches Sein verkörpert, um schließlich in den Ahnen ein Ragout zu bieten von Epos und Roman, von überdichterischem Stil und dürrstem Material, von Geschichte und Familienklatsch, von Fisch und Fleisch, das keinen, der ihn verehrt, erquicken kann. Nicht daß Gustav Freytag neben dem Trefflichen auch minder Treffliches geschaffen, ist sein und unser Leid, denn welchem Dichter wäre nicht gleiches nachzusagen, sondern daß seine Entwicklung so wenig gradauf geht, daß seine Schöpfungskraft stets nach einem großen Aufschwunge so schnell wieder sinkt, daß seine Erscheinung so wenig ein Ganzes, Einheitliches darstellt. Wenn es nicht vorschnell ist, schon jezt ein abschließendes Urtheil über ihn zu fällen, so möchte ich sagen, daß er gleich Guzkow und Spielhagen der Typus eines Schrifftellers im Gegensatze zu dem des Dichters ist, eines Schriftstellers, dessen mehr nachbildendes als selbstschöpferisches, mehr sammelndes als intuitives Vermögen an das Wesen des dichterischen Ingeniums rührt, ohne doch mit der siegenden Gluth, mit der elementaren Triebkraft des

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