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Bildlicherweise könnte man vielleicht eher sagen, daß Jesus, statt der paulinischen Erlösungslehre von der Erbsünde durch den Christus, vielmehr eine Prädestination, eine Vorherbestimmung der Kinder Gottes gelehrt habe, wie es ja auch von gewissen Theologen gelehrt worden ist.

Aber auch das ist nur der Fall, wenn man die Jesusgleichnisse wörtlich versteht, wenn man so heidnisch ist, das „ewige Feuer“ als eine leibhaftige Sache zu nehmen, wenn man einfach übersieht, daß Jesus selbst an einer hochwichtigen Stelle auch diese Bilder von der Hölle, wohin die Nichtauserwählten geworfen werden, als Gleichnis bezeichnet und statt dessen eine Auslegung gibt, die aufs tiefste überrascht und abermals die Richtigkeit unsrer Deutungen beweisen wird.

Hier sollte vor der Hand nur dargelegt werden wie fremd in ihrer Zeit, wie neu die Vergebungslehre Jesu ist, wie halb begriffen sie von Paulus selbst geblieben ist und wie sehr erklärlich es ist, daß Jesus gerade darüber bei den Synagogen in den schlimmsten Verdacht kommen mußte.

Denn er entriß dem alten Tempelgott und allen Tempelmittlern die unmittelbare Aufgabe der Sündenvergebung, er wischte die künstlichen Qualen des Gewissens aus, des bösen Gewissens, das, wie uns die Tragiker aller Zeiten lehren, ja nur immer neue Sünde schaffen muß. Und an Stelle dieser Gewissensqual und alter Erbsündengedanken, sezte er den einfachen menschlichen Sag: daß der Mensch als Menschheitsgeist die Macht oder die „Freiheit“ habe die sittlichen Fehler zu erlassen, weil sie zwar unbedingt sind, aber jedes Menschenwesen als Ganzes die Fähigkeit der Metanoia hat, der Umwandlung des Sinnes, die auf der Gesamteinsicht und Erkenntnis des Sittengesezes beruht. Sind wir der ursächlichen Kraft dieser Gesamtlebensanschauung unterworfen durch die Macht ihrer Gesamteinsicht, so wird - wenn wir auch im einzelnen fehlen auf Grund des Überwiegens dieser neuen Ursachkraft in uns allmählich doch unser Wesen von der „Sünde“, vom Gemeinen überhaupt befreit.

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Und wenn Jesus vielleicht geglaubt hat, daß er durch seinen

Tod als Folge der wahrhaftigen Vertretung seiner Lehre, die Welt von Sünden lösen werde, so liegt für ihn diese Lösung eben darin, daß er den alten Sündenbegriff selbst abschaffte und tatsächlich immer fortfährt durch diese wenigen Worte und Lehren abzuschaffen. Das Selbstopfer wurde die Bekräftigung des veränderten Begriffs. Es war die Beispielsdarstellung, zu welcher ihn bei seiner Beispielsauffassung des Lebens die vorauszusehende Notwendigkeit zwang. Aber nicht das vermeintlich „vergossene“ Blut*) hat die Welt entsühnt, die Hinaustreibung des Opferlamms hat keine Erbsünde aufgehoben, das ist nur neuer Tempelspuk, an Stelle alten Opferspuks. Sondern daß dieser Denker durch seine unvergänglich schönen Gedanken immer wieder die Welt genötigt hat, verharrschte Begriffe, verkalkte Sittenanschauungen aufzugeben und seine Vergebungslehre mit ihren reinen, einfachen Folgerungen praktisch zu verwirklichen, das ist das Erlösende, die Auflösung alter falscher Schuldbegriffe, denn er lehrte die Wahrheit wird euch frei machen“, (nicht „erlösen", wie die Kirche und Luther so oft falsch überseßen) und die Wahrheit von der Natur des Sittengesehes vor allem.

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Und darum konnte dieser Mann oder seine Lehre betonen, er sei gekommen, die Welt selig zu machen", welches die positive Folge seines Sitten- und Vergebungsgeseßes ist, wie es vor allem auch der Ausdruck der inneren Seligkeit (uaxaqia) seines Gemüts, seiner gesamten Weltanschauung ist, eine Gemütsseligkeit, die allein die Stimmung erklärt, aus der die Reden von den „Lilien auf dem Felde" und von der „Pracht Salomos" wachsen. Denn so tiefe Schmerzen dieser Jesus auch durchlebt hat, so verzweifelt sein leztes Wort nach dem Psalm ist: „Eli, Eli, Lama 2c.“, so selig-heiter, so „makarion“ ist doch sein Denken. Und wie könnte eine Weltanschauung, die sich zu so hohen Einsichten aufgeschwungen hat, auch anders als innerlich friedenvoll und selig sein!

*) Vergl. später die Abendmahlsworte.

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Die Bergpredigt (Matth. 6, 16—18) fährt fort, noch einmal zu wiederholen, welche sittlichen Beweggründe uns beim „Fasten“ leiten sollen, d. h. wir sollen nicht im frömmelnden Gesichterschneiden vor den Leuten etwas gelten wollen, sondern nur vor dem verborgenen Gotte in bereits erörtertem Sinne wirken. Hiermit wendet er sich natürlich an seine jüdischen Zeitgenossen. Es ist hierbei zu bemerken, daß schon seit Jesaia (Kap. 58, 6—14) im Hebräischen mit dem Begriffe „Fasten“ und „Sabbathfeiern“ jedes sittliche Wohltun, Speisung der Armen, überhaupt ein werktätiges, menschenfreundliches Leben bei den Juden verknüpft war. Auch Jesus braucht das Wort „Fasten“ nicht wörtlich, sondern faßt darin alles zusammen, was Jesaia meint. All' diese Guttaten sollen nach Jesus im Verborgenen geschehen, und im Verborgenen werden sie unser sittlicher Besiz vor dem ewigen Urgrund.

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Sammelt euch nicht Schäße auf Erden," hängt euer Herz nicht an die materiellen Güter, „die euch doch nur die Diebe stehlen," seien es die kleinen oder die großen Diebe. „Wo dein Schaß ist, da ist auch dein Herz." Was du für wahren Wert hältst, das bringt dein Gemüt in Aufregung und Angst. Sammelt euch daher solche Schäße, deren Wert nicht von den Dieben und „von Motten und Rost" abhängig ist, die nicht vom „Kurse“ abhängen, sondern legt euch im Himmel ein nicht zu entwertendes

Kapital an, d. h. sucht die wahren Werte des Lebens in den Allgütern, in den geistigen Gütern. Also: schafft euch dauernde Lebenswerte.

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Nach einer Einsprengung über das Auge, welches des Leibes Licht sei eine Bildausführung, die jedenfalls aus einem ganz andren Zusammenhang gerissen ist*) spricht Jesus weiter über die materiellen Güter und sagt:

„Ihr könnt nicht Göttlichem Sklave sein (9ɛÿ schlechthin) und dem Mammon."

Wie dieser Ausspruch wiederholt verbürgt wird, so wird auch die Ansicht, daß ein „Reicher“ nur schwer die Gottesherrschaft antreten werde, samt dem Bilde vom Kamel in einer Weise überliefert, daß wir nicht an der Echtheit der Worte zweifeln können. (Luther: „ins Reich Gottes kommen.“)

Da wir die Idee von der Herrschaft des Alls, die in uns ist, als die eigentliche Meinung des Jesus kennen, so ergibt sich, daß er meint, wenn man all seine Herzenstätigkeit an das Erwerben des Mammons hängt, an den Erwerb des Reichtums, so kann unmöglich in uns jene Gesamtverfassung des ethischen und intellektuellen Lebens entstehen, die Gottes- oder Allherrschaft in uns erzeugt. Man muß hierbei erwägen, daß die aramäischen Worte des Jesus für das Verhältnis zum Mammon einen ähnlichen starken Ausdruck wie das griechische „Sklave sein“, „sklavisch dienen“ enthalten haben müssen, eine Knechtschaft des Mammons ist gemeint. Und diese macht den Menschen in der Tat untauglich zu allem Höheren. Keineswegs aber hat Jesus etwa durch dieses Wort und den Ausspruch vom Reichen und vom Kameel Stellung nehmen wollen im Sinne eines sozialen Heilandes der Armen. Diese ganze Auffassung beruht auf flüchtigem Lesen der Bibel, auf dem Lesen der fettgedruckten Stellen ohne Zusammenhang. Wenn Jesus bei Lukas sagt: „Selig sind die Bettler," so ist das an sich schon ein Unsinn, denn es ist nicht

*) Vergl. die Nicodemusrede.

einzusehen, wieso der Mangel aller Habe all' jene sittlichen Güter zeitigen könne, die wir in der Jesuslehre wirken sehen. Wir wissen, daß Lukas nur flüchtig abgeschrieben hat, und daß die vollständige Urkunde besagt: „Selig sind, die da betteln um Geist."

Vielmehr will Jesus, wie die ganze herrliche Weiterrede ergibt (Matth. 6, 25—34), im Gegenteil sagen, daß wir alles dessen bedürfen, was wir zur Nahrung und Kleidung nötig haben, und daß wir das auch erhalten müssen, sei's durch eigene Arbeit oder wie sonst. Gott weiß, daß wir es bedürfen, und wird uns schon zum Leben helfen, wie den Vögeln unter dem Himmel, obwohl diese nicht, wie wir, arbeiten, säen und ernten. Denn aller Reichtum, selbst Salomos Pracht und ungeheurer Reichtum, könnte nicht bewirken, daß wir schöner und reicher gekleidet einhergingen als die Lilien auf dem Felde, die doch auch nicht arbeiten und spinnen. Also was haben wir davon, wenn wir unsre Seele mit Sorgen belasten" Jesus spricht nicht vom „für etwas sorgen“, sondern von der Sorge als Herzensqual (un peqiuvate) mit Sorgen um die materiellen Güter. Und wenn wir Salomos ganzen Reichtum hätten, schöner als die sorglosen Lilien könnten wir uns doch nicht anziehen. Denn die prachtvollste Damentoilette aus Paris oder von Gerson kann nicht an Schönheit wetteifern mit der Naturschönheit einer blühenden Rose oder Lilie. Gerade diesen höchsten Schönheits- und Geistesgütern gegenüber hat der Reichtum seine Grenze, da kann er nicht mittun, und darum sollen wir vor allem nach der Herrschaft Gottes und nach seiner Lebensgerechtheit trachten.

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Was wir im übrigen zum Leben brauchen, das wird uns gewiß noch als Zugabe obendrein zugeschanzt (πgoorεInoɛtai), denn wir, die wir mehr sind, als die Vögel unter dem Himmel und die Lilien, wir säen ja, wir ernten ja, wir arbeiten ja, und weil wir es tun, haben wir auch die materielle „Zugabe“ zum Leben.

Aber es soll eben nur eine Zugabe bleiben; der Reichtum, die Sorge ums tägliche Brot soll uns nicht zum Knechte machen, soll nicht eine Seelensorge sein, die uns ausschließlich einnimmt.

So

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