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Abhandlungen.

3ur Frage über das Moral-System.

Der Vernunftbeweis für die Wahrheit und Alleinberechtigung des tutioristischen und des probabilistischen Princips in ihrer Sphäre. Von Subregens Dr. Ludwigs.

I.

1. Stand und Genesis der Frage. Um die vielbesprochene Frage über die sogenannten Moral-Systeme zu verstehen und insbesondere den Probabilismus richtig aufzufassen und anzuwenden, den für die Wahrheit des probabilistischen Gedankens geführten Vernunft-Beweis in seiner stringenten Kraft zu begreifen und allen gegen denselben vorgebrachten Einreden mit Erfolg begegnen zu können, ist es unerläßlich, vor Allem folgende zwei Bemerkungen stets vor Augen zu halten:

Erstens. In all' jenen Fällen und Fragen, in welchen man durch Anwendung irgend eines natürlichen oder übernatürlichen Erkenntnißmittels zur gewissen Erkenntniß der Wahrheit, d. h. in casu zur Gewißheit über den Bestand eines verpflichtungskräftigen Gesezes gelangen kann, muß dies unbedingt geschehen. Verpflichtet ja jedes Gesez den Untergebenen vor Allem und zunächst zur Kenntnißnahme von dem Geseze selbst 1). Das so erkannte Gesetz

1) Vgl. darüber Eingehenderes in der Zeitschrift „Der Katholik" 1874, G. 47 ff. Die dort über „Probabilismus und probabilistische Systeme" veröffentlichten Artikel enthalten überhaupt in vielen Beziehungen sehr verdienstvolle Erörterungen zu unserer Frage.

Zeitschrift für kathol. Theologie. II. Jahrg.

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hat sodann darüber sind alle katholische Theologen einig als einzige Norm und Richtschnur des Handelns zu gelten. Denn gegen die erkannte Wahrheit handeln ist immer unsittlich. Keine noch so große Probabilität hält gegen die Gewißheit Stand. Wahrscheinlichkeitsgründen noch irgend eine Bedeutung für das moralische Verhalten beimessen, nachdem man sich der Wahrheit des Gegentheils bewußt geworden, ist nicht nur fündhaft, sondern geradezu ein Ungedanke.

Zweitens. Gelingt es aber, wie das so oft der Fall, trok aller Bemühung nicht, mittelst irgend eines durchschlagenden Argumentes zur Erkenntniß der Wahrheit zu gelangen, bleibt es fonach im eigentlichen Sinne des Wortes zweifelhaft, ob ein verpflichtungskräftiges Gesetz als gottgewollte Norm für das Verhalten bestehe oder nicht, so entsteht ein Zustand für den Menschen, welcher ihm zunächst der Wahrheit gegenüber Folgendes zur unverbrüchlichen Pflicht macht:

a.) In diesem Zustande (des spekulativen Zweifels) wäre es eine Sünde nicht nur gegen die Logik, sondern auch gegen das Sittengeset 1) (und zwar eine Sünde der Vermessenheit), einer mehr oder weniger begründeten „Meinung“, möge sie nun im Hinblick

1) Vgl. S. Thom. quaest. disput. de Malo qu. 3 (de causa peccati) art. 7.: „Potest esse ignorantia sine hoc, quod aliquis de ignotis sententiam ferat, et tunc ignorans est et non errans; sed quando jam falsam sententiam fert de his quae nescit, tunc proprie dicitur errare, et quia peccatum in actu consistit error manifeste habet rationem peccati. Non enim est absque praesumptione, quod aliquis de ignoratis sententiam ferat et maxime, in quibus periculum existit". Man vgl. dazu besonders auch Suarez, Metaphys. disput. IX (de falsitate) sect. II, 6. Es ist auffallend, wie wenig die Menschen im Allgemeinen sich ihrer Pflichten im Gebrauche des Erkenntniß vermögens überhaupt, und namentlich der Wahrheit gegenüber bewußt sind; noch auffallender aber, daß die Moraltheologen diesen Theil der Pflichtenlehre entweder ganz ignoriren, oder so dürftig abthun, daß sich Niemand veranlaßt fühlt, aus solcher Lehre praktische Consequenzen zu ziehen. Und doch wäre die Behandlung dieses Capitels gerade in unserer Zeit für Wissenschaft und Leben gewiß nicht ohne Belang. Es würde dann, um nur an Einiges zu erinnern, gewiß nicht so weit kommen können, daß die Männer der empirischen Wissenschaften ihre Hypothesen auch die

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auf die ihr entgegenstehende eine opinio probabilis oder probabilior sein, jenen assensus firmus des Intellektes zu leisten, welchen dieser logisch und moralisch nur der evident erkannten Wahrheit (der veritas certo cognita) leisten kann und darf. Schwerere Sünde wäre es, eine solche opinio Andern gegenüber fälschlich als veritas auszugeben, oder gar als Lehre respektive als Gesez Gottes oder der Kirche sie ihnen aufzudrängen. Denn damit würde zur Vermessenheit sich Unwahrhaftigkeit und Anmaßung hinzugesellen.

b.) Auch in diesem Zustande des spekulativen Zweifels bleibt für den Menschen das von der Vernunft erkannte, durch die Offenbarung bestätigte und von allen dieses Namens würdigen Theologen und Philosophen 1) stets betonte und vertheidigte Grundgesez alles sittlichen Handelns in voller Kraft bestehen: Omne quod non est ex fide peccatum est (Rom. XIV, 23.). Das heißt: Der Mensch

abenteuerlichsten - leider so oft mit Erfolg als ausgemachte Wahrheiten ausgeben dürften, daß in der Rechtsprechung der subjektiven Evidenz sogar officiell und von Gesezes wegen die Rolle zugewiesen würde, welche einzig der objektiven gebührt, daß man Dogmatiker fände, für welche es zwischen formulirtem Dogma" und "freier Meinung" kein Mittleres zu geben scheint, daß endlich die Moralisten selbst ein Mal um das andere Wahrscheinlichkeitsgründe mit durchschlagenden Argumenten verwechselten, und dem ganz entsprechend ihre dissentirenden Collegen traktirten. Freilich wird der Aufnahme des genannten Capitels in die Moral die etwas eingehendere Beschäftigung mit einem andern Capitel vorangehen müssen - ein gründliches Studium der Logit und namentlich der Theorie des Erkenntnißvermögens. 4) Man vergl. selbst Kant, z. B. Logik, ein Handbuch zu Vorlesungen, in des Verfassers Auftrag herausgegeben von Dr. Gottlob Benjamin Jäsche, Einleitung IX: „Was insbesondere die Gegenstände des praktischen Vernunfterkenntnisses in der Moral die Rechte und Pflichten — betrifft: so kann in Ansehung dieser eben so wenig ein bloßes Glauben (als Gegensatz zu Meinen und Wissen im Sinne Kant's) stattfinden. Man muß völlig gewiß sein: ob etwas recht oder unrecht, pflichtmäßig oder pflichtwidrig, erlaubt oder unerlaubt sei. Auf's Ungewisse fann man in moralischen Dingen nichts wagen; nichts, auf die Gefahr des Verstoßes gegen das Gefeß, beschließen“; u. a. a. D. Uebrigens eine von jeher erkannte ethische Grundwahrheit, von welcher der römische Eklektiker kurzweg sagt: „Bene praecipiunt, qui vetant quidquam agere, quod dubitant, aequum sit, an iniquum". (Cic. de offic. I, c. 9, 30.).

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darf nie zum Handeln schreiten, ohne die Gewißheit zu haben, dieses sein Handeln (Wollen) stehe nicht im Widerspruch mit dem Sittengeset (dem Willen Gottes). Ein Handeln im Zustande des sogenannten praktischen Zweifels kann eben, weil und so weit der geschöpfliche Wille sich in diesem Falle aus der wesenhaft sündlichen und gottwidrigen Grundrichtung heraus bethätigt, den Akt zu setzen, möge er nun mit dem göttlichen Geseze in Einklang stehen oder nicht, weder vor dem Forum der natürlichen Ethik noch vor den Schranken der christlichen Moral jemals als ein sittliches bestehen. Folglich ist der Mensch in unserm Falle vor die Alternative gestellt: entweder gar nicht zu handeln (analog wie bei rein theoretischen Fragen das dubium im engern Sinne in Form der suspensio judicii auftritt, indem man die Sache einfach dahin gestellt sein läßt), oder, falls er dies nicht will oder kann, weil das Handeln Pflicht für ihn, die zur Erlaubtheit des Handelns unbedingt nothwendige und auf dem direkten Wege spekulativer Lösung vergeblich gesuchte praktische Gewißheit gleichsam auf einem Umwege (indirekt, per principium reflexum certum) sich zu verschaffen. Erreichbar muß diese praktische Gewißheit in allen Fällen sein. Denn wäre sie es nicht, so wäre die Annahme des Abfurdum eines das Unmögliche fordernden Sittengeseßes die unabweisbare Consequenz. Die große Frage ist nur die: Wie gelangt man troß des Zustandes spekulativen Zweifels zu dieser praktischen Gewißheit?

Soll der Unklarheit sofort gesteuert und einer ganzen Reihe von Mißverständnissen und sich daraus naturgemäß entspinnenden Bedenken wirksam vorgebeugt werden, so kommt Alles darauf an, daß man sich von vornherein tief die eigentliche Bedeutung und Tragweite dieser Grundfrage einpräge, deren Lösung die verschiedenen Moral-Systeme, jedes in seiner Weise, versuchen. Es handelt sich also bei der ganzen Sache keineswegs darum, in Form irgend eines Princips oder Axioms eine Art von Talisman zu finden, der gleichsam als Universalmittel dienen soll, um spekulative Zweifel zu lösen, und die vielen Streitfragen, welche im Gebiete der Wissenschaft auftauchen, im Bereiche jeder praktischen Wissenschaft aber aus leicht ersichtlichen Gründen in ungezählter Menge auftauchen müssen, zu schlichten und zur theoretischen Entscheidung zu bringen. Alle diese kleinen und großen wissen

schaftlichen Controversen bleiben im Gegentheil als solche von den Principien des Moral-Systems ganz und gar unberührt. Um was es sich beim Moral-Systeme einzig handelt, das ist: jene ethischen Grundwahrheiten zu finden und als solche evident zu erweisen, mittelst deren Erkenntniß und Anwendung der Mensch in solchen Fällen, wo er ob der Unvollkommenheit seiner Intelligenz und tro aller ihm zu Gebote stehenden natürlichen und übernatürlichen Erkenntnißmittel durch Besizergreifung von der Wahrheit sich dem Zustande spekulativen Zweifels ex hypothesi nicht entwinden kann, wenigstens die absolute Sicherheit und Ueberzeugung (praktische Gewißheit) gewinnt, durch sein Thun oder Lassen ein für ihn verbindliches Gesez nicht zu übertreten, also nicht zu sündigen.

2. Stellung der verschiedenen Systeme. Zu dieser Grundfrage nun nehmen die verschiedenen Systeme folgendermaßen Stellung:

Alle stimmen darin überein, daß der Mensch, wenn er will, im Falle spekulativen Zweifels für sich die opinio tutior zur Norm seines Handelns machen darf, ja daß ihm je nach den verschiedenen Verhältnissen diese Wahl vom Seelsorger mehr oder weniger dringlich zu rathen ist. Kommt er ja durch diesen Entschluß nicht nur zur Gewißheit nicht zu sündigen, sondern sogar zur Erwählung dessen, was das an und für sich zweifellos Vollkommnere ist. Denn „Viam tutiorem elige" das ist das die ganze Ordnung der Vollkommenheit beherrschende Princip 1).

1) Vgl. S. Alphons. Theol. Mor. n. 76, wo es u. a. heißt: En, quomodo loquitur S. Antoninus: „Inducunt illud: In dubiis tutior via est eligenda. Respondetur, hoc esse verum de honestate et meriti majoritate et non de salutis necessitate quoad omnia dubia; alioquin oporteret omnes religionem intrare." Verba d. Antonini sunt nimis clara... und nachdem er dies aus dem Contexte bewiesen und gegen gehaltlose Einwürfe sicher gestellt, fährt der Heilige fort: Sicut scribit S. Antoninus, sic etiam sentit Joannes Nyder dicens: „Viam tutiorem eligere est consilii, non praecepti." Idem sentit Tabiena: „Non valet, quod in dubiis tutior via est eligenda, quia hoc non est praeceptum sed consilium." Idem scripserunt Navarrus, Dom. Soto, Abbas, Sylvester, Suarez, Angles," Henriquez. Item S. Bonaventura, Gerson etc. apud Terillum (de probab. qu. 26. num. 21.).

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