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Sein erschütternder Bericht bildet einen herben Kontrast zu der Ruhe des Städtchens und zu dem gesicherten Wohlstande der sich dessen behaglich erfreuenden Familie des Gastwirts, der mit dem ganzen Orte eben der gesegnetsten Ernte entgegensieht, während vor dem Thore die Borüberziehenden Heimat und Obdach verloren haben, und Krante, Greise, Kinder und Weiber aller Not und allen Entbehrungen in schrecklichster Sonnenhiße ausgesezt sind. Am ausführlichsten ist seine Schilderung in der wahrgenommenen Unordnung der mitgenommenen Habe: wie das Bett im Backtrog lag, über dem Schranke das Sieb 2c. Das Geschick der mitgenommenen Sachen scheint ihm fast mehr zu Herzen gegangen zu sein, als das der Menschen. Sein Bericht zeugt indes auch von einem fühlenden, teilnehmenden Herzen.

Der erste, welcher das Wort nimmt, ist der Wirt. Er ist tief ergriffen und gerührt von den Leiden der Vertriebenen, und nach dem, was er jegt gehört, dünken ihn die Gaben, die in der Eile für die Vertriebenen zusammen gesucht wurden, nur ein geringes Scherflein. Er würde jegt sicherlich noch mehr als den Schlafrock dahin geben, und der Verlauf der Erzählung zeigt, daß er mehr als äußeren Besit zum Opfer bringen kann. Um die traurigen Bilder zu verscheuchen, ladet er die beiden Freunde zum gemütlichen Beisammensiten bei einem Glase Rheinwein in das kühlere Sälchen des Hinterhauses ein. „Es beschleicht,“ sagt er, „die Furcht gar bald die Herzen der Menschen und die Sorge, die mehr als selbst mir das Übel verhaßt ist."

Wenn der Wirt sich nun auch der Sorgen bei dem Ernst der Situation etwas zu leicht zu entledigen sucht, so zeugen seine Worte doch von einer männlichen Gesinnung, die dem Apotheker abgeht. Wer, wie dieser, der Angst und der Furcht sich hingiebt, wenn das Vaterland bedroht ist, der vergrößert schon durch allerlei Einbildungen die Gefahr und wird bei weitem weniger imstande sein, ihr mutig Troß zu bieten, als der Furchtlose. Ja, eine Gefahr ist schon halb besiegt, wenn man ihr dreist ins Auge sieht. Der Apotheker kann selbst beim Glase Wein nicht loskommen von den trüben Bildern, mit denen er sich die Zukunft ausmalt. Niedergeschlagen fißt er da und vergißt das Trinken. Als der Wirt dies bemerkt, sucht er den gesunkenen Mut des Nachbarn aufzurichten, indem er hinweist auf den blühenden Wohlstand der Stadt, die, vor nicht gar langer Zeit ein Schutthaufen, durch den Fleiß der Bürger neu aus der Äsche entstanden ist. Sichtbarlich, sagt er, ruhe der Segen Gottes auf den Bemühungen der Bewohner. Gott werde diese auch ferner nicht verlassen. Mit diesem einfachen, zuversichtlichen Glauben, welcher dem thätigen Manne, der redlich und unermüdlich das Seine gethan, aus dem Erlebten emporgewachsen ist, schauet er getrost in die Zukunft. Der Pfarrer, freudig berührt durch diese von Kleinmut, wie von Übermut gleich ferne Gesinnung, stimmt ein in die ermunternden Worte. Sollte auch der Krieg die Grenzen des Vaterlandes überschreiten, was der tiefblickende

Mann nicht für unmöglich hält, so verleihe doch, meint er, eine solche Gesinnung, wie der Wirt sie besigt, allezeit reichen Trost, belebe die Hoffnung und helfe die Prüfung männlich bestehen. Der Wirt spricht noch einmal sein Vertrauen, das sich auf die Tüchtigkeit des deutschen Volkes, auf den Schutz des Rheins als Grenzstrom und auf die Hülfe Gottes stüßt, aus, meint indes, daß die Streiter bereits ermüdet seien, und daß schon Zeichen auf Frieden hindeuteten. Nicht fern hält er die Zeit, da die Glocke tönt zu der Orgel und die Trompete schmettert, das hohe Te deum begleitend. Diese Friedenslust (ein Zug deutschen Wesens, den kriegsluftigen Franzosen gegenüber) steht dem behäbigen Manne ebenso wohl an, als der Wunsch, daß Hermann zum Friedensfeste eine Gattin heimführen möge. Leider muß er sich sagen, und dies ist für das Folgende bedeutsam, daß dazu wenig Aussicht vorhanden ist, da Hermann, obwohl im Hause stets thätig, nach außen langsam und schüchtern sich zeigt, nur ungern unter die Leute geht, den Tanz und der jungen Mädchen Gesellschaft sogar vermeidet. Kaum hat der Vater sein Mißbehagen über den Sohn ausgesprochen, als dieser in demselben Augenblicke zurückkehrt. Donnernd fährt der Wagen im schnellsten Lauf der Pferde, gelenkt von der kräftigen, kundigen Hand des Sohnes, unter das Thor.

So hat uns der Dichter unvermerkt zu der einen Hauptperson des Epos, zu Hermann, hingeführt und dessen Auftreten auf das trefflichste vorbereitet. Wir haben nicht allein seine Eltern, sondern auch das Haus und die Stadt, wo er groß geworden ist, so weit kennen lernen, daß wir über die geistige Atmosphäre seiner Umgebung nicht in Zweifel sind. Wir wissen, daß er der Sohn einer würdigen, bür gerlichen Familie ist, die der Not des Lebens entrückt, behaglich in dem ruhigen Genusse ihrer wohlerworbenen Güter lebt, ohne Uppigkeit und Müßiggang, mit schlichtem, gradem Sinne und einem Herzen, das innigen Anteil nimint an dem Unglück anderer. Wir wissen, daß er mit Vorliebe die Geschäfte des Ackerbauers treibt (es wirft dies ein Licht auf manche Seite seines Wesens, selbst auf die Wahl der Dorothea), daß er in rüstiger Kraft mit unermüdlicher Ausdauer seinem Geschäfte obliegt, nach außen hin aber eine gewisse Schüchternheit und Unbeholfenheit, wie solche dem Ackerbauer eigen zu sein pflegt, kund giebt, und sich namentlich nicht so rasch, als der Vater es wünscht, zum Heiraten entschließen kann. Seine emsige Thätigkeit, die allein schon reichen Segen in sich birgt, ist ein schöner, ehrenwerter Zug deutschen Wesens, das überhaupt in dem ersten Gesange schon vielfach einen Ausdrud gefunden hat. Dahin gehört z. B. auch die Freude des Wirts an heiterer Geselligkeit, bei der auch ein Trunk nicht fehlen darf, sein Stolz, mit welchem er stets in die Fluten des Rheins geblickt, die Innigkeit und Herzlichkeit des auf thätiger Liebe gegründeten Familienlebens, in welchem die Frau der gute Hausgeist ist u. s. w.

Neben dem friedlichen Familiengemälde, in welches nur vorüber

gehend ein Mißton kommt, erscheint wie ein schweres, drohendes Ge= witter die furchtbare Erschütterung der Staatsumwälzung in Frankreich, welche das Familienglück vieler Tausende bereits zertrümmert hat.

Der besprochene Gesang zerfällt in drei Abschnitte und ist ein wahres Meisterstück eines vorbereitenden Einleitungsgefanges. Er orientiert uns nicht nur über den Ort und über die Zeit der Handlung, wie über den Charakter des Wirtes und der Wirtin, des Pfarrers, des Apothekers und Hermanns, sondern er deutet auch in seinem Schlusse schon an, daß und worüber es zwischen Vater und Sohn zu einem Konflikte kommen kann, und welche Personen zur Lösung desfelben beitragen werden. Selbst der ernste Ton der Dichtung ist in ihm schon signalisiert, desgleichen diejenige Persönlichkeit, welche den ernsten Ton mildern wird.

II.

Der zweite Gesang, dem der Dichter die Überschrift „Hermann“ (ein für Deutschland bedeutungsvoller Name) gegeben hat, führt gleich mit dem ersten Verse den Sohn in eigener Person ein, nachdem sein Eintritt am Schlusse des ersten Gesanges durch das Rollen des zurücktehrenden Wagens gleichsam angekündigt worden ist. Mit Spannung jehen wir seinem Auftreten entgegen; denn der Vater hat ihn als einen in mancher Beziehung absonderlichen Jüngling geschildert_und_hat_sei= nen Unmut selbst in Gegenwart der Fremden nicht unterdrückt. Leicht hätte dessen Stimmung den Empfang trüben können, hätte der treffliche Prediger nicht sogleich das Wort ergriffen und durch den herzlichen, traulichen Ton seiner Rede, wie durch den Inhalt seiner Worte die Mißstimmung auf der Stelle zu verwischen gewußt. Seinem erfahrenen Auge ist es nicht entgangen, daß bei dem Jünglinge eine Veränderung eingetreten ist. Der Schüchterne zeigt ein so heiteres Wesen, in dem Blick und in den Mienen einen so fröhlichen und lebhaften Ausdruck, wie der Pfarrer bisher an ihm noch nicht wahrgenommen hat. Er schreibt dies, ganz eines Predigers würdig, dem erhebenden Bewußtsein zu, welches eine edle That gleichsam als Lohn dem reinen Gemüte verleihet; er glaubt, daß die Verteilung der Gaben der Grund ift von Hermanns verändertem Wesen.

Ist nun auch der ihn beseligende Gedanke an Dorothea vorzugsweise der Grund seiner Veränderung, so hat doch der Umstand, daß Hermann das fremde Mädchen gerade in einem Augenblicke kennen lernte, in welchem er im Begriff war, Unglücklichen zu helfen, und Dorothea selbst dies in einer erhebenden Weise that, mit Anteil an jeiner gehobenen Stimmung. Es giebt ja keinen schönern, das Leben so sehr verklärenden und hebenden Moment, als wenn Herzen sich finden in der gemeinsamen Ausübung der erbarmenden, von allem Egoismus sich rein und frei fühlenden Liebe. Von solchen Herzensbündnissen kann man mit Recht sagen, sie werden im Himmel geschlossen.

Hermann erzählt mit ruhigem Ernst, ohne durch die Bemerkung des Predigers in Verlegenheit gebracht zu sein, was ihm begegnet ist, daß er zu spät gekommen, daß er dem Zuge nachgeeilt und einen Wagen, von zwei Ochsen gezogen, angetroffen habe, auf welchem sich eine Frau mit ihrem neugeborenen Kinde befunden u. s. w. Sieht man

sich seine Erzählung genauer an, so wird man finden, daß sie zugleich der Ausdruck des Gefühls ist, ein Mädchen gefunden zu haben, das seinem Wesen entspricht. Gleich im Eingange verraten schon ein paar anscheinend bedeutungslose Worte seine Neigung. Als nämlich der Prediger zu ihm sagt:

"

Man sieht, Ihr habt die Gaben

Unter die Armen verteilt und ihren Segen empfangen,"

antwortet er:

„Ob ich löblich gehandelt? ich weiß es nicht, aber mein Herz hat Mich geheißen zu thun“ 2c.

Nicht minder verrät sich seine Neigung in der Zeichnung des Bildes, das er mit allen Umständen von Dorothea entwirft. Ausführlich berichtet er jedes Wort, welches das Mädchen gesprochen, die Art und Weise, wie es sich benommen u. s. w. Wenn ferner Hermann der Fremden, die er zum ersten Male sieht, sämtliche Sachen ohne weiteres dreist zur Verteilung übergiebt und gern ihr noch mehr gegeben hätte, so ist dies unbedingte Vertrauen gleichfalls nur aus der so plötzlich erwachten Liebe des sonst so Schüchternen zu erklären; denn das Wesen der Liebe beruhet recht eigentlich auf dem hingebenden, zweifellosen Vertrauen. Es sind dies alles nur leise Andeutungen, die der Dichter in den Bericht Hermanns hineingewoben hat, und sie scheinen so sehr zum Gegenstande seiner Erzählung zu gehören, daß die Männer gar nichts merken. Nur die Mutter hat in diesem Punkte, wie alle Frauen, ein ahnendes Gefühl. Wie wir später erfahren, sc hat sie schon aus dieser Erzählung, wenn auch nicht gleich mit voller Gewißheit, die Liebe ihres Sohnes zu dem fremden Mädchen erraten.

Kostet es nun dem Schüchternen auch noch manchen Kampf, che er seine Liebe zu gestehen wagt, so ist doch sein, unter den vorhande nen, ungünstigen Umständen gefaßter Entschluß schon ein Zeichen von dem Aufschwunge seiner Willenskraft, ein Zeichen einer männlichen Entschlossenheit, welche die Liebe, wenn sie rein und wahr ist, allezeit be wirkt. Wohl ist sie plötzlich entstanden (und es giebt eine Liebe, welche der Moment erzeugt, als wäre ihr Entstehen eine Notwendigkeit), aber sie ist keine blinde und leicht vorübergehende, weil sie einzig und allein auf sittlichen Grundlagen beruhet. Was ist es denn, was ihn so wunderbar ergriffen und sein Herz zur Liebe entflammt hat? Er hat ein Mädchen gefunden, das mit stiller Geduld und frommer Ergebenheit das eigene, harte Geschick mutig erträgt, ohne ein Wort darüber zu verlieren, mit würdigem Anstande um etwas Leinwand für die

kürzlich entbundene Wöchnerin bittet, die es, während die übrigen unbekümmert weiter geeilt find, in ihrer hülflosen Lage nicht hat verlassen können; er hat ein Mädchen gefunden, das, ohne eine falsche Scham zu verraten, nicht bloß seine Fragen ruhig erwidert, sondern auch mit flugen Gedanken ihnen zuvorkommt, kurz, ein Mädchen, in dem die weibliche Anmut und reine Güte des Herzens gepaart ist mit einem entschlossenen Geiste, ausgerüstet zu kraftvollem Handeln für die Stunde der Gefahr. Ein solches Mädchen wird über die Schwelle, über welche es einzieht, nicht nur den Geist der zarten Liebe und des gewinnenden Wohlwollens tragen, sondern wird auch imstande sein, dem Manne in allen Lagen des Lebens mit Besonnenheit zur Seite zu stehen, wird ihm in jeder Bedrängnis mit einer Dienstbereitschaft, die sich selber vergißt, eine ausharrende Treue bewahren. Diese mutige, selbstlose Dienstbereitwilligkeit, die nur in anderm lebt, ohne an sich zu denken, ist es denn auch, auf welche Goethe vorzugsweise die Größe Dorotheens gegründet hat. Ihr Äußeres deutet der Dichter mit Recht hier nur kurz an und zwar auf eine höchst kunstvolle Weise, indem er die kräftigschöne Gestalt der Jungfrau aus der Art und Weise, wie sie auftritt und handelt, erkennen läßt. Mit starken Schritten wandelt sie neben den sicher von ihr geleiteten Zugtieren einher; gelassen, ohne Scheu, tritt sie an Hermanns Wagen heran. Erst später, wo es darauf ankommt, das Mädchen aus der Menge der Vertriebenen her= auszufinden, erhalten wir eine ausführliche Beschreibung der äußeren Reize.

Hermanns Erzählung ist der zweite Bericht, den wir über die Auswanderer erhalten. Das unerfreuliche Bild, welches der Apotheker vorher von dem wüsten Durcheinander des wandernden Zuges gegeben hat, trägt wesentlich dazu bei, das Auftreten Dorotheens, die wie eine barmherzige Samariterin erscheint, sogleich in ein schönes Licht zu seßen. Daß Hermann jenen Zug nicht trifft, hat der Dichter dadurch glücklich motiviert, daß die Mutter bei ihrer bedächtigen Vorsorge zu lange Zeit mit dem Auswählen und Einpacken der Sachen gebrauchte.

Es kann uns nicht wundern, daß der gesprächige Apotheker sogleich das Wort ergreift; ebenso wenig kann es uns befremden, daß er für die Hoheit und Opferbereitwilligkeit des fremden Mädchens kein anerkennendes Wort hat. Nach dem, was er so eben gehört und was er kurz vorher selbst gesehen, ist er zu sehr mit der Sorge um seine eigene Person beschäftigt, als daß er einem andern Gedanken Raum geben könnte, als dem der Flucht, der bei den drohenden Ereignissen des Nachbarlandes zwar schon öfter in ihm aufgetaucht, aber noch nie mit solcher Lebendigkeit an ihn herangetreten ist, als jest, und so hat er denn auch noch nie so lebhaft empfunden, wie gut es ist, in solchen Zeiten der Verwirrung und Unsicherheit unverheiratet zu sein. Darum preift er sich glücklich, daß er ohne Weib und Kind dasteht. Als lediger Mann, meint er, tönne er leichter die Flucht ergreifen. Bliebe

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