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geartete Menschen angewandt wird, sondern um das Zeugnis dieser Thatsache ein ganz allgemeines sein zu lassen, wollen wir auch das Wort Charakter in seiner allgemeinen, auf alle Menschen anzuwendenden Bedeutung nehmen. Was verstehen wir unter Charakter in diesem Sinn?

Wenn wir nur eine rein formale Erklärung des Begriffs geben wollen, so verstehen wir darunter eine bestimmte Richtung und Artung des Willens, welche entweder schon von Natur in einer gewissen Ausprägung vorhanden ist, oder sich erst im Laufe des Lebens mehr oder weniger ausprägt. Jedenfalls gehört das zu den charakteristischen Merkmalen eines Charakters, welcher Art er auch sein mag, daß seine Willensthätigkeiten wenigstens in gewissen Beziehungen eine auffallende Gleichmäßigkeit zeigen.

Wir können diese Thatsache gewiß nicht dadurch erklären, daß wir sagen, diese Gleichmäßigkeit der einzelnen Willensthätigkeiten in ihrer Richtung und Art sei nur Gewohnheit, welche die Wahlfreiheit des Willens selbst nicht alteriere; die Wahlfreiheit des Willens liebe es nun einmal, sich so zu entscheiden; denn der Begriff der Gewohnheit ist, wenn er streng genommen wird, auf die Wahlfreiheit in keiner Weise anwendbar, diese beiden Begriffe sträuben sich absolut gegen einander, und wir können uns diese Erklärung für die so auffallende Gleichmäßigkeit in der Willensthätigkeit eines Individuums, wie sie bekanntermaßen von den alten Pelagianern aufgestellt wurde, nur erklären als eine verzweifelte Ausflucht, durch welche man sich dem fatalen Zügeständnisse entziehen wollte, daß jene Gleichmäßigkeit der Willensthätigkeit von dem Prinzip der Wahlfreiheit aus unerklärlich sei.

Wenn wir von Gewohnheit reden, so teilen wir derselben immer auch eine gewisse Macht, einen gewissen Einfluß zu, durch welchen sie sich als Gewohnheit erhält. Indem wir gewohnheitsmäßig handeln, sind wir uns entweder dieser Macht der Gewohnheit bewußt, wie wir dieses Bewußtsein bei gewissen Thätigkeiten hin und wieder auch unverholen aussprechen, indem wir sagen: ich thue dies und das, ich wünsche dies und das, weil ich's nun einmal so gewohnt bin". In diesem Falle wollen wir wohl, aber wir stellen uns doch mit unserm Willen ausdrücklich unter

die Macht der Gewohnheit, wollen also nicht gemäß einer absoluten Wahlfreiheit. Oder wir sind uns der Macht der uns dirigierenden Gewohnheit nicht bewußt, wie auf dem Gebiete der sogenannten Angewohnheiten, denen wir, wenn wir sie einmal angenommen haben, für die einzelnen Fälle ihres Erscheinens das Prädikat „unwillkürlich“ geben müssen. Wenn wir nun in diesen sogenannten Angewohnheiten die eigentliche Sphäre des gewohnheitsmäßigen Handelns haben, so sagt uns schon das Wort „unwillkürlich", welches auf solches Thun anzuwenden ist, daß wir hier überhaupt nicht mehr von eigentlicher, d. h. bewußter Willensthätigkeit reden können.

Wollen wir dagegen dem Willen das Bewußtsein von der Ge= wohnheit, nach der er handelt, belassen und ihn dennoch der Macht der Gewohnheit völlig frei und unabhängig gegenüberstellen, so würden wir damit zugleich die Gewohnheit als Erklärungsgrund für die Gleichmäßigkeit der einzelnen Willensakte aufheben, denn dann stünde ja der wahlfreie Wille dieser Gewohnheit genau ebenso gegenüber wie dem gesamten übrigen Inhalt des Geisteslebens, und er würde demgemäß jeden Augenblick imftande sein müssen, die vorhandene Gewohnheit beliebig und mühelos zu durchbrechen, und man würde nicht einsehen können, warum er das nicht thäte. Die Gleichmäßigkeit der einzelnen Willensthätigkeiten hätte gar keinen Bestand, und das, was wir Charakter nennen, hätte aufgehört zu sein. Jedenfalls würde man in der Gewohnheit den Erflärungsgrund für diese Gleichmäßigkeit nicht finden können, sondern lediglich in dem Belieben des Willens, welches jeden Augenblick wechseln kann, das heißt aber auf einen wirklichen Erklärungsgrund für diese Erscheinung verzichten.

Geradezu sinnlos aber wäre es, wenn man die Gleichmäßigkeit der Willensthätigkeit nur auf den Zufall zurückführen wollte, denn das zufällige Geschehen widerspricht dem willensmäßigen Geschehen, besonders der Gleichmäßigkeit desselben so schnurstracks, daß beides unter keinen Umständen vereinigt werden kann, so daß also durch die Behauptung, die Willensentscheidung sei zufällig so ausgefallen, wie sie geworden ist, das Wesen der Willensthätigkeit vollends vernichtet würde.

Außerdem würde die Berufung auf den Zufall identisch sein mit einer einfachen Leugnung der Thatsache des Charakters, denn in dem Begriff des Charakters liegt es doch wohl, daß in der Gleichmäßigkeit der Willensthätigkeit ein Zusammenhang waltet, denn erst die Voraussetzung eines solchen Zusammenhanges veranlaßt mich zu der zusammenfassenden Bezeichnung eines Charakters. Diesen Zusammenhang aber, den ich schon in der Be= zeichnung eines Charakters voraussetze, würde ich durch die Berufung auf Zufälligkeit leugnen, denn Zufälligkeit ist das Gegenteil von Zusammenhang.

Wenn sich also die Erklärung des Charakters durch Zufall als völlige Absurdität erweist, so dürfen wir's nicht übersehen, daß auch die Erklärung jener Thatsache durch Gewohnheit auf eben diese Absurdität hinausläuft, denn wenn man bei der Behauptung der Wahlfreiheit auch der Macht der Gewohnheit gegenüber die Gleichmäßigkeit der Willensentscheidungen, wie wir sahen, im Grunde nicht zurückführen kann auf die Gewohnheit selbst, sondern eben nur auf das freie Belieben des Willens, welches doch auch der Gewohnheit gegenüber jeden Augenblick wechseln kann; kommt's da nicht auf einen bloßen Zufall hinaus, daß dieses gänzlich freie Belieben immer wieder zu der Gewohnheit zurückkehrt, die doch keine Gewohnheit ist, weil sie gar keinen bestimmenden Einfluß haben soll?

Daß nun in der That die Gleichmäßigkeit der Willensthätigkeit weder durch bloßen Zufall, noch auch durch Gewohnheit erklärt und begründet werden kann, das beweist, auch abgesehen von unseren theoretischen Gründen dagegen, eine weitere Thatsache, durch welche wir auf den allein richtigen Grund jener merkwürdigen Erscheinung hingeführt werden.

Ich meine die Thatsache, daß man nach dem Charakter eines Menschen seine Willensthätigkeit nach Art und Richtung im voraus konstruieren kann.

Man kann im voraus sagen, wie ein Mensch, dessen Charakter man kennt, unter so und so bewandten Umständen handeln wird. Das geschieht im alltäglichen Leben zu häufig, als daß es nötig wäre, diese Behauptung noch durch irgendetwas näher zu stüßen

und zu erweisen, es ist eine einfache, unbestreitbare Erfahrungsthatsache, daß es so ist. Diese Erfahrungsthatsache ist aber ein deutlicher Beweis dafür, daß die Willensthätigkeit nicht von einer unberechenbaren Wahlfreiheit des Willens abhängt, sondern vielmehr von dem so und so bestimmt gearteten Charakter des wollenden Subjekts.

Jedoch um den Vorwurf einer oberflächlichen Benutzung der Erfahrung zu unserm Zwecke fernzuhalten, wollen wir es zugeben, daß sich solche Voraussagungen über das, was etwa ein Freund unter diesen oder jenen Verhältnissen thun werde, auch sehr häufig als irrtümliche erweisen, indem es sich zeigt, daß der betreffende Freund in Wirklichkeit anders handelt. Es könnte danach scheinen, als stehe es mit diesen psychologischen Voraussagungen nicht viel anders, denn mit so vielen anderen Prophezeiungen, als da sind Wetter, Schicksals- und ähnliche Wahrsagungen, von denen es feststeht, daß sie durch nichts anderes zur Wirklichkeit werden können als durch einen Zufall. Daß es aber mit jenen psychologischen Vorausbestimmungen doch etwas anders steht als mit diesen Wahrsagereien, wird wohl niemand im Ernst leugnen wollen. In der That, es steht ganz anders mit ihnen.

Wenn nämlich eine psychologische Voraussagung über das, was jemand unter diesen oder jenen Umständen thun wird, sich durch die nachfolgende Wirklichkeit als ein Frrtum erweist, so ist das nur ein Beweis dafür, daß der Vorhersager, falls er die obwaltenden Umstände genau gekannt hat, eine nur mangelhafte Kenntnis von dem Charakter des Handelnden gehabt hat. Je genauer seine Kenntnis in diesem Punkte ist, desto unfehlbarer werden auch seine psychologischen Voraussagungen sein; und daß auch bei den allerintimsten Bekanntschaften Frrtümer und getäuschte Erwartungen in dieser Beziehung vorkommen, das kann zwar nicht geleugnet werden, liegt aber nicht daran, daß bei allem dem, was etwa den Willen motivieren könnte, doch noch der Wille selbst als etwas in letzter Instanz Unberechenbares, d. h. Wahlfreies zurückbleibt, sondern es liegt lediglich daran, daß auch der intimsten Bekanntschaft mit dem Charakter eines andern Menschen immer noch etwas fehlen wird, um durchaus vollständig zu sein. Das Herz ist ein troßiges

und verzagtes Ding, wer kann es ergründen! Der Prophet Jeremias ist der Meinung, und er hat recht damit, daß Gott der Herr allein das könne.

Aus dieser immerwährenden Mangelhaftigkeit unserer Erkenntnis der anderen Menschen erklärt sich aber das vollkommen, daß der= artige psychologische Voraussagungen immer etwas problematisch sind und niemals mit absoluter Gewißheit ausgesprochen werden können.

Da nun dieser Umstand, daß man den Charakter eines andern Menschen niemals bis in die scheinbar geringsten Details genau fennt, wie er an sich ja unbestreitbar ist, das eventuelle Fehlschlagen solcher psychologischen Voraussagungen ganz vollkommen erklärt, so würde es mindestens überflüssig sein, an dieser Stelle noch den wahlfreien und darum unberechenbaren Willen als Erklärungsgrund für eine bereits anderweitig vollkommen erklärte Erscheinung einzuführen. Den Beweis für etwas kann aber niemals eine überflüssige Möglichkeit, sondern immer nur eine nachgewiesene Notwendigkeit abgeben. Also wird man nicht berechtigt sein, die häufige Frrtümlichkeit psychologischer Voraussagungen als einen Beweis für das Vorhandensein einer Wahlfreiheit unseres Willens in Anspruch zu nehmen, ganz abgesehen davon, daß man durch solche Inanspruchnahme jede, auch die zutreffende psychologische Voraussagung zu einer Thorheit machen würde, die höchstens durch Zufall einmal das Richtige treffen kann.

Es sagt auch niemals ein Mensch, dessen psychologische Voraussagung über einen Bekannten sich nachher als irrtümlich herausstellt: „ja, da hat mir die Wahlfreiheit meines Bekannten einen Streich gespielt", sondern: „das hätte ich doch nicht von ihm erwartet, da lerne ich meinen Bekannten von einer ganz neuen Seite fennen", und er giebt damit zu, daß eben die mangelhafte Charakterfenntnis der Grund seines Irrtums war.

Aus dem Bisherigen ist es schon klar, in welcher Weise die eben besprochene Möglichkeit psychologischer Voraussagungen von einzelnen Willensentscheidungen für unsere Sache zu verwerten ist. Die Voraussagungen wären unmöglich, wenn der Wille von nichts anderem abhinge, als von der ihm selbst eigenen Wahlfreiheit,

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