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* Eine Eingabe für die Errichtung von Kaufmannskammern haben auch die beiden großen Verbände der weiblichen kaufmännischen Angestellten an den Reichstag bezw. das Reichsamt des Innern und den Bundesrat gerichtet. Gegenüber der Eingabe der deutsch-nationalen Handelsgehilfen, durch welche die Frauen vom Wahlrecht zu diesen Kammern ausgeschlossen berden sollen, verlangen diese Petitionen selbst verständlich die Gleichberechtigung der weiblichen Angestellten.

* Das aktive und passive Wahlrecht für die Landwirtschaftskammern ist den Frauen in Württemberg durch eine Entscheidung des Abgeordnetenhauses vom 27. April gewährt worden.

* Die vollberechtigte Beteiligung der Frauen an der öffentlichen Armenpflege wurde von dem Anhalter Landtag zufolge eines von der Regierung eingebrachten Antrags beschlossen.

* Tie Wählbarkeit der Frauen für die Gewerbegerichte ist in Genf eingeführt worden.

* Das kirchliche Frauenstimmrecht ist durch eine Abstimmung vom 27. April in den protestantischen Gemeinden von Genf eingeführt worden. Allerdings nur das aktive Wahlrecht. In einer Versammlung von 3500 Wählern stimmten mehr als drei Viertel dafür.

* Das Kommunalwahlrecht für Frauen in Norwegen. Nach einstimmigem Vorschlag des Konstitutionsausschusses hat das Odelsthing kürzlich mit mit 71 gegen 10 Stimmen beschlossen, das kommunale Wahlrecht auf sämt liche Frauen, die norwegische Staatsbürger, 25 Jahre alt und nicht bestraft sind, keine Armenunterstützung erhalten und zwei Jahre in der Gemeinde gewohnt haben, auszudehnen. gilt also demnach für Franen dasselbe kommunale Wahlrecht wie für Männer. Bis jetzt war das Wahlrecht der Frauen noch an eine SteuerLeistung geknüpft.

Verschiedenes.

Es

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*In den Vorstand des bayrischen Landesausschusses der fortschrittlichen Volkspartei ist Frl. Ika Freudenberg gewählt worden.

* Die Hochschäßung der Frauen bei der bayrischen Volksvertretung erhellt aus folgendem Pröbchen aus der Wahlrechtsdebatte im bayrischen Landtag, das wir dem Fränkischen Kurier vom 6. Mai (Nr. 228) entnehmen.

Abgeordneter Bech (Freie Vereinigung): Sollen denn bei Einführung des Proporzes die Frauen auch das Stimmrecht erhalten, wie jezt angestrebt wird? Nach unserer Meinung kann davon keine Rede sein. Wir wollen doch ein mündiges Volk sein. (Große Heiterkeit.) Die Frauen wollen nicht wählen, sondern sie wollen freien und sich freien lassen. (Erneute stürmische Heiterkeit.) Wenn aber die Frauen gewählt werden, wie sollen dann die Verhältniswahlen aussehen? (Abgeordneter Dr. Casselmann, lib.: "Jeder Wähler wählt sein eigenes Verhältnis!” Schallende Heiterkeit.)

* Die Zulassung von Frauen zur Académie Française ist in einer Begrüßzungsrede beim Empfang René Doumics als neues Mitglied von Emilie Faguet empfohlen worden. Bei dieser Gelegenheit sprach er von Madame de Sévigné und bedauerte, daß diese große Meisterin des Stils nicht Mitglied der Akademie gewesen sei, ,,kraft einer meines Erachtens höchst bedauerlichen Vorschrift, die Personen weiblichen Geschlechts von den akademischen Ehren ausschließt.“

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VERSAMMLUNGEN und VEREINE

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Im Mai sind eine große Anzahl von Kongressen der verschiedensten Organisationen gewesen. In den ersten Tagen des Mai hatte der schlesische Frauenverband seine Generalversammlung in Gleiwit. Die Berichte zeigten, daß die ihm angehörenden Vereine eine rege Tätigkeit vor allem in den verschiedenen Gebieten sozialer und kommunaler Arbeit entfaltet haben. Die Vorträge behandelten vor allem Fragen der Kommunalpolitik: das Gemeindebestimmungsrecht, das Gemeindewahlrecht der Frauen, die Mitarbeit der Frauen in kommunalen Ehrenämtern. Bei einer anschließenden Tagung des schlesischen Vereins für Frauenstimmrecht wurde die Gleichberechtigung der Frauen in den beruf lichen Interessenvertretungen als Hauptarbeit der kommenden Geschäftsperiode angenommen. Der schlesische Verband für Frauenstimmrecht hat in ähnlicher Weise wie die Ortsgruppe Frankfurt des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins Gemeindewahlrechtsarbeit auf dem Lande getrieben, d. h. in 300 Dörfern die Frauen zur Ausübung ihres Wahlrechtes angeregt. Wo diese Anregung durch persönliche Einwirkung unterstützt wurde, haben sich 80-100 Prozent der Frauen an der Wahl beteiligt.

Gleichzeitig tagte der Frauenverband der Broving Sachsen in Magdeburg. Auch hier liegt die Hauptarbeit auf dem Gebiete der kommunalen und sozialen Wohlfahrtspflege: die Errichtung von Wanderkochkursen, Volks- und Kinderlesehallen soll in Angriff genommen, die gleichberechtigte Beteiligung der Frauen an Armen- und Waisenpflege erstrebt werden. Die Versammlung beschäftigte sich ferner mit der weiblichen Gewerbeinspektion, der Gesindeordnung, der Reichsversicherungsordnung.

Der Rheinisch. Westfälische Frauenverband, der in Essen am 6. und 7. Mai tagte, hatte die Berufsorganisation der Frauen in den Mittelpunkt seiner Verhandlungen gestellt. Vertreterinnen der verschiedenen Organisationen sprachen über ihre Vereine und deren Aufgaben. Den Schluß bildeten Vorträge von Dr. Elisabeth Altmann-Gottheiner über die Frau und die gesetz liche Interessenvertretung und Dr. Alice Salomon über Arbeiterinnen". Gemeindewahlrecht und Gemeindebestimmungsrecht bildeten einen zweiten Hauptteil der Tagung.

Der Verein Frauenbildung-Frauenstudium hielt seine Generalversammlung am 6. und 7. Mai in Rudolstadt. Es wurde die Frage der Fortbildungsschule und der Ausbildung der Handelslehrerin besprochen. Professor Wychgram

unterzog in einer öffentlichen Versammlung die preußische und sächsische Mädchenschulreform einer Kritik und Dr. jur. Alix Westerkamp sprach über Jugendgerichte. Der Verein unterstützt verschiedene Mädchengymnasien sowie die kolonialfrauenschule in Wizenhausen.

Die bedeutsamste Tagung war ohne Zweifel die des Landesvereins preußischer Volksschullehrerinnen vom 16. bis 18. Mai in Berlin. Von den zur Verhandlung kommenden Themen sind an dieser Stelle besonders Die verheiratete Lehrerin", "Die gewerbliche Fortbildungsschule" und Jugendgerichte und Jugendfürsorgevereine" hervorzuheben. Die Verhandlungen über das erste Thema führten nach lebhafter Diskussion zu folgendem Ergebnis:

Der Landesverein Preußischer Volksschullehrerinnen hält die Verbindung von Lehrberuf und Mutterschaft im allgemeinen nicht für angängig. Er glaubt, daß nur wenige Frauen fähig sein werden, den daraus erwachsenden Pflichten zu genügen. Er sieht sich daher außerstande, für eine Beseitigung der Verheiratungsklausel in den Anstellungsurkunden der Lehrerinnen einzutreten, troßdem er in dieser Klausel eine Beschränkung der persönlichen Freiheit erblickt.

Der L. P. V. tritt dafür ein, daß Lehrerinnen, die wegen Verheiratung ihr Amt aufgeben, für den Verlust ihrer Ansprüche auf Ruhegehalt entschädigt werden. Es ist eine Forderung der Gerechtigkeit, daß, wenn die Behörde die Verwendung verheirateter Lehrerinnen in der Volksschule gestattet, sie diese verheirateten Lehrerinnen nicht, wie bisher, dem Vertreterinnenelend überantwortet, sondern ihnen den Charakter der pensionsberechtigten Beamtin läßt.

Die Diskussion über das zweite Thema fonzentrierte sich vor allem auf die Frage des hauswirtschaftlichen Unterrichts in der gewerb= lichen Fortbildungsschule, der bei Annahme der Thesen abgelehnt wurde.

Der Verband für handwerksmäßige und fachgewerbliche Ausbildung der Frau hat in den ersten 6 Monaten seines Bestchens eine überaus glückliche Entwicklung genommen. Etwa 50 Organisationen, Handels-, Handwerksund Gewerbekammern, Gewerbeschulen, gewerk schaftliche Organisationen, sozialpolitische und pädagogische Verbände und Vereine haben sich ihm angeschlossen. Durch die stark angewachsene

Arbeit wurde eine Neuorganisation notwendig; Bureau und Lehrstellennachweis find vereinigt und gemeinschaftlich nach Berlin W. 9, Link straße 11, verlegt worden.

Die erste Vorsißende des Verbandes, Fräulein Maria Lischnewska, hat wegen Arbeitsüberlastung ihr Amt niedergelegt, gehört aber weiter dem Vorstande an. Die Geschäfte des Verbandes werden durch den stellvertretenden Vorsitzenden Herrn Fortbildungsschuldirigenten Krüger und eine Kommission geführt. Bureaustunden sind Dienstag und Freitag von 10-1 Uhr und Freitag und Sonnabend von 5-7 Uhr.

Aufruf.

An die liberalen Frauen!

Die erste Einigung des bisher in sich zerriffenen deutschen Liberalismus ist am 6. März vollzogen worden.

Eine neue fortschrittliche Volkspartei" umschließt durch ihr Programm die drei Gruppen, in die der entschiedene Liberalismus bisher zerfiel. Dieser bedeutsame Schritt wird aber nur dann cinen kraftvollen Aufstieg des Liberalismus einleiten, wenn auf dem gewonnenen breiteren Boden auch neue lebendige Kräfte für die liberale Politik eingesetzt werden.

Nachdem durch das Reichsvereinsgesetz auch die Frauen zur politischen Mitarbeit gerufen find, erwächst den liberalen Frauen mit der Möglichkeit zugleich die Pflicht, an der Entwickelung der liberalen Partei mitzuwirken.

Allerdings gestattet die Fassung des § 8 (zur Frauenfrage) uns nicht, diese Pflicht mit ungeteilter Freude zu übernehmen. Die An= erkennung ihrer Gleichberechtigung als Staatsbürger ist den Frauen im Programm der neuen Partei versagt. Es ist aber auf dem leßten Parteitag der freisinnigen Volkspartei die erneute Erörterung der Frauenforderungen in der geeinigten fortschrittlichen Volkspartei durch eine Resolution in Aussicht gestellt, während die freisinnige Vereinigung sich gleichfalls in einer Resolution einstimmig auf den Boden der politischen Gleichberechtigung der Frauen gestellt hat. Deshalb haben die auf dem Parteitag anwesenden weiblichen Delegierten sich bereit erklärt, in den Reihen des Liberalismus zu arbeiten, in der bestimmten, auf die abgegebenen Erklärungen ge= gründeten Hoffnung, daß die fortschrittliche Volkspartei die politische Gleichberechtigung der Frauen in kürzester Zeit zu ihrem Programmpunkt machen wird.

Es gilt also in den Reihen der neuen Partei für ein doppeltes Ziel zu arbeiten:

Für die Stärkung des Liberalismus und für die Förderung der politischen Rechte der Frauen. Nur wenn die Frauen

innerhalb des Liberalismus und in der Arbeit für seine Ziele eine Macht werden, haben sie Aussicht, zu erreichen, was für jede politisch tätige Frau eine selbstverständliche Forderung ist:

Die Anerkennung der staatsbürgerlichen Gleichheit der Frau durch das Parteiprogramm. Darum fordern wir alle liberalen Frauen dringend auf zum Eintritt in die liberale Parteiorganisation ihres Ortes und zur energischen Mitarbeit in den Kämpfen des Liberalismus.

Unsere politische Arbeit wird über unsere politische Zukunft entscheiden.

Zum Zweck einheitlichen Handelns halten. wir eine gemeinsame Erörterung über die Stellung und die Aufgaben der Frauen in der neuen fortschrittlichen Volkspartei für geboten. Die Unterzeichneten berufen daher auf den 4. und 5. Oktober nach Frankfurt a. M. eine

Konferenz der liberalen Frauen

und laden alle in der fortschrittlichen Volkspartei organisierten Frauen zur Teilnahme aufs dringendste ein.

Vorläufige Tagesordnung:

1. Die Aufgaben der Frauen an der Zukunft des Liberalismus.

2. Unsere Arbeit für die nächste Reichstagswahl.

3. Errichtung einer Zentrale für die Organisation unserer Arbeit.

Anmeldungen und Zuschriften erbeten an Dr. Gertrud Bäumer, Grunewald bei Berlin, Gillstr. 9.

Der Arbeitsausschuß:

Dr. Gertrud Bäumer. Elly Heuß-Knapp. Rudolfine von Liszt. Anna Plothom. Elisabeth Töpfer. Dr. med. Agnes Bluhm. Maria Lischnewska. Marie Litten. Alwine Reinold. Dr. Alice Salomon. Martha Zieß.

Dr.

Erweiterter Ausschuß:

Elisabeth Altmann Gottheiner, Mannheim. Alice Bensheimer, Mannheim. Friederike Bröll, Frankfurt a. M., Eleonore Drenkhahn, Altona. Helene von Forster, Nürnberg. Jta Freudenberg, München. Margarete Friedenthal, Berlin. Elisabeth Hell, München. Ottilie Hoffmann, Bremen. Wally Krobiell, Stettin. Helene Lange, Grunewald-Berlin. Rose Meyer, Magdeburg. Anna Pappriß, Berlin. Martha Plewe, Stettin. Dr. med. Alice Profé, Charlottenburg. Klara Schleker, Marlow i. Mecklen burg. Marie Schloß, Karlsruhe. Marianne Weber, Heidelberg. Hedwig Weidemann, Hamburg. Luise Wetter, Dortmund. Selma Wolff-Jaffé, Mannheim. Martha Zieh, Eutin.

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BÜCHERSCHAU

Dichtung, Romane usw.

Maria Magdalena." Drama in drei Aufzügen von Maurice Maeterlinc. Autorisierte übersetzung von Friedrich von Oppeln-Bronttowski. Berlegt bei Eugen Diedrichs. Jena 1909. Ein Einzelschicksal löst sich aus dem größeren Rhythmus der mächtigsten geschichtlichen Begebenheit: die "Erlösung" der Maria von Magdala. Zwei geistige Welten stehen einander gegenüber: die antike Kultur, deren Weisheit und Lebensphilosophie in den alten Stoiker Silanus, deren Schönheit, Kraft, Weltfreude und sinnlich geistige Leidenschaft in Verus, dem römischen Kriegstribun, verkörpert ist. Und der Nazarener: in einem barbarischen Lande, wo das äußere Leben häßlich und entstellt ist und die Kräfte des inneren Daseins seltsam und leidenschaftlich, steht er als Führer der Geringsten, der Bettler und Kranken, mit seiner Botschaft. Sie bringt eines, das mehr ist, als alle letzten Ergebnisse der antiken Weisheit: sie findet die Süßigkeit und den tiefen Lebensreichtum des Schmerzes. Antike Weisheit kann nicht trösten. Ste vermag über den Schmerz nicht mehr als das Alter, das ihn lindert, indem es zugleich die Kraft der lebendigen heißen ausschließlichen Hingabe an alles Einzelne des Lebens schwächt oder mäßigt, und nur eine weite, allgemeine, kühle Heiterkeit übrig läßt. Das ist die Stimmung des Silanus, die er in den ersten Szenen mit der breiten Redseligkeit des Alters ausspricht und der Freude Maeterlincs, konzentrierte Prägungen des Wortes aufzulösen in weite, einfache und durchsichtige Sätze. Maria von Magdala gehört beiden Welten an. Sie ist Galiläerin durch Schönheit, Geist und Geschmack der Typus der griechischen Hetäre. Aber in ihr lebt in ihr als Mensch und Orientalin - eine Seele mit tieferen und stärkeren Ansprüchen. Das hätte mich nicht getröstet," weiß fie, als Silanus dem Schmerz eines Freundes seine stoische Weisheit gegenüberstellt. So ist ihr Leben der Zynismus eines Menschen, der sein Schicksal nicht fand. Ihr Stolz verschanzt sich hinter diesen Zynismus gegen die Liebe zu Verus, dem sie zum zweitenmal in ihrem Leben im Garten des Silanus in Bethanien begegnet, und der sie begehrt. In diesem Moment höchster Spannung des Zwiespalts in ihrem Dasein trifft sie das Wort des Nazareners. Im Garten des Silanus wird sie Zeuge der Bergpredigt der Seligpreisungen. Der Eindruck der göttlichen tiefsinnigen Paradorie dieser Worte verbindet

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sich in Magdalena mit der Wirkung der Per-
sönlichkeit Jesu der nicht selbst auf der
Bühne erscheint zu einem Erlebnis, das ganz
mystisch erfaßt ist: einem Zerbrechen, Vergehen
und Aufgerichtet werden. Dramatisch wird es
verkörpert durch den Vorgang, den die Bibel
von der Ehebrecherin erzählt: Maria von
Magdala, die sich, hingerissen von dem Wort
Jesu, aus dem Garten des Silanus heraus in
die Hörermenge wagt, wird erkannt, und als die
doppelt Abtrünnige will der Haß der Menge
sie steinigen, als das Wort: Wer unter Euch)
ohne Sünde ist" die erhobenen Hände sinken
läßt und ihr Geleit wird. Psychologisch fein ist
die Nachwirkung des Ereignisses auf Maria von
Magdala gezeichnet. Der Trotz ihrer zynischen
Selbstbehauptung ist gebrochen und sie folgt -
schutzsuchend, voll restloser, hinströmender Hin-
gabe der Liebe zu Verus. Aber die Erlösung
des Menschlichen in ihr ist nicht alles.
Sie fühlt über sich das Walten einer Schicksals-
macht, vor der es kein Entrinnen gibt, die sie
,,führen wird, wo sie nicht hin will". Sie fühlt
ihr Leben mit seinen Maßstäben und Verant
wortlichkeiten in eine Sphäre erhoben, in der
sie sich selbst nicht gehört, die ihr unheimlich,
fremd und verhängnisvoll erscheint, weil hier
das Glück kein Ziel und die Welt kein Gut ist.
Wie dieses Wissen Wirklichkeit wird das ist
der Inhalt der übrigen Szenen des Dramas.
Sie stellen Maria von Magdala vor die Wahl:
Verus oder Jesus. Und dann vor die Wahl:
Jesus, der Mensch, und Christus, der Gott. Doch
ist diese dramatische Verleiblichung des letzten
Aktes der Erlösung" der Maria Magdalena
bei weitem nicht der Höhe der Konzeption gleich.
Die Einführung des auferweckten Lazarus - die
ganze Szene, in der die Erweckung berichtet
wird und das Auftreten des Erweckten als Bote,
der Maria zum Herrn rust, ist teils wie eine
Wiederholung und teils eine unschöne Ver-
stärkung, in der manches Feine der ersten
Szenen überdeckt und manches menschlich Wahre
und Ergreifende verzerrt wird. Und in der
letzten Szene mit Verus, in der Maria von
Magdala Jesus mit dem Lohn der Hingabe an
den Geliebten retten kann es ist das Motiv,
das Maeterlinck Heyse entlehnt hat - wird zu
viel geredet und erpliziert. Es ist Maeterlinc
hier nicht so wie in den ersten Szenen ge-
lungen, einen irrationalen, ganz innerlichen
Vorgang mit wenigen Worten zu artikulieren.
Maria von Magdala erfühlt in der Hemmung,
die sich in ihr der Bedingung des Berus ent-

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gegenseßt, die Wahrheit, daß das von Jesu gebrachte Leben nicht an seiner Person haftet, sondern von jedem in Reinheit und Kraft neu geschaffen werden muß, daß nicht sein leiblicher Tod es tötet, sondern jede Verleugnung der Reinheit, die es gebietet. Aber die Worte, in die Maria diese Erfahrung kleidet, sind fast ein Räsonnement, ohne den Duft und die mystische Eindringlichkeit, die dem Inhalt seine Tiefe läßt, ohne sie zu ermessen und zu erhellen. Und so erkaltet das Drama an der Stelle, wo es hinreißen müßte.

"

,,Trinacria.“ Roman von Max Burckhard. S. Fischer Verlag, Berlin. Der Frauentypus, der im Mittelpunkt dieses Romans steht, ist gerade in der letzten Zeit öfter dargestellt: von Ompteda in Mime", von Lisbeth Dill in Unverbrannte Briefe". In beiden Fällen mit bestimmten individuellen Modifikationen, aber doch gleich in der typischen menschlichen und sozialen Grundkonzeption. Es ist das Mädchen aus guter Familic, die nicht im sozialen Sinn emanzipiert ist, weil sie die Privilegien und die gesellschaftliche Sicherheit ihrer Stellung viel zu hoch schäzt, um sie aufgeben zu können. In diesem Rahmen aber treibt sie ein individualistischer Lebensdrang, sich ein Schicksal auf eigenen Wegen zu suchen: überlegt und genußsüchtig, leidenschaftlich und kühl zugleich mit keinem Schritt aus dem gesellschaftlichen Schutz hinausschreitend. Ihre Liebe trägt nichts von Selbstlosigkeit, Hin= gabe und Torheit in sich, sie begehrt und fordert, fie schenkt nur, um zu genießen. Ihr steht ein männlicher Typus gegenüber, wie ihn Burckhard selbst liebt: ein Dilettant des Lebens. Der sich um seinen Beruf durch einen Akt übersensitiver Gewissenhaftigkeit gebracht hat, und nun ohne Aufgabe und Ziel durch die Welt zieht. Jhn lockt es, das Rätsel dieser weiblichen Seele zu lösen. Sie entzieht sich ihm, als er sie eben zu ergreifen meint. So lösen sich ihm mit diesem Erlebnis die letzten lebendigen Wurzeln, mit denen seine Seele in der Welt haftet und er verläßt willenlos wollend das Leben. moderne Seelenschilderung lockt an diesem Motiv, daß die Leidenschaft sich in dem engen Rahmen rein gesellschaftlichen Verkehrens bewegt, daß über ihr die Dämpfung der Konvention oder des Relativismus liegt. So kann die Kunst diskreter Darstellung entfaltet werden, die Burckhard gut und geschmackvoll beherrscht.

Die

,,Rudolf und Camilla.“ Roman von Auguste Hauschner. Egon Fleischel & Co. Verlag, Berlin, 1910. Der neue Roman von Auguste Hauschner ist eine Fortsetzung der Familie. Lowosit. Das Seelenschicksal zweier Kinder einer jüdischen Familie in Prag wurde im eisten Bande bis zu dem Punkte geführt, an dem sie sich, der Mann aus eignem Entschluß, das Mädchen willenlos aus ihrem Milieu trennen. Der neue Band zeigt sie im Strom des geistigen und sozialen Lebens der deutschen Reichshauptstadt, etwa am Anfang der achtziger Jahre. Wir sehen das Berlin dieser Zeit, wie es sich spiegelt nicht so sehr in der Welt der Eingesessenen, sondern vielmehr in der Welt derer,

die Ada Christen einmal so schön die Bagabunden des Lebens" genannt hat. Zu ihnen gehört als Fremder, als würzelloser freier Schriftsteller Rudolf Lowosit. Der Kreis, in dem er sich bewegt, umschließt nicht sowohl diejenigen, welche die Geschichte machen, als vielmehr diejenigen, die sie kritisieren, die Enterbten, die Journalisten, die in irgendeiner Weise auf sich selbst Gestellten. Rudolf Lowofit findet seine Ziele weder im Anschluß an die Sozialdemokratie noch an den Anarchismus. Er rettet sich wieder auf einen neuen Boden, wo ihm der Sinn der Freiheit darin zu bestehen scheint, daß er sich selbst sein Schicksal schafft: in die neue Welt. Ganz anders seine Schwester. Sie, die einst Familientradition gefügt hatte, kommt nun seelisch widerstandslos und voller Illusionen sich der frank durch die Dumpfheit ihrer kleinbürgerlichen Existenz nach Berlin, um zu genesen. In einer Leidenschaft, der sie sich rückhaltlos hingibt, um dann einsam sich wieder zu finden, wächst sie über sich selbst hinaus zur freiwilligen Wahl des Pflichtenkreises, in den sie einst willenlos geschoben war. So vollzieht sich an dem Geschwisterpaar die typische Lebensüberwindung des Mannes auf der einen, der Frau auf der anderen Seite. Auguste Hauschner hat mit ihrem weiten kulturhistorischen Verständnis, ihrem intensiven sozialen Interesse, ihrer Fähigkeit geschichtlicher Auffassung wiederum das Milicu, in dem diese beiden individuellen Schicksale sich vollziehen, treffend und plastisch wiedergegeben.

,,Arme und Reiche." Soziale Geschichten. Frei bearbeitete deutsche Ausgabe der Mémoires d'un petit homme des Paul Renaudin von Walther Eggert Windegg. C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung, Oskar Beck. München 1910. (Pr. geb. 2,80 Mark.) Das kleine Buch ist keine Übersetzung, sondern eine Umarbeitung, eine wirkliche, Verdeutschung" der,,Erinnerungen" des Paul Renaudin. Seine Bedeutung liegt auf sozialpädagogischem Gebiet. Und da hat es Beachtenswertes zu sagen, ob es uns in die Kinderstube führt, ob Gespräche „von Bienen und Menschen", zwischen Bauern und Herren" allerlei Nachdenkliches" zutage fördern, ein wenig lehrhaft manchmal, aber gesund und stark. Denn der Zielpunkt des ganzen Buches läßt sich zusammenfassen als „das köstliche Gesetz der Arbeit", jener Arbeit, die uns die menschliche Zusammengehörigkeit, das tiefe Gesetz der Brüderlichkeit lehrt. Und so hat es besonders dem Erzieher mancherlei zu sagen und sei ihm in erster Linie warm empfohlen.

Kurze Anzeigen und Neuausgaben.

,,Komet und Weltuntergang." Von Wilhelm Bölsche. Jena, Eugen Diederichs. (Preis 1 Mark.) Wenn Bölsche in seinem kleinen Vorwort meint, daß sein Büchlein auch nach dem Weltuntergang noch mit Nutzen gelesen werden könne, so können wir dem mit voller Überzeugung zu stimmen. Es gibt eingehende Ausführungen über die historische Entwicklung und den heutigen Stand der Kometenforschung, von jenen Theorien an, die im Kometen ein Instrument „überweltlicher Pädagogik" sahen, bis zu unseren

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