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um die Handlung auszudrücken, er, der eine eigene Wissenschaft der Fusstritte (la savate) hat? Kennt der Italiener, kannte der Grieche etwa die blaue Farbe nicht, weil der italienischen und griechischen Sprache die specielle Bezeichnung fehlt?" Es wurde schon oft darauf hingewiesen, der Franzose habe keinen dem deutschen,, Gemüth" entsprechenden Ausdruck, und doch wird niemand sämmtliche Bewohner Frankreichs für gemüthlos halten; dem französischen,,esprit entspricht kein deutscher gleichwerthiger Sonderausdruck, und doch fehlt es unter Deutschen nicht an Leichtigkeit der Auffassung verbunden mit Lebhaftigkeit der Phantasie, und „Humor", gerade den Germanen als eigenthümlich zuerkannt, ist bekanntlich kein germanischer Ausdruck; schliesslich ermangeln wir eines eigenthümlichen Wortes für „Religion", auf deren Besitz der Deutsche doch berechtigten Anspruch erhebt.

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Obschon der erwähnte Pater Baegert 17 Jahre lang als Missionar unter den californischen Indianern gelebt, liegt seinem Bericht doch keine genaue Beobachtung zu Grunde, sonst hätte er, abgesehen von Idolen, religiösen Handlungen oder Gottesdienst, Spuren von Religion wahrnehmen müssen. Er bemerkt zwar, dass sich die Californier beim Tode von Anverwandten den Kopf mit Steinen verwunden, den Verstorbenen Schuhe mitgeben, mit den schwangern Weibern, Kindbetterinnen, mannbar gewordenen Mädchen und Knaben mancherlei Ceremonien vornehmen, dass sie zu Beschwörern, Zauberern und Zauberinnen ihre Zuflucht nehmen, zeitweise sich in Höhlen zurückziehen, als wenn sie mit höhern Wesen einen vertrauten Umgang pflegten u. dgl. m.; aber der Pater sieht in all dem keine religiösen Elemente, sondern Aberglauben, weil, nach seiner Meinung, Religion schlechterdings Tempel und Gottesdienst erheische. Aehnlich sind die Belege, welche Lubbock für die Religionslosigkeit einer Reihe von Volksstämmen anführt.1 Als Zeichen der Religionslosigkeit gilt bald das Fehlen gottesdienstlicher Gebräuche, Opfer u. dgl., bald dass mancher Volksstamm

1 Vgl. Lubbock, Vorgeschichtliche Zeit, II, 273 fg.

die Existenz der Welt nicht auf einen göttlichen Schöpfer zurückleitet oder keinen Begriff von Unsterblichkeit hat u. dgl. m. Gegen eine solche Beobachtungsweise hat Meiners schon vor 70 Jahren sich ausgesprochen: ,,Wenn man keine Priester, keine Fetische, keine Verehrung, keine bestimmten oder pomphaften Feste fand, so glaubte man, dass solche Völker keine Religion oder wenigstens keinen Gottesdienst hätten, zugleich führt man von solchen Völkern Meinungen und Gebräuche an, die sich unleugbar auf die Erkenntniss und Verehrung höherer Naturen bezogen." Ein namhafter wissenschaftlicher Theologe unserer Tage spricht die Ansicht, welche auch andere theilen, unumwunden aus:,,Religion kann unabhängig von der Anerkennung eines persönlichen Gottes oder vom Glauben an die Unsterblichkeit bestehen." 2

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Sir John Lubbock 3 zweifelt aber überhaupt, dass Menschen auf so niederer Bildungsstufe, die nicht einmal ihre Finger zu zählen vermögen, „, ihren Geist auch nur zu den ersten Anfangsgründen einer Religion" zu erheben vermögen, dass sie ,,jenes entwickelte Begriffsvermögen besitzen sollen, das jede Glaubenslehre erfordert, die den Namen Religion verdient". Wenn manche Volksstämme nur bis vier zählen und was darüber ist unter „,viel" zusammenfassen, so sind damit schon die Anfänge der Arithmetik, wenn auch die allerersten, gemacht. Aehnlich verhält es sich mit der Religion, welche dem Bildungsgrade eines Volks stets entspricht, welches auf der untersten Stufe nicht ganz religionslos genannt werden kann.

Die Reisenden neuester Zeit, grösserntheils Naturforscher, deren Beobachtung vornehmlich die Naturbeschaffenheit der Länder und Menschen betrifft, können den geistigen Zustand der letztern während eines verhältnissmässig kurzen

1 Meiners, Allgemeine kritische Geschichte der Religionen, I, 12.

2 L. W. E. Rauwenhoff, Dr. David Friedrich Strauss' alter und neuer Glaube (1873), S. 83.

3 Vorgeschichtliche Zeit, II, 278.

4 Lubbock, Entstehung der Civilisation, S. 177.

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Aufenthalts meist nur beiläufig berücksichtigen. „Ein Reisender aber", sagt Sproat, nach Oskar Peschel „ein Völkerkundiger ersten Ranges" 1,,,muss jahrelang unter Wilden wie einer der Ihrigen unter ihnen gelebt haben, ehe seine Ansicht über ihre geistigen Zustände irgendeinen Werth beanspruchen kann." 2 Dieser richtige Grundsatz eines Ethnologen scheint bei Sir John Lubbock nicht volle Würdigung zu finden, da Aussprüche von Reisenden über manche Volksstämme, die sie nur flüchtigen Auges gesehen, doch als vollgültig verwerthet werden. So wird z. B. Henry Bates als Zeuge für die Religionslosigkeit wilder Volksstämme angeführt, welche dieser auf einem, wenige Tage dauernden, von seinem Standort unternommenen Ausfluge gesehen hat. Um über die religiösen Anschauungen eines wilden Volksstammes das richtige Urtheil zu gewinnen, bedarf es einer langen und scharfen Beobachtung seiner Sitten, Gebräuche und seiner ganzen Lebensweise überhaupt. Denn die religiösen Elemente haben sich nicht bei jedem Volksstamme zu einem gottesdienstlichen Cultus krystallisirt, sondern sind oft in befremdlichen, mit der Religion im ersten Blick gar keinen Zusammenhang verrathenden Sitten und Gebräuchen verhüllt, aber doch latent enthalten, aus denen sie erst auszuschälen sind. Wer z. B. bei einem flüchtigen Besuch auf Sumatra die braunen Menschen (Orang-Kubus) sich herumsetzen sieht um einen Buluh-butang oder hohen Bambus, und dann alle zusammen mit dem Kopfe gegen den Stamm anrennend, grunzende Töne ausstossend, wird schwerlich sofort ein religiöses Element darin erkennen. Und doch wird er nach erlangter Einsicht in den geistigen Zustand dieses Volksstammes, nach dessen Ansicht die WidadiriDewas oder Waldnymphen sowie die bösen Rackhasas in dem Buluh-butang wohnen, in diesen Vorgange den eigenthümlichen Gottesdienst dieser heidnischen Sumatraner er

1 Völkerkunde, S. 271.

2 Anthropological Review (London 1868), VI, 370.

3 Vgl. dessen Ausflug über Ega hinaus am Tucanhus vom 11. bis 30. November in: Der Naturforscher am Amazonenstrom (1866), S. 394.

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blicken. Wenn die Kamtschadalen es für eine grosse Sünde halten, sich in heissen Quellen zu baden oder denselben zu nahen, den Schnee mit dem Messer ausserhalb der Behausung von den Schuhen abzuschaben, eine Kohle mit dem Messer aufzuspiessen, um Taback anzuzünden u. dgl. m., so wird der Ethnolog durch den Begriff der Sünde, der mit diesen Handlungen in Verbindung gesetzt ist, zu der Vermuthung eines religiös-sittlichen Grundes, welcher jene Handlungen als sündhaft und darum als verboten erscheinen lässt, sich hingedrängt fühlen, obschon der Zusammenhang nicht zu Tage liegt und der Kamtschadale selbst keinen Aufschluss zu geben vermag. Dagegen pflegen Reisende derlei Sitten in die Rubrik,,Aberglaube" zu setzen, worunter sie gewöhnlich alle Gebräuche und Anschauungen verstehen, die mit den unserigen nicht übereinstimmen, deren Ursprung und Bedeutung nicht einleuchtet, daher unerklärlich erscheint, ja dass selbst das ganze Religionswesen der Wilden als Aberglaube zusammengefasst wird. Sir John Lubbock gesteht ganz offen: „Ich habe anfangs geschwankt, ob ich nicht bei der Aufschrift dieses Kapitels (über die Religion der Wilden) das Wort «Religion» durch «Aberglaube» ersetzen sollte; doch gab ich dem erstern Ausdruck den Vorzug, denn einestheils gehen viele der abergläubischen Vorstellungen allmählich in erhabenere Anschauungen über, und andererseits entschliesse ich mich nur ungern, ein verdammendes Urtheil über einen aufrichtigen Glauben auszusprechen, und sei derselbe noch so widerlich und unvollkommen." Dieses Geständniss bekundet mehr löbliche Humanität des emsigen Ethnographen, als Tiefe der Forschung in Bezug auf das religiöse Wesen. Es handelt sich nicht darum, ob religiöse Vorstellungen dem Europäer als Aberglaube erscheinen, sondern ob jene einem Volksstamme als Religion gelten, ob sie die Merkmale der Religiosität an sich tragen. Aberglaube wird gewöhnlich als Relativbegriff in Beziehung auf einen für absolut gehaltenen Glauben gefasst, daher dem einen als Aberglaube erscheinen

1 Bastian, Der Mensch in der Geschichte, III, 194.

2 Entstehung der Civilisation, S. 169.

kann, was den andern als religiöser Glaube erfüllt und befriedigt. Dies gilt von Individuen wie von Völkern. Es erklärt sich, dass selbst innerhalb eines und desselben kirchlichen Bekenntnisses der gereifte Mann einen Glaubenssatz seinem Bildungsstande gemäss anders auffassen wird als in seinem Jugendalter; dass die religiösen Vorstellungen, welche als wahrer Glaube die Vorfahren beseelte und zu Grossthaten aneiferte, welche die Bewunderung der Nachwelt erregen, von dieser doch als Aberglaube bezeichnet werden kann. „Was ist denn Aberglaube?" fragt Dr. H. Schindler 1, ,,heute eine Schmarotzerpflanze, die an den Baum des Glaubens hinaufrankt und ihn morgen zu überwuchern und zu ersticken droht; heut der heilige Hort des gläubigen Gemüths selber, der morgen trotz aller Kämpfe in den Strom der Vergessenheit versenkt wird; heut das Schaffen eines überirdischen Geisterreichs und morgen die Annahme ungebildeter, unerwiesener Kräfte in der Natur; heut die Umkehr von Ursache und Wirkung und morgen die falsche Consequenz einer richtigen Prämisse; heut ein falscher Causalnexus für den speciellen Fall, und morgen der Glaube an den nothwendigen Zusammenhang des Zufälligen: aber wer steht uns dafür, dass das, was wir heute als höchste Frucht einer geistigen Ueberlegenheit und als die Errungenschaft einer jahrtausendelangen Arbeit ansehen, von unsern Nachkommen nicht als Aberglaube gebrandmarkt wird? Wer steht uns dafür, dass das, was von uns als Aberglaube verworfen wird, die Folgezeit nicht wieder unter anderer Form in die Wissenschaft einführt? Wer dafür, dass Erscheinungen, welche wir heut zweifellos als durch Causalnexus verbunden betrachten, von der Zukunft nicht als ausser allem ursächlichen Zusammenhang gewusst werden?" Hierbei ist aber zu bemerken, dass Schindler die Bedeutung des Ausdrucks ,,Aberglaube" zu weit ausdehnt und auch den Irrthum, die Hypothese in allen Wissenszweigen darunter begreift, wie es im gewöhnlichen Leben wol oft geschieht. Der Aberglaube unterscheidet sich aber vom Irrthum, den er aller

1 Der Aberglaube des Mittelalters (1858), S. iv.

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