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die Bildung Wert hat und Achtung verdient, die mit der Sittlich= keit Hand in Hand geht; vergesse nicht, daß bei der Vielgeschäftigkeit und der Genußsucht unserer Zeit der Schule mehr denn je die Pflicht obliegt, dafür zu sorgen, daß der höhere Quell des Lebens nicht versiege. Ein Volk, dem das Gefühl für Ehre, Treue und Autorität, dem der Gehorsam und Glaube abhanden kommt, ist zum Untergange reif. Auch die Fortbildungsschulen haben die Pflicht, solche Stoffe mit aufzunehmen, deren Besprechung dazu beiträgt, das sittliche Urteil zu schärfen und den Geist mit edlen Gedanken und Empfindungen zu bereichern; denn das lezte und höchste Ziel jedes Unterrichts bleibt die Veredlung des Herzens. Selbst dem klügsten und geschicktesten Menschen ist seine materielle Existenz gefährdet, wenn ihm der sittliche Halt fehlt. Bei dem fortwährenden Ruf nach Bildung, der heutzutage erhoben wird, geht man ferner von der irrtümlichen Voraussetzung aus, daß die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten unverlierbar bleiben, und legt daher den Ton vorzugsweise auf Aneignung einer Masse von Wissensstoffen, statt ihn darauf zu legen, daß an den Stoffen der Geist entwickelt und das Herz veredelt werde. Nicht alles, was in der Schule getrieben wird, braucht dem Gedächtnisse einverleibt zu werden. Je mehr man dieses in Anspruch nimmt, desto mehr leiden die anderen Geisteskräfte darunter, und desto größer wird der Widerwille von Seiten der Schüler. Es ist etwas Wahres daran, daß man sich auch dumm lernen kann. Der größte Teil der erworbenen Kenntnisse geht nach wenigen Jahren doch wieder verloren, wenn sie das praktische Leben nicht in fortwährender Übung erhält. Selbst mit dem Rechnen, Schreiben und Lesen würde dies der Fall sein, würden diese Fertigkeiten nicht fast täglich geübt. Dagegen ist die durch klare Einsicht erlangte Herzensbildung von bleibender Dauer. Diese Einsicht kann aber vorzugsweise nur an Stoffen sittlichen Inhalts gewonnen werden, und dafür bietet unsere Litteratur eine reiche Auswahl.

Magdeburg, im Mai 1874.

1. Gellert.

Könnte der äußere Erfolg schon einen Maßstab für den inneren Wert einer Sache abgeben, so müßte man den Dichtungen des ehrwürdigen Gellert einen Plaß in unserer Litteratur anweisen, den der bescheidene Mann niemals beansprucht haben würde. Seine Fabeln und Erzählungen erregten in allen Teilen unseres Vaterlandes, ja sogar über die Grenzen desselben hinaus, ein so allgemeines Interesse, daß sie von jedermann gelesen wurden, von Fürsten und Bauern, von Beamten und Militär, von der Jugend wie vom Alter, von Freund und Feind. Seine geistlichen Lieder fanden nicht nur Aufnahme bei Lutheranern und Reformierten, sondern wurden selbst von Katholiken gesungen. Die starre Sprödigkeit der Bekenntnisse schmolz in der gemeinsamen Verehrung des Dichters. Alle Stände und Genossenschaften fühlten sich zu ihm hingezogen, erbaten sich sogar seinen Rat in den verschiedensten Angelegen= heiten des alltäglichen Lebens und wetteiferten, ihm durch Aufmerksamfeiten jeder Art Beweise ihres Wohlwollens und ihrer Hochachtung zu geben. Eltern fühlten sich glücklich, ihre Söhne unter seiner Leitung zu wissen; Reisende, mit dem verehrten Manne einige Worte gewechselt zu haben; hochgestellte Frauen, von seiner Hand einige Zeilen zu besizen. Es ward ein förmlicher Kultus mit seiner Person getrieben, nicht bloß in Sachsen, sondern in ganz Deutschland. „Man kann wohl sagen, daß seit Luther keinem Deutschen eine so ausgebreitete, so alljeitige und andauernde Verehrung zu teil geworden war, wie Gellert."

Ein gut Teil der Anerkennung lag in der liebenswürdigen, Achtung gebietenden Persönlichkeit des Dichters. Nicht gern trennt der Deutsche das Poetische und Sittliche, und schwerlich würde Gellert vermocht haben, die Aufmerksamkeit in ethem so hohen Grade auf sich zu lenken, hätte an seinem Charakter ein Makel gehaftet, wäre er, der auf Moralität und Frömmigkeit hinwirken wollte, nicht selbst mit seinem Beispiele vorangegangen. Sein kindliches Gemüt, seine fromme Seele, fein mildthätiges Herz hatten ihm überall Freunde erworben, und gern las man die Produkte des Mannes, den man schon als Menschen ehrte und liebte, und dessen humane Persönlichkeit man aus seinen Poesien her= vortreten sah.

Aber trotzdem wäre Gellert nicht im stande gewesen, die Aufmerksamkeit so allgemein auf sich zu lenken, hätte er nicht die Gabe ge

Gude's Erläuterungen I. 7. Aufl.

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habt, seine Dichtungen in ein Gewand zu fleiden, die dem deutschen Volke, namentlich dem gebildeten Mittelstande so zusagte, und wären die Regungen und Bestrebungen der damaligen, an großen Vertretern der Poesie noch armen Zeit ihm nicht entgegen gekommen. Überall machte sich ein Umschwung in dem deutschen Geistesleben bemerkbar, selbst in den höchsten Schichten der Gesellschaft, wozu der hochfliegende Geist des Philosophen von Sanssouci durch Wort und That nicht wenig beitrug. An die Stelle eines zelotischen Glaubenszwanges und eines finsteren Aberglaubens, der auf Heren noch Jagd machte, traten humanere Lebensanschauungen und menschenfreundlichere Grundsäße, an die Stelle eines steifen Ceremoniells und eines herrischen, oft harten Standesunterschiedes eine größere Natürlichkeit und Einfachheit im Umgange. Auch tauchten plötzlich litterarische Wochenblätter und Streitschriften auf, in denen das Wesen der Poesie erörtert wurde und an deren Lektüre sich die gebildeten Volksschichten beteiligten, wodurch der fast erstorbene Sinn für Poeste wieder lebendig wurde. Kurz überall regte sich ein Streben nach Bildung und Aufklärung, nach Verbreitung humaner Grundsäge und einer Moral des praktischen, gesunden Menschenverstandes. Gellert war der beredtste und populärste Dolmetscher dieser Zeitrichtung. Er sprach aus, was Tausende dachten und empfanden, bald ernsthaft, bald scherz= haft, bald fanft ermahnend oder ratgebend, bald mild tröstend, stets wie ein Freund zum Freunde, überall bemüht, die vorhandenen Gegenfäße zu versöhnen und das Vertrauen zu der Stimme des natürlichen Gefühls (des empfindenden Herzens", wie er es nennt) zu wecken und zu stärken. Dabei ließ er es sich angelegen sein, durch Wort und Schrift die große Geringschätzung und Unempfänglichkeit gegen unsere Muttersprache und deren Litteratur zu mindern und die Schreibweise in ganz Deutschland zu verbessern. Mit seinen Vorlesungen über den Ge= schmad verband er praktische Übungen im deutschen Stil und drang dabei auf Einfachheit und Leichtigkeit, Klarheit und Korrektheit, Eigenschaften, die damals selten waren. Kann sich seine Prosa auch nicht messen mit dem leichten Fluß und der anschmiegenden Weichheit eines Wieland, fehlt seinem Stile auch die Zartheit und der poetische Duft eines Goethe, die vollendete Form eines Lessing, so enthält er doch die ersten und notwendigsten Bedingungen eines guten Stils und sticht vorteilhaft ab gegen die steife Umständlichkeit und Breite der früheren Zeit. Was seine Poesie betrifft, so steht auch diese nach Inhalt und Form den späteren Leistungen nach; sie zeichnet keine hohen Ideale, erhebt sich nicht zu unerwarteten Resultaten eines hohen, poetisch-philosophischen Fluges, begeistert nicht zu Thatenluft und Mannesmut, aber dennoch, ja man tann sagen, gerade deshalb wurden seine Fabeln und Erzählungen ein Boltsbuch im schönsten Sinn des Wortes. Es wäre dies nicht möglich gewesen, wären sie nicht in einer Form abgefaßt, die dem deutschen Gemüte so zusagt, und die auch dem Unkundigen, dem an das Denken wie an den poetischen Ausdruck nicht Gewöhnten verständlich

ift. In der anmutigen Hülle fleiner Geschichten werden da weise Lehren, nüßliche Gedanken, humane Grundsäße, bessere Einsichten mit einem durchaus natürlichen Humor und einem leichten Spott ohne allen gelehrten Apparat launig und drollig zum Verständnis gebracht. Man kann bei ihnen lachen und lernen, sich erfreuen und belehren zugleich. *) Bas Gellert bringt, ist handgreiflich, seiner Philosophie kann jeder folgen, auch wenn er kein großer Denter ist. Seine Poesie ist vorzugsweise vom Berstande diftiert und für den Verstand geschrieben. Daher wurde denn auch die Fabel und die poetische Erzählung von ihm in reichem Maße gepflegt. Beide Dichtungsarten seßen durchaus Leser oder Hörer voraus, die sich belehren und belustigen wollen, und arbeiten ihrer ganzen Anlage nach auf diesen Zweck hin. Das Belustigende liegt bei der Fabel schon darin, daß Tiere handelnd und redend wie Menschen auftreten. Den belehrenden und erheiternden Ton derselben sehen wir wiederkehren in den poetischen Erzählungen, die sich im wesentlichen von den Fabeln nicht unterscheiden und das didaktische Bedürfnis der Dichter wie des Publikums auch in diesen Produkten verraten. Die Gellertschen Erzählungen schließen daher auch gewöhnlich mit einer Moral, so daß zwischen ihnen und seinen Fabeln nur der Unterschied stattfindet, daß bei den letteren Tiere, bei den ersteren Menschen handelnd auftreten. Die Form der Darstellung ist in beiden so ziemlich dieselbe. Gellert entwickelt in der Formierung seiner Stoffe ebenso wenig Mannigfaltigkeit, wie in den Stoffen selbst. Sein Kreis ist ein enger und begrenzter. Am höchsten stehen diejenigen seiner Dichtungen, in welchen er in einem heiter-satirischen Tone menschliche Schwächen vorführt, wie dies die fol

*) Wie sehr diese Erzählungen und Fabeln durch ihren Humor, durch ihre Lebenswahrheit und durch ihre Moral auch die untersten Schichten des Bolts entzückten, dafür nur ein Beispiel, welches Gellert selbst in einem Briefe an Kersten folgendermaßen erzählt: Unlängst tomme ich zu meinem Buchbinder. Indem ich mit ihm rede, tritt ein Holzbauer, der bei ihm bekannt ist, herein und langt aus seinem Kober, in dem ein guter Vorrat von Butter und Käse und ein Brot war, meine Fabeln ungebunden hervor. Da, fing er in seiner Sprache an, bingt mir das Buch fein fest und schien ein. Christoph, sprach mein Buchbinder, wo habt ihr denn das Buch bekommen? Wo wer ich's hergetreit han, ich há mir's gekost. Unser Schulmester und der Schulze han sich bald scheckigt über dem Buche gelacht. Es stieht recht spaßhaft Zeug drinn, mer möcht närrisch dreber weren. Ich ha en tlen Jungen, der schun schmud lesen kann, dem will ich's gähn, er full mir abends bei der Pfeife Tubat, wenn ich vom Feld komm, draus vurlesen, so geh ich kaum mih in die Schenk. Er war noch jung der Herr, der's in Drud hat ausziehn lassen; ich wollte was abbrechen, aber er sate, es wäre nich angers, als 20 Groschen, die ha ich ihm auch gegähn. Er hatte noch vel Bücher, das Bücherschreiben mußen recht von der Hand gehn. Ihr Narr, sprach mein Buchbinder, der Mann, wo ihr das Buch gekauft habt, hat's nicht ge= schrieben, er handelt nur damit." · Der Buchbinder sagte dann dem Bauern, daß der danebenstehende Mann der Verfasser sei, worauf der Bauer Gellert freundlich auf die Achsel klopfte und ihn ermahnte, mehr solch' schnackiges Zeug zu schreiben.

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gende Erzählung „der Prozeß“ thut, die gleich mit einer feinen Ironie

beginnt.

Der Prozeß.

Ja, ja, Prozesse müssen sein!

Gesezt, sie wären nicht auf Erden,
Wie könnt' alsdann das Mein und Dein
Bestimmet und entschieden werden?
Das Streiten lehrt uns die Natur;
Drum, Bruder, recht' und streite nur!
Du siehst, man will dich übertäuben;
Doch gieb nicht nach, setz' alles auf
Und laß dem Handel seinen Lauf!
Denn Recht muß doch Recht bleiben!

„Was sprecht Ihr, Nachbar? Dieser Rain,

Der follte, meint Ihr, Euer sein?
Nein, er gehört zu meinen Hufen."
„Nicht doch, Gevatter, nicht, Ihr irrt!
Ich will Euch zwanzig Zeugen rufen,
Von denen jeder sagen wird,

Daß lange vor der Schwedenzeit

"

Gevatter, Ihr seid nicht gescheit!

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Versteht Ihr mich? Ich will Euch's lehren,
Daß Rain und Gras mir zugehören.
Ich will nicht eher sanfte ruhn!

Das Recht, das soll den Ausspruch thun!"
So saget Kunz, schlägt in die Hand
Und rückt den spißen Hut die Quere.
„Ja, eh' ich diesen Rain entbehre,
So meid' ich lieber Gut und Land!"
Der Zorn bringt ihn zu schnellen Schritten;
Er eilet nach der nahen Stadt.
Allein Herr Glimpf, fein Advokat,
War kurz zuvor ins Amt geritten.
Er läuft und holt Herr Glimpfen ein.
Wie, sprecht Ihr, kann das möglich sein?
Kunz war zu Fuß und Glimpf zu Pferde.
So glaubt Ihr, daß ich lügen werde?
Ich bitt' Euch, stellt das Reden ein,
Sonst werd' ich, diesen Schimpf zu rächen,
Gleich selber mit Herr Glimpfen sprechen.

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Ich sag' es noch einmal, Kunz holt Herr Glimpfen ein,
Greift in den Zaum und grüßt Herr Glimpfen.

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Herr!" fängt er ganz erbittert an,

„Mein Nachbar, der infame Mann,

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