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Frauen mitzureißen. Frau Bieber hat um eine solche Massenbewegung gerungen. Sie erreichte sie, indem sie die Aufnahme der Sittlichkeitsfrage in das Programm des Bundes deutscher Frauenvereine durchsetzte.

Frau Bieber, die mit Jeannette Schwerin in enger Verbindung stand, hatte in der ersten Zeit ihrer Tätigkeit dem Vorstand des Berliner Vereins Frauenwohl angehört, löste aber später die Verbindung mit diesem Verein. Sie war ferner

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ein eifriges Mitglied der Gesellschaft für ethische Kultur und leitete als Vorsitzende den von ihr gegründeten Verein Jugendschuß, der nicht nur durch propagandistische Tätigkeit für eine höhere Sittlichkeit eintrat, sondern durch praktische soziale Einrichtungen die Jugend vor Gefahren und Versuchungen zu schützen suchte.

Durch die Aufnahme der Sittlichkeitsfrage in das Programm des Bundes deutscher Frauenvereine war für ihre Bestrebungen ein guter Resonanzboden ge= wonnen. So breit und so tragkräftig, daß ihr bald genug aus den Reihen der

Mitarbeiterinnen auf ihrem eigensten Gebiet Opposition erwuchs. Es waren die Gedanken, die von der Internationalen Abolitionistischen Föderation vertreten werden, die am Ende der neunziger Jahre in Deutschland schnell Anhänger gewannen und zur Gründung von zahlreichen Zweigvereinen der Föderation führten, in denen Frau Bieber einen Gegensatz zu ihren Idealen zu erblicken glaubte. Der Konflikt, der damals begann, in dem Frau Bieber auf der einen, Fräulein Papprig auf der anderen Seite die leitende Stellung einnahm, führte innerhalb des Bundes zu einem Sieg der Föderationsgedanken, mit denen Frau Bieber sich nicht abfinden konnte. Wohl stimmten beide Richtungen darin überein, daß die staatliche Reglementierung der Prostitution zu bekämpfen sei. Der prinzipielle Unterschied aber lag darin, daß Frau Bieber Bestrafung der gewerbsmäßigen Unzucht und Anzeigepflicht der Ärzte forderte, während die Föderation nur Bestrafung solcher Manifestationen der Unzucht fordert, welche die Sittlichkeit anderer gefährden oder beeinträchtigen (also öffentliche Aufforderung zur Ausschweifung, Kuppelei, Mißbrauch Minderjähriger usw.). Frau Bieber hielt diese Richtung für verderblich; denn sie war überzeugt, daß sie nicht der Sittlichkeit, sondern einer größeren Larheit dienen würde. Wer ihr damals nahe stand und zu vermitteln versuchte, weiß, wie schwer sie an diesem Gegensatz getragen hat. Sie war überzeugt davon, daß das übel nicht ohne Strafandrohung und Strafe zu beseitigen sei, und die Aufhebung der Reglementierung, wie sie von der Föderation gefordert wurde, erschien ihr nur als eine negative Maßregel, der positive zur Seite gesetzt werden müßten. Daß diese ihre positiven Vorschläge wenig Zustimmung fanden, hat sie tief geschmerzt und es ist wohl die Ursache dafür gewesen, daß sie sich in den letzten zehn Jahren mehr und mehr von aller öffentlichen Agitation zurückzog und sich fast ausschließlich praktischer sozialer Hilfsarbeit im Rahmen des Vereins Jugendschutz zuwandte.

Durch ihre Jugendschutzheime, durch die Errichtung eines Kinderhortes im Zentrum Berlins, durch ein alkoholfreies Erholungsheim in Neu-Zelle hat sie versucht, die Gefahren und Versuchungen zu verringern, die die großstädtische Jugend bedrohen. Mit großer Energie hat sie auch an der Bekämpfung der Trinksitten mitgearbeitet. Der Alkoholgenuß bedeutete ihr nicht nur eine Gefahr für die besiglosen Schichten des Volkes, die dadurch zu Trunkenheit und Trunksucht verleitet werden. Auch der Zügellosigkeit, die in den besitzenden Schichten durch diese Unsitten entwickelt wird, und die wie nichts anderes die Sittlichkeit bedroht, galt ihr Kampf. Aber so wertvoll auch diese ihre praktische und propagandistische Tätigkeit war, so lag der Schwerpunkt ihrer Wirksamkeit doch in den großen Ideen, die sie verbreitete. Sie war es auch, die die Gründung des Bundes Ethos" veranlaßte, einer Organisation, die die neuen Sittlichkeitsideale durch die männliche Jugend verwirklichen wollte.

Die deutsche Frauenbewegung aber verdankt Frau Bieber noch, abgesehen von ihrem Eintreten für die Sittlichkeitsbewegung, eine andere bedeutende Tat: nämlich die Gründung des Bundes deutscher Frauenvereine, an der Frau Bieber in erster Linie mit beteiligt war. Hanna Bieber-Boehm war es neben Auguste Förster und Anna Simson, die von der Weltausstellung in Chikago, wo sie zuerst den International Council of Women und den National Council of Women of the United States fennen lernten, die Idee eines Zusammenschlusses der gesamten deutschen Frauenbewegung zurückbrachte und die Gründung des Bundes Deutscher

Frauenvereine im März 1894 herbeiführte. Wer sich darüber klar ist, welchen außerordentlichen Fortschritt die deutsche Frauenbewegung durch diesen Zusammenschluß genommen hat, wie viel jede Einzelne persönlich dem Zusammenarbeiten mit den Gesinnungsgenossinnen verdankt und wie dieser Zusammenschluß die Initiative jedes einzelnen Vereins belebt hat, wird der Frau, die so stark an dieser Bewegung mitgearbeitet hat, und dem Bund jahrelang als Vorstandsmitglied und Schriftführerin angehörte, ein dankbares Gedenken bewahren.

Bei Persönlichkeiten, deren ganzes Leben mit der Arbeit, mit dem Wirken für eine Idee identifiziert ist, bedeutet jede Würdigung ihrer Lebensarbeit auch eine Würdigung der Persönlichkeit. Und doch würde ein ganz charakteristischer Zug in dieser Skizze fehlen, wenn nicht ein Wort über das persönliche Leben, über die persönlich-menschlichen Beziehungen Hanna Bieber-Boehms gesagt würde: über ihre Ehe. Als ich mich vor fast zwei Jahrzehnten der Frauenbewegung anschloß, war noch in weiten Kreisen die Anschauung verbreitet, daß die Führerinnen jener Emanzipationsbewegung Haus- und Familienpflichten aufs gröblichste vernachlässigten, daß sie einen Kampf gegen den Mann“ führten. Daß sie statt dessen eine reine, höhere Form des Zusammenlebens von Mann und Frau anstrebten, daß die Frauenbewegung auch für das Familienleben eine Kulturbewegung werden sollte, das trat mir zum erstenmal in jenem Kreis entgegen, der sowohl in der ethischen Bewegung wie in der Frauenbewegung eine führende Rolle spielte. In dem Bieberschen Hause fanden wir Jüngeren ein Eheideal verwirklicht. Hier arbeiteten Mann und Frau gemeinsam für große Aufgaben. Hier bedeutete Liebe zugleich Kameradschaft, Vertrauen und gegenseitige Schätzung. Hier wurde uns ein Ziel gezeigt, dem wir für unser ganzes Geschlecht zustreben wollten. Dieser große und reine Eindruck hat vielen von uns Jüngeren damals die Kraft und den Mut gegeben, in der Frauenbewegung mitzuarbeiten. Das werden wir niemals vergessen!

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nsere Kenntnis vom Leben Giorgiones beruht auf ganz wenig Daten. 1477 oder 78 ist der Künstler, der hauptsächlich in Venedig gelebt hat, geboren, 1510 war er nicht mehr am Leben. Einer Pestepidemie ist er zum Opfer gefallen. Nimmt man dazu die urkundlich gesicherten Entstehungsdaten seiner Fresken am Fondaco degli Tedeschi in Venedig 1508 und des im Staatsauftrag entstandenen Gemäldes im Dogenpalast — Giorgione erhielt dafür Zahlungen im August 1507 und im Januar 1508, so ist alles genannt, was sich dokumentarisch belegen läßt. Schon die Jahreszahl 1504 für den Altar von Castelfranco beruht nur auf einem Wahrscheinlichkeitsschluß. Es ist denn auch kein Wunder, daß die Phantasie dieses dürftige Gerippe mit einem üppigen Rankenwerk im Laufe der Jahrhunderte übersponnen hat. Schon der Name gab Anlaß dazu. Vasari leitet den Namen „Giorgione" (den Großen, Starken) ab einmal aus der ,,grandezza

dell' animo", dann aus der „,fattezza della persona“. Die Annahme, daß Giorgione seiner übermäßigen Leibesfülle diesen Spitznamen verdankt, paßt schlecht zu unserer Vorstellung vom verwöhnten Liebling der venezianischen Gesellschaft, vom Maler stimmungsvoller Bilder. Sie ist aber gar nicht zwingend. Bei Marc Antonio Michiel, einem vornehmen Venezianer, der um 1530 Aufzeichnungen über Kunstwerke im Privatbesitz in Venedig und auf der Terra ferma gemacht hat, heißt der Künstler Giorgio, d. h. in venezianischer Dialektform Zorzo oder Zorzi. In einer Urkunde, die heute verschollen ist und vielleicht nicht einmal echt war, unterschreibt er sich selbst Zorzon. Bei späteren Schriftstellern heißt er Giorgione, wird sich also wohl selbst so genannt haben. In einer Urkunde aus dem Jahre 1460 wird ein,,Johannes dictus Zorzonus de Vitellaco cive et habitatore Castri Franchi" genannt. Durch diesen Bürger aus Castelfranco, namens Giorgione, der aus Vedelago, einem Flecken bei Castelfranco, stammt, ist der Beweis erbracht, da auch unser Maler nach einer von Ridolfi überlieferten Tradition aus Vedelago gebürtig ist, daß er seinen Namen einer in seiner Heimat üblichen Namensform dankt.

Nicht stichhaltiger ist die auf einer falschen Lesart beruhende Annahme, daß Giorgione ein Kind der Liebe sei, gezeugt von einem vornehmen Herrn aus der Familie Barbarella und einem Bauernmädchen aus Vedelago. Es läßt sich nachweisen, daß Giorgione Beziehungen zu den Barbarellas nicht hatte; jener um 1460 erwähnte Giorgione aus Vedelago wird vielleicht sein Vater oder Großvater gewesen sein. Der luftige Bau der Hypothesen stürzt zusammen, übrig bleibt eine Persönlichkeit, deren Bild nur aus ihrem Werk zu rekonstruieren möglich ist. Zum äußeren Rahmen wäre zu ergänzen die von Vasari betonte musikalische Begabung Giorgiones, seine gesellschaftlichen Talente, seine Erfolge bei schönen Frauen: ,,dilettossi continuamente delle cose d'amore."

Und wie verhält es sich, wenn wir sein Werk prüfen? Was ist hier gesicherte Überlieferung, was Hypothese? Die Zahl der sicheren Arbeiten Giorgiones, die von zeitgenössischen Schriftstellern genannt werden und sich identifizieren lassen, ist nicht eben groß:

der Altar in Castelfranco,

die Venus in Dresden,

die sogenannten drei Philosophen in Wien,

die sogenannte Familie des Giorgione im Palazzo Giovanelli in Venedig. Dazu gefellt sich das urkundlich gesicherte Werk Giorgiones am Fondaco degli Tedeschi in Venedig. Dieses Fresko ist untergegangen, doch können wir es an Hand von Beschreibungen rekonstruieren und uns dank dreier Kupferstiche von Zanetti eine Vorstellung von einzelnen Figuren machen.

Um diesen festen Kern baut Ludwig Justi1) das Werk des Künstlers auf und entwirft ein Bild der Tendenzen der venezianischen Malerei um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts. Durch Etilkritik und Interpretation der Dokumente ist es ihm gelungen, Giorgiones Deuvre aufzubaueu von frühen stammelnden Versuchen bis zu jener reifen Meisterschaft, die der allzufrüh Verstorbene erreicht hat. Justi verwahrt sich ausdrücklich dagegen, daß er darauf ausgegangen sei, Giorgione zu entdecken. Ich bin nicht herumgereist, um möglichst viel Giorgiones zu finden, sondern um mir über die Kunst Tizians und ihre Grundlagen klar zu werden. Dabei kam gegen mein Erwarten Giorgiones Figur so heraus, daß ich beschloß, dies Buch zu schreiben."

Das Buch ist nicht so revolutionär, wie es im ersten Augenblick den Anschein hat. Der Verfasser prüft die überlieferten Quellen auf ihre Glaubwürdigkeit, operiert vielleicht etwas stark mit der Überlieferung des 17. Jahrhunderts — erhaltenen Inventarbenennungen, obgleich er betont, daß sie ihm nicht als „Beweis", sondern nur als Bestätigung“ seiner Attributionen dienen und kommt dazu, das Werturteil, das Vasari über Giorgione gefällt hat, zu bestätigen.

1) Giorgione von Ludwig Justi. 2 Bde. 1908. Verlegt bei Julius Bard, Berlin.

Von den neueren Forschern, die sich mit Giorgione beschäftigt haben, seien nur genannt: Crowe und Cavalcaselle, Morelli, Berenson und Herbert Cook. Mußten Crowe und Cavalcaselle und Morelli Giorgiones Bild von der Fülle falscher Zuweisungen reinigen - Crowe und Cavalcaselle hatten nicht weniger als etwa 130 Bilder an seine Schüler, Nachahmer und ihm ganz fernstehende Maler aufzuteilen, und gingen sie in der Säuberung so weit, daß sie dem Künstler manches wertvolle, durch Stilkritik und Tradition verbürgte Bild genommen haben, so war Berensons und Cooks Arbeit aufbauender Art. Den von Cook geschaffenen Giorgione akzeptiert Justi im wesentlichen, weiß aber seine Zuschreibungen überzeugender als Cook zu stützen. Haben Crowe und Cavalcaselle nur 11 Giorgiones als echt anerkannt und 4 als fraglich, so weist Justis Liste die stattliche Zahl von 33 Nummern auf. Darunter stimmen 14 mit Morelli überein und werden im allgemeinen kaum angezweifelt.

Es würde den Rahmen dieser Abhandlung weit überschreiten, wenn auf die Zuschreibung jedes einzelnen Bildes eingegangen würde. Es mögen sich manche Fremdlinge unter den Früh- und Spätarbeiten ins Deuvre eingeschlichen haben, doch ist dies nicht von fundamentaler Bedeutung. Im großen ganzen ist Justis Aufbau fest in sich gefügt. Die Auffindung von Giorgiones Selbstbildnis in Braunschweig, die Zuweisung der Adultera vor Christus in Glasgow, der Nachweis, daß das Urteil Salomos in Kingston Lacy identisch ist mit dem als verschollen beklagten Bilde, das Giorgione im Staatsauftrag geschaffen hat, sind wohl die glücklichsten Ergebnisse des Buches.

Justi unterscheidet sich in der Auffaffung Giorgiones von Morelli in der Hauptsache darin, daß, während für Morelli Giorgione der befangene Quattrocentist bleibt, Justi an den letzten Werken Giorgiones, an den im Stich erhaltenen Fresken vom Fondaco degli Tedeschi, den Umschwung in die reise Kunst des 16. Jahrhunderts nachweisen kann. Nicht allein verträumte, musikalische Stimmung, ein nur scheues Besizergreifen der Erde auch volles, sonores Pathos, der große Gestus des Cinquecento, die weit ausladende, feierliche Geberde, die Freude am Kontrapost, das Arbeiten in Massen, die reiche Bildfüllung sind für Giorgione charakteristisch. Er bildet den Übergang zwischen der Kunst Giovanni Bellinis, aus dessen Schule er hervorgeht, und dem reifen Können Tizians, der sich an ihm geschult hat. Übersieht man Giorgiones cinquecentistische Note, so verschließt man sich den Zugang zu Tizian; er wird zu einer losgelösten Erscheinung, während er ein fest verankertes Glied ist in der Entwicklung der venezianischen Malerei.

Justis Buch umfaßt zwei Bände. Der erste Band enthält den Text, der zweite die auf Giorgione bezüglichen Dokumente, das gesamte Abbildungsmaterial, das fast lückenlos ist und Notizen über Farben und Zustand der Bilder. Die Reproduktionen 70 präsentieren sich mit einem leisen Stich ins Grünliche auf bräunlichem Karton aufgeklebt sehr geschmackvoll. Sie sind aber wenig scharf und für wissenschaftliche Beurteilung und Vergleichung oft durchaus unzulänglich. Auch ist nicht zu begreifen, weshalb sie um so viel kleiner sind als das Format des Bandes (21 x 27 cm).

Justi gliedert seinen Stoff in drei Hauptkapitel. Im ersten untersucht er die bereits genannten gesicherten Werke Giorgiones. Das Wiener Bild und der Castelfranco Altar, um 1503 oder 04, sind in ihrer Auffassung und Formensprache dem Quattrocento, auf deffen Boden sie erwachsen sind, noch ziemlich nahe. Sie leiten über zum Giovanelli-Bild, das in der Freiheit der Bewegung florentinische Tendenzen zeigt. Die schlafende Venus in Dresden, die schönste unter den vielen ruhenden Venus-Darstellungen auf venezianischem und außervenezianischem Gebiet, hat den Boden des 15. Jahrhunderts verlassen. Sie zeigt den Künstler im Vollbesitz seiner Mittel und Schaffenskraft. Etwa im gleichen Jahre die Fresken am Fondaco degli Tedeschi. Hier der cinquecentistisch freie Reichtum der Bewegungen. Das schüchtern Befangene, das Herbgeschlossene des 15. Jahrhunderts ist überwunden, Freude am Kontrapost, an reichen überschneidungen herrscht vor. Die

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