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Wie man in den alttestamentarischen Schriften sehr deutlich die allmähliche Bildung des Gottbegriffes, seine ethische und wissenschaftliche Verfeinerung vom bloßen Stammesgott zum Allgott, ja, fast bis über die Grenze spinozistischer Anschauungen verfolgen kann, so sehen wir auch ein Fortschreiten der wissenschaftlichen Anschauungen von der Natur und von ihrer Verbindung mit diesem Gottesbegriffe.

Es überrascht sicher, wenn man den Begriff der Wandlung, der Metamorphose bereits im grandiosesten poetisch-wissenschaftlichen Sinne sogar auf die Welträume angewendet sieht (Psalm 102; 26, 27):

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Die Himmel*) sind deiner Hände Werk. Sie werden vergehen, aber du bleibest. Sie werden alle veralten wie ein Gewand, sie werden verwandelt wie ein Kleid, wenn du sie verwandeln wirst. Du aber bleibest wie du bist, und deine Jahre nehmen kein Ende."

Halten wir hierzu noch den Ewigkeitsbegriff, den der neunzigste Psalm bereits vollständig im Sinne des Plato und Aristoteles (vergl. dessen Metaphysik, XI. 7) mit den Worten entwickelt:

Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache!!"

Die geistige Operation, welche die indische Philosophie, so gut wie Plato und Aristoteles, vorgenommen hatte, daß man aus der Relativität der Zeitempfindung jenen Ewigkeitsbegriff entwickelte, der Jahrtausende auf „eine Nachtwache", einen Tag Zeitwert brachte und jeden Tag zum Ausdruck der Ewigkeit selbst machte, sehen wir

*) Die Geschmacklosigkeit der mittelalterlichen und rabbinischen Ausleger hat sich diese Himmel auf „Säulen" gegründet vorgestellt, krystallene Schalen daraus gemacht, weil sie die poetischen Bilder der Dichter zu wissenschaftlichen Anschauungen verkehrte. Aber diese Dichter selbst und ihre Zeiten unterschieden Bild und Wissenschaft sehr genau; ihre Himmel waren auch die „Himmelskörper“, an denen bereits Chaldäer (z. B. am Jupiter) mit ihren Instrumenten die Streifen und sonnenfleckartigen Erscheinungen gesehen hatten.

Kirchbach, Was lehrte Jesus?!

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auch hier von den Ebräern vollzogen. Eben dieser Psalm ist von Alters her als ein Psalm Mose bezeichnet. Diejenigen, welche in den einzelnen Tagen oder Zeiten der mosaischen Kosmogonie in der Tat Jahrtausende“ sehen, sie tragen nichts von außen heran, sondern verbinden nur einen richtigen Begriff damit, den diejenigen dabei hatten, welche dem ursprünglichen Sprachbewußtsein der Urfunde noch am nächsten standen.

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Wir dürfen also nicht nur, wir müssen vielmehr die einzelnen „Tage“ oder „Zeiten“ der mosaischen Entwickelungslehre als Jahrtausende im Sinne des Ewigkeitsbegriffes ansehen, den wir gerade in dem sogenannten mosaischen Psalm ausgebildet finden.

Und damit erscheint uns diese Urkunde sofort in einem ganz andren Lichte. Wie wir im Psalm sehen, daß sogar die Welträume, die Himmel, der „Wandlung" unterworfen sind, wie wir erkannten, daß das Licht einem Werden aus dem Chaos unterworfen war, so wird uns nun erst die Naturphilosophie der mosaischen Urkunde völlig klar.

Die Naturphilosophie dieser Urkunde, die nach anerkannten Ergebnissen neurer Forschung ja erst im fünften Jahrhundert vor Christus, also ungefähr zur Zeitgenossenschaft Demokrits, ihre letzte Redaktion erfuhr, ist in der Hauptsache nichts Anderes, als was die moderne Entwickelungslehre bekennt, so wie wir die poetische Vortragsform als solche richtig verstehen und nicht die rhetorische Nebensache zur Hauptsache machen. Es wird keinem verständigen Theologen einfallen, die „Hütte“, aus welcher der Psalm die Sonne im Weltraum hervorgehen läßt, etwa zu einer wirklichen Hütte zu machen. Er weiß, daß es sich um ein poetisches Bild handelt. Wenn die Welt seiner Hände Werk" ist, so meint man ja auch nicht gleich zwei schaffende Fäuste denken zu müssen, obwohl die Malerei Raffaels und Michelangelos diese Vermenschlichungen vornahm und damit im Grunde denn doch den Gottesbegriff zu dem gestalten half, was er leider heutzutage so vielen geworden ist. Wie weise war Moses, zu verlangen, daß man sich kein Bildnis

von Gott machen solle! Es war der Ausdruck eines bereits hochgeläuterten Gottesbewußtseins.

Folgen wir dem Moses, machen wir uns kein „Bildnis“, nehmen wir das „Gott sprach“ nicht wörtlich, so stellt sich heraus, daß die Grundkraft aller Kräfte das Licht ist, die als aus der Wüste, dem Chaos werdend gedacht wird. In den Zeiten, in denen wir leben, wo wir nur eine Kraft kennen seit Robert Mayer, deren energischste Energie in der Tat das Licht ist, werden wir der alten Urkunde rein logisch und wissenschaftlich unsre Achtung nicht versagen können, zumal dieses Licht nach Hiob einen Weg hat, der grenzenlos ist, nicht meßbar.

Es wird darauf die „Ausdehnung zwischen den Wassern“, die eine Scheide" derselben ist. Zu Grunde liegt hier lediglich die meteorologische Beobachtung, daß die „Wasser, die oben sind", die Wolken, eben die Erscheinung der Himmelswölbung bilden, bezüglich der wassererfüllte Luftraum, den wir als blaue Himmelswölbung empfinden. Das Stabile der Anschauung drückt sich darin aus, daß diese „Ausdehnung“ eine „Scheide“ zwischen den Wassern ist. Sicher ist hier eine uralte meteorologische Beobachtung benut im Sinne der Psalmanschauung, die ja auch die „Wasser“ über den Bergen stehen läßt. Hierauf findet gleichzeitig die Scheidung statt der Wasser „unter der Expansion“ (Ausdehnung), von denen „über der Ausdehnung“, das heißt das verdichtete Wasser schlägt sich als wirkliches Wasser nieder, aus dem, was als Wolkenbildung und Gas im Luftraum bleibt. Wie Vers 9 ergibt, wird die Sache so ge= dacht, daß das Wasser nun zunächst die Erde gleichmäßig bedeckt; eine Vorstellung, die somit unseren Vorstellungen wie auch den Demokritischen sehr nahe steht. Denn wir müssen ja sicher eine Periode annehmen, wo Sauerstoff und Wasserstoff den abgekühlten Erdgürtel vollständig mit Wasser bedeckten, ja ihn zu einem Wasserball und Dunstball machten, bis dann ungefähr das eintrat, was auch die mosaische Urkunde meint, wenn sie sagt:

„Es sammele sich das Wasser unter dem Himmel an besonderen

Orten, daß das Trockene erscheine. Und es wurde also beschaffen. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sahe, daß es schön war.“

Diese Übersetzung, die etwas von der Lutherschen abweicht, aber von keinem Leser des Hebräischen bestritten werden kann, zeigt uns, daß die alte Urkunde sich die Kontinentbildung dadurch erklärt, daß die verdichteten Wassermassen in große Becken sich sammeln und infolgedessen die Kontinente erscheinen. „Es geschah also“ ist so zu verstehen wie es durch das Wort „es wurde also beschaffen" ausgedrückt ist. Auch hier sehen wir, daß die Schöpfung sich nicht als ein plögliches Machen, sondern ein allmähliches Werden darstellt. Und Gott sahe, daß es schön war", lehrt uns, daß nicht etwa ein subjektives Selbstbehagen des Schöpfers an seiner Meisterschaft gemeint ist, wie es viele aus dem Lutherschen, daß es gut war" herauslesen, sondern daß auch hier die objektive Schönheit der Natur gemeint ist, die auch sonst nach den Psalmen und nach Hiob eine so große Rolle im Empfinden der alten Ebräer spielt. Überhaupt ist dieses alte Volk, nach seinen Dichtungen, von einer Naturschwärmerei beseelt, die der sogenannten germanischen nichts nachgibt.

Wir sind der Ansicht, daß die Schöpfung von Sternen, Mond und Sonne, welche Vers 14-19 als „vierte Zeit" berichtet wird, von Haus aus auf Vers 5 als die eigentliche zweite Zeit folgte und nur durch Verschiebung der Rollenschreiber erst nach der Entstehung der Vegetabilien auf der Erde irrtümlicherweise eingeschaltet ist. Nach allem, was wir sonst aus der Bibel sehen und aus den chaldäischen Einflüssen auf dieselbe, ist die Schöpfung von Sonne, Mond und Sternen sicher ursprünglich sogleich nach dem Entstehen des Lichts berichtet gewesen. (Vergl. Addenda am Schluß.)

Nach der Bildung der Kontinente läßt darauf die alte Urkunde aber ganz im darwinistischen Sinne zunächst die Vegetabilien entstehen. Sie entstehen nicht durch einen sogenannten Schöpfungsakt, sondern es heißt: „Es lasse die Erde aufgehen Gras uud Kraut,

das sich besame." Man sieht, daß hier durchaus die Vorstellung herrscht, daß die vegetabilische Natur unmittelbar aus der Erde wird, ebenso wie noch in dem allegorischen zweiten Kapitel der Mensch selbst aus der Erde wird. Ebenso heißt es: „Die Erde bringe hervor lebendige Tiere, ein jegliches nach seiner Art." All das hat im hebräischen Wortlaut noch vielmehr wie bei Luther den Beigeschmack der rein natürlichen, genetischen Entwickelung. Es ist die generatio aequivoca, die nicht etwa eine moderne Erfindung ist, sondern auch bei Demokrit und den antiken Materialisten schon herrscht als Vorstellung. Die hebräische Auffassung unterscheidet sich von diesem materialistischen Standpunkt nur dadurch, daß sie einen göttlichen Urgrund all dieses Werdens und Entstehens denkt, daß sie nicht rein atheistisch ist. Und so erklärt denn auch Jesus noch bei Markus 4, 26–29, daß die Erde „automatisch“ (wörtlich!), d. h. „aus eigener Triebkraft“ in der Pflanzenwelt die Frucht hervorbringe. Er sagt:

„Die Macht Gottes ist so, daß ein Mensch, der die Saat auf die Erde streute, schlafen kann und aufstehen kann bei Tag und Nacht, die Saat aber geht auf und wächst, er weiß es selbst nicht wie. Und die Erde trägt Frucht aus eigener Triebkraft, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann in der Ähre volles Korn. Ist aber die Frucht reif, so schickt er gleich die Sichel hinaus, weil die Ernte da ist."

Nachdem die Pflanzenwelt entstanden ist, erscheint es für den modernen Forscher sicher sehr merkwürdig, daß nun zunächst in einer weiteren Periode das Wasser sich mit lebendigen Tieren erregt und gleichzeitig die Vögel werden. Die vergleichende Anatomie und moderne Entwickelungslehre hat uns in der Tat die nähere Verwandtschaft der geflügelten und schwimmenden Wesen gelehrt, deren Organismus mit dem spezifischen Gewicht rechnet. Neuere Wesensstammbäume stehen dieser Auffassung ganz nahe. Hierauf werden in der nächsten Periode erst die eigentlichen „Tiere", die Säuger und das, was mit dem absoluten Gewicht seiner Bewegung rechnet.

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