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Lange ehe Wagners Liebe zu Mathilde Wejendonck seiner Frau Grund zur Eifersucht gegeben hat, waren die beiden einander zeitweise schon aufs bedenklichste entfremdet, und trop dem, was an jenem Gerede wahres sein mag, sinkt doch vor unseren Augen die Wagschale stark zu Minnas Ungunsten, wenn der Meister ihr schon im Jahre 1850 von Paris aus das Folgende schreiben konnte:

„Liebe Minna! So nenne ich Dich noch trotz der Unterschrift des leßten Briefes, in dem Du Dir für nächstens wieder Dein,Sie ausbatest. (!) Liebe Minnar, so nenne ich Dich in der schweren Stunde, in der ich heute vor Dich hintrete; so nannte ich Dich einst, als noch nicht die schlimmste und unheilbarste Seelenverstimmung zwischen uns eingetreten war.

Deine Briefe haben mich gewaltsam aus einer schönen letzten Täuschung über uns aufgeschreckt: ich glaubte endlich, Dich gewonnen zu haben, ich wähnte Dich der Macht der wahren Liebe gewichen zu sehen und empfand mit fürchterlichem Schmerze mehr als je die unfehlbare Gewißheit, daß wir uns nicht mehr angehören.

Das gänzlich Verschiedene unsers Wesens hat sich zur Pein für mich und namentlich auch Dich, zu jeder Zeit seit wir uns kennen, bald gelinder, bald greller herausgestellt. Nicht ich brauche Dich an die unzähligen Auftritte zu erinnern, die seit den frühesten Zeiten sich zwischen uns ereigneten. . . .

Seit meiner Anstellung in Dresden tritt Deine wachsende Mißstimmung gegen mich genau mit der Zeit und in dem Grade ein, als ich, meinen persönlichen Vorteil vergessend, im Interesse meiner Kunst und meiner künstlerischen wie menschlichen Unabhängigkeit den elenden Direktionsverhältnissen jener Kunstanstalt mich nicht mehr zu fügen vermochte.

Wenn ich von einem neuen Ärger, von einer neuen Kränkung tief verstimmt und erregt nach Hause kam, was spendete mir da mein Weib anstatt des Trostes und erhebender Teilnahme? Vorwürfe, nichts als Vorwürfe.

Was ist alle körperliche Pflege, die Du mir allerdings reichlich angedeihen ließest, gegen die notwendige geistige für einen Menschen von meiner inneren Erregtheit! Entsinnt sich wohl meine Frau, wie sie es einst über sich vermochte, acht Tage lang mich auf dem Krankenbette zu pflegen, kalt und ohne Liebe, weil sie mir eine heftige äußerung vor meiner Erkrankung nicht vergeben konnte ?

Daß Frau Minna der Ansicht gewesen war, ihr Gatte hätte angesichts ihrer gemeinsamen schwierigen Lebenslage in politischen Dingen mehr Zurückhaltung üben und sein überschäumendes Temperament nach dieser Seite hin zügeln sollen, wird ihr niemand verargen; daß sie seinen künstlerischen Fortschritt nicht begriff und immer haben wollte, er solle im Stil des Rienzi weiter komponieren, war ein Unglück für beide, aber bedeutendere und urteilsfähigere Leute als sie haben damals diesen Geschmack vertreten. Das Publikum, das Tannhäuser und Lohengrin würdigen konnte, mußte erst erzogen werden. Viel verhängnisvoller muß uns erscheinen, daß sie in rein menschlicher Hinsicht versagt hat, daß kein Instinkt der Liebe da war, groß genug, um den Mangel geistigen Verstehens auszugleichen. Sie hat geglaubt, ihn zu seinem eigenen Besten zur Vernunft mahnen und bei feinen Pflichten festhalten zu müssen; etwas in ihr hätte sie vor einem allzudreisten Eingreifen in sein innerstes Leben warnen müssen. Wie fährt er auf, wenn sie mißtrauisch an seinen Worten herumdeutet: Ach Gott, lest nur nichts hinter meinen Zeilen, was nicht drin steht." "Bei dir scheint der Glaube nicht sehr tief. zu stecken, und oft muß ich dir Erklärungen geben, die lieber unterblieben." (Bd. I S. 159.)

Am traurigsten ist diese geistige und seelische Unzulänglichkeit bei Gelegenheit der schwersten über Minna verhängten Prüfung, Mathilde Wesendonck gegenüber, hervorgetreten.

Das Ehepaar Wesendonck, beide große Bewunderer der Wagnerschen Musik und Kunstrichtung, hatten sich auf einer der Höhen am Züricher See eine herrliche Besitzung angelegt und dem viel umhergetriebenen, sehnlichst nach Ruhe verlangenden Meister ein kleines Gartenhaus als Asyl überlassen. Dort begann er in glücklichster Stimmung seinen Tristan, wie er an Liszt schrieb, um der echten, „großen“ Liebe, die er im Leben nicht kennen gelernt habe, ein künstlerisches Denkmal zu sezen. Die Freude dauerte nicht lange. Das durch die Kunst geschaffene herzliche Einverständnis zwischen Wagner und der feinsinnigen Gattin seines Wohltäters und Freundes vertiefte sich zu einer Jnnigkeit, die den Meister unendlich beglückte, Frau Minna dagegen aufs höchste erregte und erbitterte. Seine Beteuerungen, daß Mathilde ihrem Gatten nichts verheimliche und daß auch er der Ehre Wesendoncks eingedenk sei, seine flehentlichen Bitten, die eigentümliche, delikate Situation zu schonen, in der sie sich alle vier durch Schicksalsfügung nun einmal augenblicklich befänden, blieben ohne Erfolg: Minna brüskierte Frau Wesendonck in einer Weise, daß nichts anderes übrig blieb als schnellster Abbruch aller Beziehungen. Außer sich vor Schmerz und ohne Abschied von Mathilde eilte Wagner von Zürich fort, zunächst nach Genf, von dort zu längerem Aufenthalt nach Venedig, wo er sein großes Werk, das opus metaphysicum, wie Nießsche es genannt hat, zu Ende komponierte.

Es dürfte wenig ergreifendere Offenbarungen seelischen Leidens und verzweifelten Emporringens geben als die Briefe, die Wagner in diesen Monaten einerseits an seine Frau, andererseits an Mathilde Wesendonck gerichtet hat. Die Verschiedenartigkeit des Inhalts läßt erkennen, was jede der beiden Frauen für ihn gewesen ist, und abermals können wir, bei allem Mitgefühl für die in ihren Rechten wirklich oder vermeintlich gekränkte Gattin, nicht umhin, den großen Künstler aufs tiefste zu beklagen, daß ihm das oft und leidenschaftlich ersehnte Glück, die volle seelische Hingebung einer hochgesinnten und geistesverwandten Frau, so schön und beseligend nahegebracht und dann plöglich wieder jählings entrissen wurde.

Im nächsten Jahre hat Wagner von Luzern aus auf Einladung Otto Wesendoncks einen kurzen Besuch in dessen Hause gemacht, in der ausgesprochenen Absicht, den entstandenen Gerüchten entgegenzutreten; dann hat er Mathilde nur noch einmal in Venedig getroffen, 1862, einige Zeit bevor das Ehepaar die Geburt seines letzten Kindes erwartete. Das war das Ende.

Um sich aus dem ihm unerträglichen Wanderleben zu retten, gründete Wagner abermals eine Häuslichkeit in Paris und bat Minna wieder zu sich. Die Vereinigung, so gut er alles gemeint hatte und so vorsorglich er ihre neue Zufluchtsstätte eingerichtet zu haben glaubte, geriet ihnen wieder nicht zum Segen. Nach zwei Jahren sehen wir ihn in Biebrich an seinen „Meistersingern" arbeitend, Minna in Dresden. In den Briefen wiederholt sich der alte Kampf, die alte Müh" dazwischen die alte Herzlichkeit, die alten Bitten, Minna solle sich nur ja alles gönnen, was ihr Herz begehre, er werde die Mittel schon herbeischaffen; die alten Hoffnungen auf Frieden in späterer Zeit. Einmal aber, aufgebracht durch ihr ewiges Mißtrauen, führt er einen Verteidigungsschlag, der sie viel härter trifft als alles Berufen auf sein Künstlertum, und der mehr als irgend etwas anderes dazu beiträgt, daß uns Minna klein und seiner unwürdig erscheint: er erinnert sie

daran, daß sie ihrerseits ihm in den ersten Monaten ihrer Ehe, während er allerdings von Schulden bedrückt war und beide den Sommer ohne Gagen vor sich sahen, davongelaufen" ist und zwar unter dem Einflusse eines in wohl= geordneten, reichlichen Verhältnissen lebenden" anderen Mannes! Der mit seiner Misere und seiner verliebten Eifersucht so schmählich allein Gelassene hat der unbesonnenen und offenbar bald reuigen Gattin damals von Herzen verziehen; sie hat die flüchtige Untreue auch tausendmal wieder gutgemacht. Aber es will uns doch bedünken, die bloße Erinnerung daran hätte es ihr unmöglich machen müssen, so schonungslos an seine tiefe Herzenswunde zu rühren, wie sie es trotz seiner Beschwörungen, das Vergangene ruhen zu lassen, immer wieder und wieder getan hat.

Und noch eines: die beiden Bände enthalten nur die Briefe des Meisters, nicht die ihrigen, und kein Vorwort klärt uns darüber auf, warum Minna nicht auch zu Worte kommt. Selbstverständlich befindet sie sich dadurch in schwerem Nachteil. Eine Stelle in einem der Briefe ist jedoch geeignet, uns in dem natürlichen Wunsche, um der Gerechtigkeit willen auch die altera pars zu hören, vorsichtig zu stimmen; Wagner schreibt einmal: „Wer Briefe von Dir bei mir vorfinden wird, wird darin geschrieben lesen, daß meine Frau mich und mein Betragen gegen sie herzlos und gemein' nennt. So wird denn dies wohl auch in meine Biographie kommen. Das kann ich nun nicht ändern." Vielleicht ist es besser, wir gestalten uns Minnas Bild nach den freundlichen Zügen, die der Meister selbst in Stunden kameradschaftlicher Heiterkeit oder versöhnlicher Weichheit von ihr entwirft. Und er hat doch noch in der allerlegten Zeit schreiben können: Wirklich, Minna, ich habe Dich lieb!"

Minnas körperliche Leiden steigerten sich durch die anhaltenden Aufregungen in außerordentlichem Maße. Selbstverständlich war ihre krankhafte Disposition auch wiederum die Ursache ihrer Unfähigkeit, der inneren und äußeren Drangsale Herr zu werden, ja bis zu einem gewissen Grade auch der eigentliche Grund ihrer Sehnsucht nach einer angenehmen, sorglosen, nicht allzu ungewöhnlichen Existenz. Sie erlag im Jahre 1866. Um dieser Herz- und Nervenschwäche willen dürfen wir auch nicht mit ihrer geschäftlichen Hilflosigkeit ins Gericht gehen, mit ihrer Unfähigkeit, dem Gatten auch nur die kleinste Sorge abzunehmen, ihn durch den kleinsten eigenen Erwerb zu unterstützen, ebensowenig wie er selbst ihr jemals einen Vorwurf daraus gemacht hat. Es wirkt beklemmend auf uns Heutige, wenn wir lesen, daß er ihr einmal eine Summe schickt und dazu schreibt: „Frage nicht, wie ich es anfange; kann die Frau nichts dazu beitragen, so sollte sie auch eigentlich von den Lasten des Mannes gar nicht viel wissen“, und wir möchten uns darüber freuen, daß ein andersdenkendes Geschlecht heranwächst.

Wenn wir uns die drei Frauen vorstellen, die in Wagners Leben bedeutsam eingegriffen haben, Minna, Mathilde Wesendonck und Cosima von Bülow, so ergibt sich uns eine eigentümliche Konfiguration. Kein Zweifel, er hat das Weib seiner Jugend wahrhaft geliebt, mit dem ganzen Feuer einer ersten Leidenschaft, später mit dem ruhigen Tiefgang, der seiner Seele wohltuend war, während sie mit der stürmischen Empfängnis seiner neuen künstlerischen Ideen und mit

deren kühner Ausgestaltung beschäftigt war. Auf der sicheren Höhe seines Schaffens trat ihm dann die zarte Frau entgegen, deren ganzes Wesen unter dem gewaltigen Eindruck seiner Schöpfungen erbebte - für ihn eine hinreißende Erfahrung. Im Verkehr mit ihr, dem eine Umgebung von Reichtum und feiner Bildung noch besonderen Reiz verliehen haben mag, sprangen neue tiefe Quellen seines Innern auf. In wundervollen Briefen breitet er eine Fülle weltumfassender Empfindung vor ihr aus, die weder seine Frau noch einer der Freunde wachzurufen vermocht hat. Auf Grund dieser Briefe hat Rosa Mayreder in ihrer geistvollen Kritik der Weiblichkeit" Wagner ein erotisches Genie genannt und als solches neben Goethe gestellt.

Mathilde Wesendonck hat nicht daran gedacht, sich um Wagners willen von den Ihrigen zu trennen; und er, das lehrt uns unser zweiter Band, ist hernach im Zusammenleben mit Minna auch wieder zeitweise ganz zufrieden gewesen. Seine Schöpferkraft erscheint fast unabhängig vom Glück oder Leid ist es, was er vor allem braucht!

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Ruhe, Rube

Das größte Erlebnis blieb ihm aufgehoben für die Zeit, wo diese beiden Gestalten nur noch als Erinnerung in seinem Herzen lebten. Über diesen lezten, unter tragischer Zerstörung eines andern Menschenglückes geschlossenen Liebesbund wissen wir begreiflicherweise heute noch wenig. Wir dürfen nur vielleicht an= nehmen, daß er in dem leidenschaftlichen Jubel-Hymnus zwischen Siegfried und Brünnhilde anklingt. Der streitbare Held und das heroische Weib haben sich gefunden und erkennen sich als einer des andern würdig und von Ewigkeit her für einander bestimmt.

Der Meister hat es im Leben erfahren, daß mit den Worten seines Wotan: "Unheilig acht ich den Bund, der Unliebende eint" für weniger elementare Verhältnisse als sie in der Hundingshütte herrschten, eigentlich noch wenig gesagt ist. Daß Liebe über Unliebe" siegen sollte, wird jeder fühlende Mensch verlangen. Die wirklichen Konflikte liegen da, wo in einem Herzen eine Liebe mit der andern streitet; die eine vielleicht durch die Leidenschaft befeuert, die andere durch Gewohnheit, Dankbarkeit und Pflichtbewußtsein gestählt. Jeder Sieg, sowohl nach der einen, wie nach der andern Seite hin, kann unheilbare Verwundung, ja den Tod bedeuten. Und nur wer Herzblut fließen sehen kann, ohne dabei schwach zu werden, oder wen ein übermächtiges Schicksal an der Hand führt, der schreitet unbeirrt voran und steht aufrechten Hauptes am Ziel.

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Die Umbildungen des Frauentypus in der Literatur des 19. Jahrhunderts.

Bon

Margarete Treuge.

D

Nachbruc verboten.

I. Die Frau in der Romantik.

ie geistige Bewegung um die Wende des achtzehnten Jahrhunderts, die wir mit dem Namen Romantik bezeichnen, und die auf allen Gebieten mit Hervorkehrung ihrer Sonderart einsette, erstreckte ihr neues, originelles und interessantes Begreifen der Welt, die Umbildung der Werte auch auf das bestehende Frauenideal in Leben und Dichtung. Gerade hier konnte sich die romantische Weltanschauung darin äußern, daß sie das scheinbar Feststehende ins Problem erhob, so daß das glänzende Farbenspiel ihrer Kunst in unzähligen Beleuchtungsmöglichkeiten wechselte.

In einem Aufsatz der romantischen Zeitschrift Athenäum" spricht Friedrich Schlegel den Gedanken aus, daß die Behandlung der Frauen in der Poesie eine andere als bisher werden müsse: er verkündet die bewußte Schaffung eines neuen literarischen Frauentypus. Auf der Grenzscheide der beiden Jahrhunderte, im Jahre 1800, erschien desselben Verfassers Roman Lucinde. Die führende Stellung des Schriftstellers in der romantischen Schule, die Entrüstung auf der einen Seite, die begeisterte Zustimmung auf der anderen könnten den Roman als entscheidenden Ausdruck für die romantische Auffassung der Frau erscheinen lassen. Eine derartige Beurteilung der Titelheldin und ein Ableiten der romantischen Theorie aus diesem Roman ist indessen schon deshalb nicht unbedingt angängig, weil er bereits bei seinem Erscheinen durch die Freunde abgelehnt und mit befremdeter Beklommenheit von ihnen aufgenommen wurde. Seine Plumpheit in Stil und Inhalt machte ihn zur Ausdrucksform der Romantik ungeeignet. Sehr bezeichnend ist es indessen, daß die darauf folgende Schule des jungen Deutschland, die als vergröbertes und verzerrtes Nachbild der Romantik mit den verfeinerten, nuancierten Produkten romantischen Geistes nichts anzufangen verstand, den Roman Lucinde zur Grundlage ihrer eigenen Theorie machte. Friedrich Schlegels Forderung der Verantwortungslosigkeit und des zügellosen Genusses auch als Recht der Frau wies nicht nur hin auf den Ruf des jungen Deutschland nach einer „Emanzipation des Fleisches". Sie zeigte auch rückwärts in die Epoche des Sturms und Dranges", die, von derselben Devise geleitet, in Heinses Ardinghello die berüchtigtste Verherrlichung geschlechtlicher Freiheit und der Herrschaft des Triebs gefunden hatte. So muß Schlegels Lucinde als das bezeichnende übergangswerk von Altem zu Neuem gewürdigt werden. Alte - heute würden wir sagen schlechte Roman

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