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Say im siebenten Kapitel, (Vers 12), der alles zusammenfaßt und eine Art von kategorischem Imperativ des Sittengeseßes aufstellt, welcher dem Grundgeseß der Sittenlehre des Kant sehr ähnlich ist.

Ein aufmerksames Lesen dieser Ausführungen ergibt zunächst, wie viele andre Stellen in den Evangelien weiter verraten, daß in der Zeit, da Jesus in Galiläa und Judäa lehrte, in den Synagogen und im Publikum außerordentlich viel über die Auffindung eines richtigen Prinzipes der Ethik gestritten worden sein muß. Auch aus talmudischen Anekdoten wissen wir, daß dem so war. Wie in unsern lezten Jahrhunderten nacheinander Spinoza, Kant, Fichte, Schopenhauer u. a. nach einem Grundgesez alles sittlichen Tuns geforscht und ihm verschiedene Begriffsbestimmungen gegeben haben, so zeigen sich die gebildeten Juden und Griechen in Palästina, die Rabbiner und Gelehrten von einem gleichen Bestreben belebt. Und so geschieht es, daß einzelne wiederholt auch den Wanderlehrer Jesus fragen nach dem, was man zu tun habe, um recht zu leben.

Es hatte sich erwiesen, daß das alte mosaische Sittengeseß, welches im Laufe der Jahrhunderte nach vielen einzelnen praktischen Erfahrungen zu Stande gekommen war, sich nach keiner Richtung als ausreichend erwies. Es waren Nüglichkeitsgebote, Bauernregeln, landwirtschaftliche Geseze, die den Mangel all dieser auf dem Erfahrungswege entstandenen moralischen Gebote und Rechtssaßungen aufwiesen, daß sie für eine Menge feinerer sittlicher Beziehungen des Lebens gar keinen Sittenbegriff, keinen Inbegriff des Rechtes oder der Sittlichkeit enthielten. Wohl hatte das alte mosaische Gesez gelehrt: „Liebe deinen Nächsten als dich selbst“, es hatte auch gelehrt, daß ein Recht sein solle für die Juden und für die Nichtjuden (vergl. Moses 3, 19, V. 18 u. V. 33, 34, 35), daß man auch den Fremden lieben solle wie sich selbst. Aber auch dieses Gebot der Nächstenliebe konnte tieferen Geistern nicht genügen als ein Inbegriff des Rechtes wie des wahren sittlichen Lebens, zumal das alte Hirten- und Weinbauervolk unterdessen in den Welthandel gerissen worden war,

Die heutige Kirche und die große Menge der sogenannten Christen halten vielfach das Gebot: „Liebe deinen Nächsten als dich selbst" für den Inbegriff ihres Christentums. Sie stehen insgesamt noch auf dem Standpunkte des ältesten Judentums und ihr ganzes Sittengesetz ist nichts anderes, als eben das alte jüdische Gesetz.

Diesem Nüßlichkeitsgeseße aber trat gerade Jesus entgegen.

Er beginnt (Matth. 5, 17) mit der Ankündigung, daß er sagt: „Glaubt nicht, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; nicht es aufzulösen, sondern zu vervollständigen, bin ich gekommen."

Er erkennt also die alten Gebote als solche, auf ihre Wirkung betrachtet, selbstverständlich an. Aber es ist nicht genug damit. Zunächst enthalten sie keinen Inbegriff des sittlichen Lebens. Jesus vervollständigt das alte, rein erfahrungsmäßige Sittengeseß zunächst dadurch, daß er für dieses einen Inbegriff aufstellt mit Worten, die nicht etwa den alten Schriften entlehnt sind, wie der Sat: „Liebe deinen Nächsten als dich selbst“, sondern in dieser Fassung sein persönliches geistiges Eigentum sind. Eigentum sind. Dieser Inbegriff lautet (Matth. 7, 12):

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Alles nun, was (und wie auch immer) ihr wollet, daß euch die Menschen tun, das tut auch ihr ihnen, denn das ist das Geseß und die Propheten.“

Wir stellen neben diesen Sah des Jesus von Nazareth das von Kant aufgestellte Vernunftgebot des sogenannten kategorischen Imperativs (Kritik d. prakt. Vernunft. I. Teil, § 7):

„Handle so, daß die Marime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesezgebung gelten könne.“

Diese beiden Inbegriffe des Jesus und des Immanuel Kant sind sich überraschend ähnlich. Wohl ist noch ein gewisser Unterschied in den logischen Formen des Ausdruckes, aber die allgemeine Nuzanwendung ihres Inhalts dürfte ergeben, daß sie der Sache nach ganz auf dasselbe hinaus kommen. Um Kant recht zu ver=

stehen, muß man die Ausführungen lesen, die er seinem Vernunftgesetz hinzufügt. Wie Kant ein allgemeines Naturgeseß der Vernunft aufstellt, welches in jedem Falle zunächst ein Maßstab für den sittlichen Charakter jeder einzelnen Handlung sein kann, ein Inbegriff, in dem alle andren sittlichen Begriffe gegeben sind, so meint auch Jesus, daß in seinem Sage alle einzelnen Geseße des Moses, alle Sittensprüche und Rechtsratschläge der Propheten ent= halten sind.

Es erfüllt mit Ehrfurcht, daß der Denker Jesus schon vor nunmehr fast neunzehnhundert Jahren soviel logische Kraft besaß, einen solchen Inbegriff für das alte Gesetz aufzustellen.*) Denn es ist sicher, daß, wenn wir stets uns gewärtig halten, ob wir es wünschen könnten, daß man so an uns handle, wie wir im Begriff sind an einem andren zu handeln, wir nicht leicht irren werden in der Entscheidung, ob wir Gutes oder nicht Gutes tun. Ich möchte nicht, daß ein andrer mich erschlage, folglich soll ich auch andre nicht töten. Ich möchte nicht, daß jemand mein Weib verführe, folglich soll ich auch nicht mit dem Weibe eines andren in Ehebruch treten. Ich möchte nicht, daß man mich belüge, denn wo hätte ich dann eine Bürgschaft, daß ich aus einer richtigen Vorstellung von den Dingen auch richtig handeln könne; folglich soll ich auch andre nicht belügen. Bis in die feinsten Fragen des gesellschaftlichen Lebenstaktes hält dieser Gradmesser, dieser Maßstab des Guten und Sittlichen Stand, und so ist er, gleich dem Kantschen Vernunftgebot, in der Tat der formale Inbegriff sowohl des gemeinen Rechtes wie der pflichtbewußten Sittlichkeit. Jesus aber

*) Wohl finden wir bei einem alten jüdischen Schriftsteller (Sirach) auch die Idee, daß man aus seinen eigenen Wünschen abnehmen solle, wie man am Nächsten zu handeln habe aber die Fassung als Prinzip, als logischer Grundsaß ist Jesu Eigentum. Hillel, der berühmte Zeitgenosse Jesu, gefragt, was das rechte Prinzip sei, sagte unter Benußung des Sirachwortes: „Was du nicht willst, daß man dir tue, das tue du auch nicht, das ist die Thora und die Propheten." Jesus aber wendet den Saz positiv und geht damit über

Hillel hinaus.

faßt seinen Saß zugleich als eine Aufforderung zum guten Handeln für andre. Die vernünftige Allgemeinheit des formalen Gesezes aber liegt in der Fassung: „Was ihr wollt, das euch die Leute tun“ (statt: was du nicht willst, das dir die Leute tun), womit es zum Gesellschaftsgesetz wird.

Aber mit diesem formalen Gesez, mit diesem alten Gesez begnügt Jesus sich nicht. Er tut einen großen Schritt weiter, nachdem er zunächst den formalen Inbegriff „des Gesetzes und der Propheten" aufgestellt hat.

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Zunächst lehrt er (Matth. 5, 18 u. ff.), daß dieses Gesetz als solches unbedingt giltig ist. Bis daß Himmel und Erde vergeht, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe, noch ein Pünktlein vom Geseze bis alles geschieht.“ Und in einer Reihe von bildlichen Beispielsreden sezt er nun auseinander, worin diese Unbedingtheit des Gesezes besteht (V. 21—37), indem er gleichzeitig das unvollkommene alte Gesez vervollständigt durch die beispielsweise vorgebrachten Sittenauffassungen, die er dem ziemlich rachsüchtigen alten Geseze entgegenstellt. „Bis alles geschieht" heißt: bis dieses gesamte Sittengesetz verwirklicht ist. Wer das kleinste von diesen Gesezen lockert" soll der Schwächste heißen (genannt werden) „in der Macht der Himmel“, das heißt er hat am wenigsten die Macht der unendlichen Weltordnung in sich ausgebildet.

Nicht nur der Mörder (V. 27) ist des irdischen Gerichts schuldig, d. h. er handelt gegen das Sittengeset; schon wer mit seinem Bruder zürnet, handelt ihm zuwider. Denn in der Tat, wer möchte, daß man ihm zürne, wer möchte, daß man ihn beschimpfe? Wer möchte, daß ein andrer sein Weib ansähe, „ihrer zu begehren“? Ist die Beleidigung, die hierin liegt, unter Umständen nicht noch weit schlimmer, als ein wirklich vollzogener Ehebruch? „Bis zum lezten Heller" werden wir durch das Sittengesetz selbst für unsre Taten verantwortlich gemacht.

Jesus faßte diese Ideen zusammen in das Bild: „Ärgert dich (d. H. schändet dich) dein rechtes Auge, so reiß es aus und wirf

es von dir. Es ist besser, daß eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Unterwelt geworfen werde. Ärgert dich deine rechte Hand, so haue sie ab und wirf sie von dir.“

Diese allegoristische Rede besagt, daß das Sittengeseh ein unteilbares Ganzes ist, eben weil ein Inbegriff gefunden ist, in dem alle einzelnen Gebote enthalten sind. Darum ist es verkehrt, eine Reihe Gebote als solche zu halten, um vielleicht in einem andren zu fehlen. Du verlezest das ganze Sittengeseß, wenn du in irgend einer sittlichen Handlung fehlst. „Wer nun eins von diesen kleinsten Geboten lockert und lehret die Leute also, der wird der Kleinste heißen in der Macht des Alls". Nachdem ein solcher Inbegriff aller Ethik gefunden ist, in welchem alles enthalten bleibt, ist auch der kleinste Fehler eine Verleßung des gesamten Geseßes; denn alle einzelnen Gebote sind ja nur verschiedene Formen und Auslebungen des einen Inbegriffs. Ein ganzer, unteilbarer „Leib“ ist dieser Inbegriff und, um diesen Leib als Ganzes zu retten, wirf das einzelne schlechte Glied, das Auge, die Hand von dir, um die innere Unteilbarkeit zu erhalten. Selbstverständlich ist dies eben nur ein Bild.*)

Und so macht Jesus die Nuzanwendung weiter auf die Scheidung als eine beispielartige Nuzanwendung seines Grundgedankens. Im gleichen Sinne spricht er über den Eid und meint, daß die verschiedenen Formen des Eides auch keine Bürgschaft der Wahrheit als einer sittlichen Erscheinung enthalten, denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen.“ Jede einfache Bejahung oder Verneinung soll schon die Wahrheit sein; mit andren Worten: man soll niemals und unter keinen Umständen lügen, denn es ist nicht genug, „keinen falschen Eid zu thun". Jeder Eid enthält die Gefahr der Vermessenheit, etwas für unbedingt wahr aus

*) Diese Auffassung des Jesus haben auch seine Schüler fortgepflanzt unter dem Eindrucke dieser Reden. So sagt Jacobus (Epistel Kap. 2, V. 10): „Denn so jemand das ganze Geseß hält und sündigt an einem, der ist es ganz schuldig.“

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