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in allen anderen sieht, der das starre Ich auch im andern erkennt und in sich diesen Andern. Und indem alle guten oder alle nicht guten Taten auf diesen einen Träger bezogen werden, ist jener innere Zusammenhang, jene Ausbalancierung des Gesamtgutes der Welt an sittlich Gutem, welches gegen das Übel in der Wagschale liegt, vorausgesetzt.

Wir finden diesen inneren Zusammenhang nach den verschiedensten Richtungen durchgeführt in den Reden, welche das Johannesevangelium dem Jesus in den Mund legt.

Hier begegnen wir einem weiteren ethischen Grundsaß, der notwendige Ergänzung zu den Matthäuslehren scheint, ein Sah, den Jesus ausdrücklich als ein „neu Gebot“ bezeichnet, worauf er also augenscheinlich besonderen Originalwert legt.

Es lautet: (Ev. Joh. Kap. 13, 34) „Ein neu Gebot gebe ich Euch: daß ihr euch untereinander liebet, weil ich euch geliebt habe, auf daß auch ihr einander liebet".

Niemand wird sich der überaus rührenden sittlichen Schönheit dieses Gedankens erwehren können. Es ist eine Begründung der Menschenliebe, die weit hinaus geht über das altjüdische „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.

Diese alte Anschauung besagte keineswegs liebe ihn, weil er eigentlich die Menschheit in dir selbst ist, sondern meinte nur, „du liebst dich selbst", und gerade so sollst du auch den andern lieben. Im Grunde liegt ein Geschäft auf Gegenseitigkeit darin.

Jesus aber hat die Gebote der Menschenliebe bereits auf das Vollkommenheitsideal gestellt und hier sehen wir nun diese Liebe ganz um ihrer selbst willen, als Urgrund und Erzeugerin, Fortpflanzerin ihrer selbst. Das Gebot heißt: ich soll lieben und Liebe üben als höchstes Empfindungsgut und Tatengut zugleich, damit andre sich lieben, weil ich sie liebte. Diese Liebe, Agape, wird von Jesus, mit besondrer Betonung gerade in seinen Johannesreden, stets zugleich als ethisch handelnde wie auch als Seligkeitsgut des empfindenden Herzens selbst verstanden, und dieses köstlichste Gut

vollkommenen inneren und äußeren Lebens scheidet hier vollends jeden bloßen niederen Nüßlichkeitsgrund aus. Sein Grund liegt ganz in der Ewigkeit der Empfindung und des sich daraus ergebenden guten Handelns selbst; aus der bloß formalen Definition des „Gesezes" erhebt sich die Lehre von der Liebe zur freien Ausübung ewigen Geistes. Ja, sie ist eben das, worin das Ewige in unser vergängliches Leben hereinragt, daher wir „ewiges Leben“ vor allem in dieser Empfindung besißen, die als ein geschlossener Ring die Menschheit (den „Geist der Menschheit“) zur inneren Einheit macht.

Wenn Jesus von sich sagt: „ich habe euch geliebt, auf daß auch ihr untereinander euch liebet," so sagt er das nicht etwa als „Messias“, oder sonst einer, der eine besondere Sendung hätte, sondern er sagt es als Selbstbeispiel derjenigen Auffassung des höchsten Vernunftgebotes der Liebe, welche dieses Gesetz aus sich selbst begründet wie Kant sein Vernunftgebot.

Fünftes Kapitel.

Zwischenbetrachtung: Einheit der Jesu Lehren im Evangelium Johannes und Matthäus. Grundgedanken im Johannesevangelium. Das redende Prinzip als Lehrform. Weitere Widerlegung der Tübinger Schule und der Unsicht vom Gnostizismus.

Man kann ebensowenig die Matthäusreden ohne Gleichnissinn verstehen, wie man alle Reden Jesu im Johannes vollständig mißverstehen würde, wenn man sich nicht erst klar ist, daß der Wanderlehrer Jesus zu all seinen Lehren den Grundsah, die Absicht der Darstellung dieser Lehren durch ein lebendiges Beispiel mitbrachte. Ja, es ist das innerste Wesen gerade seiner Lehren, daß alles, was er als ethischer Lehrer bringt, seinen Werth nur durch die lebendige Darstellung gewinnen kann. Einen Leib muß alles Ethische und Metaphysische haben, es muß wie Fleisch (d. h. Materie, σagk) wirklich sein, damit eben durch diese Wirklichkeit, sofern sie zugleich ein ethischer Körper wird, eine dargestellte Gott-Ethik, das Ewige entstehe, das „ewige Leben“, statt der für Jesus längst überwundenen persönlichen Unsterblichkeit.

Der Johannesbearbeiter selbst überliefert uns den Ausspruch Jesu: (Kap. 13, 15) „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, daß auch ihr einander tut, - im Sinne wie ich euch gethan habe."

Und das Gepräge von Beispiels reden tragen alle Reden des Jesus bei Johannes. Das heißt: Alles, was Jesus hier von sich selbst sagt, ist so zu verstehen, daß es auch jeder andre gute Mensch der im Sinne des Jesus selbst lebt, von sich sagen kann. Dies ist der Schlüssel zu den persönlichen Jesusreden im Johannesevangelium.

Ja, es wird sich herausstellen, daß wir mit Anwendung dieses Schlüssels, der sehr einfache Deutungen der Jesusreden ergibt, auch die Matthäusreden und ihre Absenker in den andren sogenannten Evangelien verstehen.

Auch Johannes ist ein Werk „kata“, nach Johannes. Wenn hier gelegentlich die Jünger gerade behaupten aus Jesu Reden, daß sie nun erkennen „er sei Christus, der Sohn Gottes“, so sagt Jesus es selbst hier ebensowenig wie in den anderen Evangelien. Vielmehr sagt er ganz andere Dinge, die nur zu sehr beweisen, daß er das Wort „Gottes Sohn“ nicht mythisch, sondern übertragen verstanden hat und daß die Christusidee ihm so gut wie gar keinen Wert hatte.

„Der Vater ist in mir und ich bin in ihm." (Vergl. Joh. X, 32-38; Joh. XIV, 9—11.) Das ist der eigentliche Grundgedanke des Johanneischen Jesus über sein und jedes Menschen Verhältnis zum Göttlichen. Hat dieser Saß überhaupt einen Sinn, so beweist er jedenfalls, daß der „Sohn Gottes“ nur bildlich zu verstehen ist, wie ja denn eben auch die Johannesschrift die einschränkende Bedeutung des Wortes (Ich habe gesagt: ihr seid Götter) gibt. Wäre nämlich der „Gottes Sohn“ des Johannes wörtlich der mythische Heiland, so könnte er nicht sagen, ich bin im Vater, denn es ist ein Unsinn, daß ein „Sohn“ im „Vater“ sein solle.*)

„Gottes Sohn“ ist also nur ein Beschaffenheitsausdruck. Im ganzen Johannesevangelium können wir beobachten, daß Jesus selbst unmittelbar niemals sagt, er sei Christus oder der Gottessohn schlechthin. Lediglich am Schlusse (Kap. 17) sagt er in einem Selbstgespräch das eben, weil es Monolog ist, in dieser Fassung nicht echt sein kann, denn woher sollte jemand wissen, was Jesus für sich allein betete, daß das ewige Leben“ nicht nur in der Erkenntnis des wahren Gottes liege, sondern auch des „Jesus“ als Christus" sicher ein tendenziöser Zusaß.

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*) Hierin stimmen wir eben mit Jesus überein, der denselben Schluß bezüglich des Messias aus dem Hause David zieht.

Dieses Gebet ist eine Zusammenstellung von Hauptgedanken des wirklichen Jesus aus der Quelle, nach welcher der Schreiber berichtet. Die Hauptgedanken dieses Selbstgesprächs finden wir sonst alle in den vorangegangenen Reden des Jesus wieder. Es ist eine Amplifikatio, die rednerische Zusammenfassung alles bereits Gesagten zum Abschluß, und ganz nach der Kunstweise der griechischen Rhetorik gebildet. Die Form als solche verrät sich daher eben als so unecht, wie etwa die Reden des Kambyses im Herodot, obwohl ein Teil des Gedankenmaterials selbst auf Johannes-Jesus recht wohl zurückgehen kann.

Die innere Hartnäckigkeit, mit der fortwährend vier Hauptgedanken im Johannes wiederkehren, nämlich:

1. die Lehre, daß der „Vater" in mir und ich in ihm;
2. daß das ewige Leben“ und die „Auferstehung“ nur darin
liegt, daß man im Sinne der Jesuslehre sittlich und in
Gott lebt, unter Benußung des aus Daniel stammenden
Begriffs vom „ewigen Leben“;

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3. daß dieses Leben, welches das ewige" ist, seine vollste
Definition in der Liebe und Treue als Inbegriff findet;
4. daß es einen Geist gibt, der zu allen Zeiten, auch wenn
Jesus gestorben oder seine Lehre vergessen sein wird, als
der wahre Anwalt wirken wird, nämlich der Geist der
Wahrheit, der auch in Jesus waltet

die innere Hartnäckigkeit, mit der dieser echt hebräische Gedankenkreis in verschiedenen Richtungen variirt wird, zumal wir im Matthäus Ergänzungen nach den verschiedensten Richtungen hierzu haben, weist darauf hin, daß hier Urbestandteile der ursprünglichen Jesuslehren vorhanden sein müssen, die der Bearbeiter aus den Aufzeichnungen des wirklichen Johannes, des Jüngers, ungefähr ebenso benügt hat, wie der Matthäusschreiber die alten „Sprüche“ des Matthäus.

Nun, wir werden auch hier sehen, daß die innere Energie der Hauptgedanken des Jesus samt ihrer Formulierung so stark gewesen

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