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geist, mit einer segnenden und belebenden Stimme zu uns kommst, nimm meine Verehrung und meinen Dank. Fühle, daß wir dich bewundern und vertrau' uns, wenn du etwas bedarfst.“ Der Alte schweigt, läßt erst seine Finger über die Saiten schleichen, dann greift er sie ftärker an und singt nun das besprochene Gedicht.

Goethe liebte es, seine Lebensverhältnisse in poetischen Bildern und Gestalten niederzulegen und mit seinen individuellen Erlebnissen sich dadurch abzufinden, daß er den Sturm des bewegten Busens durch den Zauber der Dichtkunst beschwichtigte. Eine solche poetische Beichte ist auch das vorliegende Gedicht.

Die scheinbar hohe und glänzende Stellung, die er inne hatte, die damit verbundenen Zerstreuungen und Zersplitterungen seiner Kräfte und seiner Zeit waren für sein poetisches Schaffen nicht förderlich. Er empfand dies oft schmerzlich genug, und in einem Gespräch mit Edermann äußert er: „Man hat mich immer als einen vom Glück besonders Begünstigten gepriesen; auch will ich mich nicht beklagen und den Gang meines Lebens nicht schelten. Aber im Grunde ist es nichts als Mühe und Arbeit gewesen, und ich kann wohl sagen, daß ich in meinen 75 Jahren keine vier Wochen eigentliches Behagen gehabt. Es war das ewige Wälzen eines Steins, der immer von neuem gehoben fein wollte. Der Ansprüche an meine Thätigkeit, sowohl von außen, als von innen, waren zu viel. Mein eigentliches Glück war mein poetisches Sinnen und Schaffen. Allein wie sehr war dies durch meine äußere Stellung gestört, beschränkt, gehindert. Hätte ich mich mehr vom öffentlichen und geschäftlichen Wirken und Treiben zurückgehalten und mehr in der Einsamkeit leben können, ich wäre glücklicher gewesen und würde als Dichter mehr gemacht haben. Ein weit verbreiteter Name, eine hohe Stellung im Leben sind gute Dinge, allein mit all meinem Ramen und Stande habe ich es nicht weiter gebracht, als daß ich, um nicht zu verlegen, zu der Meinung anderer schweige."

Thema.

Das Sängertum im Mittelalter.

Schon in der deutschen Urzeit gab es Sänger. Sie waren damals die Verkündiger der Thaten von Helden, und leidenschaftlich war die Teilnahme der Zuhörer, wenn ihr Gesang anhob: die Augen leuchteten; man trauerte und lachte nach dem Willen des Sängers; die Jungen griffen zum Schwerte, und die Greise klagten, daß ihnen die Kraft aus den Gliedern geschwunden sei. Die Harfe des Sängers tönte im Hofhalt des Hunnentönigs Attila, wie in der Halle jedes Germanenhäuptlings. Man beschenkte die Sänger mit Armringen und mit goldenen Bruftmedaillen, mit Gewändern und mit Unterhalt aller Art. Sie

Gude's Erläuterungen I. 7. Aufl.

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zogen von der Halle eines Häuptlings zur andern, fuhren weit in der Welt umher und kannten Antlig und Sprache vieler Menschen. Auch als ganz Deutschland christlich geworden war, zur Zeit der Sachsenund Frankenkaiser, klang immer noch der alte Gesang luftig im Volke.

In keiner Zeit hat jedoch der Sänger in so hohen Ehren gestanden, als im Mittelalter zur Zeit der Hohenstaufen. Da durfte er bei keinem fröhlichen Feste, bei keinem Mahle fehlen. Auf einem Rößlein reitend, mit einem Saitenspiel auf dem Rücken, zog er von Burg zu Burg, von Hof zu Hof, von Stadt zu Stadt, und wo er hinkam, ward er willkommen geheißen. Holde Edelfrauen und thatenlustige Ritter, gefrönte Häupter und ehrsame Bürger lauschten seinen Liedern. Bald sang er von Minne und Frühlingsluft, bald von wunderbaren Abenteuern und ritterlichen Heldenthaten. Er tröstete die Leidenden, beglückte die Liebenden, pries die Helden und mahnte die Gottvergessenen. Gleich fertig in der Kunst des Saitenspiels wie des Gesanges, sprach er aus, was seine Seele bewegte, nicht für das Papier, sondern im Kreise Lebendiger Menschen. Selbst Kaiser und Könige ergößten sich, wenn sie von der ernsten Sorge der Regierung ruheten, an seiner heitern Kunst.

Oft kamen die liederreichen Sänger auch zu einem Wettstreit zusammen. So erzählt die Sage von einem poetischen Wettkampfe, der in dem singlustigen, lebensfrohen Thüringen auf der Wartburg um das Jahr 1207 abgehalten worden sei. Fünf edle Sänger sollen dort gegen den jungen Heinrich von Ofterdingen in die Schranken getreten sein. Zu ihnen gehörte auch Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach und Biterolf. Der Streit galt dem Lobe des würdigsten Fürsten. Da pries Heinrich von Ofterdingen den glorreichen Leopold VII. von Österreich; alle übrigen aber rühmten den Thüringer Landgrafen, und ihnen schloß sich Walther an, nachdem er zuvor das Lob des Königs von Frankreich gesungen. Es war festgesetzt, daß der Besiegte den Tod von der Hand des Scharfrichters erleiden sollte. Gegen die fünf Gegner konnte Heinrich nicht aufkommen; die Richter erklärten ihn für beslegt, und schon sollte der Scharfrichter ihn aufknüpfen, als der junge Dichter sich unter den Mantel der schönen Landgräfin Sophia von Bayern flüchtete. Diese schützte ihn und wirkte die Erlaubnis aus, daß der berühmte Meister Klingsor aus Siebenbürgen als Schiedsrichter herbeigeholt würde. Nun begann aufs neue der Wettgefang und Meister Klingsor sang mit Heinrich gegen die übrigen, bis er sie endlich ver« söhnte. So endete im Frieden der Sängerkrieg auf der Wartburg.

Zu Anfang des 14. Jahrhunderts verbreiteten sich Dichtung und Gesang von den Burgen der Ritter auch in die Städte. Die Bürger fanden Vergnügen daran, in Erholungsstunden die schönen Lieder und Erzählungen der Minnesänger zu lesen. Manche, die in sich einiges Talent fühlten, ahmten ihnen nach und fingen in Nebenstunden an, fleißig zu dichten. Bald bildeten sie eine besondere Zunft unter sich und wurden, weil sie Meister ihres Handwerks waren, Meistersänger

genannt. Sie hielten, wie andere Zünfte, regelmäßige Zusammenkünfte auf ihrer Herberge. Die öffentlichen Singschulen oder Wettstreite aber wurden in den Kirchen nachmittags an Sonn- und Festtagen gehalten. Hier mußten auch die eine Probe ihrer Kunst ablegen, welche aufgenommen sein wollten. Genügten sie den Anforderungen, so ward ihr Wunsch gewährt. Feierlich gelobten sie dann, der Kunst stets treu zu sein, die Ehre der Gesellschaft wahrzunehmen, sich stets friedlich zu be= tragen und kein Meisterlied durch Absingen auf der Gasse zu entweihen. Bei den Festschulen, die man in der Kirche abhielt, wurden nur Gedichte vorgetragen, deren Inhalt aus der Bibel oder den heiligen Sagen geschöpft war. Man sang vom himmlischen Jerusalem, von der Schöpfung der Welt, vom jüngsten Gericht u. dgl. Gar feierlich nahm sich da der Verein der edlen Meistersänger aus. Alle prangten in seidenen Gewändern, grün, blau und schwarz, mit zierlich gefalteten Spizenkragen. Jedes Alter war vertreten. Neben langbärtigen Greisen im schneeweißen Haare saßen glatte Jünglinge, die aber so still und ernst waren, als wenn sie zu den sieben Weisen Griechenlands gehörten. Der Singstuhl, den einer nach dem andern bestieg, stand gewöhnlich neben der Kanzel. Ganz so wie diese, mit einem bunten Teppich geschmückt, war er nur leiner als sie. Im Chore saß an einem Pulte das Gemerke. So nannte man diejenigen Leute, welche die Fehler anmerken mußten, welche Die Sänger begingen. Sie teilten auch den Preis an den aus, der am fehlerfreiesten gesungen hatte. Dieser bestand aus einem Gehänge mit Münzen; auf einer war der König David mit der Harfe abgebildet. Der Sieger hieß deshalb auch König Davids - Gewinner. In Mainz, Nürnberg, Straßburg, Augsburg, überhaupt in den süddeutschen, freien Reichsstädten bestanden mehrere Jahrhunderte hindurch solche Singschulen der Meistergenossenschaften. Einer der merkwürdigsten Meistersänger war Hans Sachs, ein ehrsamer Schuster zu Nürnberg, der um das Jahr 1555 lebte. Er schrieb 6048 geistliche und weltliche Gedichte, von denen aber kaum der vierte Teil auf uns gekommen ist.

21. Uhland.

Lied eines Armen.

1. Ich bin so gar ein armer Mann Und gehe ganz allein.

Ich möchte wohl nur einmal noch
Recht frohen Mutes sein.

2. In meiner lieben Eltern Haus
War ich ein frohes Kind;
Der bittre Kummer ist mein Teil
Seit sie begraben sind.

3. Der Reichen Gärten seh' ich blühn,

Ich seh die goldne Saat;

Mein ist der unfruchtbare Weg,

Den Sorg' und Mühe trat.

4. Doch weil ich gern mit stillem Weh

In froher Menschen Schwarm

Und wünsche jedem guten Tag

So herzlich und so warm.

5. reicher Gott! du ließest doch

Nicht ganz mich freudenleer;

Ein süßer Trost für alle Welt

Ergießt sich himmelher.

6. Noch steigt in jedem Dörfchen ja Dein heilig Haus empor;

Die Orgel und der Chorgesang

Ertönet jedem Ohr.

7. Noch leuchtet Sonne, Mond und Stern

So liebevoll auch mir,

Und wann die Abendglocke hallt,

Da red' ich, Herr, mit dir.

8. Einst öffnet jedem Guten sich
Dein hoher Freudensaal;
Dann komm' auch ich im Feierkleid
Und seze mich ans Mahl.

Von allem Weh, welches der Arme zu tragen hat, ist ihm das schmerzensvollste sein Alleinstehen in der Welt. Es preßt ihm den

erften Klageton aus:

„Ich bin so gar ein armer Mann

Und gehe ganz allein."

Nicht ein liebes Wesen hat er auf der weiten Erde, das er sein nennen könnte. Niemand bekümmert sich um ihn, niemand denkt an ihn. Niemand hat von ihm etwas zu bitten, niemand ihm etwas zu danken.

„Ich gehe ganz allein."

Es ist der bitterste Tropfen in dem Kelch eines Armen, dessen Herz nicht in Gleichgültigkeit und Stumpffinn untergegangen ist: „Ich möchte wohl nur einmal noch Recht frohen Mutes sein."

"

Ihm gehört nur der unfruchtbare Weg, den Sorg' und Mühe trat", und der hat kein Herz, das mit ihm fühlte und mit ihm litte.

So tief indes der Arme den Schmerz des Alleinstehens auch em= pfindet, seine Klage ist keine Anklage, seine Bekümmernis kein Grollen. Das Verlassenfein von Menschen hat sein Herz nicht verbittert, daß er undankbar vergessen hätte, was er Gutes unter den Menschen genossen und was Gottes Welt an Freuden auch ihm geboten hat und noch bietet. Tie längst verschwundene Zeit seiner glückseligen Jugend leuchtet ihm wie ein glänzender Stern herüber in die trübe Gegenwart:

"In meiner lieben Eltern Haus

War ich ein frohes Kind."

Und wie er in seinem reinen, von keiner Schuld belasteten Gemüte fich in dankbarer Erinnerung an seine längst vergangene Jugendzeit zu erquicken vermag, so ist sein aufgeschlossenes Gemüt auch nicht abgestorben für die Gegenwart. Die Natur offenbart auch ihm ihre Bracht und Herrlichkeit, breitet ihren Sternenhimmel liebevoll auch über ihn aus (Ett. 7), spendet auch ihm Freuden, wie sie diese ohne Unterschied jedem spendet, der die Fähigkeit besißt, die dargebotenen Gaben zu genießen.

Die Natur ist es indes nicht allein, aus deren reichem Born er zu schöpfen versteht; in der religiösen Richtung seines Gemütes besitt er einen noch föstlicheren, nie versiegenden Quell, der so viele Schmerzen lindert, so füßen Trost dem Herzen spendet.

, reicher Gott, du ließest doch
Nicht ganz mich freudenleer:
Ein süßer Troft für alle Welt
Ergießt sich himmelher.

Noch steigt in jedem Dörflein ja
Dein heilig Haus empor;
Die Orgel und der Chorgefang
Ertönet jedem Ohr.“

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