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die Frage des Bibliothekarinberufes angesehen werden, für den inzwischen feste Normen auf Grund ausgiebiger Versuche geschaffen sind. Der wiederholten Anregung aus den für eine Erweiterung der Erwerbstätigkeit der Frau eintretenden Kreisen auf Erschließung der mittleren. Beamtenlaufbahn, der sogenannten Subaltern= karriere, fann jedoch die Unterrichtsverwaltung nicht nähertreten, weil hier eine Bindung der staatlichen Verwaltung durch die Bestimmungen über die Anstellung von Militäranwärtern besteht. Hingegen dürfte sich der Bundesrat schon sehr bald mit der Frage des Apothekerberufs für Frauen beschäftigen, indem er über den Antrag Preußens entscheidet, der dahin geht, die neuen höheren Mädchenschulen mit den Studienanstalten und Lyzeen, den Gymnasien und Realschulen in bezug auf die Prüfungsordnung für Apotheker vom Jahre 1904 gleichzustellen. Wenn der Bundesrat in diesem Sinne entscheidet, ist in Zukunft nicht mehr der Besuch eines an= erkannten Mädchengymnasiums erforderlich, um für den Apothekerberuf zugelassen zu werden." Es wäre allerdings merkwürdig, wenn sich der Bundesrat darauf einließe, Berechtigungen an die so problematische Frauenschule zu knüpfen, abgesehen davon, daß natürlich Ausnahme= bestimmungen, die dahin führen müssen, die Studienanstalt einzuschränken und die Frauenschule auszudehnen, keineswegs im Interesse der Frauenbildung liegen würden.

* Als Bauaufseherin wurde eine Dame in Radolfzell von der Firma Schub u. Co. ange= stellt. Sie hat in München studiert.

* Frauen als Desinfektorinnen. Nach einem Erlaß des sächsischen Ministeriums find Frauen grundsätzlich von der Landesdcsinfektionsschule in Dresden ausgeschlossen.

Fleischbeschauerinnen. In Bayern können Frauen das Eramen als Fleischbeschauerinnen an städtischen Schlachthäusern machen.

* Schiffskrankenpflegerinnen sind vom Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika-Paketfahrt A.-G. angestellt.

* Die Gärtnerei als Frauenberuf. Wir berichteten bereits über die Zulassung von Frauen in der staatlichen Gartenbauschule in Proskau. Die Zulassung erstreckt sich nun auch auf die Lehranstalten in Geisenheim und Dahlem. Dabei ist von der Bedingung, die für die männlichen Zöglinge gestellt ist, abgesehen, daß sie

nämlich vor Eintritt ein oder zwei praktische Lehrjahre absolviert haben müssen. Eine praktische Lehrzeit ist vielmehr nur als erwünscht betrachtet.

* Einen Protest gegen die in einer Denk-schrift der Stadtgemeinde München enthaltenen Grundsätze über die Gehaltsverhältnisse der weiblichen Angestellten hat der Verein für Fraueninteressen an den Magistrat gerichtet.

Die Denkschrift des Magistrats enthält nämlich die naive Bemerkung, daß die Ersparungen, die aus der Verwendung von weiblichem Hilfspersonal im Laufe der Zeiten erwachsen, nach vielen Tausenden zu berechnen sein würden. Dieser Grundsatz wirkt um so seltsamer, als vorher betont ist, daß die Leistungen. der weiblichen Angestellten durchaus zufriedenstellend also doch wohl den der männlichen Beamten gleichwertig sind. Diesem Prinzip entsprechend rangieren in der Denkschrift der Stadtgemeinde München die selbständigen Bureauassistentinnen mit Mittelschulbildung keineswegs in die Gehaltsklasse der Bureauassistenten, sondern in die Klasse der Trambahnschaffner, Ausgeher, Diener usw.

Die Eingabe des Vereins für Fraueninteressen macht darauf aufmerksam, daß die Gründe, die in der Denkschrift des Magistrats für die mindere Bewertung der Frauenarbeit geltend gemacht werden, nicht stichhaltig sind, insofern, als in den unteren und mittleren Volksschichten die Erwerbsarbeit der Frau vielfach Bedingung für die Familiengründung und -erhaltung ist. Er wendet sich ferner dagegen, daß in der Denkschrift des Magistrats grundsätzlich nur die unverheiratete Beamtin zugelassen wird, während die Stellungen, um die es sich hier handelt, sehr wohl von der verheirateten Beamtin ausgefüllt werden könnten.

Zur Kellnerinnenfrage. Zu unsrer Notiz im Novemberheft ersucht uns Frau Jellinck um Aufnahme der Bemerkung, daß die Zurechnung der nicht antwortenden Rechtsschutzstellen zu den zustimmenden satzungsgemäß erfolgt sei. Wir haben daran nicht im geringsten gezweifelt, da ja sonst eine solche Rechnung unmöglich wäre, halten aber daran fest, daß angesichts des von der Vorsitzenden des Rechtsschußverbandes selbst geäußerten Zweifels an der fachlichen Richtigkeit (die formale ist selbstverständlich) der Abstimmung es uns nicht angebracht erscheint, die Zahl der dem Berband angehörenden Rechtsschutzstellen für die Petition ins Feld zu führen.

Arbeiterinnenfrage.

*Zum Arbeiterinnenschus in Bayern spricht fich ein Erlaß des bayerischen Ministerpräsidenten folgendermaßen aus:

„Eine sehr bemerkenswerte Zunahme - und zwar eine verhältnismäßig und sogar absolut größere als die der Zahl der männlichen Arbeiter -zeigt im Berichtsjahr die der weiblichen Arbeiter. Die wachsende Verwendung weiblicher Arbeitskräfte in der gewerblichen Gütererzeugung erhöht die Gefahr, daß Frauen mit Arbeiten beschäftigt werden, die für den weiblichen Orga= nismus nicht geeignet sind. Die Gewerbeaufsichtsbeamten haben hierauf ihr besonderes Augenmerk zu richten und durch geeignete Schritte dieser Gefahr entgegenzuwirken. Im Zusammenhang mit der Zunahme der Frauenarbeit steht das bedauerliche Anschwellen der Zahl der Betriebe, in denen Zuwiderhandlungen gegen die Schutzbestimmungen für Arbeiterinnen ermittelt wurden. Diese Zahl ist von 1013 im Jahre 1906 auf 1497 im Jahre 1908 gestiegen; die Zahl der wegen Zuwiderhandlungen bestraften Personen zeigt dagegen in den fraglichen Jahren eine Abnahme von 165 auf 129, eine Statistik, die wohl auf milde Verurteilung schließen läßt."

*In den Vorstand der christlichen Gewerkschaften wurde Fräulein Marg. Behm, Hauptvorsitzende des Gewerkvereins der Heimarbeiterinnen, als erstes weibliches Mitglied zur Vertretung der Arbeiterinneninteressen gewählt.

Die rechtliche Stellung der Frau.

* Das Frauenwahlrecht für die Kirchenräte war auch in diesem Jahre Gegenstand der Beratungen des Oberkonsistoriums in Straßburg. Die Ansichten über das kirchliche Stimmrecht der Frauen waren geteilt; von mancher Seite wurde es aus ethischen" Gründen abgelehnt, seine Ausübung vertrage sich nicht mit christlicher Weiblichkeit. Von anderer Seite wurde auf das lebhafte kirchliche Interesse der Frauen hingewiesen. Ein Antrag des Inspektors Metzger verlangte das passive Wahlrecht für die Frauen. mit der Maßgabe, daß die weiblichen Mitglieder nur ein Drittel der Mitgliederzahl des Kirchenrates bilden dürfen. In diesem Sinne hat sich auch der deutsche Verband für Frauenstimmrecht und die Karlsruher Generalsynode ausgesprochen. Ein weitergehender Antrag wollte jede Beschränkung der Frauen auf eine gewisse Zahl der Mitglieder der Kirchenräte ausgeschlossen wissen. Derselbe wurde mit 15 Simmen ab= gelehnt, der Antrag Metzger hingegen mit 13 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen.

* Zum Frauenwahlrecht in Hessen. Gelegentlich der hessischen Wahlrechtsreform hat

der Hessische Verein für Frauenstimmrecht um die Zulassung der Frauen zum Landtagswahlgebungsausschusses der zweiten Landtagskammer recht petitioniert. Der Präsident des Gesetzhat diese Petition der Regierung mit der Bitte um Rückäußerung übersandt. Die Antwort des Staatsministeriums war ablehnend.

* Die Mitarbeit der Frau im kirchlichen Gemeindeleben wurde in der Preußischen Generalsynode eingehend erörtert und in dem Sinne entschieden, daß man wohl die Frauen zu kirchlich geordneter Mitarbeit" an den Aufgaben der Gemeinde heranziehen wolle, daß ihnen aber keinerlei Rechte bezüglich der Wahl des Gemeindekirchenrates, oder des Pfarrers, oder sogar bezüglich der Zulassung zum Gemeindekirchenamt gewährt werden könnten.

Ebenso rückständig wie die Preußische Generalsynode zeigte sich die Gesamtsynode der evangelischlutherischen Stirche der Provinz SchleswigHolstein, die gleichfalls eine Petition für das Stimmrecht der Frau bei den Gemeindevertreterwahlen ablehnte.

* Die Beteiligung der Frauen an den Storthingswahlen in Norwegen, an denen sie diesmal als Wähler und Kandidaten zum ersten Male zugelassen waren, war eine außerordentlich rege. Wir werden auf das bedeutsame und politisch interessante Ereignis in einem eingehenden Aufsatz zurückkommen. Hier sei nur erwähnt, daß Verschiebungen in den Stärke verhältnissen der Parteien durch die Frauen nicht in bemerkenswertem Maße eingetreten sind. Einen weiblichen Kandidaten durchzubringen gelang aber dieses Mal, wie wohl vorausgesehen werden konnte, noch nicht. Eine Frau ist aber als Stellvertreterin gewählt.

* Zur englischen Stimmrechtsbewegung. Nach den Berichten, die über die englische Stimmrechtsbewegung, d. h. speziell über die "Suffragettes" selbst durch fortschrittliche Blätter gehen, scheint es, als ob diese der Ausschreitungen doch allmählich mehr und mehr müde würden, wobei hinzukommt, daß es in der Natur einer derartigen Taktik liegt, daß die Mittel immer derber und skrupelloser gewählt werden. Es ist vielleicht ein richtiges Urteil über die Stimmung des englischen Volkes, wenn Churchill einer Deputation von Stimmrechtlerinnen mitteilte, daß ihre Aussichten auf Erfolg heute geringer seien als vor vier Jahren, und daß die Regierung nichts für sie tun könne, solange sie nicht von diesen Gewalttätigkeiten ließen.

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BÜCHERSCHAU

Neuerscheinungen auf dem Weihnachtsmarkt.

Romane, Novellen.

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Ungewöhnlich reich an Neuem und Bedeutsamem ist dieses Jahr der Anfang des Winters in der Literatur gewesen: ein neuer Thomas Mann, Ricarda Huch, Frenssen, vier Nachlaßbände Jbsen, eine Altersschöpfung Björnsons - die Aufzählung ließe sich noch viel weiter führen, über die höchsten und die mittleren Schichten künstlerischen Schaffens, über Jnland und Ausland, Großstadt- und Heimatkunst, Schlichtes und Raffiniertes, ganz Neues und Traditionelles. Der neue Thomas Mann ,,Königliche Hoheit", ein Roman (S. Fischer Verlag. Geh. 5 Mark, geb. 6 Mark), der gleichzeitig mit der Jubiläumsauflage der Buddenbrooks erscheint, wird vielleicht nicht so schnell eine Jubiläumsauflage erleben. Oder doch aber dann wird dieser Erfolg" etwas äußerlichem gelten: der glänzenden Darstellung des residenzlichen Daseins, den eindrucksvollen Kontrasten zwischen dem armen Fürstenhaus und dem überschweng lichen Lebensraffinement des amerikanischen Milliardärs, vielleicht auch dem komödienhaften Abschluß, daß sie sich kriegen", der Prinz und die exotische Millionenerbin, obgleich dieser trotz der feinen ironischen Art, mit der die aus so verschiedenen Ursprüngen herkommende Exklusivität beider aufeinander abgestimmt wird vielleicht das Anfechtbarste und besonders in Verbindung mit der Verwendung der ausländischen Millionen zur Aufbesserung der Landesfinanzen auch Anstößigste des Buches sein mag. Was aber Kern und Keim des Buches anlangt, so liegt er wohl in einer viel größeren Distanz zur Popularität als die Buddenbrooks. Ein Spiel feinster Ironien, Ironien aber, die eine letzte Ernsthaftigkeit doch mit Weichheit und Duft umkleidet, wird zum Schluß zusammengefaßt durch einen Gedanken von tiefem ethischphilosophischen Gehalt: an die Stelle der rein formalen, inhaltlich leeren Repräsentation der Volkseinheit, der das Leben Klaus Heinrichs gewidmet war, sett er durch eine Art Selbsterlösung eine andere, die aus sachlichem Verbundensein mit den Lebensfragen seines Volkes hervorgeht. Der Gedanke des Fürstentums wird gerettet, indem ihm Blut zugeführt wird aus dem ganz modernen Bedürfnis, das Gesamtschicksal in Erkenntnis und Mitgefühl zu er greifen und sich zueigen zu machen.

Der neue Roman von Gustav Frenssen:

,,Klaus Hinrich Baas" (G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung. Preis brosch. 5 Mark, geb. 6 Mark) ist, in das Lebenswerk Frenssens eingereiht, in manchem ein Aufstieg. Ein Aufstieg in der Kraft, mit der hier ein mächtiger, beziehungsreicher Stoff, das Leben der Stadt Hamburg, bedeutend und bildlich eindringlich dargestellt wird. Das will natürlich mehr sagen als die Gestaltung eines Stückes Bauern- oder Seemannsleben. Frenssen ist hier auch, verglichen mit Hilligenlei, zu einem schärferen, kräftigeren Realismus fortgeschritten, und hat eine gewisse lyrische Unsachlichkeit, die in früheren Romanen störend war, eingedämmt, ohne daß sie freilich ganz verschwunden wäre. Auch das ist gut und kraftvoll, wie der Held, einer von jenen Hunderten von Landarbeitersöhnen, die alljährlich mit ihren Familien von der menschenhungrigen Großstadt eingefogen werden, sich nach mancher Entgleisung und manchem Um- und Frrweg in den großen Rhythmus dieses Lebens hineinfindet und wie seine Tatkraft zu diesen neuen, mächtigen Zielen heranwächst. So bietet der Roman wieder etwas ganz spezifisch Deutsches, ein Stück nationalen Lebens von starkem sowohl typischen als individuellen Interesse. Dichterisch prachtvolle Bilder vom Hamburger Hafen, von St. Pauli, dem Strandleben in Blankenese, dem großen überseeischen Kaufhaus stehen neben frischen und zarten Kinderszenen und holzschnittmäßigen Bildern niedersächsischen Bauerntums. Das ist alles stark und echte Kunst. Daneben stehen die alten Schwächen Frenssens: einmal der programmatisch doktrinäre Ton, in dem immer die Sinnlichkeit betont und

betätigt

wird, dann, daß seine Menschen zuteilen aus ihrer eigenen in die Rolle und Sprache Frenssens fallen, was dann wieder dadurch verdeckt wird, daß sie Frenssensche Gedanken in einer gemacht simplen Weise sagen, wodurch die Sache nur noch unechter wird. Und schließlich auch eine gewisse Einförmigkeit der Charakteristik, besonders der Frauen, und des Verkehrs zwischen Mann und Frau, bei der doch irgendeine Nuance an diesen Menschen bleibt, die sie als Romanfiguren, Geschöpfe von Verfassers Gnaden kennzeichnet. Aber das alles wird einem die Freude an der Großzügigkeit und kräftigen Lebendigkeit des Buches doch nicht zerstören.

,,Die Familie Vanderhouten." Roman von Adele Gerhard. (Berlin W. 30, Concordia Deutsche Verlagsanstalt, Hermann Ehbock). Die

Familiengeschichte ist immer noch ein Lieblingsmotiv der modernen Romankunst. Aus dem naturalistischen Interesse an der Vererbung, den Rassenfragen, der Milieumirkung hervorgegangen, ist diese Gattung auch schon zum Träger anderer, tieferer, weiterer und reicherer Beziehungen zum Leben geworden. Diesen Roman kennzeichnet seine positive Auffassung der Familie. Es wird nicht wie sonst wohl der einzelne unter dem lähmenden Zwang seiner Art und Abstammung oder in offenem Kampf um seine Individualität der Familie gegenüber gestellt, sondern sie selbst steht im Mittelpunkt, der Lebensschoß, aus dem jeder einzelne sich erklärt, der Rahmen, in dem die Individualität sinnvoll wird. Vielleicht gehörte Fraucnempfinden dazu, um diesen positiven Wesenskern der Familie zu gestalten. Jedenfalls liegt in dem feinen Gefühl für das seelische Klima in diesem Beieinander verwandter Menschen eine besondere Nuance des Könnens, das sich in diesem Roman entfaltet. Und doppelt bewundert man dieser Fühlung gegenüber die Weite des Horizontes, in den diese Menschenschicksale hineingestellt sind: das zur Weltstadt werdende Berlin in seinem wuchtigen Vorwärtstreiben, mit der unübersehbaren Summe seiner Lebensenergien bewundert man die alle weibliche Subjektivität überragende Sachlichkeit, mit der hier die Welt als Erscheinung, historisch, kulturwissenschaftlich erfaßt und dargestellt wird.

Ein zweites wertvolles Frauenbuch auf dem Weihnachtsmarkt ist die Novelle von Ricarda Huch:,,Der lette Sommer". (Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt. Preis geh. 2,50 Mark, geb. 3,50 Mark.) Den letzten Sommer eincs russischen Gouverneurs schildert es, der den Mann als Sekretär bei sich aufgenommen hat, der entschlossen ist, ihn zu ermorden. Das Element des Buches ist die furchtbare Ironie der Tatsache, daß Menschen, die einander persönlich und innerlich nahestehen, und deren verschiedene Meinungen nur die notwendig verschiedene Erscheinung der Welt von dieser oder jener angeborenen, angelebten, jedenfalls unwillkürlichen Stellung zu ihr sind, um eines Prinzips willen und um sich selbst treu zu bleiben, einander vernichten müssen. In wundervoller Harmlosigkeit spielt sich das Familienleben des Gouverneurs vor den Augen des Mörders ab, ihn selbst in einen Kreis der Sympathic, des Vertrauens, der leidenschaftlichen Zuneigung hineinziehend. In dem Nebeneinander dieser Harmlosigkeit auf der einen, der Schritt für Schritt weitergeführten Absicht auf der andern Seite kommt das Element des Dämonischen ins Spiel, wie Goethe es im Egmont erfaßt. In einer feinen Pointe, von echt romantischem Empfinden für das grauenvolle Spiel des Schicksals geprägt, gibt der Schluß die Kata= strophe.

In dem Roman „Eine Peri“ (Verlag von Egon Fleischel & Co. Berlin 1909) fügt Anselma Heine den Frauentypen ihrer bisher erschienenen Bücher einen neuen, ebenso konsequent und diskret durchgeführten hinzu. Sie hat eine gewisse Entdeckergabe in dieser Hinsicht. Die Peri ist eine Frau, die früh von einem brutalen Mann geschieden, seitdem das Leben einer Geliebten

geführt hat. Nun sind die Kinder ihrer ersten The herangewachsen, und in dem Maße, als der Unwert des Vaters ihnen zum Bewußtsein kommt, wächst die Sehnsucht nach der verschollenen Mutter. Eine Sehnsucht, die den Weg zu ihr findet und sie vor das Paradiesestor der Mutterschaft führt. Doch es ist ihr nicht beschieden, hindurchzugehen. Sie ist von ihrem Leben gezeichnet, innerlich und äußerlich, ihre Seele und ihre Verhältnisse. Darum muß sie ihre Kinder wieder verlieren. Anselma Heine empfindet dieses Schicksal mit frauenhafter Barmherzigkeit und fügt es mit psychologischer Kunst.

Die hervorragend feine Novelle von Oskar Loerke: Franz Pfinz" (S. Fischer Verlag, Berlin 1909) kann nicht besser nach ihrem Wesenskern ausgesprochen werden als durch ihr Motto; es ist das Goethewort: „Sie meinte, das Herz und mithin endlich das ganze Schicksal des Menschen entwickele sich oft an Begebenheiten, die äußerlich so klein erscheinen, daß man ihrer gar nicht erwähnt, und innerlich so gelenk und heimlich arbeiten, daß man es kaum empfindet." Diese Erfahrung macht wohl der Mensch der Gegenwart, in dem die Fülle der Dinge, die Versuchungen der unerhörten Mannigfaltigkeit des Lebens den gestaltenden Willen betäuben und verdrängen, noch viel öfter. Daher die Häufigkeit gerade dieser Probleme in der modernen Kunst. Hier wird es entwickelt an dem Schicksal eines kleinen Schulmeisters, der auf der Suche nach einem größeren Schwung, einer deutlicheren Idealität seines Daseins aus der Bahn seines Wesens schreitet; und von da an wächst mit der heimlichen stillen Notwendig= keit wie Pilze unter den Dielen in seinem Leben das Verhängnis, durchzieht sein häusliches Glück und sein Berufsleben mit seiner Fäulnis, bis es zusammenbricht.

Den gleichen Borgang, wie zwischen zwei Menschen eine Fremdheit emporwächst, deren sie nicht Herr werden können, und auf eine unfaßbare Weise Liebe in Haß verwandelt, stellt das letzte tief melancholische Buch von Gustav af Geijerstam dar:,,Das ewige Rätsel." (Gch. 2,50 Mark, geb. 3,50 Mark). Es ist wie ein Finale der düsteren Bücher, in denen Gustav af Geijerstam die Ohnmacht des Willens und der Liebe dem Schicksal gegenüber und den geheimnisvollen Gesetzen der unbewußten Seele in immer neuer Spiegelung zeigt.

Man kann schon geradezu von einer Richtung im modernen psychologischen Roman sprechen, die sich die Pflege dieser besonderen modernen Neurose zur Aufgabe macht. Hierher gehört auch Karl Bittermann mit einem in der Form noch unausgeglichenen, aber in der Charakteristik ungewöhnlich kräftigen Erstlingsroman,,Der verirrte Vogel“ (S. Fischer Verlag, Berlin S, geb. 4 Mark, geb. 5 Mark). In der Art, wie hier ganz alltägliches Leben ohne Steigerung weder in Karikatur noch sonst in irgendein Erzeptionelles rein als solches beseelt, geformt und zum Symbol erhoben wird, zeigt sich ein zukunftversprechendes Talent.

Minder einfach und im Wesen der Wirklichkeit ruhend, vielmehr in mancher Beziehung ein wenig erkünftelt und gewaltsam, ist die Symbolik

des Romans,,Der steinerne Mann" von Robert Michel. (S. Fischer Verlag, Berlin S. Preis geh. 3 Mark, geb. 4 Mark). In dem flackernden, unruhigen Impressionismus seiner Seelenschilderung ebenso ein Kind der Moderne wie in dem Geschmack und der Kühnheit der Darstellung, zeigt der Roman doch ein Übermaß an Erdachtem, allzu Subtilem, das seine Helden maskenhaft wirken läßt.

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Die Novellen von Emil Strauß, die unter dem Titel,,Hans und Grete“ bei S. Fischer in Berlin (geh. 3 Mark, geb. 4 Mark) erschienen sind, gehören einem Niveau novellistischer Kunst an, auf dem neben ihm wenige, vielleicht nur noch Keyserling, stehen. Trotzdem ihn von diesem ein sehr wesentlicher Zug unterscheidet. Nicht der ganz subtile Geschmack der dichterischen Darstellung den hat Emil Strauß auch, und er zeigt ihn besonders und glänzend in der Novelle „Mara". Aber er ist bei ihm nicht Ausdruck und Form der gleichen menschlichen und persönlichen Stellung zum Leben wie bei Keyserling. Wenn in der Sphäre Keyserlings die Gemütskräfte als Schicksalsmächte ausgelöscht und ersetzt werden durch eine besondere Mischung sinnlicher Reizbarkeit mit einer im Ästhetischen würzenden Geistigkeit und der philosophischen Wehmut des Skeptikers, glaubt Emil Strauß an diese Gemütskräfte. Er macht sie in der menschlich und dichterisch gleich anziehenden Novelle „Vorspiel zu Siegern über die bloße Erotik und zu Richtern über Schuld und Sühne.

Ludwig Finckhs krause und weiche Art, die ein wenig an Mörike erinnert, fie alle scheinen wohl durch gemeinsames Schwabentum miteinander verbunden, während Cäsar Flaischlen ein wenig fremd, absichtlich eigenwüchsig und absonderlich neben ihnen erscheint. Die zweite Sammlung von Schweizer Novellen ist weit weniger einheitlich. Man hört die Namen Spitteler, Schaffner, J. V. Widmann, Bernoulli - und hat sofort die Empfindung eines nicht seinem eigentlichen Wesen und seiner wahren Bedeutung nach bodenständigen Künstlertums. Neben ihnen vertreten dann Frey, Ernst Zahn, Rudolf von Tavel, Meinrad Lienert und andere das Schweizerische im engeren Sinn. Es ist eine feine Sammlung, die da zusammengebracht ist, voll Kraft und starker Eigenart. Ihren Höhepunkt bildet die Novelle Das Kind" bon Schaffner, die eine neue und seltsame Sensibilität des Erlebens auf neuen Wegen der sprachlichen Darstellung zu veräußerlichen sucht. Aber auch in den übrigen Beiträgen kommt manches bei uns unbekanntere Talent zu Wort. Eine Einleitung von Anna Fierz bietet eine gute Einführung.

Ein noch unentwickeltes, etwas schwerblütiges Können zeigt der auch in dieser Sammlung vertretene Hermann Kurz in einem im gleichen Verlage erschienenen Roman Fortunatus“ (Preis 2,50 Mark, geb. 3,50 Mark). Erst wenn er aus all dem Gesuchten seiner Motive und seiner Darstellung zu wirklicher Einfachheit den Weg fände, könnte seine nicht gewöhnliche und keineswegs oberflächliche Kunst und eine starke Leidenschaftlichkeit des Lebensgefühls ihm zu geschlossener Leistung helfen.

Em durch religiöse Tiefe und künstlerische Besonderheit merkwürdiges Buch ist,,Die Abendburg" von Bruno Wille. (Eugen Diederichs Verlag, Jena. Preis geb. 6,50 Mark.) Der historische Stoff das Buch spielt im Zur guten Erzählkunst von jener Art, die 17. Jahrhundert und steht im Rahmen des wir als Familienliteratur" zu bezeichnen großen Krieges · wird hier Symbol zur Dar- pflegen Bücher, an deren frischer, harmloser stellung tiefer Fragen des Innenlebens, die eben Darstellung von Begebenheiten und Charakteren an jenem Stoff und in ihrer Verkörperung in man sich ebenso gemeinsam erfreuen kann wie einer Zeit der seltsamen Frrfahrten des Glaubens, an dem liebenswürdigen unkomplizierten Optider Erkenntnis und des Lebens besonders ein- mismus ihrer Weltbetrachtung gehört eine dringlich und gewaltig erscheinen. Ein Simplizius Novellensammlung von Adolf Schmitthenner Simplizissimus, aus modernem Lebensgefühl,,Die sieben Wochentage" und andere Erheraus geschaffen, schreitet hier im Gewande seiner Zeit (das ihm freilich nicht immer ganz angemessen ist) an uns vorüber und enthüllt uns die Lebens- und Weltweisheit, die Bruno Wille schon in so mancher seiner Dichtungen ausgesprochen hat.

Unter landschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt und zusammengestellt sind die Bücher Sieben Schwaben“ und „Unterm Firnelicht", die beide im Verlag von Eugen Salzer erschienen sind (Preis brosch. 2,60 Mark, geb. 3,50 Mark brosch. 3,20 Mark, geb. 4 Mark). Heimatkunst? Das erste ist es mehr als das zweite. Hermann Hesse mit einer seinen, wehmütig-fröhlichen Tübinger Geschichte, Lilienfein mit einer kräftigen historischen Novelle, und dann Wilhelm Schussen, dessen liebenswürdiger Humor die Kleinstaat-Gemütlichkeit, die Schulfreunde wieder zusammenbringt und über die Jahrzehnte hinüber ein Band humorvoll ge= pflegter Schülerinnerungen spannt, anheimelnd wieder gibt, Auguste Supper die übrigens diesmal nicht ihr Bestes beigesteuert hat — Anna Schieber, deren Beitrag um so schöner ist, und

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zählungen (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt 1909). Schmitthenner ist zugleich ein guter Vertreter der historischen Erzählung, für die nach der etwas fanatischen Gegenwartskultur des ́ Naturalismus nun wieder der Geschmack frisch geworden ist. Ihm verwandt, stärker in der Komposition, aber nicht so warm, in den Einzelheiten poesievoll und persönlich, ist der neue Roman von August Sperl: „Richiza“ (Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart und Leipzig). Der Roman zeigt seinen Verfasser auf der gleichen Stufe des Könnens wie Die Söhne des Herrn Budiwoj“ und „Die Fahrt nach der alten Urkunde“ dem beliebtesten Buch Sperls, von dem socben im Verlag von Oskar Beck, München das 10. bis 14. Tausend in schöner Ausstattung erscheint (geb. 2,80 Mark), und das ganz mit Recht als einer der besten Typen der kulturgeschichtlichen Erzählung anerkannt wird. Auf ein ganz anderes Feld begibt sich August Sperl als Herausgeber einer Sammlung von Reflexionen eines Freundes, Christian von Bomhard, unter dem Titel,,Lebensfragen" (im gleichen Verlag, Preis 4,- Mark).

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