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daß Wolfram gerade nach Chrestiens, und nur nach ihm gearbeitet habe, sondern nur: daß auch Kyot sich theilweise mit jenem in enger Uebereinstimmung gehalten haben muß, wenn Wolfram uns Wahrheit über seinen Kyot berichtet; woraus mit gleichem Recht der zwiefache Schluß gezogen werden kann: entweder hat Kyot den Chrestiens derb abgeschrieben; oder auch: Beide haben gleichartige Quellen benutzt, aus deren treuer Beibehaltung diese Uebereinstimmung entsprungen ist. Vorsicht thut hier noth; denn lange nahm man z. B. aus der vielfachen, oft wörtlichen Uebereinstimmung unseres deutschen mit Chrestiens französischem Erec an, daß Hartmann von der Aue nach dessen Werke gedichtet habe; gleichwohl ist dies, wie man sich nun aus dem Abdruck in Haupt's Zeitschrift 2. B. X. überzeugen kann, nicht der Fall gewesen. Dies Beispiel lehrt uns, wie leicht eine Täuschung hier möglich ist. Wir haben nicht Ursach, eine allzuhohe Meinung von der Discretion dieser Romandichter und ihrem Respect vor fremdem literarischen Eigenthum zu hegen. Denn darüber ist wohl kaum noch Zweifel und Streit, daß diese Clercs den Rohstoff ihrer Erzählungen in der Hauptsache nicht zuerst neu erfanden, sondern bereits in mancherlei Gestalt vorfanden, aus mancherlei Mund und Schrift überliefert erhielten, und die oft zerstreuten und zersplitterten Aventuren nur zu einem zusammenhängenden größern Epos verflochten, ergänzten, kurz mit mehr oder minderem Geschick und Geist verarbeiteten. Es verhält sich ganz ähnlich mit der langen Reihe z. B. der brittischen Chronisten, von denen stets Einer auf die Schultern des Andern steigt, und ihn ohne Rückhalt ausschreibt. Eine solche Be- oder Verarbeitung älteren Rohstoffes hat Chrestiens uns in den Contes del Graal hinterlassen, und nach Wolframs Zeugniß Kyot desgleichen. Eine dritte Bearbeitung desselben Hauptgegenstandes findet sich im Berner Ms. (f. Rochat, über einen bisher unbekannten Percheval li Galois. Zürich. Kiesling, 1855). Eine vierte Bearbeitung liefert endlich aus Wales das Mabinogi von Pereður (San - Marte, Arthursage. Quedlinburg und Leipzig. Basse, 1842, S. 176–248), des altenglischen Liedes von Parcyvell (S. 237 folg. ebendas.) nicht zu gedenken. Hier ist die Thatsache dieser mehrfachen Behandlung desselben Stoffes durch Verschiedne zu verschiednen, doch nicht zu lang getrennten Zeiträumen (1160 bis etwa 1210) für jeßt uns wichtiger, als das Verhältniß des Inhalts dieser Gedichte zu einander. Damit ist aber der Vorrath noch nicht erschöpft. Denn wir finden außerdem im jüngern Titurel und auch bei Wolfram eine Menge Aventuren nebst Anspielungen auf Personen und Geschichten, die in jenen übrigen bekannten Arbeiten nicht vorkommen, und der Titurel

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hat wieder derartiges unendlich viel mehr, als Wolfram. Wir dürfen dem Dichter des jüngern Titurel" eher Alles, nur nicht eigne Erfindungsgabe, dagegen das größte Geschickt der Compilation, des Aufgreifens und Ausweitens fremdes Stoffes und einen unermüdlichen Eifer in weitschichtigster Ausschmückung des benutten Fremben zutrauen. Ob er mit Wolfram aus der gleichen Quelle Khots geschöpft, oder woher sonst er seine Zuthaten zu Wolframs Parcival- und Gralgeschichten genommen hat, wissen wir nicht; aber daß sie irgendwo in deutschen oder französischen Dichtungen vorhanden waren, aus denen er schöpfte, ist uns im höchsten Grade wahrscheinlich. Aehnlich möchte es sich mit dem, was Turlin's Krône hierher Gehöriges erzählt, verhalten. Nicht minder ist der Umstand, auf den bereits früher (San-Marte, Arthursage, S. 326, Erläuterungen zum wälschen Geraint ab Erbin) aufmerksam gemacht ward, zu beachten, daß in Hartmanns Erec die Namen Titurel (v. 1650), Marlivliôt von Katelange (1688; P. 186, 22; Tit. 23. 1 Manpfilyôt), Ganatulander (1690, Schîanatulander), Galoês (1661 und 1513), Schonebôr (1679, etwa Sennabor im jüngern Titurel? ungeachtet des Anachronismus, da Lehterer ihn zu Christi Zeit leben läßt), vorkommen, zwar ohne Geschichte, nur als Figuranten; aber sie sind doch da! Hartmann konnte um 1204 diese Namen noch nicht aus Wolframs Parcival entlehnt haben, denn dieser war damals noch nicht gedichtet; sie finden sich in Chrestiens Erec gleichfalls nicht. Hartmanns französische Quelle muß sie aber doch gehabt, folglich müssen diese Personen auch in der französischen Poesie bereits ihre Geschichten gehabt haben. Und Wolfram führt dieselben aus Khot an. Oder sollte Hartmann diese Namen auf's Gerathewohl auch etwa erfunden, Wolfram sie aus dessen Erec entnommen, und ihnen ihre Geschichten hinzugedichtet haben? Gewiß nicht; die positiven Zeugnisse Wolframs, Hartmanns, des jüngern Titurel sind dagegen; dagegen sind alle bekannten Beispiele andrer Dichter dieses Sagenkreises. Wenn wir sonach gegen Rochat Wolfram dieses selbstständige Hinzudichten von Aventuren absprechen, so geschieht es doch wahrlich nicht aus dem Grunde, weil wir seine dichterische Fähigkeit dazu, sondern nur, weil wir seinen Willen in Abrede stellen, etwas Andres zu bieten, als frou Aventiure, b. h. die ihm überlieferte Sage, ihn zu sagen lehrte. Das versichert er zu wiederholten Malen, und dem glauben wir.

Guiots Versicherung, in Palästina und Syrien gewesen zu sein, wirft auf eine bisher nicht genügend erläuterte Stelle in Wolframs „Parcival“, die bisher sehr abweichende Deutungen erfahren hat, ein

unerwartetes Licht. Ihre Ausleger theilten sich dahin, daß Einige sie für Wolframs Erfindung, Andre dafür hielten, er habe die Beziehungen bereits bei Kyot gefunden. 3m P. 498, 27 giebt nemlich Wolfram die überraschende Erklärung, daß Gandin, der König von Anjou, seinen Namen von der wîten Gandîne, einer Stadt am Zusammenfluß der Greiân (mit golde ein wazzer rinnet) und der Trâ habe, die in Steiermark liegt, wo seltsamer Weise seine an Ither von Gaheviez vermählte Tochter Lammire Herzogin ist (P. 499, 8.). Diese Angabe, verbunden mit der ganzen Geschichte Trevrecents von seinem Abentheuerzuge von Aquileja durch Friaul zum Rohaz und nach Steier, wo ihm windisches Volk entgegen kam (496, 15), bildet eine so höchst überraschende Abschweifung in ein den Franzosen gewiß sehr fremdes geographisches Gebiet, daß hierzu der Dichter einen ganz besonderen Anlaß gehabt haben muß. Es ist ein glücklicher Umstand, daß Haupt (Zeitschr. XI. 47) wirklich jene bisher vergeblich gesuchten Dertlichkeiten aufgefunden hat. In der That gab es zwei villae Candin an dem Flüßchen Grajena, das dabei und nahe bei Pettau in die Drau fällt, und es sollen vormals darin Goldwäschen gewesen sein. Unfern, etwa sechs Meilen von Cilli ist der Rohitscher Berg, der in Urkunden des Mittelalters Roaz oder Roas genannt wird. Es befremdet

nicht minder, daß Khot dem Gandin von Anjou als Wappen, das er auch auf Gahmuret vererbt, und das auch sein Sohn Galoes führt, das also schon als erbliches Familienwappen aufgeführt ist, einen Panther führen läßt; und ein Panther ist das Wappen von Steier. Nach Herrgott (Mon. dom. Austr. Tab. III., Nr. 3) findet der Panther sich bereits auf einem Siegel vom Jahr 1206 des Herzogs Leopold. Das wirkliche Wappen von Anjou aber sind die Lilien, und zwar soviel uns bekannt, waren sie dies auch schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Gewiß darf man voraussehen, daß der französische Dichter das richtige Wappen von Anjou gekannt hat, und wenn er dennoch diesem Hause den steirischen Panther beilegt, so erhellt daraus, in Verbindung mit jener Erzählung Trevrecents, eine bestimmte Absicht desselben, und widerlegt sich die Vermuthung, daß die Wahl dieses Wappens gerade nur auf einem Zufall oder willkürlichen Einfall beruhe. Es ist alles Bemühens ungeachtet mir nicht gelungen, in einem franzöfischen alten Wappen den Panther wiederzufinden, und obwohl in unserm „Parcival" unzweideutig das Haus Anjou vorzugsweise verherrlicht wird, so beschränkt unser Guiot in der „, Bible" sich doch nur auf das Lob der Könige Heinrich L. und II. und des Gottfried von Bretagne, Grafen von Anjou, ohne sie wesentlich mehr als andre Gerühmte

hervorzuheben. Dennoch erklärt sich bei der Annahme, daß Guiot einen Roman de Percival geschrieben habe, jene entlegne und fast gewaltsam herbeigezogne geographische Excursion sehr einfach dadurch, daß er selbst auf seiner orientalischen Reise den beschriebenen Weg Trevrecents zurückgelegt und die Erinnerung daran vielleicht mit Rücksicht auf uns nicht mehr bekannte Beziehungen zu seinen Gönnern in dem Roman verewigt hat. Die ritterlichen Höfe von Steier und Kärnthen mochten für unsern wanderlustigen Dichter hinreichende Anziehungskraft ausüben, und sie lagen doch von Frankreich nicht einmal so fern, daß nicht Mathilde, Tochter des Herzogs Engelbert III. von Kärnthen, dem Thibaud IV., Grafen von Blois, die Hand zum Ehebund hätte reichen können, deren Tochter Mathilde sich weiter mit Gottfried, Grafen von Perche vermählte.

Nach allem Vorhergehenden vermögen wir aus der „Bible“ nicht blos keinen Grund zu entnehmen, dem Guiot die Fähigkeit, einen Roman des Inhalts, wie unsern,, Parcival", zu dichten, abzusprechen, halten ihn vielmehr besonders seines theologischen Standpunktes wegen, wie er in der „ Bible“ sich offen kund giebt, für sehr wohl dazu geneigt und geeignet. Denn je tiefer wir die Dogmengeschichte jenes Jahrhunderts durchdringen und die religiösen Bewegungen und Kämpfe dieser Periode beobachten, desto lichtvoller und erhabener tritt in der dichterischen Hülle der Geist des Evangeliums hervor, der den Dichter unsers „Parcival “ erleuchtet hat. Die in demselben ruhende Grundidee kann ihre Wiege in Deutschland, aber ebensowohl auch in Frankreich gehabt haben, wo ja die religiöse Bewegung während der Lebenszeit Guiots von Provins weit tiefer in die Massen des Volks ebensowohl wie in die Gemüther der Begabtesten der Zeit geschlagen hatte, als in Deutschland, wo diese Kämpfe einen mehr politischen und dynastischen Charakter annahmen. Ob wir den Vater und ersten Träger dieser Idee und den Dichter dieses neuen Gottesreichs auf Erden, des Gralreiches und des Templeisenthums mit seinem darin vorgezeichneten Wege zur Erlösung von der Sünde und zur Heiligung, Guiot oder Wolfram zu nennen haben, welches Verdienst diesem oder jenem an der dichterischen Vergeistigung des vorgefundnen romantischen Rohstoffes beizumessen ist das bleibt bis

zur endlichen Auffindung von Guiots Gesicht freilich zu unserm Bedauern noch in Dunkel. Doch dürfen wir die Hoffnung der endlichen Lösung der Frage durch einen glücklichen Fund nicht aufgeben, und vor der Zeit Guiot als ein trügerisches Meteor verschwinden lassen, müssen ihm vielmehr um so eifriger nachforschen. Bis dahin aber bleibt und

gebührt der volle Dank dem, der uns diese kostbare Perle mittelalter

licher Poesie in so unübertroffner Fassung überliefert hat; und das ist unser Wolfram von Eschenbach.

3.

Ein interessantes Seitenstück zu Guiots Werke ist das Speculum Stultorum des Brunellus Vigellus, ein sathrisches Gedicht in lateinischen Distichen, das die gleiche Tendenz, die Sünden der Großen dieser Erde in Staat und Kirche, so wie den in Verderbniß versunkenen Clerus zu geißeln und zu strafen, ebenso wie jenes verfolgt, weßhalb dessen Dichter füglich als ein Vorgänger Guiots in dieser Richtung des sittlichen Strafamtes betrachtet werden kann. — Ein Esel, Brunellus, oder nach andrer Leseart Burnellus, findet seinen kurzen, dürftig behaarten Schwanz fernerhin unerträglich; ihn ergreift eine unbezwingliche Sehnsucht, ihn prächtig verlängert und sich schön beschweift zu sehn, und er befragt alle Aerzte, wie ihre Kunst ihm verschaffen möchte, was die Natur ihm versagt hat. Der Arzt Galienus seßt ihm das Unmög liche seines Wunsches auseinander, tadelt ihn, daß er Anderes begehre, als was Gott ihm beschieden, und warnt ihn durch das Beispiel von zwei Kühen, Brunetta und Bicornis, die im Sumpf mit ihren Schwänzen festgefroren, und von denen die lettere ihren Schwanz gewaltsam im Stich läßt, um schneller zum Stall heimzukehren, während die andre in Geduld gelinderes Wetter abwartet, und dann lieber mit ihrem konservirten, wenn auch mit Eis und Koth dick beschwerten Schwanz nach Hause kommt. Nachher, im Sommer, beklagt freilich Bicornis ihren Leichtsinn, da sie nun bei mangelndem Schwanze sich des peinigenden Ungeziefers nicht erwehren kann. Galienus giebt endlich dem Brunellus ein Recept von naturwidrigsten Ingredienzen, womit er nach Salerno gehn und es dort bereiten lassen soll; werde der Schwanz dann abgeschnitten und jenes angewandt, so werde er ellenlang in schönster Haarfülle wieder wachsen. Damit segnet er ihn zur Reise ein. Bier Tage irrt der Esel rathlos in Salerno umher, bis ihm ein Kaufmann aus London begegnet; dessen Mutter heißt Grylla (Scheere, Krebsscheere), sein Vater Trufator, seine Schwester Gula, und seine Frau Trufa (fraus, nequitia.). Dieser verkauft ihm zehn Gefäße, in denen Bestandtheile seines Recepts enthalten sein sollen, die der Esel theuer bezahlt, und glückselig sich damit auf den Heimweg macht. Bei Lugdunum aber fallen ihn Hofhunde an, und einer derselben, Namens Grimbaldus, beißt ihm den halben Schwanz ab; auf der Flucht zerbricht er die Gefäße mit den Medicamenten, und in seiner Verzweiflung

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