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In der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts wanderten viele der ionischen Meister nach Attika, Böotien und dem übrigen festländischen Griechenland. Diesen Künstlern nun muß man den tätigsten Anteil an der Ausgestaltung der besonderen Götterideale ihres Volkes beimessen. Die sinnliche Erscheinung des Gottes, wie sie die Werke der reifsten Kunst eines Phidias, Praxiteles usw. festhielten, ist nicht aus dem Nichts hervorgewachsen, sondern auch hier gibt es eine Kontinuität der Entwicklung. Wer zuerst versuchte, über das bloße Brettbild hinausgehend, die Gestalt des Gottes dem Auge zu zeigen, der hat in gewissem Sinne bestimmend eingewirkt auf alle seine Nachfolger.

„Die künstlerische Tat jenes ältesten, frühesten Bildners war die freieste und schöpferischste von allen. Sie geschah nicht einmal an einem Ort: sie geschah an unzähligen Orten unabhängig, nachdem die menschliche Entwickelung so weit gereift war. Aber schon der nächste Nachfolger, sobald er das vorhandene Götterbild gesehen, hatte nicht mehr dieselbe Freiheit." 27 Die ersten Versuche hatten zum Volke gesprochen: Seht, dies ist der Gott eurer Gedanken. Das Volk hatte dem Künstler recht gegeben, indem es das Bild an geweihten Orten aufstellte und verehrte. Wie hätte der neue Künstler Glauben finden sollen, wenn er nicht sein Werk nach dem Vorbild des anerkannten Gottes schuf, dieses nur reiner und tiefer erfassend und gestaltend? Immer mußte der alte Gott doch erkenntlich bleiben. Aber die Genialität des großen Künstlers bewährte sich darin, daß er folgend dennoch leitete. Den Charakter des Gottes, den das ältere Werk nur andeutete, hob er schärfer hervor, fügte auch unmerklich leise und vielleicht ihm selbst kaum bewußt neue Züge, wie sie dem fortgeschritteneren Bewußtsein entsprachen, hinzu; so konnte er an seinem Teile das religiöse Bewußtsein zur Klarheit über sich selbst bringen. Nun wissen wir, wie gerade in jener Zeit bedeutsame Fortschritte geschahen. Es ist aber dabei bezeichnend, daß nicht etwa das Bild des obersten Gottes und gewaltigsten, das Bild des Zeus, sich zuerst entwickelte. Es war vielmehr gerade die

überragende Bedeutung des Zeus, welche dies verhinderte. „Es war ein längerer Kampf, eine höhere Kraft der poetisch und plastisch gestaltenden Phantasie notwendig, um jene geheimnisvolle, allwaltende, göttliche Gewalt, jene unbegreifliche Macht des Himmels in menschlicher Gestalt zu denken und sinnlich darzustellen, als bei andern Göttern, deren weniger mächtiger Inhalt leichter und rascher ein Gefäß fand. Als längst Apoll in Jünglingsgestalt im Sinne der Griechen lebte, rang die Phantasie noch, um die Gottheit des Zeus zu umspannen." 28 Wir hören nun, wie damals z. B. Smilis von Ägina 29 das primitive Brettbild der Hera von Samos durch ein vollkommeneres ersetzte; er soll auch z. B. die argivische Hera geschaffen haben. Cheirisophos bildete den ägeatischen Apollo; Dipoinos und Skyllis schufen Bilder der Artemis, der Dioskuren usw. Somit wird gerade damals die Gestalt der einzelnen Gottheit dem Volk vertrauter und schärfer vor Augen gestanden haben, und wie unvollkommen jene ersten Versuche waren, durch welche das Xoanon verdrängt ward, es wurde doch aller späteren Kunst der Weg geebnet. Kam hinzu, daß die Zeit auch technische Fortschritte in der Kunst hervorbrachte: Die Alten schrieben dem Rhoikos und Theodoros die Erfindung des Erzgusses zu, gemeint ist wohl die Einführung des Hohlgusses lebensgroßer Statuen." 30 Dipoinos und Skyllis waren die ersten, welche durch Marmorskulptur Ruhm erwarben"; gewiß haben hier überall die Griechen von den Ägyptern gelernt; aber doch eben wesentlich nur das Technische. Der Typus des dädalischen Apoll zeigt uns bereits ein Ideal der Männlichkeit in der Jugendblüte. Die Künstler versuchten Götter zu schaffen, etwa im Sinne Pindars: mit dem Ausdruck ewiger Seligkeit (daher das stereotype Lächeln auf dem Gesicht, hervorgebracht durch das einfache Mittel, die Mundwinkel heraufzuziehen"), in ewiger Jugendkraft, mit dem denkbar schönsten menschlichen Körper (denn das Geschlecht der Menschen und Götter ist eines, nur daß jene kein Leid, keine Krankheit berührt). Am wenigsten wollte noch die Darstellung der weiblichen Gestalt glücken.32

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Wir haben indessen hier nicht die Entwicklung der Plastik im einzelnen zu verfolgen; unsere Absicht war nur, auf den Anteil hinzuweisen, den bereits damals die bildende Kunst an der Entstehung und Entwicklung der religiösen Ideen nahm.

Das Erwachen des Idealismus.

Die Versuche, die Einheit der Welt in einem stofflich sinnlichen Substrat zu begründen, konnten den wissenschaftlichen Geist auf die Dauer nicht befriedigen; nicht nur wegen der Unfreiheit, in der der Mensch und sein sittliches Wesen auf dieser Stufe der Weltbetrachtung befangen bleibt, sondern besonders noch deswegen, weil das Problem der Erkenntnis vereitelt wird, wenn man das Sinnliche aus dem Sinnlichen zu begreifen sucht. Das Problem der Erkenntnis ist das Problem des Ursprungs der Erkenntnis und damit des Seins; dies Interesse am Ursprung des Seins wird aber wie durch einen Machtspruch erstickt, wenn der Anfang des Seins in ein fertig gegebenes, dingliches Etwas verlegt wird. Es ist nun einmal dem Geiste nicht so leicht gemacht, daß er in der Erkenntnis sich als ruhig abwartender und aufnehmender Zuschauer zu verhalten hätte; vielmehr ist das Wissen und Begreifen sein Werk und seine Tat, und er muß sich seine Mittel und Werkzeuge zur Erreichung seines Zweckes selbst schmieden. Wie der Bauer sich sein Land in der Kulturarbeit mit Spaten und Pflug erst fruchtbar machen muß, so muß auch der Geist sich seinen Acker erst anbauen, ehe er Früchte der Erkenntnis trägt. Das Werkzeug aber, womit er sein Land pflügen muß, ist der Begriff. Die Geschichte des Denkens ist die Geschichte des wissenschaftlichen Begreifens, des begrifflichen Erzeugens der Natur. So mußten denn auch die Griechen sich zuerst ihren Pflug herstellen. Sie mußten Begriffe ersinnen, welche geeignet waren, dem Problem des Ursprungs näherzutreten. Nun waren freilich schon wichtige Begriffe ersonnen, mochten sie immerhin selbst noch nicht ihrer wahren geistigen Natur nach erkannt, vielmehr in das Bereich des

Sinnlichen (und also Problematischen) verlegt worden sein: das Unendliche, das Gemeinsame usw. waren doch da. Aber diesen Begriffen fehlt etwas, solange sie in solcher Isolierung gedacht werden. Sie sind zu unbestimmt, sie bringen die Kraft des Denkens, die immer im Gesetz liegt, nicht deutlich genug zum Ausdruck. Eben deswegen konnte man in ihnen auch den Geist und das Denken verkennen und sie noch zum Sinnlichen rechnen. Hier kam nun der Philosophie die Mathematik zu Hilfe. Der Begriff der Zahl ist nicht unabhängig von der Philosophie entstanden, sondern im innigsten Verein mit ihr und so auch der der mathematisch-physikalischen Bewegung. Die Pythagoräer und die Eleaten haben der Selbsterkenntnis des Denkens vorgearbeitet, indem sie die Zahl, die Einheit und die Bewegung (letztere gerade durch Zeno, der sie bekämpft) in die Philosophie einführten. Bei diesen Begriffen konnte man sich nicht wohl mehr über ihre geistige Natur täuschen; so führt der Weg von den ionischen Naturphilosophen über Pythagoras und die Eleaten zu Sokrates und Plato. „Indem so die Philosophie von dem sinnlichsten Anfang durch eine Mittelstufe bis zu den unsinnlichen Ansichten des Plato überging wurde das Wesen der Dinge in aufsteigender Ordnung zuerst in der Materie, dann in den mathematischen Formen, endlich in Vernunftbegriffen gesucht."1 So wie dann bei Plato selbst die Zahlen zwischen den Ideen und dem Sinnlichen stehen, so stehen auch gleichsam die Pythagoräer mit ihrer Zahlenlehre zwischen den sinnlichen Naturphilosophen und dem Idealisten Plato.

Die Pythagoräer.

Das Auftreten neuer Begriffe ist immer bedingt durch die Erkenntnis neuer Probleme; je mehr die Aufgabe der Erkenntnis wächst, desto mannigfaltiger müssen die Mittel zu ihrer Lösung werden. Die Philosophie vor Heraklit hatte ausschließlich die Einheit der Welt gesucht: die Verschiedenheit, Mannigfaltigkeit war zu kurz gekommen. Heraklit zwar

hatte nun seinen Blick auf die Gegensätzlichkeit und also auch die Verschiedenheit in der Welt gerichtet und wollte ihr durch seinen Begriff des Werdens gerecht werden. Allein er war dabei teils so radikal verfahren, daß alle Einheit in die Brüche ging, indem ja das Anderswerden, also das Nichtsein oder die Identität von Sein und Nichtsein zur Substanz des Seins erhoben wurde; teils hatte er doch weniger das Problem der Verschiedenheit, als das der Veränderung entdeckt. Und auch dies zu bewältigen, war ihm nicht gegeben, sondern konnte erst dem Demokrit durch seinen Begriff der physikalischen Bewegung gelingen. Nun aber handelte es sich um das Verschiedene, Unterschiedene. Da genügt es nicht, auf die Verschiedenheit der Empfindung hinzuweisen; denn so kommt man nicht über den Standpunkt des Heraklit hinaus, weil der ewige Wechsel der Empfindungen keinen Stillstand kennt und alle Einheit zerstört. Das Denken aber ist immer Denken der Einheit; die Verschiedenheit also muß gedanklich erfaßt und überwunden werden. Es gilt das Eine des Verschiedenen, die Einheit der Vielheit zu suchen. Das führt zum Begriff der Zahl. So war die Entdeckung der Pythagoräer in der Geschichte des logischen Problems selbst begründet. Die Pythagoräer lehrten: Die Zahl ist das Sein.

Wenn wir uns nun anschicken, in den Gedankenkreis der Pythagoräer einzutreten, müssen wir von unserer Betrachtung alles das ausschließen, was in ihrem Wirken keine Beziehung weder zur Wissenschaft, noch zur Entwicklung der ethischen Ideale ihres Volkes hat. Dessen ist aber nicht wenig. Denn der Begründer der pythagoräischen Schule, Pythagoras von Samos, 1 war ein praktischer Reformator, dessen Interesse in gleicher Weise der Politik, Religion und Sittlichkeit seines Volkes, wie den Problemen der Wissenschaft zugewandt war. Der von ihm in Unteritalien gestiftete Bund, der sich sehr bald der weitesten Verbreitung und Anteilnahme erfreute, hat vielfältig in das politische und praktische Leben eingegriffen und ist sogar später vermutlich an dieser seiner politischen Tendenz zugrunde gegangen. Sehr bald auch führte das gemeinsame

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