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Aus dieser Heimathlichkeit erklärt sich, weßhalb Guiot der Grafen von Champagne und der dortigen Barone mit besondrem Nachdrucke rühmend erwähnt, z. B. V. 325, 328, 477.; und anderweit ist zur Genüge bekannt, daß der Hof von Champagne sich der Pflege der Kunst und Poesie besonders angelegen sein ließ. Nach V. 70. hat der Dichter die Schule zu Arles besucht, und dort über die Philosophen der Vorzeit, zu denen auch die großen Dichter Horaz, Ovid u. s. w. gezählt wurden, Belehrung erhalten; wenn auch keine Universität, so war sie doch eine der hervorragendsten Bildungsanstalten, die von jeher mit diesem alten erzbischöflichen Size verbunden war.

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Der Zeitpunkt, nach welchem Guiot seine Bible schrieb, er giebt sich bestimmt aus der Angabe der Personen, welche er als bereits gestorben beklagt, und die er gleichwohl persönlich gesehn und gekannt (V. 345, 366, 372, 418, 445.) haben will. Von diesen starben die Hervorragenderen, u. z. (V. 315.) König Ludwig (VII.) von Frankreich 1180; König Heinrich (I.) von England (V. 319.) 1135; König Heinrich (II.) von England (V. 320.) 1189; König Richard (I.) von England (V. 322.) 1199; Heinrich I. und II. von Champagne (V. 325.) 1180 und 1197; Graf von Clermont (V. 327.) 1191; Graf Thibaud (III.) von Champagne (V. 328.) 1201; Graf Philipp von Flandern (V. 330.) 1191; der König von Aragonien (Alphons II., V. 337.) 1196; der König Amalrich von Syrien (V. 348.) 1173; er erwähnt ferner (V. 2618.) der Universität von Montpellier, welche erst 1196 gegründet ward, und endlich des Zuges der abendländischen Kreuzfahrer gegen Konstantinopel (V. 778.), welcher im 3. 1203 stattfand und das größte Aufsehn im Abendlande machte. - Andrer Seits wirft er B. 1946, 1950, 1962, 2038, 2081 den Antoniuslaienbrüdern vor, daß sie keine Kirchen und in ihren Spitälern keine Priester haben, und all ihr reichlich zusammengebetteltes Gut nicht dazu verwenden, sich ein stattliches Gotteshaus zu erbauen. Die Hospitalbrüderschaft des h. Antonius wurde als solche zwar schon von Pabst Urban II. 1096 bestätigt; aber erst Innocens III. erlaubte ihnen 1208 den Bau einer eignen Kirche; noch später, 1218 gestattete ihnen, die bis dahin nur Laien waren, Honorius III., die drei Mönchsgelübde abzulegen. Somit fällt nach diesen sichren Daten die Abfassung der Bible zwischen 1203 und 1208.

Indeß muß Guiot damals schon bei Jahren gewesen sein, denn er hat, wenn wir irgend seinen Angaben Glauben schenken dürfen, ein vielbewegtes Leben geführt, sich weit in der Welt umhergetrieben, und die ausgedehntesten Bekanntschaften an den Höfen und auf den Schlöf

fern der Fürsten und Barone in allen Theilen Frankreichs gemacht. Er zählt deren einige neunzig auf, die bereits gestorben seien, ihn jedoch vielfach im Leben mit Geschenken bedacht und geehrt hätten. Es fehlt an einem zureichenden Grunde, diese Bekanntschaft mit so vielen Edlen seiner Zeit, deren er sich rühmt, für eitle Großprahlerei und Lüge zu halten, da ja hinreichend bekannt ist, wie zahlreiche Schwärme fahrender Sänger und schreibender Dichter damals im ganzen heutigen Frankreich (wie nicht minder in England und Deutschland) von Hof zu Hof und Schloß zu Schloß wanderten und fast überall gastlich und willkommen aufgenommen wurden. Nach V. 275. ist er bei dem großen Hoftage des Kaisers Friedrich I. zu Mainz i. 3. 1184 zugegen gewesen, wo auch der französische Adel in sehr großer Anzahl erschienen war, und auch unser deutscher Dichter der Eneit, Heinrich von Veldeck nicht fehlte. Er versichert ferner V. 1792. u. 1794., die Hospitaliter in Jerusalem selbst gesehn zu haben, und es wird daher, was er V. 1698. von den Templern in Syrien berichtet, gleichfalls auf eigner Anschauung beruhen. Den i. 3. 1173 verstorbnen König Amalrich von Jerusalem sah er in der Blüthe seines Ruhmes und Lebens im Orient selbst (V. 348.). Im Jahre 1147 war aber der zweite, und 1190 der dritte Kreuzzug, woraus in Verbindung mit der von ihm offen kund gegebnen Abneigung gegen das Waffenhandwerk der Templer erhellt, daß er nicht als Krieger, sondern irgend wie im Gefolge eines Fürsten oder Barons, oder sonst auf eigne Hand u. z. vor 1173 eine Fahrt in das gelobte Land gemacht hat, wohin zu jener Zeit aus Italien und insbesondre Frankreich ein ununterbrochner Verkehr stattfand. Hierauf bezieht sich vielleicht auch die Anspielung in Lied V., worin er sich aus einer fernen terre malheureuse nach seinem heimathlichen Frankreich zurücksehnt.

Nach V. 1193. und 1202. hatte Guiot sich vier Monate lang zu Clairvaux aufgehalten, doch ist er nie in den Orden der weißen Mönche (Cistercienser) eingetreten, und wegen der Kürze dieses Aufenthaltes scheint er manche Anfechtung erlitten zu haben. Er war vielmehr Cluniacenser, und trug die schwarze Kutte dieses Ordens zur Zeit, als er seine Bible schrieb, bereits länger als zwölf Jahre (V. 1091, 1124.). Schlecht genug ist er mit diesen seinen Brüdern zufrieden, und der harte Tadel, womit er sie geißelt (V. 1092. und 1661. folg.), mochte wenig geeignet sein, ihre besondere Gunst und Liebe ihm zuzuwenden, scheint vielmehr ihm ihren Haß gründlich zugezogen zu haben. Sonach wäre er erst nach seiner orientalischen Reise, und auch erst nach dem Hostage von Mainz, also in den 1100 und neunziger Jahren in den Cluniacenferorden getreten. So schlecht es ihm aber auch dort erging,

daß er am liebsten hätte davongehn mögen (V. 1065.), so will er doch lieber dort, als bei den Cisterciensern sein (V. 1306.), in welcher Aeußerung sich die tiefgewurzelte Eifersucht beider Orden gegeneinander selbst bei einem Manne wiederspiegelt, der alle beide Orden mit der beißendsten Lauge seines Tadels überschüttet.

Vor seinem Mönchsstande und in seinen Jünglings- und ersten Mannesjahren mag er die Welt gesehn, die Höfe und Schlösser der Großen besucht, und ihm. allerdings das freie, gastliche, wohlhäbige Leben daselbst besser, als die Kasteiung im Kloster gefallen haben. Daß er sich dahin im spätern Alter zurückzog, läßt vermuthen, daß er bürgerlicher Abkunft und mittellos gewesen ist, da er sonst wohl einen Ruhesiß auf seinen Gütern vorgezogen hätte. Es darf daher auch nicht befremden, wenn er gleich den französichen Romane schreibenden Clercs, Wace z. B. im Roman de Brut und Roman de Rou, und Chrestiens de Troyes, und auch unsern deutschen Dichtern jener Zeit, die Edlen rühmt, die ihn beschenkt haben (V. 493.), die fürstlichen Knauser dagegen in's höllische Feuer wünscht (V. 170, 264.); wenn er die höfischen, prächtigen Feste der frühern Zeit und die Herrlichkeit der Paläste hoch über das rohe, geizige, engherzige Leben des jeßigen Geschlechts erhebt, und die Freigebigkeit und Gastlichkeit (milde) jener Verstorbnen höchlich preist (V. 119, 170, 196, 258, 492, 512.). Mit Unrecht machen ihm wegen dieses Preises hochherziger Gastlichkeit Le Grand d' Aussy (Notices des Mss. de la bibliothèque du Roi, T. V. p. 279.) und die Hist. Litér. de la France, T. XVIII. p. 806. den Vortvurf, daß er in seinem Kloster alle Habgier, allen Eigennutz und die Niedrigkeit der Gesinnung eines Ménétrier von Profession beibehalten habe. Die Histoire scheint hier den Ménétrier (minstrel, ministerialis, den im Dienst eines Großen stehenden Hofdichter) mit dem Jongleur, dem fahrenden Spielmann und Bänkelsänger, auf den Guiot selbst V. 210. einen verächtlichen Seitenblick wirft, ungehörig in eine Klasse zu werfen. Denn eine gelehrte Bildung und edler, sittlicher Geist ist ihm nicht abzusprechen; er ehrt die wahre Wissenschaft, und seine Minnelieder zeigen, daß ihn auch die Poesie als edle Geistesblüthe begeistert hat. Um diese pflegen und ihr sich widmen zu können, war freilich den Dichtern, welche nicht selbst reich genug waren, um unabhängig leben zu können, die Milde jener die Kunst und Poesie liebenden Großen erste Lebensbedingung, und diese höher gebildeten Clercs waren keineswegs verachtet, sondern auf den Schlössern gern gesehn, um durch Vorlesung oder Recitation von erzählenden Gedichten, auch wohl Vortrag von Liedern zur Unterhaltung und Verschönerung der Feste beizu

tragen. Auf einem Irrthum beruht es daher auch, wenn De la Rue (Essais historiques sur les Bardes, Caen, 1834. p. 216, 217) vermuthet, daß der Dichter den Namen des Königs Philipp August um deßhalb aus Rache mit Stillschweigen übergehe, weil dieser im 3. 1181 alle Jongleurs, als nichtsnußiges Gesindel, aus seinen Staaten vertrieben habe. Vielmehr erklärt diese Uebergehung sich einfacher dadurch, daß dieser König († 1223) bei Abfassung der Bible noch lebte, und der Dichter zufällig nicht mit seinem Hofe in nähere Beziehung gekommen ist. W. Wackernagel gebührt das Verdienst (Altfranzösische Lieder und Leiche; Basel, Schweighauser, 1846), in einer Handschrift der Berner Bibliothek die hier mitgetheilten Lieder Guiots entdeckt und zuerst bekannt gemacht zu haben, die den Dichter würdig den gleichartigen und vielgerühmten Sängern seiner Zeit an die Seite stellen. Frühlingsluft, Liebeswonne, Liebesschmerz sind ihr Inhalt, und gleich unsern Minnesingern schilt er über die Indiscretion der Merker und Kläffer, welche die Huld seiner Dame ihm abwendig zu machen und sein Glück zu stören suchen. Eine persönliche Beziehung zum Hause des Grafen von Mascon, der auch Bible V. 393 erwähnt wird, erscheint nur in Lied IV., im Uebrigen verschweigt er rücksichtsvoll Namen und besondre Verhältnisse, und seine Sprache und Empfindung ist durchaus sein und höfisch. Dieser galante Ton der Minnesänger verleugnet sich auch nicht ganz selbst in seiner scharfen Satyre der Bible, indem er z. B. V. 151. nicht die Frauen anklagen will, daß sie an der Verschlechterung des jezigen Geschlechts schuld seien, sondern nur die Männer. Ebenso wagt er kaum, das Weib zu charakterisiren, und so scharf er auch die schlechten Nonnen tadelt, so läßt er doch eine gewisse Verehrung des weiblichen Geschlechts durchblicken, und erhebt das gute Weib in würdigster Weise (V. 2100-2150, 2184 folg., 2222 folg.), indem er an die h. Jungfrau mahnt, als das Höchste aller Weiblichkeit, um derentwillen den guten Weibern Liebe und Ehre gezollt werden soll (V. 2270). Auch die Nitterdichtung war ihm nicht fremd, denn Bible V. 381. rühmt er die Tapferkeit Lancelot's de Lac, V. 272, 273 gedenkt er der prächtigen Feste Arthurs, Alexanders und des in den Romanen nicht verschollenen Julius Cäsar, und in Lied I. nimmt er Tristans treuredliche Gesinnung für sich in Anspruch. Es ist wahrscheinlich, daß Guiot dies weltliche Sänger und Wanderleben geführt und diese Lieder gedichtet hat, ehe er in den Orden der Cluniacenser trat, obwohl es auch nicht an Beispielen fehlt, daß selbst Mönche troß ihrer Kutte und des Gelübdes einem freien Weltleben sich hingegeben haben. Als Beispiel solcher Verbindung des Mönches und fahrenden Minnesängers dient in schlagender

Weise der Mönch von Montaudon, ein Troubadour um 1180-1200, also ein richtiger Zeitgenosse Guiot's, welcher Mönch in der Abtei Orlac war, und dann zum Prior von Montaudon befördert ward. Hier übte er die Dichtkunst, und bald zogen seine Rügelieder voll kecker Laune, worin er sich über alle Ereignisse der Umgegend aussprach, die Aufmerksamkeit der Ritter und Barone in dem Grade auf sich, daß sie ihn für die Gesellschaft zu gewinnen suchten, und ihn beredeten, das Kloster zu verlassen. Nun führte er die Lebensart eines fahrenden Dichters und erndtete reichen Lohn, allein den ganzen Ertrag seiner Kunst wandte er seinem Kloster zu; dabei legte er die Kutte nicht ab, und behielt auch die Priorwürde bei. Nachdem er dies Gewerbe eine Zeit lang getrieben, begab er sich nach Orlac zu seinem Abt, stellte ihm die Verbesserung der Priorei vor, und bat ihn um Erlaubniß, den Hof des Königs Alfons von Aragonien besuchen, und dort nach dem Willen des Letteren leben zu dürfen. Die Bitte wurde gewährt; der Mönch stellt sich dem Könige vor, und erhielt von ihm den Befehl, Fleisch zu essen, den Liebhaber zu spielen, zu dichten und zu singen. Auch andre Fürsten und Grafen in Spanien begünstigten ihn. Endlich gab ihm der Abt von Orlac die Priorei Villefranche in Roussillon; auch diese verbesserte und bereicherte er und starb daselbst (Dieß, Leben der Troubadours, S. 333). Und dies Beispiel steht nicht vereinzelt da. Geistliche wie Ritter widmeten sich der heitren Kunst, ohne daß sie im Leben der Schatten der Verachtung traf.

Das Hauptwerk, welches Guiot's Ruhm auf die Nachwelt gebracht hat, ist indeß seine Bible. Dies war der gewöhnliche Titel derartiger Lehr- oder Strafgedichte. Er zeigt sich darin als ein Mann von durchdringendem Geist, scharfer Beobachtungsgabe, und voll beißenden Spottes. Seine Vergleichungen und Beispiele sind von durchbohrender Schärfe; er hat mehr als gewöhnliche Bibelkenntniß, und führt häufig und mit Vorliebe Stellen aus der h. Schrift zur Bestätigung seiner Aussprüche und zur Rechtfertigung seines Tadels an *). Seine Sprache ist scharf, in den Uebergängen oft springend, und seine Ausdrucksweise wimmelt von Sprüchwörtern und sprüchwörtlichen Redensarten **), die in der Uebersehung treu wieder zu geben, ja oft nur anzudeuten, fast unmöglich;

*) 3. B. V. 60, 146, 276, 530, 546, 611, 615, 832, 879-882, 1103, 1406, 1480, 1829, 1841, 1843, 1850, 1883 (?), 2180, 2232, 2277, 2402.

**) 3. B. V. 40, 141, 208, 502, 521-524, 527, 615, 764, 808, 1123, 1539 1577, 1594, 1659, 2123, 2166, 2369, 2402, 2525, 2596, 2633-2634.

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