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heißt es auch einmal im Gleichnis, daß die Sorge des Reichtums (die Dornen) bei manchen das Samenkorn des sittlichen Worts, der Allherrschaft erstickt. Aber eine unbedingte Verdammung des Reichtums, weil er etwa Reichtum ist, hat Jesus nicht gelehrt, er hat weder mönchisch, noch modern-sozial-predigerhaft gedacht. Er braucht im Gegenteil viele Wendungen, welche gerade bildlicherweise von den Gesezen des Reichwerdens (Wer da hat, dem wird gegeben 2c.) entlehnt werden. Wenn er lediglich den Wert des materiellen Reichtums in Frage stellt, wenn er an seine Stelle den inneren Reichtum der Basileia ton uranon, der „in uns“ wirkenden Herrschaft des Unendlichen seht, so geschieht es, weil er Fülle und Reichtum des inneren Lebens höher schäßte, als irgend ein Weiser.

Alles, was man als „soziale“ Aufgabe des Christentums mit Recht heutzutage bezeichnet, kann man nicht zurückführen etwa auf eine politische Soziallehre, Armenlehre oder Wirtschaftslehre des Jesus, so wirtschaftlich im höchsten Sinne dieser auch gedacht hat. Es ist weit mehr die Folgerung der allgemeinen Liebesidee des Jesus und der einfachen Bittidee: „Unser Brot gib uns heute, das bis morgen reichet." Denn wenn Jesus diesen Wunsch mit allen Menschen teilt, wenn er es als eine Pflicht Gottes selbst hinstellt, daß das, was wir zu Leben, Nahrung, Kleidung brauchen, als „Zugabe“ uns zufallen muß, so ist daraus allerdings die Folgerung abzuleiten, daß der „Christ" - mag er nun eine kirchliche Auffassung haben oder das gereinigte Evangelium lieben, das wir hier enthüllen, entschleiern, das Geheimnis (uvorngia) der Herrschaft des Alls in uns - eben dafür eintritt, daß jedermann sein Brot so habe, das es epiusion ist, d. h. bis „morgen“ nicht nur reichet, sondern den Sinn dieses Bildes erfüllt, der da heißt: unser dauerndes Brot. Denn der Jesusschüler und als einen Schüler des Jesus wird sich der aufmerksame Leser gern bekennen

bittet nicht: „Gib mir mein täglich Brot“, sondern: Gib uns unser Dauerbrot." Es ist also ein Wunsch für mich und die Mitmenschen, für die Gesellschaft, und in diesem Sinne hat aller

dings der Jesusjünger, der Jesusschüler und erst recht die Kirche, die sich nach diesem Manne benennt, die Pflicht einzutreten, daß dieser Gesellschaftswunsch in irgend welchen Formen wirklich werde.

Denn für Jesus ist es selbstverständliche Vorausseßung, wenn wir das „Reich Gottes" oder das „Himmelreich" in uns aufrichten wollen, daß wir das haben, was die Vögel unter dem Himmel haben, obwohl sie nicht säen und ernten. Und wir, wir arbeiten ja doch!

Würde er heute gefragt von Herrn von Stumm oder vom Pastor Göhre: „Rabbi, was dünkt euch über die ‚soziale Frage'?“ so würde er sagen:

„Bittet ihr nicht alle: Unser täglich Dauerbrot gib uns? Finden nicht selbst die Vögel auf dem Felde ihre Nahrung, wieviel mehr müsset ihr sie finden? Wahrlich, ich sage euch: die Knechte des Mammons taugen nicht für das Allleben in euch, keiner kommt in den Himmel, weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer, wenn er ein Knecht, ein Sklave des Reichtums und des Sinnes für Reichtum und die bloße Anhäufung desselben ist. Der Arbeitgeber nicht, weil er das Leben nur noch als ein Sklave seines Reichtums lebt, der Arbeitnehmer nicht, weil er nur ein Sklave der Not, des Reichtums im ausgewucherten Sinne ist. Beide haben nicht Teil am ewigen Leben“.

So würde der Rabbi sagen, denn er hat es schon in verschiedenen andren Gleichnissen zu seiner Zeit gesagt.

Nicht also daraus, daß Jesuslehre (und mithin sogenanntes Christentum) etwa eine Armenlehre ist (denn da wären die Bettler ja selig, was brauchten sie da noch das Brot, das „bis morgen“ reichet!), daß sie ein Evangelium für die Armen wäre, ist die Verpflichtung des Christentums abzuleiten, Stellung zu nehmen zur heutigen sozialen Frage. Nein, aus den sittlichen Liebesideen Jesu, aus der Urbitte: „Unser Brot gib uns" und zwar auskömmlich, ist die Verpflichtung des Staates, der sich „christlich" nennt, herzuleiten, zur Verwirklichung dieser Bitte zu helfen, wie es Sache

desjenigen ist, der das Wort auszulegen hat, sei er Priester oder nur einfacher protestantischer Pastor, mitzuwirken, daß sein tägliches Gebet nicht eine Blasphemie sei. Denn so lange die Kirche nicht das „Vater unser" samt der Brotbitte abschafft, so lange diese für Protestanten, Katholiken und Juden mit Recht ein sehr gewaltiger Daseinswunsch bleibt, so lange würde es auch Selbstlästerung sein, diese Brotbitte auszusprechen täglich, im Geheimzimmer, auf der Kanzel, ohne für ihre Verwirklichung zu sorgen.

Die Formen aber, die politischen Mittel, durch welche dieser Urwunsch des Christentums und Menschentums schlechthin praktisch wird, sind verschieden, werden wechseln mit den Zeitaltern. Es ist Sache jedes einzelnen Schülers des Weisen von Nazareth, sich das vorzustellen, wie er will und zu wirken wie er will. Es ist nicht seine einzige Aufgabe, denn das „Vater unser“ hat auch noch andre wichtige Wünsche, Bitten und Weltzwecksideen.

Matthäus führt uns im innern Zusammenhang unsrer Gedanken nun zu der berühmten Jesuslehre (Kap. 7, 7):

„Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn der Bittende empfängt, der Suchende findet, und dem Anklopfenden wird geöffnet." — Es findet sich vorher, außer dem bereits Erledigten, nur noch der weltberühmte Einzelspruch, daß wir das uns Heilige nicht vor die Hunde, unsre Perlen nicht vor die Säue werfen sollen, ein Sag praktischer Lebensweisheit, der die alte Erfahrung ausspricht, daß wir diejenigen, denen wir unser Bestes geben, uns vorher auf ihre Würdigkeit ansehen sollen.

Was heißt nun aber das: „Bittet, so wird euch gegeben?!" In den verschiedensten Formen kehrt der Typus dieser Idee wieder; oft mit dem Zusaß, „so ihr treu seid, so werdet ihr es empfangen.“ Nicht etwa so ihr glaubet, das ist eine falsche Überseßung des Pisteuein. Das Meiste von dem, was die Kirche mit dem Worte glauben, als für Wahrhalten im Gegensaße zum Erkennen, übersegt, sofern es den Glauben an etwas als Wundertatsache oder

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Geistestatsache bedeutet, ist übersehungsfehler. In Wirklichkeit heißt es: sittlich vertrauen und ergibt im Munde des Jesus selbst dann in der Mehrzahl der Fälle lediglich die Bedeutung: Zuverficht. Das Wort für den Glauben", der einen Sah oder sonst unglaubhafte Tatsache für richtig hält, ist nicht Pisteuein, sondern Dorazein und alle mit Dogma zusammenhängenden Zeitworte (doxe u. A.). Daher denn auch ganz richtig Dogma das Wort für einen Glaubenssaß geworden ist, der eine sogenannte religiöse Wissenschaft ausdrückt, an die man glaubt, die man für wahr hält. Solche Dogmen, solchen Glauben hat Jesus nun nie gepredigt. Er spricht immer nur vom Vertrauen, von der Zuversicht, und in all den Wundern, wo der „Glaube" hilft, heißt es nicht, daß etwa der Glaube daran, daß Jesus Erlöser, Gottes Sohn oder sonst etwas sei, gewirkt hätte, sondern die Zuversicht, es werde die Heilung erfolgen, das sittliche Zutrauen, das innere Vertrauen (πioris), daß das, was man wünscht, auch in Erfüllung gehen werde, das ist das, was hilft. Ja, das Wort heißt oft im legten Sinne, nach dem hebräisch-aramäischen Wort Emuna, einfach Treue, wie auch im Deutschen „trauen“ und „Treue“ innerlich zusammenhängen.*)

So geschieht es z. B. gleich Matth. 8, 5—13 in der bekannten Geschichte vom Hauptmann von Kapernaum. Die „Moral“ dieses Wunders, die hier nicht fehlt, ist, daß Jesus sagt: „Wie du vertrauet hast, so geschehe dir“, denn der Hauptmann verlangt, wie er als Kompagnieführer, als Hekantontarch, nur zu befehlen braucht und ihm sofort gehorcht wird, so müsse ja wohl auch die Heilung seines Kindes (nicht etwa „Knechts") durch ein Wort geschehen können. Da meint Jesus, solches Vertrauen habe er bei keinem in ganz Israel gefunden. Und dieses Vertrauen, die Innigkeit dieser Herzenstreue erklärt sich bei dem Hauptmann ja gerade daraus,

*) So übersezt die Septuaginta bei Habakuk Kap. 2, 4, das Wort „Emuna“ mit „Pistis“: „Der Gerechte wird leben aus seiner Treue zu mir“.

daß es sein Sohn ist, der gelähmt daliegt und dessen Heilung er so angstvoll begehrt, daß er meint, schon ein Wort des Jesus müsse zur Heilung helfen.*)

Jedenfalls erscheint hier in Form eines Wunders und seiner Nuzanwendung die Idee, daß jene sittliche Treue auch schon die Erfüllung des Wunsches, der Bitte enthalte, wie in dem „Klopfet an, so wird euch aufgetan“. Endlich finden wir bei Johannes die bereits erwähnte Fassung: „Wenn meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, es wird euch widerfahren.“

Nun, wir sehen auch hier jene Idee des Jesus herausleuchten, die wir als eine „Dynamik“ der sittlichen Kräfte bezeichneten. Er sagt und meint in der Tat:

Der Bittende ist schon ein Empfänger, der Bittende empfängt. Und er erklärt weiter (Matth. 6, 7–11 und Luk. 11, 12): „Oder wer ist unter euch ein Mensch, den sein Sohn um Brot bittet, daß er ihm einen Stein gebe? Und wenn er einen Fisch verlangt, daß er ihm eine Schlange gebe? Und wenn er ein Ei heischet, ihm einen Skorpion dafür gebe? Wenn nun ihr, die ihr doch schlimm seid, euren Kindern gute Gaben wisset zu geben, wie vielmehr wird euer Vater im All denjenigen, die ihn bitten, Gutes (d. h. sittliche Güter) geben."

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Es ist hier zu bemerken, daß Jesus nicht sagt, gerade das, was ihr wünscht, wird etwa sozusagen auf dem „Tischlein deck dich“ euch gegeben werden, sondern ganz im allgemeinen wird der „Urgrund" Gutes geben" als Erfüllung der Treubitte. Der Bittende ist ein Empfänger, er empfängt gewiß nicht gerade immer das, was er wünscht, er wird oft etwas ganz andres empfangen; aber die Zuversicht, das sittliche Zutrauen, das bittet, das suchet, das anklopfet und darin treu ist, sind selbst schon ein höchstes sittliches Gut. Ja, jede Beharrlichkeit in solcher Treue hat auch die notwendige Erfüllung in sich. Daß Jesus den Erfolg solcher Treue

*) Joh. 4, 47 (ein „Sohn“ des Hauptmanns). Bei Lukas ist's zwar ein Knecht, aber ein geliebter", „verehrter".

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