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festen Aufenthalt umhertrieb, bei sich aufgenommen und nutzten es nun zu ihren Zwecken aus. Allabendlich wurde sie auf den Strich" geschickt, das verdiente Geld mußte sie bis auf den letzten Heller dem Zuhälter ihrer Schwester abgeben; genügte diesem die heimgebrachte Summe nicht, oder weigerte sie sich einmal, dem schändlichen Gewerbe nachzugehen, dann wurde sie jämmerlich verprügelt. Ein braver Postbote wurde nun zum Vormund des Mädchens ernannt, und mit dessen Hilfe gelang es mir, sie in einer passenden Dienststelle bei einem jungen Ehepaar unterzubringen. Ich gebe zu, daß dies ein gewagter Versuch war, aber er ist geglückt; das Mädchen befindet sich seit anderthalb Jahren dort und führt sich zur vollen Zufriedenheit ihrer Herrschaft. Ich besuche sie monatlich einmal und freue mich immer über das frohe und frische Wesen des Mädchens und die wirklich rührende Dankbarkeit, die sie mir immer wieder aufs neue beweist dafür, daß ich ihr behilflich gewesen bin, wieder ein anständiges Leben führen zu können. Bedenkt man nun noch, aus welchem traurigen Milieu das Mädchen stammt - die Mutter hat wegen schwerer Kuppelei mehrfache Zuchthausstrafen verbüßt, zwei Schwestern stehen unter sittenpolizeilicher Kontrolle so wird jeder zugeben, daß ein solcher Erfolg dazu geeignet ist, einen über manchen Mißerfolg zu trösten.

Zum Beweis dafür, daß es tatsächlich oft eines großen Aufwandes an Zeit und Mühe, an Geduld und Überlegung bedarf, ehe es gelingt, einigen Einfluß auf einen Schüßling zu gewinnen, möge folgendes Beispiel dienen:

Seit fast zwei Jahren untersteht meiner Schutzaufsicht ein jetzt achtzehnjähriges Mädchen, das vom Jugendgericht wegen Diebstahls mit einem Verweis bestraft worden ist. Die häuslichen Verhältnisse bieten ein in unserer Großstadt nur leider allzuhäufig wiederkehrendes Bild. Der Vater hat vor Jahren seine Familie verlassen, die Mutter lebt seit lange im Konkubinat mit einem Manne, der sich seinerseits wieder von seiner Ehefrau getrennt hat. Daß dieses Milieu nicht gerade geeignet erscheint, erzieherisch oder sittlich fördernd auf die heranwachsenden Kinder einzuwirken, bedarf wohl keiner besonderen Erläuterung. Ich hatte nach meinen ersten Besuchen einen so ungünstigen Eindruck von dem Mädchen, der durch die Aussage der Arbeitgeber nur bestärkt wurde, daß ich beim Jugendrichter Unterbringung in Fürsorgeerziehung beantragte. Dieser aber, treu seinem Prinzip, den jugendlichen Angeklagten eine Chance zu geben", es noch einmal mit ihnen zu versuchen, entsprach meinem Wunsche nicht, sondern bat mich vielmehr, die Schußaufsicht fortzusehen. Das Mädchen nahm nun troß meiner wiederholten ernsten Vorstellungen keine feste Stellung an, sondern drückte sich bei den verheirateten Geschwistern herum, diesen im Haushalte etwas helfend, eine Tätigkeit, die den Kräften des blühenden und gesunden Mädchens durchaus nicht angemessen war. In der unbeschreiblich verschlampten Wirtschaft ihrer Schwägerin traf ich fie eines Tages wieder, verschlossen, unfreundlich, fast feindlich allen meinen Fragen und Ratschlägen gegenüber. Um so beredter war die Schwägerin, die mir anvertraute, daß das Mädchen einen Bräutigam habe und bereits in anderen Umständen sei. Einigen vorwurfsvollen Worten, die ich dieser Tatsache gegenüber nicht unterdrücken konnte, wurde von der Frau sofort die Spite abgebrochen durch die Bemerkung: Gott, Fräulein, was wollen Sie denn eigentlich, so gehts doch allen Berliner Mädchen, mir ist es auch nicht besser gegangen, und ich bin immer hochanständig gewesen.“ Troß dieser Versicherung der Frau stand es bei mir fest, daß ich das Mädchen in dieser Umgebung nicht länger lassen konnte. An Heirat war nicht zu denken, da der Bräutigam seiner Militärpflicht noch nicht genügt hatte. Die Mutter wollte die Tochter in diesem Zustande nicht bei sich aufnehmen: sie könne ja in die Charité gehen und das Kind später in Waisenpflege bringen, meinte sie. So verschaffte ich dem Mädchen Unterkunft in der Heimstätte für erstmalig gefallene Mädchen", wo sie die nächsten Monate ohne Angst und Sorge verbringen konnte, und wo später sowohl sie als auch ihr Kind sachgemäße Pflege und Behandlung finden sollten. Als ich sie dort bald nach der Geburt des Kindes, dessen Vormund ich geworden, besuchte, erschien sie mir sehr zu ihrem Vorteil verändert. Sie war offener und

freundlicher gegen mich, und besonders gefiel mir der Ausdruck von Freude und Glück, mit dem sie mir ihren allerliebsten kleinen schwarzäugigen Jungen zeigte. Mein Vorschlag, noch ein Vierteljahr in der Heimstätte zu bleiben und sich dadurch das Recht zu erwirken, ihr Kind ein volles Jahr gegen ein geringes Entgelt in der dortigen vorzüglichen Pflege zu belassen, schien ihr einzuleuchten, und als ich ihr versprach, ihr in den ersten Monaten bei der Beschaffung des Pflegegeldes behilflich zu sein, erklärte sie sich zum Bleiben bereit. Mein Plan war nun, dem Mädchen nach ihrer Entlassung ein Zimmer in einem Arbeiterinnenheim zu besorgen, um sie dauernd in geordnete Verhältnisse zu bringen. Aber ich hatte einmal wieder die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Trotz des mir gegebenen Versprechens hatte das Mädchen vor der Zeit die Heimstätte verlassen und war mit ihrem Kinde zu ihrer Mutter gezogen. Dort besuchte ich sie. Meinen Vorwürfen über ihr Verhalten und meiner Frage nach dem Grunde ihres Handelns sezte sie das gewohnte trozige Schweigen entgegen. Ich hatte das wirklich sehr deprimierende Gefühl, troß allem nichts anderes erreicht zu haben, als daß das Mädchen nach wie vor in mir einen feindlichen Aufpasser sah. Ich war so entmutigt, daß ich im ersten Augenblick fest entschlossen war, die Schußaufsicht niederzulegen. Aber Weihnachten war vor der Tür, und so dachte ich es noch mit einer kleinen Freundlichkeit als leztem Versuch zu wagen. Ich kaufte ein nettes Kleidchen für den kleinen Jungen und schickte dies mit einer Weihnachtskarte und einigen freundlichen Worten an das Mädchen. Und merkwürdig, mit dieser kleinen Freundlichkeit, die zu all der ehrlichen Mühe, die ich mir um das Wohl des Mädchens gegeben hatte, in keinem Verhältnis stand, hatte ich das Richtige getroffen. Sie hatte sie davon überzeugt, daß ich es wirklich gut mit ihr meinte. Ein herzlich unorthographischer, aber dankbarer Brief war das erste Zeichen ihrer Gunst, das ich erhielt. Bei meinem nächsten Besuch wurde ich mit einem freundlichen Gesicht empfangen, und das Mädchen teilte mir nun aus freien Stücken mit, daß sie damals die Heimstätte aus Sorge um ihr Kind verlassen hätte, weil unter den dortigen Pfleglingen eine starte Keuchhusten-Epidemie ausgebrochen war. Jetzt folgte sie auch meinem oft wiederholten Rat, suchte und fand Arbeit in der Allgemeinen Elektrizitäts-Gefellschaft, die ihre Arbeiterinnen sehr gut bezahlt; denn jest muß sie für ihr Kind mit verdienen, da die Mutter, die es in Pflege genommen hat, sowohl von der Tochter als auch von dem Vater des Kindes ein entsprechendes Entgelt verlangt.

In einem anderen Fall hoffe ich auf dauernden Erfolg: Ein siebzehnjähriges Dienstmädchen stand unter der Anklage des Diebstahls vor dem Jugendgericht. Sie ist ein uneheliches Kind, hat niemals geordnete Familienverhältnisse kennengelernt, die Mutter, eine fränkliche Frau, muß selbst schwer um ihre Existenz ringen. So mußte das Mädchen gleich nach ihrer Einsegnung in Dienst gehen. Als Hausmädchen in einem Fremdenpensionat, wo das damals sechzehnjährige Ding wenig Aufsicht und viel Arbeit hatte, knüpfte ein Rechtsanwalt ein Verhältnis mit ihr an. Um sich für diesen Herrn würdig zu schmücken, stand ihr ganzes Sinnen und Trachten auf den Besitz einer hellen seidenen Bluse. Ersparnisse hatte sie natürlich noch nicht gemacht; der geringe Lohn reichte zu Lurusausgaben nicht hin, und so erlag sie der Versuchung und entnahm eines Morgens beim Reinigen von Kleidungsstücken dem Beinkleid eines Herrn, in dessen Tasche sich zirka 80 Mark befanden, 20 Mark 50 Pfennige, den Betrag, den sie zur Erlangung der erträumten Seidenbluse brauchte. Natürlich kam die Sache sofort heraus, das Mädchen wurde Knall und Fall entlassen, Strafantrag gegen sie gestellt, und "Unehrlichkeit“ als Entlassungsgrund in ihr Dienstbuch geschrieben. Der Vormund, Besizer eines kleinen Gasthofes, der sich bisher niemals um sein Mündel gekümmert hatte, nahm dieses jetzt zu sich in sein Haus, angeblich um sich besser um sie kümmern zu können, tatsächlich aber, um die kaum Siebzehnjährige in gröblichster Weise auszunuzen. Sie hatte täglich zwölf Zimmer zu reinigen und in der Küche zu helfen; Lohn erhielt sie nicht, wohl aber oft Schläge. Dazu kam noch, daß die Frau des Vormundes dem Mädchen einredete, es sei in anderen Umständen,

was jedoch nicht der Fall war. So wurde das arme Ding so verschüchtert und kopfscheu, daß es am zweiten Weihnachtstage, als es von einem Gast ein Trinkgeld von 5 Mark erhalten hatte, das Haus des Vormundes heimlich verließ und nach Frankfurt a. D. reiste. Glücklicherweise schrieb sie von dort aus sofort der Mutter, die ihre Rückkehr veranlaßte. Aufnehmen konnte diese aber die Tochter bei sich nicht. Meine Hoffnung, sie in einer ländlichen Dienststelle unterzubringen, schlug fehl, und so brachte ich sie denn fürs erste in die Mädchenherberge des Marienheims. Durch den Jugendrichter, der bekanntlich gleichzeitig auch Vormundschaftsrichter ist, wurde der bisherige Vormund seines Amtes entsegt und ich zum Vormund des Mädchens ernannt. Mit großer Mühe ist es mir gelungen, für mein Mündel eine passende Stelle als Hausmädchen zu finden: bei einer verständnisvollen Dame, der ich die Wahrheit über die Verfehlungen des Mädchens sagen konnte, und die sich trotzdem bereiterklärte, es mit ihr zu versuchen. Voll Dankbarkeit und voll guter Vorsäge hat sie am 1. Februar diese Stellung angetreten, und bis jetzt habe ich nur Gutes über ihre Leistungen und ihre Führung gehört, ja, bei meinem letzten Besuch hat mir die Dame geradezu gedankt, daß ich ihr zu einem so fleißigen und tüchtigen Mädchen verholfen habe.

Als ein erfreuliches Symptom zunehmenden sozialen Interesses möchte ich es begrüßen, daß mir in letzter Zeit wiederholt von Arbeitgebern nicht nur in bereitwilligster Weise Auskunft über meine Schußbefohlenen gegeben wurde, sondern daß sie sogar ihre Befriedigung darüber äußerten, daß ein gebildeter Mensch sich um die jungen Mädchen kümmere. Die Gattin eines Rittergutsbesizers, eine Dame, die sich sehr für unsere Arbeit interessiert, hat uns in liebenswürdigster Weise angeboten, sittlich gefährdete junge Mädchen auf ihr Gut zu nehmen und sie dort unter Aufsicht einer gebildeten Gärtnerin mit Gartenarbeit zu beschäftigen. Den ersten Versuch haben wir vor kurzem mit einem vierzehnjährigen Mädchen gemacht, die - ohne elterliche Aufsicht sicherlich hier in der Großstadt bald völlig verwahrlost wäre.

Auch der Fürsorgedame am Polizeipräsidium konnten wir in einigen Fällen unsere Hilfe zur Verfügung stellen. Wir haben zahlreiche Ermittlungen für sie übernommen und wiederholt auf ihr Ersuchen Mädchen in die Heimat zurückbefördert. Den einen dieser Fälle, der auf unsere Großstadtverhältnisse ein grelles Schlaglicht wirft, möchte ich noch mit einigen Worten skizzieren. Eine junge neunzehnjährige Frau hatte sich in ihrer bitteren Not an das Polizeipräsidium gewandt. Sie hatte sich gegen den Willen ihres Vaters, der in auskömmlichen Verhältnissen in Schleswig-Holstein lebt, mit einem blutjungen Kellner verheiratet. Die jungen Leute waren nach Berlin gekommen und hier durch andauernde Stellungslosigkeit des Mannes bald in Not und Elend geraten. Um diesem abzuhelfen, schickte nun der Mann seine bis dahin völlig unbescholtene, anständige junge Frau auf die Straße und zwang sie, sich gegen Entgelt Männern hinzugeben. Dieses Leben konnte die junge Frau nicht ertragen. Ohne Freunde und Verwandte, völlig mittellos, der Brutalität des Mannes preisgegeben, wandte sie sich in einem verzweifelten Brief an das Polizeipräsidium und bat, ihr Mittel zur Heimreise zu gewähren. Dem Polizeipräsidium stehen aber für solche Zwecke keine Mittel zur Verfügung, und so wandte sich die Fürsorgedame an mich. Ich verständigte mich mit der jungen Frau, was nicht ohne Schwierigkeiten war, da selbstverständlich der Mann nichts davon wissen durfte, benachrichtigte den Vater von der Rückkehr seiner Tochter, verabredete alles und am Tage vor Weihnachten konnte ich die junge Frau in die Heimat zurückbefördern. Vater und Tochter haben mir Briefe voll überschwenglicher Dankbarkeit für die ihnen geleistete Hilfe geschrieben.

Alles dieses sind ja natürlich nur Anfänge, und das Wenige, das wir bisher haben leisten können an Arbeit und Hilfe, verschwindet fast völlig gegenüber der erdrückenden Fülle von Not und Elend, von Leichtsinn und Verkommenheit, die eine Großstadt wie Berlin aufweist. Doch haben die Erfahrungen, die ich in der relativ kurzen Zeit unserer praktischen Arbeit gesammelt habe, in mir die über

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zeugung gefestigt, daß wir einem tiefen sittlichen Notstand unserer Zeit gegenüberstehen und daß wenn irgendwo -hier die Mitarbeit der gebildeten Frau not tut. Die häufig so zerrütteten Familienverhältnisse in den unteren Schichten der Bevölkerung zeitigen als Folgen die traurigste Verwahrlosung der Kinder. Aber auch dort, wo die Familie äußerlich zusammenhält, fehlt es an dem nötigen Verantwortlichkeitsgefühl der Eltern. Der Vater, der den Tag über hart arbeitet, will des Abends seine Ruhe haben, der Mutter, deren Kräfte durch des Lebens Not und Mühe aufgerieben sind und auf deren Schultern meist eine übergroße Last von Arbeit ruht, fehlt die geistige Spannkraft, die heranwachsenden Kinder ethisch erzieherisch zu beeinflussen. Die junge Arbeiterin, die des Abends in das Elternhaus zurückkehrt, findet dort weder Erholung und Erquicung, noch liebevollen Rat und Stüge in den Fährnissen des Lebens; für sie entbehrt das „Heim“ alles dessen, was wir mit diesem Namen verbinden. Dieses häusliche Elend treibt die Mädchen auf die Straße, und erst einmal auf Abwege geraten, sind sie sehr schwer zu retten. Ihr undiszipliniertes Triebleben ist vor die schwere Wahl gestellt: hier Arbeit und Entbehrung, hier Genuß und leichtes Verdienen die psychischen Hemmungen des weiblichen Ehr- und Schamgefühls, nie gepflegt und nie entwickelt - fallen bei ihnen fort. Eine schematische Fürsorge, die sich damit begnügt, rein äußerlich die Mädchen in einwandfreie Verhältnisse zu versetzen, wird deshalb meist erfolglos bleiben; denn es fehlt den Mädchen an dem inneren Halt, um den Verlockungen zu widerstehen. Die Schutzaufsicht soll sie wirklich eine solche sein - verlangt deshalb Persönlichkeiten, die ihre eigene Seele an die Aufgabe feßen und es verstehen, die schlummernden Seelenregungen der Mädchen zu erwecken, ihre Entschließungen zu beeinflussen. Wir brauchen für diese Arbeit Frauen, die sich innerlich berufen fühlen, den Sinkenden die rettende Hand zu reichen. Nur diese werden das instinktsichere, psychologische Verständnis besigen, jedem einzelnen dieser armen, verirrten Menschenkinder gegenüber den Ton an= zuschlagen, der in ihren Herzen einen Widerhall weckt. Das wird nicht gleich bei dem ersten Versuch gelingen, sondern oft, wenn man schon mutlos geworden war, ist erst der Funken der Liebe übergesprungen und hat gezündet. Ihn zu pflegen, auf daß er nicht wieder erlischt, Mittel und Wege zu finden, ein wenig Wärme, Helligkeit und Freude in diese daran so armen Leben hineinzutragen, ist die weitere Aufgabe der Schußaufsicht. Das aber ist eine Arbeit, die viel Zeit, Geduld und Nachdenken erfordert, denn mit einem schematischen Vorgehen ist hier nichts getan, weil jeder Fall seine individuelle Behandlung erfordert. Die Kräfte des einzelnen und hätte er auch den besten Willen reichen nicht weit, sondern viele Frauen müssen hier helfen, müssen wenigstens einen Teil ihrer Zeit und Kraft in den Dienst dieser Arbeit stellen. Gewiß, unsere Arbeit ist nicht leicht, und der sichtbaren Erfolge, die wir erzielen, sind nicht viele. Von langen, scheinbar vergeblichen Wegen kommt man oft entmutigt, an Leib und Seele müde, zurück, aber: Arbeiten und nicht verzweifeln! Selbst in solchen Augenblicken brauchen wir nicht zu verzagen, sondern können der Hoffnung Raum geben, daß wir mit einem ernsten Wort, das wir zu einem leichtsinnigen jungen Ding gesprochen, mit einem guten Rat, den wir einer armen Verführten gegeben, durch tatkräftige Hilfe, die jetzt nur widerwillig angenommen wurde, doch in ein Menschenherz ein Samenkorn gelegt haben, das vielleicht später zu gelegenerer Stunde aufgehen wird und Früchte trägt zu einer Zeit, da wir es kaum mehr

erwarten.

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Bildungswefen.

*Frauenstudium an deutschen Universitäten. Die Zahl der an den Universitäten des Reichs als Studierende eingeschriebenen Frauen beläuft sich in diesem Sommer auf 2169 gegen 1432 im Vorjahr, 320 vor drei und erst 137 vor fünf Jahren, als den Frauen nur die badischen und die bayerischen Universitäten sowie die Universität Tübingen zugänglich waren. Von der heutigen Zahl sind etwa 1700 reichs= angehörig, die übrigen entstammen dem Ausland, zum überwiegenden Teile Rußland und Amerika.

Die studierenden Frauen verteilen sich auf die einzelnen Zweige des akademischen Studiums wie folgt: Der Philologie, Geschichte, Philosophie und verwandten Fächern widmen sich 1217 Frauen (gegen 699 im Vorjahr), der Medizin 512 (gegen 371), der Mathematik und den Naturwissenschaften 313 (245), den Staatswissenschaften 55 (42), der Zahnheilkunde 38 (44), der Rechtswissenschaft 26 (23) und der evangelischen Theologie und der Pharmazie je 4 (4). Danach hat die Zahl der studierenden Frauen in allen Hauptfächern des Frauenstudiums zugenommen, am meisten in der Philologie usw., nur die Zahl der der Zahnheilkunde sich wid= menden Damen ist zurückgegangen.

Von den Studentinnen der deutschen Universitäten befindet sich derzeit nahezu ein Drittel an der Universität Berlin, nämlich 626 (gegen 417 im Vorjahr), in Bonn 204 (114), in Göttingen 200 (110), in Heidelberg 191 (138), in München 176 (148), in Freiburg 116 (90), in Breslau 100 (64), in Marburg und Münster je 68 (33 bezw. 25), in Greifswald 60 (38), in Königsberg 56 (30), in Jena 41 (14), in Halle 37 (26), in Gießen 36 (30), in Tübingen 35 (9), in Kiel und Straßburg je 34 (18 bezw. 21), in Erlangen 22 (16), in Würzburg 9 (9) und in Rostock 5 (0).

Außer den eigentlichen Studentinnen find in diesem Sommer an den deutschen Universitäten noch 1226 Damen als Hörerinnen" zu Unt versitätsvorlesungen zugelassen, so daß zurzelt im ganzen 3395 Frauen am deutschen Uni= versitätsunterricht teilnehmen.

Was speziell Berlin anbetrifft, so studiert von den 626 dort immatrikulierten Frauen eine Theologie, 4 gehören der Juristenfakultät an, 137 find Medizinerinnen und 484 verteilen sich auf die Fächer der philosophischen Fakultät. Dazu kommen noch die 153 Frauen, die auf Grund eines Erlaubnisscheines des Rektors zum Hören von Vorlesungen berechtigt sind, 5 weib. liche Studierende der Technischen Hochschule und eine Dame, die, wie das amtliche Personalverzeichnis sagt,,,sich im Besitze des Berechtigungsscheins zum Einjährigen Militärdienst befindet" und an der Landwirtschaftlichen Hochschule inskribiert ist. Insgesamt seßt sich also die wetb. liche studierende Jugend Berlins aus 785 Köpfen zusammen. Den größten Prozentsat davon stellt die Provinz Brandenburg mit Berlin 226; in weitem Abstand erst folgt Schlesien mit 30, Posen, das 24 Frauen nach Berlin zum Studium schickt. Die übrigen deutschen Bundesstaaten sind nur schwach vertreten, am stärksten noch Bayern mit 9 Frauen. Dagegen kommen 18 studierende Frauen aus Österreich-Ungarn, 73 aus Rußland. Außerhalb Europas find nur die 36 Amerikanerinnen ansässig. Eine Anzahl von Frauen gehört auch zum Beamtenstabe der wissenschaftlichen Anstalten der Universität. So ist Frau Dr. phil. von Polowzow Assistentin am Philosophischen Seminar, Fräulein Hirsch außeretatsmäßige Assistentin an der von Geh. Rat Kraus geleiteten zweiten Medizinischen Klinik, Frau Dr. Lichtenstein einzige Assistentin an der bakteriologisch-mikrobiologischen Abteilung des Physiologischen Instituts von Geh. - Nat Rubner, an der sie ohne männliche Mitarbeiter ihres Amtes waltet. Die Universitätsbibliothel

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