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wußtsein sein Prinzip als Ursprung bezeichnet hat, daß das Unendliche, wenn überhaupt, so nur als Ursprung des Endlichen gedacht werden kann.5 So bewährt sich hier die Kraft des Denkens, obgleich es sich seiner eigenen erzeugenden Macht noch nicht bewußt ist. Dazu kam dann der andere Grund, daß Anaximander der Unendlichkeit seines Prinzipes bedurfte, um das endlose Entstehen neuer endloser Erscheinungen im Werdeprozeß der Welt erklären zu können. Der Stoff und die zeugende Kraft (beides ist im Apeiron vereint gedacht) dürfen sich nicht erschöpfen. Das Apeiron ist nicht nur qualitativ unbestimmt (άópicтov), 6 sondern auch räumlich und zeitlich unbegrenzt.

Es scheint nun, daß Anaximander den Werdeprozeß, wodurch das Endliche aus dem Schoß des Apeiron hervorgeht, aufgefaßt hat als den Vorgang der räumlich-zeitlichen und qualitativen Bestimmung selbst. Er braucht dafür die Ausdrücke: èккpívεcoal und άлокрívεсea, ein Ausscheiden der Gegensätze aus dem Apeiron. Das Endliche vermochte er nur in Gestalt von Gegensätzen zu denken. Das Apeiron als das wahrhaft Seiende und der Urgrund alles Geschehens, muß natürlich potentiell auch das Endliche und seine Gegensätze in sich bergen, insofern auch ohne das Unbegrenzte das Begrenzte nicht sein könnte. In dem Gedanken, daß alles sinnlich wahrnehmbare Sein sich in Gegensätzen darstellen müsse, ist er der Vorläufer des Heraklit, den er durch diese Lehre entscheidend beeinflußt hat. So muß denn auch das Apeiron sich dergestalt zum Daseienden der Sinnenwelt bestimmen, daß es die Gegensätze der sinnlichen Qualitäten ausscheidet; dieser Vorgang ist aber zugleich die räumlich-zeitliche Individualisierung des Seienden; indem das Apeiron sich selbst begrenzt und scheidet, tritt sein Sein in die bedingte Endlichkeit des Raumes und der Zeit. In ihm selbst also liegt sowohl das bestimmende Prinzip als auch der problematische Stoff; das Gesetz ist demnach noch als sinnliche belebte Kraft (in hylozoistischer Weise) gedacht. So ruht auch hier die Einheit der Welt und die Unendlichkeit des Seins noch nicht eigentlich im Denken,

sondern in einem vom Denken unabhängigen Sein. Hier liegt der Fehler und das Unzureichende der Meinung des Anaximander, sein Dogmatismus offen zutage. Bei einer solchen Auffassung der Welt kann sich der Mensch dauernd nicht beruhigen; denn er verliert sich selbst dabei. Es entsteht nämlich die unlösliche Schwierigkeit, daß das Sein dem Denken unerreichbar, weil seiner Natur nach ihm fremd, in einem transzendenten, dogmatischen An-sich-sein verharrt; oder umgekehrt: das Denken, die Vernunft und also auch der Mensch verliert seine Spontaneität, seine geistige und sittliche Freiheit. Beide Fehler finden sich noch bei Anaximander. Sein Apeiron ist ein vom Denken unabhängig Gesetztes, ein in sich ruhendes Sein; und so also dem Denken unerreichbar. Doch wird dieser Mangel bei ihm einigermaßen dadurch ausgeglichen, daß er sein Sein als grenzenlos und unendlich faßte; davon soll später noch einiges gesagt werden. Schlimmer ist die andere Folge seiner Lehre: daß das Denken, daß auch der Mensch bei ihm recht eigentlich seine Freiheit verliert. Dies ist das Mythologische in seiner Weltauffassung, denn wie alle Dinge bei dem Ausscheiden aus dem Apeiron nach einem ewigen, göttlichen, unabänderlichen Gesetze entstehen, so muß auch der Mensch entstanden sein; so muß er seinem ganzen Dasein nach unter diesem göttlichen Fatum stehen. Wenn die Notwendigkeit des Seins und Werdens derart absolut genommen wird, verliert der einzelne Fall seine Berechtigung und Bedeutung. Die räumlich-zeitliche und qualitative Sonderung erscheint zwar als Folge des Apeiron, also des Gesetzes selbst; aber dieses widerspricht so seiner eigenen Natur. Denn das Gesetz selbst ist ja schon sinnlich gedacht; daher hat das einzelne Individuum kein besonderes Anrecht auf Existenz. Diese erscheint somit als Schuld. Nicht nur ist das Leben des Menschen der Notwendigkeit des alles umfassenden Apeiron rettungslos ausgeliefert, sondern sogar sein Leben selbst, wie die Einzelexistenz jedes Dinges, ist eine Schuld, die im Tode und mit dem Tode gesühnt wird. Davon spricht vernehmlich genug ein uns er

haltenes Fragment aus der Schrift des Anaximander: Anfang der Dinge ist das Unendliche. Woraus sie aber geboren werden, dahin versinken sie im Sterben gemäß dem Schicksal. Denn sie zahlen einander Strafe und Buße für ihre Schuld nach der Ordnung der Zeit." 8

Ewig und unvergänglich, wie das Apeiron selbst, ist nun auch seine weltbildende und weltzerstörende Kraft, ist der Prozeß des Werdens und Vergehens (Kívηcic aídioc, vergl. Hippol. Ref. I. 6, Simpl. Phys. f. 903, Dox. 133).9 Unendlich viele Welten entsprossen dem Schoß des einen unerschöpflichen Sein, um später durch die Macht der Vernichtung in ihn zurückzukehren. 10 Indem Anaximander den Gedanken der Unendlichkeit in dieser Kühnheit durchdenkt, korrigiert er einigermaßen den Fehler seines Dogmatismus. Denn er ist so wenigstens davor bewahrt, die Welt in ihrer unmittelbaren Gegebenheit als etwas Fertiges, Endgültiges hinzunehmen. Und wenn so, wie Anaximander es tut, ein unendliches Werden objektiv gedacht wird, ist wenigstens die Hoffnung berechtigt, daß auch das Denken und Erkennen nicht verknöchern und versteinern möge. Aber wenn seine Unendlichkeit Welten über Welten umspannt, so ist sie eben doch eine Unendlichkeit im Sein, d. h. eine seiende Unendlichkeit. Diese Unabhängigkeit bleibt der dauernde Mangel. Bei Anaximander ist das Sein unendlich, deswegen kann das Denken unendlich sein; aber die richtige These lautet umgekehrt: das Denken ist unendlich, deswegen auch das Sein. Plato und KANT haben es gezeigt, daß das Sein, in seiner Unendlichkeit genommen, Idee wird: nicht ein fertiges System, sondern eine unendliche Aufgabe des Denkens und Erkennens. Immerhin war das Weltbild gegenüber demjenigen des Thales erstaunlich erweitert und vertieft. Denn es scheint, daß Anaximander nicht nur eine ewige Folge von werdenden und vergehenden Welten im Nacheinander der Zeit, sondern auch eine Unendlichkeit existierender Welten, deren einige werden, die anderen vergehen, angenommen hat. 11 Wie damit zugleich dem ethischen Verlangen Rechnung getragen wird, indem die Vernichtung

durch Rückkehr zum Apeiron als Vergeltung aufgefaßt wird, wurde schon angedeutet. Natürlich, wie die Freiheit des Menschen, so wird auch seine Sittlichkeit in solchen Vorstellungen nicht genügend gesichert. Was bleibt ihm zu erstreben

was zu wünschen -wenn nicht der Tod. Es liegen hier die Keime des Pantheismus, und es verraten sich schon seine Fehler und Schwächen.

Aber kehren wir zur Betrachtung des Weltbildes zurück. Die Entstehung und Zerstörung der Welten ist identisch mit dem Hervortreten der Gegensätze aus dem Einen, Unendlichen und ihrer Rückkehr in dasselbe, d. h. ihrem gegenseitigen Aufheben, und geschieht in rhythmischen Perioden nach dem allwaltenden Gesetz. Zuerst ward der Gegensatz des Warmen und Kalten abgesondert; sie bildeten eine Mischung, als sie zum Dasein kamen, sonderten sich aber durch ihre innere Feindschaft sogleich derart voneinander, daß das Kalte sich in einen feuchten Klumpen zusammenballte, den das Warme in Gestalt einer feurigen Rinde umgab. 12 Unter der Einwirkung der Wärme verdampfte ein Teil der Erdfeuchtigkeit, so bildete sich zwischen dem mittleren Kern und den Feuerregionen die Luftschicht. Vielleicht dachte sich dann Anaximander weiter, daß das Feuchte sich durch den Einfluß der Kälte zur Erde zusammenballte. Ein Rest der ursprünglichen Flüssigkeit blieb auf der Erde zurück; es ist das Meerwasser. Der Erde schrieb Anaximander eine zylinderförmige Gestalt zu und verlegte sie in den Mittelpunkt dieser unserer heutigen Welt. Dort erhält sie sich, wie er sagte, im Gleichgewicht durch den gleichen Abstand von den Grenzen des Weltalls. 13 Von der verdunstenden Erdfeuchtigkeit schlugen große Ströme kalter Luft gegen die umgebenden Feuerwände, wodurch diese zersprangen und zerfurcht wurden in einzelne Ringe, die von der Luft gleichsam eingehüllt wurden. Wenn nun aus der Öffnung der, wenn man so sagen soll: Schläuche, wie aus der Mündung eines Blasebalges Feuer herausschlägt, so erblicken wir diese als Sterne am Himmel. In diesen Feuerkreisen darf man wohl Vorläufer der pythagoräischen Sphären sehen. Die

Luftströmungen bewirken die Drehung, der Feuerkreise, so daß demnach die Öffnung wandert und wir die Sterne an verschiedenen Orten des Himmels erblicken. Ab- und Zunahme des Mondes, sowie Sonnen- und Mondfinsternisse erklärte er dadurch, daß sich die Feuerschlünde in regelmäßigen Perioden verstopfen. 14 Auch über die Entfernung, der Gestirne von der Erde scheint er zuerst nähere Angaben versucht zu haben; die Resultate konnten nur kindlich ausfallen: die Sonne sei am weitesten von uns entfernt, dann komme der Mond, dann die übrigen Sterne, 15

Auch über die natürliche Entstehung der Organismen, insbesondere des Menschengeschlechts, hat Anaximander bereits nachgedacht, und eine Erklärung im Zusammenhang seiner allgemeinen Prinzipien versucht. Die Tiere sollten in dem ursprünglichen Schlamm entstanden sein, durch das wärmende Licht des Feuers gleichsam ausgebrütet. 16 Die Menschen lebten zuerst als fischartige Wesen, mit einem Schuppenpanzer umgeben im Wasser, bis sie so weit herangereift waren, daß sie sich auf dem Lande selbst ernähren konnten. Dann warfen sie die Fischhülle ab und stiegen ans Land. Man muß das Phantastische einer solchen Vorstellung dem primitiven Wissensstand zugute halten, um dafür um so deutlicher das Verdienst des Anaximander darin zu erkennen, das Problem der Entstehung der Organismen aus dem Bereich des Übernatürlichen und Mythologischen in das der wissenschaftlichen Hypothese übergeführt zu haben. Die Rolle, welche in der Bildung der Welt sowohl wie in der Erklärung der Organismen die Urfeuchtigkeit spielt, verrät vielleicht den Einfluß des Thales auf Anaximander. Über die Art, wie sich Anaximander den Untergang der entstandenen Welten und die Rückkehr in den Mutterschoß des Apeiron dachte, wissen wir nichts Sicheres. Vielleicht glaubte er, daß die fortdauernde Einwirkung der Wärme schließlich alle Feuchtigkeit der Erde aufsaugt, bei welchem Prozeß sich zugleich die Wärme aufzehrt, so daß sich die Gegensätze gegenseitig aufheben und so zur Rückkehr in das Apeiron reif werden. Von der Betätigung Anaximan

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