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erkannt, wenn man es mit dem Bösen vergleicht, so wie die Kranken am besten erkennen, was für ein Gut die Gesundheit ist, welche auch mehr nach ihr verlangen als die Gesunden"; und ebenso LEIBNIZ: „Bemerken wir nicht auch das Gut der Gesundheit und andere ähnliche erst, wenn wir ihrer beraubt sind." 68 Was den zweiten Gedanken angeht, so haben wir schon gehört: Gott ist eins und alles, Tag und Nacht, Winter und Sommer, Überfluß und Hunger usw. Aber diese Gegensätze bleiben in ihm keine, sondern werden Harmonie. „Bei Gott ist alles schön und gut und gerecht, die Menschen aber halten einiges für gerecht, anderes für ungerecht."69 Dies liegt offenbar daran, daß die Menschen mit ihrer Vernunft nicht das Ganze, das Allgemeine umfassen können, wie der göttliche Logos. Ihr Gesichtskreis ist zu eng, sie stehen an Einsicht hinter Gott so viel zurück, als ein Knabe hinter dem Manne. 70 Würden die Menschen über den ersten Sinnenschein zu der verborgenen Harmonie vordringen und an die allgemeine Vernunft sich anschließen und auf sie vertrauen, so würden sie in allem das eine, das Göttliche sehen, aber nicht mehr die schlimmen Seiten der Welt. Dieselben Gedanken begegnen uns wiederum bei THOMAS und LEIBNIZ. THOMAS sagt: „Das Gute und das Bessere erscheinen nicht gleich im Ganzen und in den Teilen: Im All nämlich ist die Vollkommenheit vorhanden, welche in der Ordnung und Zusammensetzung der Teile fehlt. ...“, und LEIBNIZ: Was uns täuscht, ist . . . . daß wir uns betrogen fühlen zu glauben, daß dasselbe, was für das Ganze das Beste ist, auch das Bestmögliche für jeden Teil sein müsse." 71 Wie fehlerhaft diese Gedanken sind, dies müssen wir uns freilich sogleich hier klarmachen, wo sie uns zum erstenmal begegnen. Sie sind ja, genau genommen, nicht eine Rechtfertigung Gottes, sondern des Bösen und erheben dieses in eine absolute Existenz, an die zu glauben natürlich jenen Denkern völlig fern lag; aber die Konsequenz ihrer Denkweise ist allerdings die, daß dem Bösen ein Sein an sich zukommt. Ich will hier ganz davon absehen, wie leicht man

den Spieß umkehren könnte, indem man sagte: Das Gute sei nur als Folie und Hintergrund des Bösen da, damit dieses und seine Macht um so schrecklicher erscheine; sowie ja auch ein Mensch, der sein ganzes Leben lang gesund war, nur geringfügige Krankheit schon doppelt schlimm empfindet; oder wie der Schatten um so dunkler aussieht, je heller das Licht ist, das mit ihm kontrastiert. Das wäre dann statt des Pantheismus der Pansatanismus. Viel gefährlicher ist, daß hier das Böse und das Übel als ein dauernd notwendiger Bestandteil der Welt aufgefaßt wird, daß ihm ein eigenes Sein, ja eine Berechtigung des Seins gegeben wird und es überhaupt als etwas Selbstverständliches hingenommen wird. Natürlich muß man das Dasein des Übels und des Bösen in der Wirklichkeit der Zeit zugeben; aber ist denn diese flüchtige Wirklichkeit identisch mit dem Sein? Nein, man muß erkennen, daß das Böse keine Naturmacht ist, daß es entsteht in der sittlichen Selbstbeurteilung, wenn wir unser empirisches Ich oder die empirische Welt mit dem Ideal, mit dem Seinsollenden vergleichen. Als Ansporn und als Stachel der sittlichen Selbsterkenntnis muß man das Böse nehmen, aber als natürlich und unvermeidlich darf es nicht gelten.

Indem Heraklit den Logos als allwaltendes Schicksal, als unentrinnbare Notwendigkeit schildert, müßte er natürlich konsequenterweise auch zu einer Ansicht vom Menschen gelangen, die diesem keinerlei Freiheit und Selbstbestimmung läßt. Aber Konsequenz ist eben nicht seine Art. Es finden sich vielmehr deutliche Anzeichen dafür, daß Heraklit schließlich doch den Menschen für die Existenz des Guten und Bösen verantwortlich macht; denn so muß man es doch verstehen, wenn er sagt: Dem Menschen ist sein Gemüt sein Dämon." 73 Es darf auch an den Spruch erinnert werden: , Allen Menschen ist es gegeben, sich selbst zu erkennen und klug zu sein." Nicht in der sinnlichen Glückseligkeit, etwa gar in der körperlichen Lust, sucht er das Heil des Menschen, sondern im Anschluß an den gemeinsamen Logos, in der Unterordnung unter das göttliche Gesetz: Bestünde das Glück in

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körperlichen Lustgefühlen, so müßte man die Ochsen glücklich nennen, wenn sie Erbsen zu fressen finden." 74 Alle menschlichen Gesetze nähren sich aus dem einen göttlichen. Dieses gebietet, soweit es nur will, und genügt allem und siegt ob allem. 75 Auch in diesem Begriff des göttlichen Gesetzes, sofern in ihm die Wurzel der Sittlichkeit ruht, liegen die Quellen der wertvollsten Erkenntnis vergraben unter den Schlacken des Irrtums. Als in späteren Zeiten die Sophistik an den Grundfesten der Moral rüttelte und sich nicht entblödete, Recht und Sitte als eine Ausgeburt der Willkür, des Eigennutzes und der Macht hinzustellen, da suchten die besser Gesinnten ihr Heil in den ungeschriebenen Gesetzen" der Natur. So schützte man wenigstens die Moral vor dem Verdacht der Subjektivität; man vertraute sie der Natur an, um sie den Launen der Menschen und der Zeit zu entziehen. Das ist auch das Wertvolle und Bleibende in Heraklits Bemühen, die Moral im Gemeinsamen, im Gesetz zu begründen. So trat er dem Egoismus und den Sonderinteressen kraftvoll entgegen und versuchte wenigstens, dem menschlichen Sein einen überindividuellen Halt, eine verbindende, ewige Bedeutung zu geben. Er nennt zwar die Natur den Logos, aber die Natur ist ihm eben das Göttliche: Eins, das allein Weise, will nicht und will doch auch wieder mit Zeus' Namen benannt werden." 76 Denn es ist nicht der menschenähnliche Gott Homers, der mit allen Schwächen und Fehlern des Menschen behaftet ist - wegen dieses Truggebildes 77, verdiente Homer aus den Preiswettkämpfen verwiesen und mit Ruten gestrichen zu werden und ebenso Archilochos" sondern Zeus, der allwaltende Feuer- und Lichtgeist, die göttliche Vernunft, die alles durchdringt, die pantheistisch mit der Natur in eins gedeutet ist, nicht persönlich. Ob nicht auch ethische Motive den Heraklit bestimmten, gerade den feurigen, ätherischen Hauch als den Weltlogos zu wählen, ist nicht mehr auszumachen. Zeus selbst ist, wie wir in der Einleitung ausführten, ursprünglich der ätherische Himmelsglanz; dieser durchdringt alles, vor ihm kann sich der Mensch nicht ver

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bergen. Auch Heraklit sagt von seinem Logos: „Wie kann einer verborgen bleiben vor dem, was nimmer untergeht!" 78 Das göttliche Prinzip, der Logos, ist für Heraklit, wie gesagt, die Quelle aller menschlichen Gesetze. An die Gesetze aber soll sich der Mensch halten: „Das Volk soll kämpfen um sein Gesetz wie um seine Mauer" 79 und es ist Pflicht, dem Gemeinsamen zu folgen". Doch rächt sich die Gleichsetzung von Natur und Sittlichkeit auch bei Heraklit; denn schließlich ist auf diesem Standpunkt, wie schon früher ausgeführt, keine wahre Freiheit möglich. So finden sich denn auch Aussprüche bei Heraklit, die den Menschen, wie alles in der Natur, als ein willenloses Geschöpf in der Hand Gottes erscheinen lassen. Denn alles, was da kreucht, wird mit Gottes Geißel zur Weide getrieben." 80 Man sieht leicht, wie von hier aus die Stoa zu ihrer Lehre von der Ergebung in das Schicksal und dem naturgemäßen Leben kommen konnte. 81 Heraklit hat diese Konsequenzen im einzelnen noch nicht gezogen. Ebenso hat das stoische Ideal des Weisen, ja, wenn man will, im letzten Grunde auch das Übermenschentum NIETZSCHES bei Heraklit seine Wurzel. Schon bei der Besprechung von Heraklits erkenntnistheoretischen Ansichten wiesen wir darauf hin, wie er von einer grenzenlosen Verachtung der Menge erfüllt ist; so auch in seinen ethischen Überzeugungen. Derselbe Denker, der den Begriff des Gemeinsamen erzeugte, ist doch andererseits ein aristokratischer Individualist. Wie nur einige wenige den Logos erkennen, so sind auch nur einige gut, die meisten Menschen aber schlecht. 82 Einer gilt ihm 10000, falls er der beste ist. 83 Darum soll einer Herr sein, einer König, 84 denn „Gesetz heißt auch, dem Willen eines Einzigen folgen." Immer wieder wird der Gegensatz zwischen den auserlesenen, den edelen Menschen, und der blinden Masse hervorgehoben: Eins gibt es, was die besten allem andern vorziehen: den Ruhm, den ewigen, den vergänglichen Dingen. Die meisten freilich liegen da, vollgefressen wie das liebe Vieh." 85 Diese Ansichten, konsequent weitergebildet, bewogen die Stoiker, alle Menschen einzuteilen in vollkommene

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Weise und rettungslose Toren. Aber wo bleibt da der gemeinsame göttliche Logos?

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Eigentümlich ist Heraklits Stellung zur Religion seines Volkes. Die schlimmsten Auswüchse zwar des religiösen Wahnes hat er heftig getadelt, aber er hielt nicht nur an dem wesentlichen Inhalt der Volksreligion fest, sondern war auch selbst noch nicht frei von ziemlich derbem Aberglauben und mythologischer Befangenheit. In seiner Kritik der Mißbräuche der Religion berührt er sich mit Xenophanes, ist aber nicht so radikal wie dieser. Er glaubt an die Existenz von Göttern und Dämonen. 86 Die Seelen der Menschen stammen aus dem göttlichen Logos und sind mit ihm einer Natur. Daher ist die trockenste Seele die vernünftigste, die feuchte aber, wie im Rausch, verliert die Besinnung. 87 So kann denn auch der Seelenlogos nach dem Tode nicht verschwinden, sondern er verwandelt sich zwar und tritt in eine neue Form der Existenz, aber er bleibt doch erhalten. Der Menschen wartet nach dem Tode, was sie nicht erwarten und nicht wähnen." 88 Im Hades werden die Seelen den Schlamm riechen. 89 Die schlechten Taten werden gerächt, die guten belohnt; denn die Lügenschmiede und ihre Eideshelfer wird Dike zu fassen wissen, 90 größerer Tod aber empfängt größere Belohnung". 91 Ja, die Menschen können selbst nach dem Tode zu Göttern werden, aber auch von dieser Stufe wieder zu der der Sterblichen herabsinken: 92 Unsterbliche sterblich, Sterbliche unsterblich: Sie leben gegenseitig ihren Tod und sterben ihr Leben." Ob Heraklit hierbei nun auch die Götter seines Volkes in diesen Kreislauf der Seelenwanderung hereingezogen hat, wissen wir nicht. Jedenfalls wird auch dieser Wechsel nach der Notwendigkeit des alleinigen, ewigen Logos vor sich gehen. Den Untergang der Welt im göttlichen Urfeuer nach Ablauf des Weltjahres scheint Heraklit, wie schon gesagt, als ein Weltgericht aufgefaßt zu haben. 93 Er glaubte an Orakel, Sühnemittel und Opfer, 94 nur verlangte er, daß die Opfer reinen Herzens dargebracht würden, wie es aber freilich nur von wenigen und selten geschehe. Dagegen verwirft er die

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