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Drauf fing fie zitternd an: „Ich, Mann! ich, deine Frau!
Ich sag' es noch einmal, der Hecht war gar zu blau!“

Sie nimmt das Glas und trinkt. D, laßt sie doch nicht trinken!
Ihr Liebster geht und sagt kein Wort.

Kaum aber ist ihr Liebster fort,

So sieht man sie in Ohnmacht sinken.

Wie konnt' es anders sein? Gleich auf den Zorn zu trinken!
Ein plögliches Geräusch bewegt das ganze Haus;

Man bricht der Frau die Daumen aus;

Man streicht sie kräftig an, kein Balsam will sie stärken;
Man reibt ihr Schläf' und Puls, fein Leben ist zu merken;
Man nimmt versengtes Haar und hält's ihr vors Gesicht:
Umsonst! Umsonst! Sie riecht es nicht!

Nichts kann den Geist ihr wiedergeben.

Man ruft den Mann; er kommt und schreit: „Du stirbst, mein Leben! Du stirbst? Ich armer Mann! Ach! meine liebe Frau,

Wer hieß mich Dir doch widerstreben!

Ach, der verdammte Fisch! Gott weiß, er war nicht blau.“
Den Augenblick bekam sie wieder Leben.

„Blau war er!" rief fie aus, willst du dich noch nicht geben?" So that der Geist des Widerspruchs

Mehr Wirkung, als die Kraft des heftigsten Geruchs!

In derselben Weise, wie in dem vorigen Gedichte aus einem Vorfalle des öffentlichen Lebens die Prozeßsucht der Bauern lächerlich ge= macht wird, in derselben Weise wird hier aus einem Vorfalle des häuslichen Lebens das Benehmen eiteler Frauen, die selten, wenn sie Lob erwartet haben, auch nur den leisesten Tadel ertragen fönnen, ins Komische gezogen. Dort wie hier ergeht sich die Erzählung in behaglicher Breite und in schalthafter Laune, ohne energisches Pathos fittlicher Entrüstung; dort wie hier fehlt es nicht an übertreibung. Daß es der Dichter indes auf die Rechthaberei der Ismene nicht allein abgesehen hat, geht schon aus dem Anfange der Erzählung hervor, indem daselbst in ironischer Weise bemerkt wird, Ismene habe noch bei vielen andern Gaben auch die gehabt, zu widersprechen. Anknüpfend an das Tischereignis, werden die anderen Eigenschaften der Frau: ihre Nachlässigkeit im Anzuge (fie hat die Nachthaube noch nicht einmal abgelegt), ihre Fertigkeit im Verstellen ebenfalls in komischer Weise vorgeführt. Der eigentlichen Erzählung geht auch hier erst eine im scherzhaften Tone gehaltene, lange Einleitung vorauf. Der Dichter sagt nämlich, daß die ganze Welt zwar behaupte, alle Frauen hätten die Tugend (wie er sich ausdrückt) zu widersprechen, er aber glaube dies doch nicht. Schalkhaft fährt er dann fort, daß er oft die Brobe gemacht und manche Frau, die häßlich war, schön genannt habe, niemals sei ihm aber dabei widersprochen worden. Nach dieser schalt

haften Bemerkung kommt er dann zu der Erzählung selbst, die er natürlich nicht, ohne mit darein zu reden, zu Ende führen fann. Mitten im besten Erzählen warnt er, die Frau nicht trinken zu lassen, und da dieses doch geschieht und Ismene darauf in Ohnmacht sinkt, bemerkt er lächelnd: „Wie konnt' es anders sein? Gleich auf den Schreck zu trinken!“

So ist auch dieses Gedicht wieder mit vielem Humor und großer Lebendigkeit ausgeführt, namentlich in der Partie, in welcher der Dichter mit der ihm eigenen, wißigen Beobachtungsgabe den Zorn des Truthahns schildert und den Zorn der Jsmene damit in Parallele stellt. Benn er in dem vorigen Gedichte die Einfalt des Bauern schon durch den Namen „Kunz" andeutet, so nennt er hier in ironischer Weise die Widersprecherin „Ismene“, bekanntlich die sanfte Schwester der Antigone. Gellert hat es übrigens in seinen poetischen Erzählungen öfter auf die weiblichen Schwächen abgesehen. In dem Gedichte das junge Mädchen" bringt er in höchst launiger Weise den Widerspruchsgeist eines jungen, unverheirateten Mädchen dem Vater gegenüber zur Darstellung. Der lettere wird um die Hand seiner Tochter in deren Abwesenheit angegangen. Die Werbung wird zurückgewiesen, da die Tochter, wie der Vater sagt, erst vierzehn Jahre alt sei. Das junge Mädchen, das beim Hereintreten in die Stube dieses hört, bricht so= gleich höchst erregt und schreiend in die Worte aus:

Was sagten Sie, Papa? Sie haben sich versprochen.
Ich sollt erst vierzehn Jahre sein?

Nein, vierzehn Jahr und sieben Wochen!"

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Hiermit endet indes das Gedicht nicht. Gellert kennt auch die Neugierde der Frauen zu gut und weiß ferner, daß diese mit der Anficht des Vaters nicht einverstanden sein werden. Er läßt daher von ihnen die Frage aufwerfen: Ließ sie der Vater denn nicht frein?" und fährt dann schalthaft fort:

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„Das weiß ich nicht. Doch nein, ich will's nur sagen;

Denn unter denen, die mich fragen,

Da könnten wohl selbst junge Mädchen sein;

Die zu beruhigen, will ich's aufrichtig sagen:

Der Bater schämte sich und ließ die Tochter frein.“

Als Metrum ist in der Widersprecherin, wie im Prozeß, der Jambus gebraucht, und wie dort, so ist auch hier nur die gleichmäßige Bewegung desselben festgehalten. Alles andere, wie die Zahl der Füße, der Wechsel in der Länge der Zeilen, ist ohne Regel und Geset. Auch der Reim schweift geseglos hin und her, fällt oft auf bedeutungslose Nebenwörter, ist ohne sinnlichen Bollklang und mehr ein zufälliges Anhängsel, als ein wohltönender Abschluß des Verses. Unreine und fehlerhafte Reime kommen ebenfalls vor. Manche derselben finden in dem sächsischen Dialekte des Dichters ihre Erklärung, wie denn Gellert auch die befannte, gemütliche Geschwäßigkeit der Sachsen repräsentiert.

Mit derselben schalthaften Laune, wie in diesen Gedichten, be

handelt er in noch vielen anderen unter der harmlosen Form der Erzählung die kleineren und größeren Gebrechen der Gesellschaft. Er spottet nicht nur über die Schwächen der Frauen, er spottet auch über die Dichter, welche zu lange singen, selbst wenn ihnen das Talent versagt, über ungetreue Männer, über die Gefahren des Reichtums und die Angst des Geizigen, über pedantische Gelehrte und über falsche Frömmigkeit, über den orthodoren Formelkram, wie anderseits über die erheuchelte Startgeisterei der Ungläubigen, welche in der Stunde des Todes zu Schanden wird, über das Elend einer glänzenden Sklaverei gegenüber den Vorzügen einer zwar mühevollen, aber auch ehrenvollen Unabhängigkeit, über ungebildete, tyrannische und ungerechte Edelleute und über andere Mißstände des öffentlichen Lebens. Alle diese Er= zählungen sind in ihrer Art kleine Kunstwerke, gut angelegt und fesselnd durchgeführt.*) Nicht allen ist eine ausgesprochene Moral angehängt. Manche endigen ohne solche mit einem drolligen oder sarkastischen Schluß. So z. B. der Selbstmord“. In dieser Erzählung bittet ein Jüngling die von ihm Angebetete fußfällig um Gegenliebe. Umsonst! Da springt er auf und schreiet:

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Die Erzählung der Grejs“, von dem der Dichter fingen will, was durch denselben Großes in der Welt geschah, schließt:

„O Ruhm, dring' in der Nachwelt Ohren,
Du Ruhm, den sich mein Greis erwarb!
Hört, Zeiten, hört's! Er ward geboren,
Er lebte, nahm ein Weib und starb!"

Eine Reihe Erzählungen und Fabeln gipfeln in den Gedanken, daß wir mit dem beschiedenen Lose zufrieden sein sollen, eine Mahnung, von der die heutige, genuß süchtige Welt nichts wissen will. Andere Lassen sich auf sprüchwörtlich gewordene Lebensansichten zurückführen, wie z. B. der Zeisig und die Nachtigall (Der Schein trügt) 2c. Was die angehängten, moralischen Lehren betrifft, so sind manche von ihnen nach unseren heutigen Begriffen nicht ganz stichhaltig. Eine Erzählung möge noch Platz finden, da sie immer noch ihre Geltung behauptet.

Der grüne Esel.

Wie oft weiß nicht ein Narr durch thöricht Unternehmen
Viel tausend Thoren zu beschämen?

*) Das wegwerfende Urteil Vilmars über Gellert ist ebenso ungerecht, wie das große Lob, welches er Klopstock spendet. In Gellerts Dichtungen steckt mehr Gesundes, als in den meisten Poefteen Klopstocks.

Neran, ein fluger Narr, färbt seinen Esel grün,
Am Leibe grün, rot an den Beinen,
Fängt an, mit ihm die Gassen zu durchziehn;
Er zieht, und jung und alt erscheinen.
Welch' Wunder! rief die ganze Stadt,
Ein Esel, zeifiggrün, der rote Füße hat!

Das muß die Chronik einst den Enkeln noch erzählen,
Was es zu unsrer Zeit für Wunderdinge gab.
Die Gassen wimmelten von Millionen Seelen;
Man hebt die Fenster aus, man deckt die Dächer ab,
Denn alles will den grünen Esel sehn,

Und alle konnten doch nicht mit dem Esel gehn.
Man lief die beiden ersten Tage

Dem Esel mit Bewundrung nach.

Der Kranke selbst vergaß der Krankheit Plage,

Wenn man vom grünen Esel sprach.

Die Kinder in den Schlaf zu bringen,

Sang keine Wärterin mehr von dem schwarzen Schaf;
Vom grünen Esel hört man singen,

Und so gerät das Kind in Schlaf.

Drei Tage waren kaum vergangen,

So war es um den Wert des armen Tiers geschehn.
Das Volk bezeigte kein Verlangen,

Den grünen Esel mehr zu sehn.

Und so bewundernswert er anfangs allen schien,

So dacht ist doch kein Mensch mit einer Silb' an ihn.

Ein Ding mag noch so närrisch sein,

Es sei nur neu, so nimmt's den Böbel ein,

Er sieht, und er erstaunt. Kein Kluger darf ihm wehren.
Drauf fömmt die Zeit und denkt an ihre Pflicht;

Denn sie versteht die Kunst, die Narren zu bekehren,

Sie mögen wollen oder nicht.

In dieser Erzählung geißelt Gellert die Sucht der Menschen nach dem Absonderlichen und Abenteuerlichen, welches gewöhnlich größere Bewunderung und Nachahmung findet, als das Natürliche und Nächst= liegende. Mit feiner Ironie hat der Dichter gerade einen Esel gewählt, der zum Helden des Tages von der schaulustigen Menge gemacht wird. Auch die Auswahl der Farben, die hier in ihrer grellen Zusammenstellung geschmacklos erscheinen, ist bezeichnend für den geistigen Standpunkt der Bewunderer. Mit köstlicher Laune und mit ungemeiner Lebendigkeit ist die Aufregung geschildert, in welche die ganze Stadt, ohne Ausnahme, versezt wird. Man hebt nicht nur die Fenster aus, man det sogar die Dächer ab. Um das Wundertier zu sehen, scheut man selbst die Lebensgefahr nicht. Drei Tage lang ist jedes andere Gespräch

verstummt; der Esel begeistert selbst die Ammen zu Schlafliedern für die Kinder. Wehe dem, der in dieser Zeit es gewagt hätte, in die Bewunderung nicht mit einzustimmen, oder gar Zweifel und Tadel laut werden zu lassen. Er hätte sich seinen besten Freund zum ärgften Feinde machen können. Es ist alles dieses durchaus nicht übertrieben. Man denfe nur an die noch nicht lange verflossene Zeit des Tischrückens. Ganz Europa und Amerika waren da in Aufregung. Durch geheimnisvolle Kräfte sollten die Tische nicht nur in Bewegung versetzt werden, fie sollten auch Antwort auf vorgelegte Fragen geben können. In allen Schichten der Gesellschaft, bis in die höchsten, wurden Proben angestellt. Die Ungläubigen schwiegen; sie wagten nicht zu widersprechen. Man denke ferner an die vielen unnatürlichen und unschönen Moden, an die Chignons und dergl., und welchen Anklang und welche Lobreden diese finden; man denke an die schaurigen und doch viel gelesenen französischen Romane, an die geschmacklosen und doch viel besuchten Theaterstücke, an das Auftreten von Frauen in Männerrollen u. s. w., und man wird gestehen müssen, daß die Sucht der Menschen nach dem Seltsamen und Widernatürlichen immer noch nicht ausgestorben ist, und die Geschichte vom grünen Esel" sich immer noch wiederholt. Wird doch selbst das Häßliche nicht selten angeftaunt, ja bewundert, so daß man fich unter Schillers Heren in Macbeth versett glaubt, die da schreien:

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„Häßlich soll schön, Schön häßlich sein!"

Es hat diese Sucht nach dem Absonderlichen ihre sehr bedenkliche Seite; sie verleitet zur Effekthascherei und führt dadurch viele auf schlüpfrige Abwege. Mit sittlicher Entrüstung schließt deshalb der sonst so sanfte Gellert seine Erzählung mit den Worten: „Ein Ding mag noch so närrisch sein; es sei nur neu, so nimmt's den Pöbel ein." Daß der Dichter hier unter Pöbel nicht die in Lumpen gekleideten, untersten Schichten des Volkes meint, geht aus dem Ganzen hervor.

Was die Fabeln unseres Dichters betrifft, so findet sich in diesen, wie schon gesagt, dieselbe eigentümliche Verbindung des satirisch Scherzhaften und des Lehrhaften, dieselbe Breite der Darstellung, dasselbe moralische Behagen, wie in den poetischen Erzählungen. Auf eine Besprechung derselben einzugehen, ist hier nicht notwendig. Näher liegt eine Vergleichung derselben mit den Fabeln Lessings. Die Unterschiede find leicht aufzufinden. Lessing schrieb seine Fabeln meistens in Prosa, ohne belustigendes Beiwert, und ohne die Moral besonders auszusprechen. Die bei Gellert absichtlich eingeflochtenen Scherze und Satiren, die Zwischenreden und Gespräche suchen wir bei ihm vergebens. Den Begriff und das Wesen der Fabel streng festhaltend, arbeitete er in der Anlage derselben ohne Umschweif auf die Moral hin, und führte dadurch die Fabel wieder auf die ursprüngliche Einfachheit zurück, die sie bei dem alten Aesopus hatte, der um 570 v. Chr. in Phrygien lebte. Er übersah aber, daß diese Art knapper Darstellung dem deutschen Volks

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