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schliessung ist unter den isolirten Lebensumständen des Wilden nicht zu erwarten. (172.) Mit der Sesshaftigkeit des Lebens, geregelter Arbeit, Sicherheit der Existenz stellt sich ein Gemeindeleben, ein Privateigenthumsrecht, Recht der Persönlichkeit ein. Bei gegenseitiger Anerkennung ist das Gemüth schon mehr erschlossen, das Mitgefühl tritt in den Vordergrund, gehegt durch das Familien- und Stammesleben, gepflegt durch geselligen Verkehr. (173.) Das Gemüth zum Mitgefühl und zur Wahrnehmung des Wohlwollens in seiner Menschenumgebung erschlossen, wird zum Dankgefühl gegen die übersinnliche Macht angeregt. (174.) Die Anerkennung guter Gottheiten tritt in den Vordergrund, sie erhalten die Bedeutung sittlicher Mächte. (175.) Der Zusammenhang zwischen Religion und Sittlichkeit erscheint im hellen Lichte als wechselwirkendes Verhältniss. Die Religion wirkt nicht mehr nur bändigend, sondern veredelnd. Langer Weg voll Kämpfens, bis das Gemüth so weit erschlossen, um das Walten der Weltenmacht in sich selbst zu fühlen und zu erkennen. Abstand dieses Gemüthszustandes von dem des Wilden. (176.) Und doch sind im Zustande der äussersten Roheit Regungen der Menschlichkeit wahrzunehmen: Familienliebe, Freundschaftsverbindungen. (177.) Das Erbauliche für den Beobachter der Geschichte der Menschheit; das Individuum hat die Bestimmung, seine menschliche Anlage zu entfalten. (178.) Weil der Wilde im rohesten Zustande doch menschlich angelegt ist, ist sein Gemüth nicht ohne religiöse Regung und bisher auch kein Völkerstamm ohne jegliche Spur von Religion betroffen worden. Diese ist dem Menschen nicht angeboren, nicht durch äussere Offenbarung mitgetheilt; ihr Erscheinungsgrund liegt in den Gesetzen und Entwickelungsbedingungen der menschlichen Natur. (179.)

Erster Abschnitt.

Die Frage und ihre verschiedene Beantwortung.

Schon im Alterthum hatte sich, gegenüber der Behauptung, dass alle Völker Religion haben, die skeptische Frage erhoben woher man dies wisse? ob es denn nicht rohe Völker geben könne, die von Gottheiten keine Ahnung haben? Wenn eine Untersuchung, wie die vorliegende beabsichtigt, von der äussern Erfahrung ausgehen will, so kann die Frage nur lauten: hat man bisher Volksstämme entdeckt, bei welchen keine Spur von Religion, von religiöser Regung wahrzunehmen gewesen ist? Man möchte glauben auf die so formulirte Frage eine übereinstimmende Antwort von den Reisenden erwarten zu dürfen. Allein die Frage wird einerseits sowol von christlichen Missionaren als auch von Naturforschern entschieden bejaht, von letztern, wie es scheint, der beliebten Abstammungstheorie zu Liebe, obschon Darwin2 selbst Thieren Gefühle zuerkennt, die sich religiösen Regungen nähern. Andererseits steht

Cotta ap. Cic. de natura deor., I, 23:,,Quod enim omnium gentium generumque hominibus ita videretur, id satis magnum esse argumentum dixisti, cur esse deos confiteremur, quod quum leve per se, tum etiam falsum est. Primum enim unde notae tibi sunt opiniones nationum? Equidem arbitror multas esse gentes sic immanitate efferatas, ut apud eas nulla suspicio deorum sit."

2 Die Abstammung des Menschen (deutsch von V. Carus), I, 57. Roskoff, Das Religionswesen.

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eine Reihe namhafter Anthropologen und Ethnologen, wie Prinz Neuwied, Walckenaer, der Herausgeber des Azara, Th. Waitz, Oskar Peschel, A. de Quatrefages, Meinicke, der Philosoph Zeller, Ad. Bastian, E. Tylor u. a., welche das Gegentheil behaupten, und sonach wird die Frage noch immer als eine offene betrachtet. Dass die Berichte der Reisenden über ein und denselben Volksstamm sich oft widersprechen, sodass der eine entschieden bejaht, was der andere ebenso bestimmt verneint, erklärt sich aus den Schwierigkeiten, die mit ethnologischen Forschungen verbunden zu sein pflegen. Im allgemeinen ist der Mangel an Kenntniss der Sprache wilder Volksstämme ein Haupthinderniss, deren Religionsbeschaffenheit kennen zu lernen, und die Vermittelung eines Dolmetschers erweist sich als unzulänglich, um Einsicht in das religiöse Bewusstsein eines Volks zu verschaffen. „Ein Reisender", sagt Quatrefages,,,der meistens die Sprache des Volks, um das es sich handelt, nur schlecht versteht, zieht z. B. bei Einzelnen Erkundigungen darüber ein, wie sie über Gott, über ein künftiges Leben u. s. w. denken, diese verstehen ihn nicht und machen. verneinende Zeichen, die keinen Bezug auf die an sie gerichtete Frage haben, der Europäer aber deutet diese Zeichen anders: ihm gelten die Befragten gleich von vornherein als niedrige Geschöpfe, die höherer Vorstellungen nicht fähig sind, und so muss er wol glauben, jenes Volk habe keine Vorstellung von Gott oder von einem künftigen Leben. Leser, die von der Civilisation fremder Völker gleich niedrig denken wie jener Reisende, werden sich seine Auffassung ohne Mühe aneignen. So wurde immer wiederholt, die Kaffern, die Hottentotten kennten keinen Gott, und doch wissen wir jetzt, dass dem nicht so ist.":

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Das Verständniss der Sprachen der Naturvölker wird überdies noch dadurch erschwert, dass sich jene nach Familien oder doch nach Stämmen dialektisch zu zersplittern

1 F. von Hellwald, Culturgeschichte, S. 24.

2 A. de Quatrefages, Das Menschengeschlecht, II, 217.

pflegen. Ueberdies erstrecken sie sich gewöhnlich nur auf die nächste Umgebung, haben keine Worte für abstracte Begriffe, für Seele, Geist u. dgl. 2, weil die Wilden abstract zu denken nicht vermögen. So hat die Sprache der Australier keine Gattungsnamen wie Baum, Fisch, Vogel u. dgl., sondern nur Bezeichnungen für Einzelheiten. Die Abiponer besitzen keine Wörter für Mensch, Körper, Raum, Zeit u. dgl. 3 Bei der Forschung nach dem Bildungsstande der Naturvölker werden oft ungeschickte Fragen gestellt, die zu Lächerlichkeiten führen, ohne den Zweck zu erreichen. Aus den vielen Beispielen genüge das eine, das Lubbock erwähnt: ,,Als sich Labillardière bei den Freundschaftsinsulanern nach einem Worte für 1,000000 erkundigte, scheinen sie diese Frage für thöricht gehalten zu haben, denn sie nannten ihm eins, das offenbar gar keine Bedeutung hat. Als er nach 10,000000 fragte, erhielt er zur Antwort: «lacalai», was ich unerklärt lassen will; für 100,000000 sagten sie: «laounona», was soviel wie «Unsinn» heisst, während sie ihm für höhere Zahlen gewisse unfeine Ausdrücke angaben, die er allen Ernstes in seinem Numeralienverzeichniss veröffentlicht hat." Die Unzweckmässigkeit der Fragen, welche häufig in Bezug auf das Religionswesen der Wilden gestellt worden sind, beruht gewöhnlich auf der falschen Voraussetzung, wonach dem Europäer geläufige Vorstellungen jenen zugemuthet werden, die ihnen ganz fremd sind. Daher erschienen ihnen Fragen über den Glauben an die göttliche Schöpfung, an den Schöpfer Himmels und der Erde gewöhnlich lächerlich, indem sie meinten, man müsste dabei gewesen sein, wenn man darüber etwas sagen wollte, oder sie erwiderten, Himmel und Erde müssten wol von selbst entstanden sein. Die Methode, das religiöse Bewusstsein

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1 Bastian, Das Beständige in den Menschenrassen, S. 25.

2 Spix und Martius, Reise in Brasilien, I, 269.

3 Vgl. bei Lubbock, Vorgeschichtliche Zeit, II, 270 fg., mehrere Beispiele in andern Sprachen. Waitz, Die Indianer Nordamerikas, S. 8. 4 Lubbock, Entstehung der Civilisation, S. 6.

5 Vgl. Meiners, Allgemeine kritische Geschichte der Religionen, I, 40 fg.

roher Völker durch Inquiriren zu erforschen, erweist sich überhaupt als unzulänglich, weil diese, nach den übereinstimmenden Zeugnissen der Reisenden, grosse Scheu hegen, über religiöse Dinge zu sprechen. „Die religiösen Anschauungen wurzeln tief im Innersten des Menschen und der Wilde offenbart nicht gern sein Innerstes vor Fremden, die er fürchtet, die ihm überlegen sind und nicht selten dasjenige, was ihm als das Heiligste gilt, geringschätzen und bespötteln. Fällt es doch einem Pariser schwer genug, in Frankreich selbst über die abergläubischen Ansichten der Matrosen oder des niederbretagnischen Bauern etwas herauszubringen, und demnach mag er ermessen, welche Aufschlüsse er beim Kaffern oder beim Australier über derartige Dinge erwarten darf. Nur mit Mühe vermochte Campbell von Makum das Geständniss herauszulocken, die Buschmänner glaubten an einen männlichen Gott und an einen weiblichen Gott, an ein gutes Princip und an ein böses Princip, und erst durch Arbousset und Daumas haben wir noch andere bedeutsame Aufschlüsse erhalten. Wallis hatte einen Monat lang im engsten Verkehr mit den Tahitiern gestanden und hatte nichts von einem religiösen Cultus bemerken können, obwol ein solcher fast überall an den allergewöhnlichsten Vorgängen des Lebens sich betheiligt. Die Morais, jene hochverehrten Tempel, deren heiliger Boden von keiner Frau betreten werden darf, hatte Wallis blos für Begräbnissstätten angesehen."1 Diese Scheu der Wilden vor Fremden steigert sich zu Mistrauen und Unwillen, besonders wenn sie mit Europäern schon in Berührung gekommen und an diesen kein mustergültiges Beispiel gefunden, durch sie vielmehr sich in ihrer grossen Liebe zur individuellen Unabhängigkeit oder an dem Glauben ihrer Väter beeinträchtigt fühlen. Darin sieht Waitz2 den Grund des so geringen Erfolgs namentlich der ersten Missionare. Ein treffendes Beispiel der Scheu der Wilden vor Europäern erzählte neulichst Dr. Oskar Lenz von den Abongos, einem Jägervolk

1 A. de Quatrefages, a. a. O., S. 216.
2 Die Indianer Nordamerikas, S. 152.

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