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V. 19, 20 die merkwürdige Stelle finden: „Hast du vernommen, welches ist der Weg, da das Licht wohnet und welches sei der Finsternis Stätte, daß du mögest abnehmen seine Grenzen und merken (d. h. messen) den Pfad zu seinem Hause?"

Noch deutlicher, als in der lutherischen Überseßung, stellt sich beim Einblick in das Original heraus, daß der Weg des Lichtes hier als ohne Grenze“, als unmeßbar gedacht wird. Es handelt sich nicht etwa um das Sonnenlicht, denn die Sonne ist für diese alten ebräischen Schriften überhaupt nicht der einzige Lichtspender. Vielmehr wird das Licht an sich, z. B. Feuer, Bliz, Sternenlicht, Sonnenlicht in all seinen verschiedenen Kraftäußerungen als eine Urkraft aufgefaßt, die in all diesen Erscheinungen wirkt. Nur aus diesem Grunde beginnt die mosaische Kosmogonie mit dem Werden des „Lichtes“, vor dem ersten Tage, d. h. vor allen Entwickelungsperioden. Erst weit später, am sogenannten „dritten Tage“, in einer viel späteren Periode, entstehen die besonderen Lichtträger Sonne, Mond und Sterne. Wenn wir das Wort „Periode" brauchen, so geschieht es schon auf Grund der hebräischen Sprache. Das Wort Jom „Tag“, heißt nämlich vor allem soviel wie „Zeit“. Es steht einfach da: und es wurde Morgen und es wurde Abend: die erste Zeit, wie Gott nicht am siebenten Tage, sondern in der siebenten Zeit ruht“, d. h. die Dinge einer gewissen Unveränderlichkeit, Gesetzmäßigkeit überläßt, nach so vielen Wandlungen. Die Wendung: „und es wurde Morgen und wurde Abend“ sagt an sich schon, daß nicht eine einzige Nacht gemeint ist, sondern eine dauernde Folge. Deshalb heißt Jom hier soviel wie Zeit. Es ist höchst wahrscheinlich, daß durch eine spätere Versverschiebung der Redactoren Vers 14-18 unmittelbar von Vers 5, wohin er ursprünglich ge= hört zu haben scheint, an eine falsche Stelle verlegt wurde. Aber auch daraus würde nur hervorgehen, daß das Licht als die erste Äußerung der Kraft gilt, die aus der Wüste und Leere", dem Chaos, in dem im Anfang Himmel und Erde liegen, hervorgeht. Wir dürfen mit Recht die scharfe Logik dieser alten Beobachter be

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wundern, die nicht, wie etwa noch Hegel in seiner Encyklopädie, das Sonnenlicht für das Urlicht halten. Sondern diese astronomischen Beobachter wußten, wie wir sogleich sehen werden, daß die Sonne nur einen beschränkten Raum im All hat und daß das Licht noch aus weit größeren Sternenfernen herkommt, wie es denn auch als Kraftäußerung im Blig und anderen Erscheinungen wirkt. Wir bemerken, daß der Ausdruck „Gott sprach" nach dem rednerischen Gebrauch aller althebräischen Schriften lediglich eine Einführungsformel ist, der sich auch die sogenannten Propheten bedienen, um die Kraft und Höhe ihrer Gedanken zu versinnlichen. Der Saz: „Es werde Licht" ist ein sogenannter Jussivus des Zeitworts „werden“, „entstehen“, und es herrscht hier somit durchaus die Vorstellung des Werdens des Lichtes, des Werdens der Himmelsfeste, d. h. des in festen Verhältnissen geordneten Sternenfirmamentes. Das „Schaffen“, das „Machen“ der Lutherschen Übersetzung ist keineswegs im Sinne des Baukastenspieles einer überirdischen Person gedacht, sondern hat schon rein sprachlich durchaus den Beigeschmack des Organisierens, des Ausführens. Zieht man die lediglich rednerische Form des Vortrags von dieser Urkunde ab, so herrscht in ihr keineswegs die Vorstellung einer sogenannten persönlichen Willkürschöpfung, sondern der regierende Begriff ist der des Werdens in einer natürlichen und folgerichtigen Entwickelung. Die Welt entsteht; und die scheinbare Befehlsform, welche zu diesem „Werden“ auffordert, ist lediglich dramatische Vortragsart für eine Auffassung, welche die Dinge aus einem göttlichen Urgrund werden, aus einem schöpferischen Urgrunde entstehen läßt.

Wer das Original wissenschaftlich und philologisch liest, kann darüber kaum einen Augenblick im Zweifel sein. Wir haben uns so sehr gewöhnt, dieses „es werde" lediglich als einen inhaltslosen Willensakt zu denken, daß es gut ist, sich zu erinnern, im hebräischen Original sei der Begriff Werden im Sinne der Entwickelung der Grundgedanke dieser ganzen Kosmogonie, die weit höher steht, als etwa diejenige des Hesiod und nach ihm des Ovid.

Das Licht wird, entwickelt sich also als erste Kraft aus der „Wüste“, aus dem „Leeren". Es ist durchaus die Vorstellung des Chaotischen, dieses Tohu-wa-Bohu.

Und diese Äußerung der Kraft, dieses Licht wird bei Hiob bereits als grenzenlos und unmeßbar gedacht; der Lichtstrahl wandert ins Unendliche.

Diese Vorstellung ist chaldäisch, wie es die des Demokrit von den unendlichen Welten ist. Wir finden diese Vorstellung ganz unzweideutig in folgenden Psalmstellen ausgesprochen:

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Psalm 19: Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und das Firmament verkündigt seiner Hände Werk. Es ist keine Sprache noch Rede, da man nicht ihre Stimme höre. Ihr Ruf gehet aus in alle Lande . . . er hat der Sonne eine Hütte in denselbigen gemacht. Und dieselbe gehet heraus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer und freuet sich wie ein Held zu laufen den Weg. Sie gehet auf am einen Ende des Himmels und läuft um bis wieder an dasselbe Ende; und bleibt nichts vor ihrer Hize verborgen.“ Ferner in dem herrlichen Psalm 148: (V. 1, 3, 4, 6.)

„Lobet ihr Himmel, den Herrn, lobet ihn in der Höhe! Lobet ihn, Sonne und Mond, lobet ihn alle leuchtenden Sterne! Lobet ihn, ihr Himmel überall und die Wasser, die oben am Himmel sind! Er hält sie immer und ewiglich (nämlich die Himmel); er ordnet sie, daß sie nicht anders gehen müssen (nach Luther). Richtiger übersetzt: „Er hat ein Gesetz geschaffen, und es kann nicht überschritten werden.“ Und schnell, bevor wir zur näheren Erörterung schreiten, citieren wir noch Hiob (Kap. 38, 31 2c.) die prächtigen Dichtungsfragen: „Kannst du die Bande der sieben Sterne zusammenbinden? Oder das Band des Orion auflösen? Kannst du den Morgenstern hervorbringen zu seiner Zeit oder den Wagen über seine Kinder führen?!" Und im selben Hiob wird an andrer Stelle auch vom Sternbild der „Glucke“ und den Sternen gegen Mittag, den südlichen Sternbildern gesprochen, wie 2. Könige 23, 5 von den „Planeten" im besonderen astronomischen Sinne handelt.

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Die lutherische Glucke“ ist unser Siebengestirn, die Plejaden; das „Band des Orion" unser „Gürtel des Orion", jene drei engstrahlenden Gestirne, in deren gerader Linie dann auch bekanntlich mit Leichtigkeit der Sirius gefunden wird.

Das Mehrzahlwort „die Himmel“ (hebräisch Schamajim) ist hier überall der Ausdruck für jene unendliche Zahl von Weltsystemen, von der auch Demokrit und die Chaldäer wußten. Dieses Wort ist im Hebräischen ursprünglich nur ein Richtungsbegriff, ein Höhenbegriff und seine Mehrzahl; und so kommt es, daß „Himmel“ sehr bald der Ausdruck für gewisse optische Beobachtungen wird, welche die mosaische Entwickelungslehre folgendermaßen ausdrückt:

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Es werde eine Ausdehnung (Feste) zwischen den Wassern. Und das sei eine Scheide zwischen den Wassern." Diese „Feste" wird auch als Himmel bezeichnet. Du wölbest es oben mit Wasser“ (Psalm 104, 3). „Die Wasser stehen über den Bergen“, „Die Wasser, die oben am Himmel sind“, und viele andre Stellen, ergeben die interessante Tatsache, daß hier zunächst vor allem ein meteorologischer Begriff vom Himmel als Einzahl gemeint ist. Als poetische Mehrzahl aber fügt sich zu diesem Wolkenhimmel denn die „Wasser, die oben sind“, bilden die Vorstellung der Wolkenwölbung noch der weitere Himmel der Sonne. So kolossal ist der Begriff der noch weiter reichenden Sternhimmel, daß die Sonne nur eine „Hütte“ in denselbigen hat, aus der sie hervorgeht, um ihren besonderen Himmel zu umkreisen. (Sie läuft um“).

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Die weiteren astronomischen Himmel „die Himmel der Himmel“ (Psalm 148, 4) aber sind das ganze unendliche All. „Er hält sie immer und ewiglich.“ (Luther.) Richtiger überseßt: „Er hat sie in Ewigkeit eingestellt“, („und in Ewigkeit der Ewigkeit“; Septuaginta). Auch Demokrit lehrte die Ewigkeit der Materie und des Alls. Und so sind sie geordnet, daß sie nicht anders gehen können. Sie sind nach einem stetigen Gesetz geordnet, es kann nicht überschritten werden. Und eben deshalb fragt das Hiobgedicht: „Kannst du den Gürtel des Orion auflösen?" Es erklärt dieses Geseß,

welches die Sternbilder zusammenhält, für so unverbrüchlich, daß gerade hieraus die Großartigkeit der Natur und des göttlichen Wesens in ihr abgeleitet wird, eben so wie der Psalm das höchste Wesen gerade deshalb preist, weil die Weltsysteme nicht andersgehen dürfen.

Schon hieraus sehen wir, daß Feste, Firmament nicht etwa etwas vollständig Unbewegliches bedeutet, sondern nur das dauernde, feste Verhältnis, in dem die Sternbilder, Sternbewegungen und Sonnenbewegungen zu einander geordnet sind. Das hebräische Wort für „Feste" bedeutet an sich nur etwas Ausgespanntes, Ausdehnung, die vor den Augen sich als Himmel ausspannt. (Vergl. Gesenius S. 952 und 951 zu 7.)

Alles in allem dürfen wir sagen, daß hier durchaus diejenigen Vorstellungen herrschen, die auch unsre Wissenschaft bekennt. Ge ändert hat sich nur der physikalisch-astronomische Gesichtspunkt seit Kopernikus. Wir lassen die synagogischen und späteren Vorstellungen, welche gewisse Kirchen aus wissenschaftlicher Unkenntnis an das Wort „Himmel" angeknüpft haben, natürlich hier aus dem Spiele. Die hebräischen Urkunden selbst stehen durchaus auf dem Standpunkt, daß sie die positive Naturwissenschaft ihrer Zeit mit schwungvollen dichterischen Bildern zum Preise von Gott und Natur in unübertrefflicher Art vereinigen.

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Wie grandios ist dieses dichterische Bild von der Sonne, die in den unendlichen Räumen nur eine „Hütte“, ein „Zelt“ hat, aus der sie aber wie ein Bräutigam ausgeht und sich freut" wie ein Held den Weg ihres Weltraumes zu durchwandern. Welche hohe Lebensfreudigkeit! Wie fern ist diese altjüdische Anschauung von buddhistischer Lebensverneinung. Scheint doch auch das ganze Buch Hiob nur gedichtet, um der buddhistischen Lebensverneinung einen gewaltigen Einspruch in der Verherrlichung der Naturwelt entgegenzusetzen. Wie es für Jesus in einem seiner schönen Johannesgedichte eine Freude ist, daß ein Mensch zur Welt geboren ist, so herrscht auch schon in diesen alten Psalmen eine gewaltige, schönheitsselige Bejahung des Lebens.

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