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selbst geben, und machte aus der Personifikationskunst, die immer wiederkehrt, zuleht eine wirklich gemeinte Person. Etwas ganz anderes hatte Jesaias im Sinne, wenn er die Idee „Gott mit uns“ personifizierte, etwas anderes Daniel, wenn er das Volk selbst in einer Menschengestalt zum Unterschied von Tieren sah, und wenn er gar davon sprach, daß der Gesalbte (Christus) ausgerottet werde, nachdem er zum „Fürsten“ werden mußte, d. h. die theokratische Verfassung unter dem Hohenpriester für einige Zeit zur politischen wird.*) Aber man vermischte das, und da alle Juden denn doch Ursache hatten, auf bessere Zeiten zu hoffen, so entstand allmählich die Hoffnung auf einen Messias, welcher die populäre Einheit der prophetischen Personifikationen war.

Aber dieser Volksglaube, der ja in der Hauptsache auf einen politischen Befreier, einen gesalbten Judenkönig hoffte, war den Schriftkundigen denn doch nicht genug in den heiligen Schriften verbürgt; sie haben es bis heute nicht zugelassen, daß die Juden wirklich an einen geschichtlichen Messias glauben; sie wissen, daß es sich nur um eine Idee handelt, deren Kraft ganz in ihrer idealen Eigenschaft, eben im fortgesetten gemeinsamen Hoffen liegt, welche den Juden so viele Widerstandsmacht gibt. Sie lehren die Hoffnung auf ein messianisches Reich, als ein Himmelreich auf Erden, das Malchuth Schamajim. Sie lehren, daß dieses Reich des Guten in ferner Zukunft sich auf Erden verwirklichen werde, aber sie kennen keinen Messias besonderer Art als Herrn dieses Reichs.**) Nannten doch die Propheten das jüdische Volk selbst als Ganzes mit Vorliebe den „Gesalbten“ des Herrn, ja, auch den „Sohn“, welches nur eine besondere Weihung des Volkes Israel bedeuten sollte. Und eben damit war der Glaube an einen persönlichen Messias ausgeschlossen.

*) Die verzweifelten Berechnungen, welche Luther und die Kirche anstellen, um diese Danielstelle auf Jesus zu deuten, lassen wir als gänzlich unwissenschaftlich hier natürlich vollständig aus dem Spiele.

**) Vergl. z. B. „Kurzgefaßtes Lehrbuch der jüdischen Religion“ von Dr. F. Feilchenfeld, Landesrabbiner. (Berlin, M. Späth 1895.) S. 41, 10.

Auch Jesus ist ein Schriftkundiger. Die Stelle aus Matthäus, wo er in Abrede stellt, daß Christus ein Sohn Davids sei, ist ja nur Bruchstück, wie verschiedene mangelhaft überlieferte Reden Jesu. Es hat sich augenscheinlich um eine Disputation gehandelt über jenen volkstümlichen Meffiasbegriff. Man deutete auch den Psalm Davids 110 auf diesen Volksmessias. Und Jesus meint, wenn David diesen Messias selber seinen „Herrn“ nennt, wie kann dann der Christus sein Sohn sein? Denn ein Vater wird doch nicht seinen Sohn als „Herrn“ anreden. Mithin ist es absurd, diesen Psalm derart zu deuten. Es ist klar, daß Jesus derartigen gezwungenen Messiasdeutungen entgegentreten wollte.

Nichtsdestoweniger macht eine spätere Zeit gerade ihn zu diesem Christus. Er hatte es abgelehnt, ein politischer Messias sein zu wollen; so verfiel man darauf, in ihm wenigstens jenen priesterlichen Messias als einen Gesalbten zu sehen, den er selbst aber ausdrücklich als einen Sohn Davids nicht ansehen wollte.

Es soll unsre Aufgabe sein, indem wir diesen und andre scheinbare Widersprüche verfolgen, zu untersuchen, was eigentlich die neue Lehre dieses Jesus war. Daß sie nicht das sein kann, was die populäre Kirche angibt, springt klar aus dem Geschilderten hervor. Jesus hat nicht selbst gelehrt, daß er der Messias aus dem Hause Davids sei; er hat geleugnet, daß der Messias ein Sohn Davids sei. Die Evangelien berichten es selbst; wir müssen ihnen glauben, da sie unsre einzige Quelle sind. Der ganze Davidstammbaum muß ein unberechtigter, späterer Zusay sein, denn er widerspricht den eigenen Worten Jesu. Ebenso die Phantasie von der jungfräulichen Empfängnis der Mutter Jesu. Dieses ganze Dogma beruht auf einem Mißverständnis. Man verstand nicht, daß Jesaias bildlich geredet hatte, was er selbst mit den Worten: „Darum so wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben“, ja ganz deutlich sagt. Eulenspiegel hat in Juda stets eine große Rolle gespielt; wir sehen es auch an den Mißverständnissen, welche die Jünger und Zuhörer Jesu so oft seinen Gleichnissen und übertragenen Reden entgegen

bringen. Es ist ein ganz vertrackter Zug von läppischem Rationalismus in diesen Leuten; sie bringen Jesus damit wiederholt ge= radezu zur hellen Verzweiflung; sie nehmen wörtlich, eigentlich, was er nur bildlich sagt und bildlich sagen muß, weil die Sprache keine anderen Mittel hat, den Umfang seiner Ideen zu fassen. Und wie Eulenspiegel im Mittelalter verfährt, so halten es auch viele von den altjüdischen Prophetenauslegern. Sie nehmen die Personifikationen und dichterischen Sprachhandlungen wörtlich. Man erfindet dem Mißverständnis zu Liebe, welches durch Überseßungsfehler bei Jesaia cine „unberührte Jungfrau“ statt in Wirklichkeit einer „reifen Jung-Frau“ mit dem „Immanuel" niederkommen läßt, eine Legende, daß Maria, noch ehe sie von Joseph berührt ward, schwanger gewesen sei, bloß damit man die Erfüllung der vermeintlichen Weissagung des Jesaia verkünden könne. Wir können annehmen, daß in allen Evangelien die Stellen mit den Zusäßen „auf daß das Wort erfüllet werde" (iva nlnow94), tendenziöse Zugaben der Evangelienbearbeiter sind; sie verraten durch das Stehende des Zusages die absichtliche Mache. Fast in allen Fällen ergibt das nähere Lesen der alttestamentarischen Kapitel, daß zudem diese „Erfüllung“ gar nicht vorliegt, weil sich an Ort und Stelle zumeist herausstellt, daß irgend ein Sah aus dem Zusammenhang gerissen ist. Es handelt sich in fast all diesen Fällen gar nicht um Weissagungen der alten Propheten, die zu „erfüllen“ waren, sondern um großartige Allegorieen, welche die moralischen Kräfte Israels wachrufen wollen. In vielen Fällen aber ist auch die Überschung: „auf daß erfüllet werde" in dem Sinne einer eingetroffenen Weissagung falsch. Es bedeutet sehr oft nur: „Man könnte hier das Wort brauchen", „man könnte mit dem Psalmisten sagen", wie wir heutzutage ja auch Worte Goethes und Schillers citieren, wenn wir irgend etwas erleben, was sich ähnlich ausnimmt. Denn es ist in vielen Fällen nicht anzunehmen, daß die Evangelienschreiber so schlecht belesen gewesen wären im Alten Testament, das ja auch in der Septuaginta griechisch vorlag, um nicht zu wissen, daß von Weissagungen gar

nicht die Rede sein kann. Ein Beispiel statt Vieler. Die römischen Henkersknechte verloosen bekanntlich das Gewand des Jesus. Die Evangelisten Johannes, Markus und Matthäus finden darin eine „Erfüllung“ (iva лλnown) des Wortes aus Psalm 22: „Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Loos um mein Gewand." Wer den ganzen Psalm liest, sieht ohne weiteres, daß es sich um keine Weissagung handelt, sondern um dichterische Bilder, die sich im Original und in der Septuaginta als vergangen vortragen, an irgend eine Zukunft gar nicht denken. Es steht da: „Sie teilten", sie warfen das Loos". Entweder haben also die Evangelisten diesen Psalm gar nicht näher gekannt, oder sie meinen tatsächlich nur: hier erfüllte sich das Wort", hier könnte man sagen". einer alten Sitte.

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David braucht sein Bild ja auch nur auf Grund

An manchen Stellen begegnen wir freilich auch ganz unverzeihlichen Fälschungen der Evangelienschreiber. So fälscht Matthäus 12, 18 die Jesaiasworte (Kap. 42, 1—4) völlig. Jesaia erklärt hier ausdrücklich Jacob als Gottes Knecht und Israel (das Volk) als seinen Auserwählten, auf den Gott seinen Geist sendet. Matthäus läßt diese Namen weg, um die ganze Stelle auf Jesus zu übertragen. Er citiert dabei übrigens nicht nach der Septuaginta, sondern eine andere Überseßung.

Wenn nun hier sich herausstellt, daß man die neue Lehre mit einem Nimbus umgeben wollte, den eine abergläubische Zeit bedurfte, wenn man sieht, daß die Entartung des römischen, egyptischen, griechischen Priestertums mit seinen Orakeln, Wahrsagerkünsten, Magiertum sich auch sofort der neuen Lehre bemächtigte, um sie den abergläubischen großen Massen mundgerecht zu machen, so muß man ebenso die alten, kraftvollen jüdischen heiligen Schriften bedauern, wie den Verkünder der neuen Lehre, daß ihre Gedanken zu einem solchen Unverstande mißbraucht wurden. Die Welt leidet zum Teil noch unter demselben, und um so mehr scheint es eine

gute Sache, den wahren Kern der Meinungen Jesu, frei von den legendarischen Zusäßen und Mißverständnissen, zu untersuchen.

Jesus hat ein großartiges Wort ausgesprochen mit dem Freimut des überzeugten Religionslehrers und ethischen Denkers, das Wort: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“

In der Tat, es ist etwas Unverwüstliches um jeden wahren. Gedanken, der in ein kraftvolles, schlagendes Wort gefaßt ist, ganz abgesehen von dem tieferen Grundsaß der Zeitlosigkeit aller Wahrheit, den Jesus hier lehrt. Der wahre Gedanke bewahrt seine Form zumeist eben so fest, wie er nicht leicht von den Menschen vergessen wird. Man bewahrt ihn auf, man vererbt ihn von Geschlecht zu Geschlecht.

Wenn wir in den Evangelien vieles Legendarische, Vergängliche, Unglaubwürdige, Widersprechende finden, soweit es sich um die Schilderung des Lebenslaufes, der Handlungen des Jesus von Nazareth handelt, so gewahren wir doch auch wieder einen bestimmten festen Kern, der gewissermaßen die pièce de résistance in diesen Schriften darstellt: nämlich die Reden, die Aussprüche, die Gleichnisse und Lehren des Jesus. Drei von den Evangelisten berichten solche mit ziemlicher Übereinstimmung, Johannes hat Einiges von diesen auch und gibt eine Reihe weiterer Aussprüche und Reden, welche durch eine erstaunliche Originalität, Ursprünglichkeit und Eigenart imponieren. Wohl erzählt der Eine und Andere den Wortlaut dieser Aussprüche des Meisters in gedrängterer Form; was der Eine ausführlich mitteilt, kürzt der Andere auf seine Hauptfäße ab; aber diese Hauptsäße behalten in der Hauptsache, soweit der Erzähler nicht etwa eine eigene, mißverständliche Bemerkung dazu macht, ihren Sinn, ihre geistige Prägung bei. Einerlei, ob sie von einander abgeschrieben oder ob sie eine gemeinsame Quelle gehabt haben, es ergibt sich eine Art von eisernem Bestand der Unterredungen des Jesus, welcher auf einer sicheren Überlieferung beruhen muß.

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