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Es ist unmöglich, daß diese Reden und Lehren aus andren Religionen zusammengestellt und gesucht seien. Ähnliche einzelne Säße und Gedanken will man in indischen und egyptischen Geheimlehren, will man bei den Neuplatonikern finden, bei den Gnostikern. Ich finde, daß das nur bei einer ganz äußerlichen, flüchtigen Betrachtung Stich hält. Ich habe bei den Gnostikern vergeblich ge= wisse originelle Ideen des Jesus gesucht, welche die Evangelien in ihrer glücklichen Gedankenlosigkeit uns überliefert haben. Die einleitenden Worte des Johannesevangeliums sind allerdings ohne neuplatonische Begriffe nicht leicht zu verstehen. Aber sie werden auch gar nicht als Aussprüche Jesu ausgegeben. Erst das bedeutungsvolle Wort dieser Einleitung: „Niemand hat Gott je gesehen“ (Gɛòv ovdsìs égaжεv núлotɛ) wird als eine Äußerung Jesu (Joh. 1, 18) beglaubigt mit den Worten: „der einzige (= geliebte) Sohn u. s. w. hat es auseinandergesezt". Andre Aussprüche Jesu im Johannesevangelium (z. B. Joh. 5, 37) stimmen ganz damit zusammen und es liegt hier keine philosophische Einsprengung späterer Zeit vor, denn auch Matthäus läßt seinen Jesus sagen, daß der Vater „im Verborgenen" ist.

Dieser Saß aber erhebt Jesus bereits auf eine Stufe geistiger Erkenntnis, auf der er mit einem Kant zusammenstimmt, dessen „Kritik der reinen Vernunft“ ja auch damit schließt, daß sie jeden Beweis vom Dasein Gottes und seinen Eigenschaften ausgeschlossen sein läßt.

Und dieser Sat: „Niemand hat Gott je gesehen", den Jesus aufgestellt hat, scheint ein sehr wichtiger Bestandteil seiner ganzen Religionsauffassung, wie wir sehen werden. Dieser Bestandteil aber entstammt keineswegs etwa späteren „gnostischen" Lehren, sondern der mosaischen Religion selbst. Noch heute lehren die Rabbiner, wie der Rabbi Jesus, daß Gott unsichtbar" *) sei und daß gerade in dieser unsren Sinnen unfaßlichen Existenz Gottes die Tiefe dieses

*) Vergl. z. B. Feilchenfeld, Lehrb. d. j. Relig. O.

Begriffs liegt. Im 33. Kapitel des zweiten Buchs Mose wird eine Legende erzählt, wie eine Wolkensäule erscheint und Moses mit seinem Gotte spricht. Dieser schöne Mythus schließt mit der Schlußfolgerung, daß Jehova (V. 20) sagt: „Mein Selbst kannst du nicht sehen, denn kein Mensch könnte mein Selbst sehen und am Leben bleiben." Er seßt (V. 23) hinzu: „Und ich werde meine Hand abziehen, und dann wirst du meine Spuren schauen, meine Person aber wird dir nicht sichtbar werden." Diese tiefsinnigen Säße besagen, daß Gottes eigentliches Wesen, sein Selbst, seine Person den Menschen völlig unerkennbar sind, man könnte gar nicht leben, wenn man es wirklich schaute. Nur aus seinen Spuren in der Natur, in unsren Erlebnissen können wir zu diesem Begriff kommen. Aber über das Wesen Gottes selbst ist Nichts auszusagen.

Luther hat diese Stelle völlig falsch überseßt. Er läßt Gott sagen, sein „Angesicht" könne man nicht sehen. Das hebräische Wort Panaï, das da steht, aber heißt hier soviel wie „Selbst", „Person". (Vergl. Gesenius: S. 827, Sp. 1.) Schon etwa zweihundert Jahre vor Jesus verstanden es die jüdischen Übersezer so, da die Septuaginta das Wort (V. 14) mit „Selbst“ und (V. 23) „Person“ (avtos und яọoɑɑɑov) wiedergibt. Von hier aus schreibt sich die rabbinische Lehre der Unsichtbarkeit Gottes her, nicht aus etwelchem Gnostizismus. Jesus aber übernahm in seiner Eigenschaft als Rabbi, wie all seine gebildeten jüdischen Zeitgenossen, diese mosaische Lehre, um sie weiter zu vertiefen. Aus dieser allgemein jüdischen Ansicht konnte das Johannesevangelium den Sah Jesu aufbewahren: Niemand hat Gott je gesehen.

Ähnlich verhält es sich mit den anderen Säßen, in welchen man indische Einflüsse spüren will. Nur eine mangelhafte Kenntnis der indischen Religionssysteme kann das behaupten. Ähnlichkeit ergibt sich nur in den Punkten, wo überhaupt alles Menschliche und Religiöse zusammentrifft. Aber es ist ein großer Unterschied zwischen der buddhistischen Mitleidslehre und der ganz andren, männlicheren, hochfliegenderen Jesuslehre mit ihrem Vollkommenheitsideal (der

vioì Jeoî) der Söhne Gottes. Die Weltüberwindungslehre Jesu ruht auf einem ganz andren Grunde als die Wege, durch welche der Brahmane zur reinen Erkenntnis des „Brahm“ vordringt oder der Buddhist der Welt entsagt. Nur die geistige Mechanik, nach welcher Jesus oft zu denken scheint, wenn er jene Gegensprüche aufstellt: „Der Vater ist in mir und ich bin in ihm" erinnert an eine verwandte Mechanik, die wir im brahmanischen Denken finden. Aber wir finden sie auch bei Hegel und bei Schelling, bei Goethe und anderen Denkern wieder. Das Gemeinsame liegt hier in der Anwendung eines Denkmittels, einer Kategorie, welche bei Kant unter dem Namen der „Wechselwirkung“ bezeichnet ist und besonders hochbegabte Menschen in allen Zeitaltern zu Aussprüchen verführt hat, welche minder Begabten als „mystisch“ erschienen sind. Auch Jesus verrät dieses Denken, aber es ist durchaus nicht nötig anzunehmen, daß er von Indien beeinflußt sei. Es dürfte sich eher erweisen, daß indische Einflüsse ihm späterhin im Mönchswesen und andren aus Asien eingeführten Bräuchen und Meinungen seine reine, seine edle und ganz und gar menschliche Lehre verhunzt haben.

Genug, wer entsprechend bewandert ist in den Denkweisen alter Völker und neuerer Geister, wird nicht ohne Staunen sehen, daß diejenigen Reden und Aussprüche, welche in den Evangelien dem Jesus unmittelbar in den Mund gelegt werden, überall ein Gepräge ganz individueller, originaler Denkweise tragen. Nicht nur Plato, nicht nur Aristoteles und Epikur war hier zu Gaste, nicht nur Moses, Jesaia, Ezechiel und das alte Judentum. Sondern ein Originalgeist, ein Genie, welches wohl von Anderen gelernt hat, welches sich auch wohl der Bilder bedient, die in der jüdischen Religion populär waren, redet hier in einer Sprache, die so persönlich ist, wie nur jemals die Sprache eines Goethe oder Bismarck, eines Sokrates und Andrer.

Über die geschichtliche Existenz Jesu besigen wir zwei Zeugnisse von Tacitus und Josephus, die man ganz unberechtigter Weise angezweifelt hat. Die Stelle, wo Tacitus (Annalen, B. 15, Kap. 44)

Kirchbach, Was lehrte Jesus ?!

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von den Christen und dem „Urheber dieses Namens“ spricht, ist im besten taciteischen Latein geschrieben. Es ist ganz undenkbar, daß irgend ein späterer Schreiber diesen Stil, dieses Latein hätte so nachfälschen können. Die Josephusstelle aber, die von Jesus spricht, wird durch den Talmud gestüßt, der unter dem Namen „Jeschu“ gleichfalls den Nazarener kennt. Vermutlich war er der Sohn eines Joseph, der nicht so sehr ein „Zimmermann“, sondern ein Bildhauer oder Baumeister, jedenfalls ein künstlerisch gebildeter Mann war. Das griechische Wort, welches die Evangelien für seinen Stand brauchen, „Tekton" ist nämlich in der Septuaginta (z. B. Jesaia 40, 19, 20) die Überseßung des hebräischen Charasch, welches einen Bildhauer, einen Künstler bedeutet. Auch innere Gründe sprechen dafür, daß der Vater mehr als ein „Zimmermann" im heutigen Sinne, daß er ein Künstler, Baumeister oder Bildhauer gewesen.

Wir dürfen annehmen, daß fast Alles, was die Evangelien dem Jeschu Ben Joseph persönlich in den Mund legen, auch wirkliche Aussprüche des nazarenischen Weisen sind. Daß er sie manchmal in andren Zusammenhängen, in einem andren Sinne gesagt haben wird, ergeben die Vergleiche. Daß es eine künstlerische Sprache ist, die sich in ganz festen, bestimmten Formen bewegt, aber durchaus zugleich eine Persönlichkeit verrät, empfindet jeder Leser des griechischen Tertes.

Es ist hier zu bemerken, daß die Evangelien, wie sie uns vorliegen, sich selbst nur als spätere Bearbeitungen ausgeben. Sie behaupten ja gar nicht, daß sie von Matthäus, Markus, Lukas, Johannes selbst verfaßt sind. Sie nennen sich (Evaɣɣehiov xata MadJaιov, zata Iwavvyv,) richtig überseht: Evangelium nach Matthäus, nach Johannes u. A. Würde es ursprünglich von Matthäus stammen, so würde es griechisch lauten: des Matthäus (MadJalov,) wie alle griechischen Verfassertitel, welche sich als Eigenarbeit befunden wollen. Selbst die „Offenbarung des Johannes“ bekundet fich demgemäß (Αποκαλυψις Ιωάννου) als die Originalarbeit irgend

eines Johannes. Alle vier Evangelien aber brauchen nicht den Genitiv der Verfasserschaft, sondern die Präposition kata, welche soviel bedeutet wie: „nach", "gemäß“. Es sind Evangelien gemäß" Matthäus und Johannes, „nach" Lukas und Markus.*)

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Durch ihren uralten, in den ältesten Handschriften verbürgten Titel sagen sie selbst, daß sie nur Auszüge und Bearbeitungen irgend welcher von Matthäus, Lukas, Johannes u. A. herstammenden Überlieferungen sind. Luther übersetzt vollständig falsch: Evangelium St. Matthäi“. Das steht nicht da. Es steht da: Evangelium nach Matthäus, nach Johannes.

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Damit ist Alles gesagt. Wir haben nur spätere Bearbeitungen vor uns, die auch deutlich bekunden, zu welchem Zwecke sie verfaßt sind. Viele Widersprüche mußten entstehen bei der Benußung der wirklichen Aufzeichnungen des Matthäus. Manches wurde durch= einandergeworfen. Der Zweck der Bearbeiter, Jesus als den Christus aus dem Hause Davids auszuweisen, brachte all jene falschen Citate einer dilettantischen Theologie überdies hinein, welche unter den. ersten Christen geblüht hat.

Aber der eiserne Bestand der Reden des Jesus, der in den Aufzeichnungen des Matthäus und des Jüngers Johannes vorhanden war- diese Aufzeichnungen sind verloren gegangen ist in seinen Hauptzügen augenscheinlich treu wiedergegeben. Ein Bearbeiter wagt Alles, eigene Auslegungen zu geben, Legenden aus dem Volksmunde zu sammeln und als historisch zu berichten, er wagt es auch noch manches Andere beizufügen zu seiner Quelle, aber den Wortlaut der Reden des Mannes, den er selbst für Christus hält, wird er nicht zu fälschen wagen. Diese Reden schreibt er treulich

*) In theologischen Kreisen hat man einen Begriff: „kata des Urhebers" (cata auctoris), aufgebracht, nachdem dieses „kata“ soviel wie „von“ heißen soll. Ganz abgesehen davon, daß dies weder in der Septuaginta noch sonst in dem Griechisch einen Hintergrund hat, das hier in Frage kommt, kann es bei Matthäus von Haus aus schon nur „nach“, „überseßt nach“ heißen, da die Überlieferung bekannt war, daß Matthäus selbst in aramäischer Sprache die Sprüche Jesu aufgeschrieben. Hier aber liegen Übersetzungen ins Griechische vor.

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