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Muß ich ein Wort hinzufügen? Persönlich hege ich ganz im Stillen die Meinung, daß Spielhagen seiner Menschenkenntniß, wenn Goethe, Dickens und andere Meister nicht ausreichen, zu Zeiten auch durch den „Kladderadatsch“ Vorschub leistet.

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Karrikaturen jedoch, wie sie Spielhagen liebt, zeugen nicht nur für die Sucht des Schriftstellers, lieber grell als wahr zu zeichnen, sondern sie deuten auch an, wie fernab ihm der Humor liegt. Erzwungener Humor ist kein Humor und weil Spielhagen sich Zwang anthun muß, seinen steten Ernst abzuschütteln, so bringt er es nach der Seite des Lächerlichen hin nicht über verzerrende Komik oder höhnische Satire. Der Hohn aber tödtet den Humor, denn der Humor betrachtet die Menschen als Kinder, und selbst ihre Narrheiten nur als närrische Streiche. Daher bedeckt er alle Schwächen mit dem Mantel väterlicher Güte und jedes Zornfeuer, ehe es aufflammt, verraucht. Weil er aber die Menschen als Kinder ansieht, deren Leidenschaften, Irrungen und Kämpfe vor dem Auge ewiger Erhabenheit nur als Sonnenstäubchen, nur als Schattenspiele und weniger verdammenswerth erscheinen, als es die Kämpfenden selbst sich träumen. lassen, eben deshalb wird der Roman, den der Humor durchtränkt, besser als der pathetische, geeignet sein, die Realität wiederzuspiegeln. Von dem Humor beleuchtet wird die Realität nicht wie im Leben verlegend, abstoßend, aufregend zu Haß oder Liebe sein, sondern erhabene Ruhe zeugen, durch welche die Kunst die Menschen den Göttern nähert, jene wahrhaft ästhetische Stimmung, in der tragische Schauer wie komische Schütterungen gleich rastlos aufgehen.

Keime zu einem solchen realistischen Roman höchster Art liegen in den Schöpfungen unserer Humoristen in großer Zahl, aber auch nur Keime. Was unsren Humoristen von Jean Paul bis auf Raabe als Erstes und Bestes fehlte, das war der fünstlerische Sinn, ohne den jedes Sein chaotisches Gewirr, aber nicht organisches Leben wird. Vielleicht auch das höchste künstlerische Streben, das einzig ringt, das Ideal der Gattung zu erfüllen und nicht auf Neben= wegen kleineren Zielen nachgeht. Und weil ihnen der wahre Kunstsinn fehlte, so ermangelten sie der äußeren Objektivität durch die

sich das Subjekt selbst als Objekt sezt, um in der Allgemeinheit aufzugehen und durch welche das Subjekt mit Realität erfüllt, nicht aber die Realität durch das Subjektive zersetzt wird.

Mit andern Worten, der Humor muß sich in den Dienst der Kunst stellen, nicht souverain die Gesetze der Kunst verachten wollen.

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Auf einen Mangel an realistischer Beobachtung oder auch auf ein Unvermögen, die Beobachtung in lebenswahre Charakteristik umzusehen, weist schließlich die Art und Weise hin, wie Spielhagen Episoden einflicht. Ich wähle ein Beispiel. In den „Problematischen Naturen" soll die Geschichte des Barons Harald, der weit vor der Zeit lebte, in welcher die Haupterzählung spielt, berichtet werden. Und wem vertraut Spielhagen diesen Bericht an? Einer Bäuerin, einer Greifin von 82 Jahren; diese gibt die Erzählung, ohne Unterbrechung, auf 24 Seiten, und als ob es der Unnatur noch nicht genug wäre, in wohlgeseztem Schriftstellerdeutsch zum Besten. Dieses Schriftstellerdeutsch führt mich unmittelbar auf die Sprache, das Material, mit dem Spielhagen seine luftigen Gebäude aufführt. Wie könnte es anders als gleichfalls luftig sein! Auf den ersten Anblick hat die Sprache Spielhagens etwas Bestrickendes, seine Säße wogen und schimmern wie flüssiges Gold. Wer aber näher zusieht, der erkennt bald, daß er es mit einem Autor zu than hat, der die Kunst versteht, das Gold eines Dukatens so auszuhämmern, bis es einen Reiter, Mann und Roß, einzukleiden vermag. Auch in der Sprache zeigt Spielhagen sich, nicht immer, aber für gewöhnlich, als ein Glied der großen Masse. Ich habe vergebens nach einem neuen Bild, nach einer neuen Wortfügung in seinen Romanen gesucht; der besondere Stil, der ihm eigen ist, entsteht einzig und allein durch übermäßige Getragenheit, durch ein Pathos, das auch das Geringfügigste auftreibt, wie flüchtiges Gas einen Ballon. Wie dieses Pathos zur Phrase verführt, habe ich bereits ausgesprochen, als ich der Leichenpredigten Spielhagens erwähnte, aber die Zeugnisse liegen fast auf jeder Seite seiner Werke. An und für sich wie schön ist das Gespräch zwischen Reinhold und Cilli in der „Sturmfluth“ (S. 144), aber im Zusammenhange des

Romans, der Menschen und nicht Engel schildert, klingt es wie ein Geläut von Phrasen, weil ein Kind von 16 Jahren und ein Schiffskapitän unmöglich reden können, wie sie reden. Und wenn es in "Hammer und Amboß" heißt, daß es das Höchste sei, sein Blut hinzugeben für einen Andern, wie sehr man sich manchmal darnach sehne; aber der Andere bedürfe in diesem Augenblicke vielleicht nicht dieses Opfers, sondern nur eines Nichts, eines Stückes Brod, einer wollenen Decke und mit allem Blute könne man gerade das nicht herbeischaffen, so weiß ich auch dafür keinen andern Ausdruck als Phrase. Auf welch einsamer Insel muß Jemand leben, wenn er mit all seinem Blute kein Stück Brod herbeischaffen kann. Am meisten aber tritt die Phrase in den Liebesscenen zu Tage. Die echte Leidenschaftlichkeit auszudrücken bleibt Spielhagen fast immer versagt, seine Kraft ruht in der Reflexion. Die Leidenschaft und vor allem die Liebe schwätt, stammelt, ja athmet nur, aber sie ruft nicht die Sonne als Zeugen an und ergeht sich nicht in seitenlangen Prosarythmen. Spielhagen hat freilich nicht die Höhe erklommen, die Ebers in seiner „Egyptischen Königstochter“ erreicht, dem ein Liebesgespräch in lauter Jamben aus der Feder fließt, aber er kommt ihm doch z. B. in „Was die Schwalbe sang“ bis auf die Jamben nahe. Nicht minder übertrieben, nicht minder unrealistisch sind zumeist die Worte, mit denen Spielhagen seine Lieblingsfiguren schildert. So heißt es von Angela: „Sie hatte diesem Trugbild alles geliehen, was ihr selbst das Höchste galt: Leidenschaft und Begeisterung der Kunst und unendliches Sehnen und rastloses Streben nach dem Vollkommenen" oder ein andermal „dahin, dahin, als wäre sie nie gewesen, diese Welt von Liebe und Edelsinn und höchster, reinster Geisteskraft". Solch ein weiblicher Genius wandelte auf Erden und wir erfahren es erst durch Spielhagen. Diese Uebertreibung erinnert mich an jenen Fehler, den Spielhagen ebenfalls mit Krethi und Plethi theilt, an den Fehler, fingirte Berühmtheiten zu Trägern der Romanhandlungen zu machen; oder ist es nicht eine direkte Störung der Illusion, wenn der Held der Geschichte „Was die Schwalbe sang", Gotthold Weber, als der hervorragendste Landschaftsmaler der Gegenwart eingeführt wird, trotzdem keiner der

H. u. J. Hart, Kritische Waffengänge. Heft 6.

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Leser je von ihm gehört hat! Das sind Kleinigkeiten, aber tausend kleine Wunden wirken manchmal tödtlicher als wenige große. Kein dichterisches Gebilde steht der Wirklichkeit so nahe wie der Roman, keines ist so einzig auf das Wirkliche angewiesen, im Gegensaß zur Einbildung und deren Idealen, keines empfindet daher eine Verlegung, die aus dem Zusammenstoß von Einbildung und Wirklichkeit herrührt, tiefer. Muß ich noch weitere Einzelheiten erwähnen, um die unrealistische Sprachweise Spielhagens zu kennzeichnen, muß ich es anführen, daß Spielhagen viel zu zart ist, um Hosenträger zu sagen, daß er jeder Salondame durch „Beinkleiderträger“ Genüge thut, daß eine sehr junge, naive Landdame vom „Christfest ihrer Freundschaft" spricht, daß unter „Gewändern" ein gewöhnliches Reisekleid zu verstehen ist, nein ich verliere mich nicht darin und gehe lieber auf einen oft wiederkehrenden Fehler ein, der den akademischen Geist des Verfassers ins helle Mittagslicht stellt.

Eine wahre Scheu hat Spielhagen nämlich davor, die wirkliche Sprache des Lebens in seinen Erzählungen wiederzugeben. Die Folge davon ist, daß die meisten seiner Personen in fast unerträg= licher Weise den gleichen übergebildeten Jargon, daß sie fast alle gleich Spielhagen'sch, gleich floskelhaft und getragen reden. In „Hammer und Amboß" tritt ein Oberwerkmeister auf, von dem der Erzähler behauptet, er verwechsele stets mir und mich. Kaum fängt aber dieser vermeintliche Deutschverderber, auf dessen komische Ausdrucksweise sich der Leser bereits freut, selbst an zu reden, so spricht er richtig wie ein Schulmeister. Und so geht es hundert Mal in Spielhagens Romanen; immer wieder sagt er uns, daß Der und Der nur platt rede, ein knorriges Platt, und jedesmal hören wir dem breiten Munde das milchigste Hochdeutsch entfließen. Aus dieser Scheu, das Wirkliche einfach wiederzugeben, in diesem Falle es zu nennen, wie es heißt, entspringt auch die Angewohnheit, die Dert= lichkeiten seiner Erzählungen durch lauter Pseudonyme zu bezeichnen. Stralsund heißt bei Spielhagen Sundin, Greifswald Grünwald, (welche Verballhornung!), die bekannten Straßen Berlins Unter den Linden und Unter den Zelten werden bei ihm in Akazien und Buden verwandelt, ja, die Wilhelmsstraße wird sogar in Williamsstraße englisirt. Auf dem halben Wege zum Realismus bleibt er

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stehen, wenn er Tante Riekchen in der Sturmfluth" alle Fremdwörter thrannisirt“, „Timbuktu“ u. s. w. ganz richtig sprechen, aber stets hinzufügen läßt „so heißt es ja wohl“. Wahrscheinlich fürchtet Spielhagen, irgend ein Leser könne, falls der Autor wirklich realistisch schriebe: „canarischer Marmor“ oder „Dünnbuktu“, annehmen, der Autor stehe selbst mit der Kenntniß der Fremdwörter auf gespanntem Fuße.

Es ist ein natürlicher Zusammenhang, daß die Scheu, sich realistisch auszudrücken, leicht in die Scheu, realistisch zu schildern, übergeht, denn das lektere ist ohne das erstere nicht denkbar. Spielhagen schildert ein Souper, an dem sich Gründer, Aristokraten und Damen des Ballets betheiligten; schon ist der Taumel so hoch gestiegen, daß die Damen sich zutrinken mit den bakchantischen Worten : „Bertchen, ich komme Dir ein Ganzes!" „Ist recht, Trinchen!", da endet der Erzähler plöglich die Schilderung mit dem Saß: „die Gläser klangen zusammen; höher und höher gingen die Wogen der Lust und schlugen über dem letzten Rest von Anstand und Sitte brausend zusammen". Spielhagen ist und bleibt Prediger, er begreift nicht, daß dieser Saß kein Bild gibt, wie es der Erzähler geben soll, daß er nichts als eine leere Deklamation, ein Pinselstrich, aber kein Gemälde ist.

All diese Scheu jedoch gehört zum Wesen, zum Charakter Spielhagens, er ist Akademiker, nicht Realist, und er geht deshalb nicht gern über die Grenze hinaus, welche der Salon noch billigen darf; seine Menschen sind lauter maskirte Spielhagens, wie Auerbachs Bauern lauter verkappte Auerbachs sind. Trozdem darf es nicht unausgesprochen bleiben, daß er auch an Sprachgewalt und in der Kunst der Sprache weit aus der Masse hinausragt. Um so flagenswerther ist es freilich, daß selbst er wie fast alle unsre ersten Schriftsteller sich nicht mehr reinhält von eigentlichen Sünden gegen die deutsche Sprache, von Flüchtigkeiten, von Verhunzungen, denen gegenüber der Kritiker die traurige Wahl hat, den Schulmeister zu spielen oder zu schweigen. Das Zeitungsdeutsch dringt mehr und mehr auch in die Schöpfungen der Talente ein und die Sucht, nach Fabrikantenweise mit den Konkurrenten in Zahl und Umfang der Produkte zu wetteifern, läßt auch hervorragenden Autoren

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