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Aus dem Verhältnis, welches hier zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit, zwischen Begreifen und Wahrnehmen nachgewiesen ist, folgt anderseits, daß, wenn ich den Kausalzusammenhang und das Fneinandergreifen der Bedingungen eines Geschehens, also die Möglichkeit desselben begriffen habe, ich damit unmittelbar auch dessen Wirklichkeit begriffen habe, sofern sich jener ganze Zusammenhang selbst in der Sphäre der Wirklichkeit bewegt und es sich demnach überhaupt um Wirklichkeit handelt. Mit kurzen Worten heißt das: habe ich die Möglichkeit eines Geschehens begriffen, so habe ich auch dessen Wirklichkeit begriffen, denn in der Wirklichkeit an und für sich liegt nichts mehr, was ein besonderer Gegenstand des Begreifens sein könnte.

Für unser Begreifen giebt es also keinen Unterschied zwischen der Möglichkeit eines Geschehens und der Wirklichkeit desselben, denn die lettere unterscheidet sich von der ersteren nur hinsichtlich der Existenzweise und die Existenz an und für sich ist nicht Gegenstand des Begreifens, sondern des Wahrnehmens.

Nachdem ich die geschichtliche Möglichkeit eingesehen habe, daß es in Jahresfrist Krieg giebt, würde es seltsam von mir sein, wenn ich mich bei dem wirklichen Eintritt des Krieges noch wundern wollte als über etwas Unbegreifliches; nachdem ich die natürliche Möglichkeit eingesehen habe, daß gegen Abend ein Gewitter losbricht, würde es seltsam von mir sein, wenn ich mich bei dem wirklichen Eintritt des Gewitters noch wundern wollte, als über etwas Unbegreifliches; nachdem ich die sittliche Möglichkeit eingesehen habe, daß dieser Mensch einen Diebstahl ausführt, so würde es genau ebenso seltsam von mir sein, wenn ich mich über den wirklich geschehenen Diebstahl noch wundern wollte, als über etwas Unbegreifliches. Ich kann ja überhaupt die Wirklichkeit eines Geschehens nur begreifen, sofern sie das Ergebnis eines Kausalzusammenhanges ist, d. h. sofern sie gedacht wird als eingetreten unter gewissen Bedingungen, d. h. sofern sie gedacht wird als Möglichkeit.

Aus diesen Gründen halte ich die obige Formel, welche für die Begreiflichkeit resp. Unbegreiflichkeit der Sünde zwischen der Möglichkeit und der Wirklichkeit derselben unterscheidet, für unhaltbar.

Oder will man sich, um diese Formel dennoch aufrecht zu erhalten, dazu verstehen, die Möglichkeit der Sünde aufzufassen in dem Sinne, in welchem dieses Wort, wie wir sahen, im gewöhnlichen Leben angewendet zu werden pflegt, so daß es nur das Vorhandensein einiger von den Bedingungen bedeutete, welche nötig find, damit die Sünde wirklich werden könne? Das ist doch kaum anzunehmen, weil dann die Behauptung, daß die Möglichkeit der Sünde begreiflich sei, doch gar zu nichtssagend wäre. Das ist freilich allenfalls noch zu begreifen, daß, wenn Sünde geschehen soll, Menschen da sein müssen, welche sie thun, oder daß es geistige Wesen sein müssen, oder daß sie zu einer höheren, unbedingten Norm in einem sittlichen Verhältnisse stehen müssen. Das wären so etliche Bedingungen, deren notwendiges Vorhandensein man allerdings begreifen kann. Wollte man hier in diesem vagen Sinne von Möglichkeit der Sünde sprechen, so würde man doch wenigstens, um den Vorwurf der Trivialität zu vermeiden, angeben müssen, welche Bedingungen man zu dem aufgestellten Begriff der Möglichkeit, die man zu begreifen glaubt, zusammenfassen will. Dadurch würde es dann aber auch klar werden, wie unbedeutend und nichtssagend die Erkenntnis dieser Art von Möglichkeit ist, da man nun erst recht deutlich sehen würde, wieviel der begriffenen Möglichkeit noch fehlt, um eine wirkliche, vollkommene Möglichkeit zu sein, und man würde doch schließlich wieder ankommen vor der Unbegreiflichkeit der außerhalb des aufgestellten Begriffes von Möglichkeit liegenden Bedingungen, welche doch, man kann es nicht leugnen, zu der eigentlichen Möglichkeit der Sünde ebenso sehr ge= hören, als die begriffenen Bedingungen.

Die unbegreiflichen Bedingungen der Sünde sind allerdings wesentlich nur eine, nämlich der böse Wille, welcher uns nötigt, zu bekennen, daß wir auf die Frage wie war es denn nur eigentlich möglich, daß der Mensch sündigte, d. h. daß er mit einem bösen Willen handelte ?" keine Antwort geben können.

Glaubt man also die Unbegreiflichkeit der wirklichen Sünde zugestehen zu müssen, so muß man notwendigerweise auch die Möglichkeit der Sünde, ja gerade sie als unbegreiflich anerkennen, weil eben nicht die Wirklichkeit der Sünde, sondern ihre Möglichkeit das

eigentliche Gebiet ist, auf welchem allein es sich um die Frage der Begreiflichkeit oder der Unbegreiflichkeit handeln kann. Wenn wir also sagen: „Die Sünde ist etwas Unbegreifliches", so heißt das ohne weiteres: „es ist unbegreiflich, wie es dem Menschen möglich gewesen ist, zu fündigen". Daß diese Möglichkeit vorhanden gewesen ist, lehrt die Thatsache, daß der Mensch wirklich gesündigt hat und noch fündigt; daß uns aber diese Möglichkeit unbegreiflich ist, und daß wir nicht erklären können, worin sie bestanden hat, das ist es, was wir auf Grund unserer Untersuchungen festhalten müssen, und wir werden das um so entschiedener thun, je klarer und deutlicher wir es eingesehen haben, daß nur mittelst dieser Anerkennung das Wesen der Sünde als solcher gewahrt werden kann, und daß es nur bei dieser Anerkennung möglich ist, die Behauptung einer vollen Selbstverantwortlichkeit des Menschen für seine Sünde aufrecht zu erhalten.

So stehen wir denn vor der Sünde als vor einer unbegreiflichen und unerklärlichen Thatsache auf dem Gebiete des sittlichen Lebens. Eine solche Thatsache in dem System unseres Lebens anerkennen zu müssen, hat freilich für jeden denkenden Menschen etwas Unbehagliches, wie ja auch die Sünde selbst für jeden nicht bloß denkenden, sondern dabei auch gewissenhaften, sittlich strebenden Menschen etwas außerordentlich Unbehagliches, Peinliches ist. Aber unerträglich kann diese Anerkennung doch nur für denjenigen sein, der fest entschlossen ist, einem vollkommen lückenlosen Zusammenhange seiner Weltanschauung alles, auch die sittliche Wahrheit, auch das Zeugnis des eigenen Gewissens zum Opfer zu bringen.

Da aber der Zusammenhang einer jeden Weltanschauung noch so manche andere Lücken zeigt, und da sich bisher noch jedesmal auch die vermeintlich bestgefügte, systematischste Weltanschauung schließlich als lückenhaft, oft als sehr lückenhaft herausgestellt hat, so haben wir in der That keinen Grund, in dem wissenschaftlichen Stolz auf unser systematisches Bedürfnis entgegen den Thatsachen, für welche das göttlich beglaubigte Zeugnis unseres Gewissens eintritt, die Unbegreiflichkeit der Sünde, welches allerdings in jedes System eine Lücke bringen würde, zurückzuweisen.

Uor M

Thun wir es dennoch, es hilft uns nichts, unser titanisches Trachten wird trotzdem, so lange wir Menschen sind, nie zum Ziele kommen, denn die Schwierigkeiten, welche überwunden werden müßten, sind höher als Ossa und Pelion, ja höher als alle Berge, welche Menschen auf einander zu türmen vermögen, und es wird für uns immer Dinge in der Welt geben, denen gegenüber unser Begreifen darauf beschränkt ist, zu begreifen, daß sie unbegreiflich sind; und es ist alles, was wir in solchen Fällen thun können, daß wir die Grenzen feststellen, an denen die Unbegreiflichkeit beginnt.

Wenn sich aber der Stolz unseres Denkens doch einmal unvermeidlich vor manchen Unbegreiflichkeiten beugen muß, falls sie nicht oberflächlich übersehen oder mutwillig ignoriert werden sollen, so, meine ich, widerspricht es unserer Würde noch am allerwenigsten, daß wir uns beugen vor der Unbegreiflichkeit einer sittlichen Wahrheit.

Druck von Friedr. Andr. Perthes in Gotha.

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