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nicht mehr die Muße, ihre Arbeiten von mißgebauten Säßen, hölzernen Wendungen, falschen Bildern und vielleicht selbst von Unsinn rein zu feilen. Ich brauche nur die ersten besten Bücher, die mir in die Hand fallen, aufzuschlagen und eine Blüthenlese von Unrichtigkeiten und Flüchtigkeiten ist mir gewiß. Da schreibt Paul Heyse, um auszudrücken, daß der Kutscher keine Eile habe, „Auch schien es dem Kutscher durchaus nicht zu eilen" (Gute Kameraden), was etwa den Sinn hätte: „Auch schien dem Kutscher, daß irgendein es (das Pferd) nicht sehr eile" oder Brachvogel „auf und davon reitend, flog ein Freudenschrei von seinen Lippen" (Der deutsche Michel), wonach es reitende Freudenschreie gibt und Spielhagen selbst „Für das, was ich auf einem andern Schauplatz that, zu lebenslänglicher Gefangenschaft begnadigt, müßten Sie erst das seltsame Geheimniß verstehen, die Zahl meiner Tage zu vergrößern, wenn Sie mir die Qual meines Kerkers verlängern wollen" (Die von Hohenstein). Diesem Sage zufolge wären die mit Sie angerufenen Personen (die Richter) zu lebenslänglicher Gefangenschaft begnadigt für das was das Ich (Münzer) auf einem anderen Schauplah gethan. In „Plattland" spaziert Gerhard von Vacha durch den Hof und 18 Zeilen später, als seiner zulegt Erwähnung gethan worden, fängt ein ganz neuer Abschnitt an: „Enten, Hühner und Tauben und ein prächtiger Pfau, der nickend vor ihm hertrabte". Sazungeheuer wie das folgende, das ich.,,Hammer und Amboß" entnehme, sind bei Spielhagen nicht selten: „Wie der gute Klaus mir dieses selbstmörderische Vorhaben ausgeredet und wie er mich die steile Leiter wieder hinaufgeschafft hat, weiß ich nicht; doch muß es irgendwie geschehen sein, denn als wir in den Hafen liefen, war ich wieder auf Deck und sah die Maste der vor Anker liegenden Schiffe an uns vorübergleiten und zwischen den Raaen und Spieren hindurch die Sterne tanzen und der Halbmond stand auf dem spigen Thurm der St. Nikolaikirche und fiele dann mit einem Male herunter und ich wäre auch beinahe gefallen, denn der „Pinguin“ streifte eben ziemlich hart die vorspringenden Balken der Schiffbrücke, auf welcher wieder eine schwarze Menschenmenge stand, die aber nicht Hurrah schrie, wie heute Morgen, sondern wie mir vorkam, auffallend still war und als ich durch sie hindurchdrängte, mich, so schien es, mit wun

derlich ernsten Gesichtern anstarrte, so daß mir zu Muthe wurde, als sei irgend ein Unglück geschehen, oder es werde demnächst eins geschehen und ich selbst hätte irgendwie das Unglück zu Wege gebracht."

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Daß Spielhagen allerdings so nachlässig in der Feile wäre, wie Paul Heyse, Auflage nach Auflage einen Sag paradiren zu lassen, wie den in Kinder der Welt“: „Er sah durch die blaue Brille, die er neben sich auf dem Tische liegen hatte, in die Landschaft hinaus“, ist mir nicht aufgefallen. Aber ich habe auch diesen unbewußten Kampf gegen die Reinheit der Muttersprache nur beiläufig erwähnt, weil auch er ein Zeugniß dafür ist, daß die Literatur vollends von ihrer Höhe herabsinken wird, falls nicht die drohende Gefahr neue, größere Kräfte auf den Plat ruft. Wenn die Talente stolpern, wälzt sich die Masse schon im Schmutz; ein Blick in die Zeitungen, in die Feuilletons und es wird deutlich, welche Uniformität der Sprache und zwar einer schlechten Sprache alle beherrscht, wie realistische Frische und Kernigkeit seltener ge= worden sind, denn reiner Wein, welch eine Schwulst unsinniger Phrasen und Bilder unverdrossen zu Tage gefördert wird. Es liegt mir aber fern, diesen Schmug aufzuwühlen.

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Dreierlei hoffe und glaube ich erwiesen zu haben. Zunächst, daß der deutsche Roman der Gegenwart, soweit er durch Spielhagen vertreten wird, kein reines Gebilde erzählender Dichtkunst, daß er durch Didaris, Moral, Reflexion und Tendenz in jeder Weise zersezt ist. Ferner, daß dieser Roman kein Weltbild gibt, d. h. in der umfassenden Darstellung einer Zeit und eines Volkes das allgemein Menschliche wiederspiegelt, sondern der Handlung, den Charakteren wie der Form nach ein beschränktes Familiengemälde bietet, welches nicht organisch, sondern künstlich und deshalb nur scheinbar durch Tendenzen und Reflexionen verbreitert ist. Und endlich, daß der deutsche Roman nicht als Ergänzung des idealen Epos getreu die Realität der Menschen und Dinge wiedergibt, sondern daß Erfindung, Charakteristik und Sprache von einer seichten, die

Phantasie mehr durch Lektüre als Wirklichkeit nährenden Idealistik zeugen.

Das glaube ich erwiesen zu haben, freilich nur durch Andeutungen, aber durch Andeutungen, die zu weiteren Belegen jeden Romanleser herausfordern und welche nur Einzelheiten sind aus einem Schatz von Bemerkungen, die ich aufgehäuft.

Einigemale durfte ich den Theoretiker Spielhagen gegen den Praktiker selbst aufrufen, es dient mir zur Genugthuung, daß ich auch zum Schluß, wo es gilt, mit kurzen Worten der schriftstellerischen Bedeutung Spielhagens gerecht zu werden, an seine eigene Theorie anknüpfen kann. Wie ich bereits hervorgehoben, soll nach ihm der Roman ein Weltbild sein, wie es in einer Zeit und einem Volke zur Geltung kommt. Die Novelle dagegen bildet nach seiner richtigen, aber rein formalen Erklärung, die über den inneren, den Wesensunterschied von Roman und Novelle keinen Aufschluß gibt, die Darstellung eines kleineren, scharf begrenzten Ausschnittes des großen Weltgetriebes. Nun frage ich im Hinblick auf die Ausführungen, welche ich bisher gegeben, was sind denn alle Erzählungen Spielhagens von den „Problematischen Naturen" bis zu „Hammer und Amboß“, bis zu „Platt Land" anders als Darstellungen eines kleinen scharf begrenzten Ausschnittes des großen Weltgetriebes, was anders also, denn nach der Meinung des Verfassers Novellen! Und in der That, Spielhagen ist mehr Novellist, als Romanerzähler, seine Romane sind dramatisch concentrirt, nicht episch breit, sie bieten nicht eine Welt von Bildern wie der Don Quijote, sondern drehen sich, festgefügt, um ein oder zwei Probleme. Als Muster hat Spielhagen weniger Goethe's Meister als seine Wahlverwandtschaften vor Augen, eine Erzählung also, die wol den Gesetzen einer höchsten Novelle, nicht aber denen des Romans entspricht; es wird denn auch kein literarisches Werk öfter in den Geschichten Spielhagens erwähnt, als dieses Goethe'sche. Es athmen daher jene seiner Erzählungen, welche Spielhagen selbst Novellen nennt, zu welchen ich jedoch auch die kleineren Romane rechne, weit mehr Frische und wärmere poetische Kraft als die größeren Schöpfungen, in denen Moral und Tendenz das Dichterische verschlingen. Allerdings an Reflexion sind auch die Novellen überreich, so daß

ich manchmal zweifelhaft bin, ob in die Novellistik dieser Art nicht zu guter Lezt auch die Platonischen Dialoge einzureihen wären. Aber die Novelle, die auf einen kleineren Umfang berechnet ist und weniger das ganze Leben zu spiegeln, als es vielmehr in irgend einem Punkte hell zu beleuchten sucht, vermag wie jede kleinere Dichtung eher eine gewisse Last ethischer Reflexion zu tragen, als der Roman, der weniger straff auf ein einziges Ziel gerichtet ist. Eine Lehrdichtung wie der Hiob würde, zu einem Epos von 20 Gesängen auseinandergezogen, reizlos wie eine Sandwüste sein.

Die Stellung Spielhagens in der Literaturgeschichte ist trok aller seiner Schwächen keine bedeutungslose, denn in seinen Schwächen vertritt er eine Epoche und in manchen dieser Schwächen liegt ein Keim von Vorzügen der Vergangenheit gegenüber. Wol ist Spielhagen in romantischen Allüren befangen, denen selbst das rein Phantastische nicht fehlt, wol kann er nirgends der romantischen Schminke ganz entbehren, aber wenigstens in der Reflexion, der Moral und theilweise auch in der Charakteristik strebt er einer realistischen Weltgestaltung zu, strebt er nach dem Ruhm, national und modern zu sein. Wol ist er ein Tendenzschriftsteller, aber doch rollt durch seine Schöpfungen mehr Lebensblut, als durch die Erzeugnisse des jungen Deutschlands, und so ganz abstrakte Phantasiegestalten wie Guzkow in seinem „Basedow und Söhne“ sie zeichnet, bilden bei ihm die Ausnahme, nicht die Regel. Den Mitstrebenden gegenüber gewinnt er den Vorsprung ab durch die Klarheit seiner ästhetischen Anschauungen, denn ihr verdankt er es, daß die Verlegung der formalen Objektivität bei ihm zur Seltenheit wird, daß er seiner Zeit treu ist und den Spuk der historischen Romane für Spuk ansieht, daß er schließlich mehr nach Umfassenheit strebt als irgend ein Anderer. Nach der und jener Seite hin übertreffen ihn freilich mehrere der Mitstrebenden. Robert Schweichel steht über ihm, was Frische der Charakteristik und Poesie der Schilderung be= trifft, Wilhelm Jensen hat eine reichere Phantasie, Wilhelm Raabe dringt tiefer in den Realismus des Kleinlebens ein und Julius Rodenberg ist farbiger, gestaltungskräftiger. Und in jenen Vorzügen Spielhagens, in diesen besseren Erscheinungen liegt denn auch die Gewähr, daß eine neue Epoche nicht fern ist, daß auch der heutige

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Roman einer Uebergangsperiode zur Höhe hin angehört. Noch gibt es Erzähler, welche erzählen können, welche mehr Poeten als Schriftsteller sind und noch gibt es Erzähler, denen die Gottesgabe echten, goldigen Humors verliehen ist. Freilich wie einst im 16. Jahrhundert ist es zunächst die kleinere Erzählung, in der ein gesunderes Leben pulsirt und zur Erscheinung kommt. Welche Leidenschaft, welcher Realismus athmet nicht aus den Novellen der Galizier Franzos und Sacher Masoch, und welcher Humor nicht aus den köstlichen Geschichten Gottfried Kellers, wie viel markige Kraft durchdringt nicht die Schöpfungen Konrad Ferdinand Meyers! manch anderer Name ließe sich noch anreihen. Eine Gewähr liegt aber auch in den Bestrebungen der Jüngeren. Wol sind es mehr Feuilletonbilder, als Poesiegestaltungen, welche Max Kreßer in seinen Berliner Romanen bietet, und wol erliegen die Geschichten Wolfgang Kirchbachs, welche in seinen „Kindern des Reichs" vereinigt sind, dem Wust von Tendenz und unkünstlerischem Beiwerk, aber beide erweitern nicht nur stofflich die Kreise des Romans, sie suchen auch nach realistischer Tiefe und Körnigkeit. Es ist noch alles Gährung und viel Wüstheit in diesen Gebilden, aber diese Gährung verheißt mehr Zukunft, als das Stagniren in alten Formen und alten Idealen.

Diesen Erscheinungen stehen allerdings auch andere gegenüber, die eine neue Entwicklung wie Sumpflachen überwinden muß. Vor allem rechne ich hierzu die Modeerscheinung des culturhistorischen Romans, wie er in Ebers gipfelt. Alles Historische hat in der Poesie nur dann Berechtigung, wenn es gleichsam als ein Selbsterlebtes durchgeführt wird, wenn wir unter den Menschen der Vergangenheit wandeln, als wären wir ihresgleichen, wenn wir tro der fremden Gewänder fühlen, da ist Fleisch von unserm Fleisch und Blut von unserm Blut. Das heißt nicht, die Dichtung soll die Vergangenheit modernisiren, soll aus Athenern Berliner machen, eher umgekehrt, sondern es heißt vor allem, wir sollen Vergangenheit und Gegenwart vergessen und uns als Glieder der ewig einen Menschheit fühlen. Alles Geschichtliche muß von der Poesie verzehrt werden, wir müssen dasselbe empfinden, was wir aller Dichtung gegenüber empfinden sollen, dieser Mensch bist du, das ist deine

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