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die ganze Lehre von der sittlichen Menschenliebe, welche Jesus brachte, ist nur die Ausführung dieses Gedankens.

Jedermann erfährt, daß er, auch bei der kleinsten Reise, den gewölbten Himmel über sich wechselt. Aus dem einen Himmel, welcher über ihm scheint, wird ein andrer, sowie er dahin gekommen ist, wo ihm ursprünglich der Horizont erschien. Der Anblick einer gestirnten Nacht erweitert diese Raumvorstellung noch mehr zum unendlichen Weltall und so gewinnt das Wort: „die Himmel“ bei Jemandem, der ausdrücklich sagt: „das Reich Gottes ist nicht hier oder dort“, die Bedeutung der Gesamtwelt, der Allwelt, des Unendlichen. Dieser Ideengang entspricht genau der Entwicklung des hebräischen Mehrzahlworts: Schamajim (Himmel), welches die Mehrzahl des Begriffes „hochsein", des Begriffes „dorthin“ ist. Der hebräische „Himmel“ ist etymologisch erklärt, die Summe aller Richtungen; die Summe aller Himmel z. B. Wolkenhimmel, Sonnenhimmel, Sternhimmel. Dementsprechend ist auch das Griechische: die Himmel eine griechisch-philosophische Bezeichnung für All. —

Es besteht gar kein Zweifel, daß an sich der griechische Ausdruck Herrschaft der Himmel" die übersehung eines Lehrbegriffs ist, den auch andre Rabbiner zu Jesu Zeit kannten, des „Malchuth Schamajim“, wörtlich dasselbe wie im Griechischen: „Herrschaft der Himmel".

Welchen Begriff aber verband Jesus damit? Für viele Rabbiner bedeutet diese „Herrschaft*) der Himmel" noch heute ein Reich irdischer Glückseligkeit, das messianische Reich nach den dichterischen Fortschrittsschilderungen des Jesaia und Daniel, die ja auch für eine ferne Zukunft auf Erden eine Art goldenes Zeitalter erhoffen. Allgemein erhofften und erhoffen sie es aber erst in den spätesten Zeiten der Geschichte.

Zum Unterschied von ihnen sehen wir, daß Jesus dagegen fort

*) Über die Bedeutung von Malchuth als „Macht“ vergl. Daniel 7. 14 und 27, wo „Schaltan Olam“ und „Malchuth Olam“ (Macht der Ewigkeit) dasselbe sind.

während betont, diese Herrschaft der Himmel sei nahe, ja, sie sei als Gottesherrschaft „inwendig“ in uns. Mit diesem Saße der Verinnerlichung des Begriffs stellte sich Jesus in Gegensaß zu den alten Dichtern und Propheten, zu Jesaia, Sacharja, Daniel. Die Betonung des Naheseins alles dessen, was man unter dem Malchuth-Schamajim verstand, unter der Herrschaft der Himmel, war der eigentliche und wesentliche Schritt, den Jesus machte zur Vertiefung der Lebensauffassung.

Das Wort „die Himmel“ bezeichnete schon bei den alten Psalmisten zunächst nichts anderes als das unendliche Weltall. Nicht nur im Munde Jesu, an zahlreichen Stellen der Septuaginta begegnen wir griechisch der Wendung „die Himmel“, (oi oigavoı), wenn der Überseßer das hebräische Ha-Schamajim besonders emphatisch versteht; z. B. Psalm 19: „die Himmel erzählen die Ehre Gottes". Wie die Fortschung des Psalms vom Umlauf der Sonne ergibt, ist hier das astronomische Weltall gemeint. Will der Psalmist eine besondere Steigerung ausdrücken, so sagt er hebräisch: „Schmej haSchamajim", welches griechisch übersezt wird „die Himmel der Himmel". (z. B. Psalm 148. 4). Es wird damit der Begriff der Unendlichkeit dieser „Himmel der Himmel" verbunden. Ja, es findet sich die weitere Steigerung (z. B. Deuteron. 10. 14) „der Himmel und der Himmel des Himmels". Diese Begriffshäufung drückt mit den Mitteln der hebräischen und griechischen Sprache nichts Andres aus als die Unendlichkeit der Räume, ihre nie endende Weite. (Vergl. Gesenius, S. 1019, Sp. a. omnia coeli spatia utut vasta et infinita.) Dieser Begriff der Unendlichkeit der Sternenräume war uralt; die Psalmisten verwenden ihn in poetischer Begeisterung zum Preise Gottes.

Weil nun aber dieser Begriff der Unendlichkeit mit der emphatischen Form „die Himmel“ oder „Himmel des Himmels“ verbunden war, wurde es möglich, daß in spätrer Zeit das Wort „der Himmel“, „die Himmel“ ein andrer Name für Gott wurde. Auch wir sagen ja noch der Himmel hat's gewollt“ für „Gott hat's gewollt“.

Wir finden oft die Wendung „Gott der Himmel" im alten Testament (z. B. Esra 1. 2); auch da ist der Begriff des Unendlichen damit verbunden. Das Wort Adonai Zebaoth, Herr der Heere, nämlich der Sternenheere aber wird von den spätern Überseßern der Septuaginta mit Herr Allmächtiger (πavto-xqatwo)*) vielfach übertragen. Der Begriff des Alls deckt sich hier mit den „Heeren", unter welchen man die Sternenheere verstand, welche der Volksglaube ja wohl auch als wirkliche Kämpferscharen sich vorstellte, während die Weisen und Dichter lediglich an die astronomische Sternenwelt dachten. Daß diese Bedeutung von Haus aus mit dem Worte All-Mächtiger verbunden ist, erklärt ausdrücklich Jeremia 31. 35: „Der die Sonne als Licht des Tages gibt, den Mond und die Sterne zum Licht der Nacht, das Rauschen im Meere, und seine Wogen auftosen macht: sein Name ist Herr Allmächtiger". (navτоxqaτwo für Zebaoth: Herr der Heere, also der astronomischen Himmelsheere, der Sterne.)

Genug in all jenen Verbindungen aber bezeichnen „die Himmel" etwas Unendliches, das All in seiner unendlichen Eigenschaft. (Ieremia 31, 37.) Daß dieser Begriff des Alls Jesus und seinen engern Zeitgenossen nicht fremd war, wissen wir am besten aus den Schriften des Paulus, der das All (als ta navτa), als Weltganzes kennt.

Welchen Begriff konnte, ja, mußte Jesus unter diesen Umständen mit dem Ausdrucke: „die Herrschaft der Himmel“ verbinden? Nun, da er selbst die Psalmisten fortwährend citiert, sie also selbstverständlich kannte, was diese bei ihrer emphatischen Ausdrucksweise dachten, nämlich die Herrschaft des Unendlichen, die Herrschaft des Alls. Mit Vorliebe sehen wir Jesus statt der Herrschaft Gottes", die Herrschaft der Himmel" verkünden, weil mit legtrem Ausdruck auch schon ein sittlicher Inhalt gegeben war, ein unendlicher Inhalt, das Bewußtsein der Unendlichkeit des Alls, des Ganzen, des Gesamtdaseins.

*) пavτoxoaτwo̟ erklärt Pape als All-Herrscher, der das Ganze beherrscht.

Wenn die Rabbiner den vieldeutigen Ausdruck „Herrschaft der Himmel" als ein irdisches Glückseligkeitsreich auffaßten, so dachten sie natürlich bei dem Worte „Himmel“ an kein Jenseits dabei; auch sie verstanden den Ausdruck emphatisch. Daniel aber nannte schon (14. 7 und 27) dieses Reich der Himmel eine „Macht der Ewigkeit", der Begriff des „Ewigen" deckt ihm „die Himmel“ und als eine Macht (¿§ovσia) erklärt er es ausdrücklich.

Jesus verstand es ähnlich; er erwartete nichts von einer fernen irdischen Zukunft; er dachte an eine irdische Gegenwart. Im selben Maße als der Begriff die Himmel, das Ewige, Unendliche, aus der fernen Realität in die Nähe gerückt wurde, mußte er auch an Inhalt gewinnen. Diesen Inhalt schildern die Gleichnisse Jesu vom „Himmelreich“, von der „Macht der Himmel" in uns. Denken wir mit den Psalmisten das Unendliche bei dem emphatischen Jesusausdruck: „die Himmel“, so gewinnen wir den Begriff einer „Macht des Unendlichen", einer „Macht des Alls". Das hebräische „Malchuth" heißt ja vor allem „Macht“ (wie das griechische Basileia) und hat erst in abgeleiteter Weise dann auch die Bedeutung „Reich“.

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Macht der Himmel“ ist „Macht des Unendlichen“; nach Daniel „Macht der Ewigkeit“ (Schaltan Olam). Das dauernde Bewußtsein, daß ein Unendliches in uns" wirksam ist, daß wir in einem Unendlichen, Ewigen atmen und leben, ist das „Himmelreich“ in uns, nachdem Jesus erklärt, es sei nicht fern, zeitlich oder räumlich, sondern nahe“. Wie aber ein solches Bewußtsein auch ein sittlicher Besiß werden kann, das zeigen die Gleichnisse Jesu von dieser „Macht der Himmel" als Ausdruck des mit den „Himmeln“ verknüpften Unendlichkeitsbewußtseins.

Jene Allwelt aber dachte schon Jesus als eine nach Gesezen und Kräften geordnete, er nennt sie selbst oft mit der Septuaginta einen „Kosmos“ (xoơμos) nicht nur im Gegensahe der „Welt“ als einer weltlichen“ zum geistigen Leben, sondern als eine physikalisch geordnete. Er spricht von den Kräften des Weltalls", wenn er

Kirchbach, Was lehrte Jesus ?!

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auf Grund älterer Philosophieen des Jesaia*) bei der allegorischen Schilderung der Weltschrecken davon redet, daß die „Sterne vom Himmel fallen und die Kräfte der Himmel sich bewegen“ werden. (Matth. 24. 29 αἱ δυνάμεις τῶν οὐρανῶν σαλευθήσονται.) 23ürt= lich: „Die Kräfte des Alls werden ins Schwanken geraten." Er spricht damit etwas aus, was Kants Wissenschaft in anderer Art auch meint, wenn sie lehrt, daß die Planeten wieder in die Sonne stürzen werden auf Grund gewisser Veränderungen der Centripetalund Centrifugalkräfte und ihrer Verhältnisse.**) Dieses Bild des Schreckens war deshalb so groß, weil schon die Psalmen (z. B. Psalm 148. 4, 6) lehrten, daß die Himmel, die Weltkörper, die Sterne sich in einer festen, gesetzmäßigen Ordnung bewegen, die nicht zu übertreten war und ist. Nach einem „Gesetz“ müssen sie sich bewegen. Aber auch dieses hält nicht Stand. Wird hier die Mehrzahl „die Himmel" als Wort für das All gebraucht, so wird man es vollständig begreifen, warum die Mehrzahl „die Himmel" auch sonst nichts anderes als die Ganzheit des unendlichen Als bedeutet.***)

Die Macht des Alls" soll unser innerer Besiß werden; das All soll sich in uns konzentrieren, das Bewußtsein der Unendlichkeit

*) vergl. Jesaia 13. 10.

**) In Fällen, wo Jesus das Wort „Himmel“ als Gegenjaß zur „Erde“, also bildlich braucht, steht auch nicht der Plural, sondern die Einzahl des Wortes.

***) Wir erinnern daran, daß Aristoteles, der die Schwerkraft als einen Hang nach dem Mittelpunkt der Erde und die Kugelgestalt der Erde gelehrt hatte, daß Demokrit, der Begründer unserer „modernen" Atomenlehre, der von Chaldäern unterrichtet wurde und schon den Begriff von einer unendlichen Zahl von Welten hat, mehr als 200 und 400 Jahre vor Jesus lebten, die „Kräfte des Alls“ diesem also auch schon wissenschaftlich bekannt waren oder sein mußten. Daß Jesus aber auch aus den Schriften des alten Testaments sehr starke naturwissenschaftliche Vorstellungen haben mußte, ergiebt das alte Testament selbst. Man braucht nur Hiob zu lesen, um (Kap. 38-42) die naturhistorischen Kenntnisse der alten Ebräer zu bewundern, die hier ja in poetischer Form vorgetragen werden, aber die Beobachtungsgabe alter Wissenschaft der= raten. Vergleiche hier Kapitel 20, Natur und Naturwissenschaft in der Bibel.

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