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Dichters erfüllt zu sein. Eine mittlere Stellung zwischen Gutkow und Freytag nimmt Friedrich Spielhagen ein, er ist ein Eklektiker, dessen Romane an realistische Kleinmalerei ebenso wie an Tendenz anstreifen und die zugleich zwischen nüchterner Beobachtung des Alltäglichen und einem romantischen Hang nach Seltsamkeiten auf's verwunderlichste schwanken. In Einzelheiten übertrifft ihn mancher der Mitstrebenden, aber in seiner Gesammtheit vertritt er genügend alle Richtungen der jüngsten Vergangenheit, um aus seinen Werken erfahren zu können, auf welche Stufe der deutsche Roman nach einer Entwicklung von fünf Jahrhunderten gelangt ist. Und in der Kritik dieser Werke wird es sich zeigen, ob es dieser Roman ist, der unser nationales Sein und Denken zu lebendiger, ungetrübter Anschauung bringt und dessen Kunstform dem höchsten ästhetischen Bedürfniß entspricht.

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Damit habe ich zwei Forderungen an den Roman gestellt, die, so einfach sie erscheinen, mich zwingen, ihre Berechtigung nachzuweisen. Es nähme das wenig Nachdenken, wenig Mühe in Anspruch, wenn es eine Theorie des Romans gäbe, welche klar, be= stimmt und umfassend allgemeine Gültigkeit errungen hätte. Aber eine solche Theorie besteht nicht, sie besteht so wenig, daß nicht zwei Aesthetiker von dem Wesen, von der Bedeutung des Romans, von dem Gebiete, das er umspannt, von seinem Zusammenhange mit den übrigen Formen der Kunst dieselbe Meinung haben. Es gelüftet mich nun freilich nicht, selbst eine Theorie aufzustellen, wol aber muß ich versuchen, wenigstens einige feste Linien zu finden, ohne die ein künftiger Grundriß nicht möglich wäre. Auf diese Weise biete ich dem Leser die Handhabe, meine Kritik an dem Romane der Gegenwart selbstthätig zu prüfen, oder vielmehr die Kritik zugleich mit mir auszuüben, und jede wahre Kritik, welche mehr als ein Geplauder sein will, sollte in gleichem Geiste aufgebaut werden. Jene festen Linien lassen sich nun auf keine andere Weise gewinnen, als aus der Geschichte des Romans und den anerkannten Meisterwerken der Gattung, welche den Tag überlebt und daher Züge bieten, die für die Gattung selbst gültig heißen müssen. Die erste

Frage an die Geschichte lautet natürlich: wie ist der Roman ent= standen? Den Ursprung des neueren habe ich in der Einleitung angedeutet, der des antiken ist kein anderer. Es ergibt sich aus jenen Andeutungen zunächst, daß der erste Roman ohne Frage eine That der Verflachung war. Das Werk des dichterischen Talents wurde durch einen mittelmäßigen Kopf der Menge mundgerecht gemacht. Diese Umwandlung setzte freilich voraus, denn Sprünge gibt es weder in der Natur- noch in der Geistesgeschichte, daß die Literatur aus dem Zeichen des Genies in das Zeichen des Talents niedergestiegen war, daß das reine Epos mehr und mehr zur poetischen Erzählung, zu einem Mitteldinge zwischen Epos und Erzählung verdünnt war. Indem aber der Erzähler die Form umwandelte und die gehobene Sprache des Epos der Umgangssprache der Menge näherte, mußte er nach und nach empfinden, daß die alten Stoffe der neuen Form nicht besonders angemessen seien. Schritt für Schritt ging deshalb der Roman in die Schilderung des Alltagslebens über, indem er zunächst das Außerordentliche als etwas Gewöhnliches erfaßte, die alten Sagen nämlich als Ereignisse, wie sie täglich sich begeben können, darauf alltägliche Stoffe in allerlei idealen Aufpuz hüllte, das heißt seine Helden zu Prinzen und Schäfern machte oder die Handlung in entlegene Länder verlegte und schließlich das gewöhnliche Leben so schilderte wie es ist. Auf diesen Weg gelangt wurde er das was er sein sollte, ein selbstständiges Wesen nämlich und nicht wie bislang ein Zwitter. Aus dem Epos hervorgegangen, konnte er sich als ein Eigenartiges nur dadurch behaupten, daß er in einen gewissen Gegensaß zu dem Erzeuger trat. Aus diesem Gegensaze muß sich daher eine Reihe von Zügen herleiten lassen, welche der Einblick in die Musterwerke der Gattung zu bestätigen hat. Der Einwand, daß ein solcher Gegen= saß nur ein scheinbarer sei, daß Epos und Roman sich nicht anders unterscheiden, als ein Drama in Versen und ein Drama in Prosa, wird sich in dem Folgenden ganz von selbst widerlegen. Um möglichste Klarheit zu erzielen, hole ich jedoch weiter aus, als der unmittelbare Zweck erfordert und seße so wenig, wie eben angänglich ist, voraus.

Poesie im weitesten Sinne ist ohne Frage das Elementare im

Gegensatz zu dem Gemachten, das Ideelle im Gegensaße zum rein Materiellen, das Geheimnißvolle im Gegensatz zum Nüchternen, das Natürliche im Gegensatz zum Conventionellen, mit einem Worte das zeugende Urleben der Seele oder auch das Band, das den in den Leib gebannten Einzelgeist mit dem Allgeiste verknüpft. In diesem Sinne gehört alle religiöse Empfindung, alles spekulative Denken zur Poesie und bildet sie insbesondere den Urgrund aller Kunst und aller Künste. Soll sie aber in die Kunstform geleitet, soll sie aus bloßer Empfindung zur That, statt Schöpferin Schöpfung werden, so vermag sie das nicht anders, als daß sie einen Theil ihres Wesens aufgibt und in der bildenden Seele des Künstlers einen Compromiß mit der Wirklichkeit eingeht. Reine Poesie gestalten, das kann der Künstler nicht, er muß ihr den Leib des Wirklichen geben und das Poetische als Seele in diesen Leib einhauchen. Dadurch entsteht eine Stufenfolge in der Reihe der Künste, je nachdem das Leibliche oder das Seelische überwiegt. Die Architektur, welche mit dem schwersten Materiale arbeitet, bildet die unterste, Malerei und Musik, welche in Farbe und Ton ein äußerst verfeinertes aber doch rein sinnliches Material handhaben, die mittlere, und die Dichtkunst, welche das wenigst körperliche Material, die Sprache, den reinsten Geistesstoff benugt, die höchste Stufe. Eine gleiche Folge tritt aber auch in der Dichtkunst selbst zum Vorschein. Das Lhrische ist am wenigsten Leib und am meisten Seele, weil es am wenigsten des Aeußeren, Wirklichen bedarf, ihm zunächst steht das Dramatische, das in dem Aeußeren vorwiegend das Innerliche widerzuspiegeln sucht und an letzter Stelle steht das Epische, das freilich auch, wie alle Poesie, einen idealen Kern enthält, ihn aber am meisten mit Schalen des Aeußerlichen umhüllt. In dieser Bestimmung liegt natürlich kein Werthmesser für die Bedeutung einzelner Dichter und einzelner Werke dieser Gattungen, denn der Werth künstlerischer Werke beruht wie jedes menschliche Thun auf dem Einfluß, den sie auf die Förderung des Menschlichen und der Menschheit ausüben. Der große Dichter wird in allen Formen diesen Einfluß gewinnen können, aber freilich in der einen leichter, als in der anderen, oder wenn nicht leichter, so doch unvermittelter. Die Namen des Lyrikers Jesaias, des Dramatikers Shakespeare, des Epikers Homer sind

gültige Zeugnisse. Aber die Stufenfolge ist noch nicht geschlossen. Auch in den einzelnen Gattungen der Dichtkunst, und das ist mir das Wichtigste, kommt es zu einer Theilung in eine reale und in eine ideale Reihe. In der Lyrik tritt diese Gliederung am undeutlichsten hervor, aber sie ist vorhanden; zur idealen Reihe gehört die Lyrik, welche das Allgemeinmenschliche, Religion, Liebe, Freiheit, be= rührt, zur realen die Lyrik, die sich dem Leben des Tages, politifirend und moralisirend, zuwendet. Klarer zeigt sich der Unterschied beim Drama. Hier ist es die Tragödie, ich nehme das Wort in seinem weitesten Umfange, welche das Ideale, Ewige, Allgemeine, den Kampf des Schicksals mit dem Individuum, behandelt, während die Komödie vor allem das Zeitliche, Individuelle, Reale in ihre Kreise zieht. Am deutlichsten gestaltet sich der Unterschied auf dem Gebiet des Epischen. Hier bildet die eine Reihe die Epopoie, die andere der Roman. Kleinere Nebengattungen, wie die Novelle (in Vers oder Prosa) und die Ballade sind, wie ich nicht zweifle, als Uebergänge des Epischen zu dem Lhrischen und Dramatischen zu erfassen, denn nur die Form ist episch (bei der Ballade nicht einmal durchgängig), ihrem Wesen nach zielen sie aber auf straffe Concentration, nicht auf Breite, auf rein seelische, nicht auf äußerliche Vorgänge. Ueberhaupt trennen sich die Gattungen nicht durch feste Grenzen, sondern fließen in einander über und je nach der Natur des Dichters kann ein Epos lyrischer oder dramatischer, ein Drama lyrischer oder epischer gefügt sein.

Was ist aber der Schluß, zu dem diese gesammte Ausführung hindrängt? Offenbar dieser: es besteht zwischen Roman und Epos ein wesentlicher, nicht etwa ein formaler Unterschied. Ob eine Dichtung in Vers oder in Prosa sich kleidet, dieser Unterschied reicht keineswegs aus, eine Gattungsgrenze festzusetzen, denn der poetische Ausdruck ist an feine äußere Form gebunden. Den schwachen Dichter wird der Vers nicht adeln, den mächtigen die Prosa nicht erniedrigen und die Prosa in Goethe's Göß ist poesiereicher als die Verse der Jambendichterlinge von Raupach bis auf Kruse. Allerdings zwingt der Vers im allgemeinen mehr als die Prosa, das rein Elementare, das rein Poetische aus der Sprache herauszuschälen; wer in ihm arbeitet, arbeitet in Marmor, nicht in Sandstein, und aus diesem Grunde

wird die ideale Reihe der Dichtkunst mehr den Vers, die reale mehr die Prosa zum Gewande nehmen. Diese, welche sich in die Wirklichkeit vertieft, zieht Nußen davon, wenn sie die Sprache der Wirklichkeit erwählt, jener, welche mehr das Seelische sucht, geziemt eine concentrirende, Ueberflüssiges und Alltägliches schärfer ausschließende Form. Was von den gesammten Reihen gilt, gilt auch vom Epos, vom Roman. Ein Epos in Prosa bildet keinen Roman, ein Roman in Versen kein Epos. Ziehen wir ein Beispiel herbei, das uns zugleich näheren Aufschluß gibt über den Unterschied zwischen jenen beiden, den wir als einen wesentlichen hingestellt. Ein solches Beispiel bieten am füglichsten die bedeutendsten Epen der Literatur auf der einen Seite, die gefeiertsten Romane auf der anderen. Um nur einige zu nennen, deren Werth unbestritten ist, wähle ich zur gegen= seitigen Vergleichung Homers Ilias, Firdusi's Schahnameh und das Nibelungenlied, sowie von Romanen Cervantes' Don Quijote, Fieldings Tom Jones und Grimmelshausens Simplizissimus. Jener Ansicht nach, welche heute gang und gäbe ist, wären die großen Epiker die Romandichter ihrer Zeit gewesen und die heutigen Romandichter die Epiker der unsren, das Epos wäre also nichts als eine diluvianische Form des Romans, beide verhielten sich zu einander wie Mammuth und Elephant. Das Falsche dieser Ansicht muß der Vergleich der Meisterwerke erweisen oder unsere durch abstrakte Zergliederung der Poesie gewonnene Zweitheilung des Epischen war ein Fehlschluß. Die erste Frage, die uns Klarheit verschafft, wird sein, was ist den Epen, was den Romanen gemeinsam? Da ergiebt sich denn zunächst, daß keines der drei Epen (von dem Homerischen läßt es sich freilich nur vermuthen, aber doch mit Sicherheit vermuthen) das Leben, die Menschen schildert, in dem und unter denen der Dichter weilte, sondern daß er sie in eine geschichtliche Perspektive und in eine ideale Beleuchtung rückt, ohne jedoch den realen Boden zu verlieren. Kein Zweifel, daß Homer die Sitten und das Ge= triebe seiner Zeit vor Augen hatte, aber er malt sie nicht als solche, sondern läßt sie sich abheben von dem Hintergrund einer eben vergangenen Epoche. In gleicher Weise verfährt der Dichter des Nibelungenliedes; er entwirft ein Drama des nationalen Ritterthums, aber den Stoff entnimmt er der Vergangenheit, und ebenso

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