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geschichtliche Wahrheit sucht und nicht die Welt des Aberglaubens zu Jesu Zeit wie zu jeder Zeit mit derjenigen großen Vernunftüberlieferung der Menschheit verwechselt, in der Jesus eine so wichtige Stelle ausfüllt.

Diese zweite Auflage tritt, der Übersicht wegen in Kapitel geteilt und vielfach vermehrt, nunmehr auch mit dem Anspruch auf, ein Buch für Fachtheologen zu sein. Sie erklärt gleichzeitig die Gründe für meine Übersetzung der im Buch Jesus" gegebenen Sammlung von „Logia", „Herrenworten“, Maschalen Jesu von Nazareth, wie ich sie aus sämtlichen Evangelien zusammengestellt habe. Zwar nicht alles war möglich eingehend zu begründen, aber wer will, kann mit den in dieser zweiten Auflage gegebenen Nachweisen, bei einigem Fleiße, das Ganze sich leicht ergänzen.

Als ein aufklärendes Buch wünscht die zweite Auflage vor allem aber für meine verehrlichen Gegner von der theologischen Zunft zu gelten, unter denen ich den Herrn Professor Holzmann zu Straßburg, Herrn Dr. Websky, Herrn Kalthoff, Herrn Professor Jülicher in Marburg vor allem nenne. Der Leştere ist derjenige, der zweifellos am meisten näherer Aufklärung bedarf; ich war erstaunt an seinen unschönen Ausfällen in der „Christlichen Welt“ zu sehen, wie wenig er die springenden Punkte erkannt hatte.

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Soll ich wirklich nochmals betonen, daß ich das alles auch weiß, was im alten Tübinger Baur steht oder was Reuß geschrieben hat? Soll ich mich wehren dagegen, daß man mir vorwarf, ich hielte den Ebräerbrief für ein Werk des Paulus und dergleichen schöne Dinge mehr, weil ich gelegentlich der Abkürzung halber von „Paulus“ schlechthin, von Jesaia schlechthin spreche? Wer aufmerksam liest, konnte denn doch an zahlreichen Stellen sehen, daß dem Verfasser sehr wohl die Theorieen vom zweiten Jesaiadichter" bekannt sind oder die „unter dem Namen von Paulus gehenden Schriften." (S. 67, I. Aufl. und S. 234, I. Aufl.)

Die Herren haben einfach rasch gelesen, und jeder Tropfen Tinte mehr über dergleichen Weisheit, mit der Herr Jülicher, zum Teil auch Herr Holzmann mich bedient haben, wäre zu viel Tinte.

Ich habe von meinen Gegnern gelernt. Mancher Ausdruck, von dem ich sah, daß er mißverstanden werden konnte, ist schärfer, klarer gefaßt, Lücken der Beweisführung sind durch exakte Nachweise ausgefüllt. Das Buch sollte von vornherein für weite Kreise lesbar sein; es durfte nicht überladen werden mit kleinwissenschaftlichem Ballast. Aber Freund und Feind haben geholfen, daß ich in der neuen Auflage vielleicht ein

richtigeres Maß fand, in dem auch eingehendere Sprachnachweise und Begriffsfeststellungen möglich sind. Die theologische Fachwelt wird hundert kleine und große Dinge finden, die der Mehrzahl denn doch überraschend erscheinen werden, soweit sie sich belehren lassen will. Ich habe nicht umsonst fünfundzwanzig Jahre in diesen Gebieten gearbeitet, daß nicht auch die Lehrer unserer Hochschulen manch ein Körnlein finden werden. Meine Schlußfolgerungen können nur diejenigen mitziehen, die auf dem Standpunkt der unbedingt freien Wissenschaft stehen; aber wer im Dogma lebt, der wird wenigstens im einzelnen mancherlei lernen. Wer wissenschaftliche Kontrolle üben will in sprachlicher Hinsicht, der sei verwiesen griechisch auf die Septuaginta und Papes großes Wörterbuch der griechischen Sprache (Dritte Aufl. 1880). Für das Hebräische und Syrische citiere ich nach Gesenius: „Lexikon Manuale Hebraïcum et Chaldaïcum" 1833, ein Werk, in dem ein unerschöpflicher Schat von Wissen, zumeist noch ungehoben, ruht. Was ich sonst noch anführe, wird man in jedem beliebigen größern syrischen Lexikon nachschlagen können.

Freilich, demjenigen, der nicht zunächst im Lesen der Septuaginta voll bewandert ist, wird all das wenig nüßen.

Zu welchen Ergebnissen Männer gelangt sind, die sich schon nach der ersten Auflage der Mühe unterzogen, meine Hinweise zu benußen und selbständig weiterzuforschen, wie es mir z. B. bekannt geworden ist über Professor Dr. Hohlfeldt u. a., möge ein Wort des Pfarrers Wysard in London allerdings ein freigesinnter Geistlicher zeigen, der in seinen Predigten auf diese Jesusbücher verwies und mir durch Jakob Feis, den leider verstorbenen Ruskin-Überseßer, erklären ließ:

"Ihr Buch ist eine erlösende Tat, es ist ein Schritt in der rechten Richtung, um das Christentum zur wirklichen Weltreligion zu machen: für Skeptiker und Gläubige. Es weist hin auf den einzigen wahren Standpunkt der Versöhnung und Einigung." Pfarrer Wysard erklärt weiter, daß Kirchbachs Auffassung vom rein wissenschaftlichen Standpunkt die allein haltbare sei. Er stimmt mit Kirchbach überein: „1. in der Negation des Wunders; 2. in der Freiheit von jedem kirchlichen Dogma; 3. in der Festhaltung von zwei urchristlichen Traditionen des Matthäus und Johannes, aus denen sich unser Evangelium zum Teil mythisch ausgebaut hat. Als größtes Verdienst Ihres Buches hebt er hervor: Ihre Herausschälung der Johannestradition aus dem JohannesEvangelium."

Möchte in diesem Sinne das Buch in der neuen Gestalt nun auch

weitere Freunde für ein rein menschliches Verständnis Jesu von Nazareth und der ersten christlichen Anfänge werben, die der Menschheit leider durch die sogenannten Paulusschriften und die Kirchenbildung so vielfach verdunkelt und vorenthalten worden sind. —

Ich habe noch nachträglich eine auf Seite 162 und 163 gemachte Bemerkung zu rechtfertigen, welche über das Wort Jesu an Petrus: „ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs" geben, gemacht wird. Es wird von den „Brettpfosten" gesprochen, mit denen sich Kephas das Himmelreich vernagelt denke. Diese meine Bemerkung erklärt sich aus Exodus Kap. 26 und 36, wo von den „Brettern“ der Stiftshütte geredet wird, die mit den „Riegeln“ (Exodus 26, 26-30), Querriegeln (Mochloi in der Septuaginta) verbunden sind. Das griechische Wort Kleis, welches Jesus für „Schlüssel“ braucht, heißt nämlich auch Schlüffel in der Bedeutung von Riegel, Querriegel, dasselbe wie Mochlos. Beide Worte find die Überseßung vom hebräischen Briach, Brichim. „Ich werde dir die Brichim des Himmelreichs geben" bedeutet im Munde des historischen Jesus also: „ich werde dir die Riegel, die Querriegel zum Himmelreich geben“ wie sie die Stiftshütte, die symbolische Wohnung Gottes selbst, zusammenhalten. Das Wort als solches kann also wirklich gesagt sein, ja, philologisch-historisch betrachtet, muß es gefallen sein. Wir nehmen es einstweilen ironisch, weil Jesus das Himmelreich „in uns“, als „nahe“, d. h. eben uns erfüllend lehrt. Es kann aber auch in andrem Zusammenhange, als Matthäus es berichtet, als ein ernsthaftes Wort gesprochen worden sein und dann würde es heißen, daß Kephas im ernstlichen Sinne die „Querriegel" des Himmelreichs verdiene, d. h. daß er den rechten Zusammenhalt, das Bindemittel, den inneren Halt für die Lehre Jesu vom „Reiche der Himmel“ darstelle, wie er in Anspielung auf seinen Namen Keïpha der Felsen genannt wird, auf den Jesus seine Gemeinde (Synagoge, Ecclesia-Kahal) gründen wolle. Eben weil es aber mit dem Wortspiel „Fels" auch im Hebräischen ein Scherzwort ist, muß man es so verstehen, daß Jesus nur ein besonderes Vertrauen zu Petrus habe scherzhaft aussprechen wollen. Mehr ist auf keinen Fall daraus zu folgern, zumal Johannes als der Schüler bezeichnet wird, von dem der Schluß des Johannesevangeliums meint, daß er auch eine besondere Aufgabe habe, was der Schreiber so versteht, daß die Niederschriften des Johannes, sein Zeugnis über die Lehre Jesu so lange dauern, bleiben werde, bis Jesus komme, d. h. seine Lehre sich verwirklicht, statt des Mißverständnisses der Sage, welches den Jünger selbst nicht sterben ließ.

Indem wir das Schlüsselwort als echt anerkennen müssen vom philologischen Standpunkte aus, bereiten wir zweifellos dem Papste in Rom mit seinem Schlüsselamt eine große Genugthuung. Aber leider können wir, da wir es mehr oder minder, selbst in nicht ironischer Auslegung, als ein Scherzwort verstehen müssen, die Genugthuung nicht zu einer vollständigen machen, da erstens die Schlüffel Petri fälschlicherweise als große, ciserne Torschlüssel, statt als gute Riegel abgebildet werden und zweitens Jesus nirgends vom Papste spricht, den er etwa als Nachfolger Petri als Riegelbewahrer vorher bestimmt habe. Der Protestantismus kann also gleiche Genugthuung über die Sache empfinden. Die Beziehung auf Jesaia 22, 22 und „den Schlüssel zum Hause Davids“ ist nämlich deshalb völlig unmöglich, weil Jesus nicht von diesem einen, auch der Apokalypse bekannten Schlüssel (Maphtheach) spricht, sondern von einer Mehrzahl, und das können nur die Brichim des Exodus sein. Der Papst führt schon nach Jesaia 22 zwei Schlüffel zu Unrecht. In den gewöhnlichen Lutherausgaben steht irrtümlich auch eine Mehrzahl, im Original und der Septuaginta ist es nur Einer. Auch der sonstige Zusammenhang ergibt, daß Jesus oder Matthäus nur an die Stiftshütte gedacht haben können.

Unterdessen mag uns die Bildrede gestattet sein, daß auch dieses Buch als ein Schlüssel oder Riegel zum Bau der Stiftshütte des menschlichen Geistes, des Menschensohnes, wie das Jesus nennt, angesehen werden möchte, damit immer mehr und mehr das wahrhaft Menschliche diese Stiftshütte bewohnen möge.

Stegliz b. Berlin.

Wolfgang Kirchbach.

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