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rate bekleidet und sich da nicht nur den Beifall und den herzlichen Dank aller guten Bürger erworben, der Aufschwung, den die Stadt seit dem großen Brande genommen, habe auch bei allen Fremden eine Lobende Anerkennung gefunden. Hermann aber werde schwerlich seinem Beispiele folgen und in seine Fußtapfen treten.

An sich ist es nicht zu tadeln, wenn der Wirt bei dem Gedanken, daß die Jugend dem edlen Vorbilde der Alten nicht nachkommen werde, in bitteren Unmut gerät; denn was kann wohl schmerzlicher für das ältere Geschlecht sein, als wenn es sich sagen muß, die jüngere Generation wird es um seine Mühe und um seinen Schweiß betrügen, wird nicht fortsegen, was unter schwierigen Umständen, wo schon Mut zum Anfangen gehörte, begonnen wurde. Ein rechter Vater kennt feinen sehnlicheren Wunsch, als ihn der Wirt gleich im Anfange unseres Gesanges ausspricht:

„Daß der Sohn dem Vater nicht gleich sei, sondern ein bessrer.“ Über unser Wirt thut doch Hermann großes Unrecht, und wir begegnen hier dem im Leben nicht seltenen Falle, daß Eltern ihre Kinder falsch beurteilen. Es steckt mehr in dem träumerischen Sohne, als der Vater vermutet. Die Neigung desselben zu ländlicher Beschäftigung bedingt nicht notwendig eine Unfähigkeit für die höheren Interessen des Lebens, und wir dürfen viel eher dem Urteile der Mutter, als dem des Vaters trauen, von dem sich ohnedies der Sohn ferner hält, als von der Mutter, und der wohl nicht immer den richtigen Takt in der Erziehung seines Sohnes beobachtet haben mochte, so daß dessen schüchterneš Besen zum Teil mit in der verkehrten Behandlung desselben zu suchen ift Der Mutter ist es denn auch keinen Augenblic zweifelhaft, daß Hermann dereinst mit demselben Eifer dem bürgerlichen Gemeinwesen obliegen werde, wie er bisher für das Wohl des Hauses mit pünktlicher Sorgfalt thätig gewesen ist. Tägliches Schelten und Tadeln aber, bemerkt sie ganz richtig, müsse dem Armen allen Mut nehmen. Ebenso richtig ist ihre echt pädagogische Bemerkung, daß man die den Kindern verliehenen Gaben und Kräfte zu respektieren und liebevoll zu entwickeln habe, nicht aber die eigene Leistungsfähigkeit als Maßstab hinstellen dürfe. Es sind köstliche Worte, welche hier die Mutter spricht:

„Wir können die Kinder nach unserem Sinne nicht formen;
So wie Gott fie uns gab, so muß man sie haben und lieben,
Sie erziehen aufs beste und jeglichen lassen gewähren.
Denn der eine hat die, die anderen andere Gaben;
Jerer braucht sie, und jeder ist doch nur auf eigene Weise
Gut und glücklich.“

Fragen wir, woher dieser einfachen Frau eine so richtige Einsicht gekommen, so dient zur Antwort, daß diese jeder wahren Mutter ganz naturgemäß von selbst kommt, wenn dieselbe die Erziehung ihrer Kinder nicht andern überläßt, sondern selbst in Liebe sich derselben hingiebt.

Die Mutter, die das Unrecht, welches dem Sohne widerfahren ist, ebenso schmerzlich empfindet, als wäre es ihr selbst angethan, verläßt das Zimmer, um Hermann aufzusuchen und zu beruhigen. Ganz ohne Wirkung sind ihre Worte nicht geblieben. Der aufbrausende Zorn des Alten hat einer ruhigeren Stimmung Plaß gemacht, was schon aus feiner lächelnden Bemerkung hervorgeht, daß die Frauen ein wunderliches Volk seien, wunderlich wie die Kinder, von denen jedes so gern nach eigenem Belieben lebe und hernach noch verlange, daß man es lobe und streichle. Schließt der Wirt auch seine Bemerkung mit den Worten:

"

Einmal für allemal gilt das wahre Sprüchlein der Alten:
Wer nicht vorwärts geht, der kommt zurüce!"

so beweist doch auch dieses allgemein gehaltene Wort, daß sein Born sich bereits etwas gelegt hat, und daß er nicht ganz unnach giebig ist.

Durch die legten Worte des Wirtes fühlt sich der Apotheker etwas getroffen, so daß er es für nötig hält, sich zu entschuldigen. Bei ihm ist nämlich manches beim Alten geblieben; er will doch aber nicht für einen Menschen gelten, der dem Fortschritte abhold ist. Die Entschuldigungen, die er vorbringt, bezeichnen seinen Charakter und den Kontrast, in welchem sein ganzes Denken und Handeln zu dem des Wirtes steht, wieder sehr glücklich. Wir können uns des Lächelns nicht enthalten, wenn er sagt, daß er sich immer nach dem Besseren und Neuen unsähe, wofern es nicht teuer sei; wenn er uns dann in langer Rede vorerzählt, wie er beabsichtigt habe, sein Haus mit Stuccatur und Schnörkeln zu schmücken, seine Fenster mit großen Scheiben zu versehen, das Hausgerät und den Garten nach dem neuesten Geschmack zu verändern, wie aber alles dies nur beim Vorsatz geblieben ist, weil ihn schon die Forderung für das Erneuern der alten Vergoldung des Engels Vichael zurückgeschreckt hat. Der Humor in dieser Scene besteht wieder darin, daß der geschwägige Mann gar keine Ahnung davon hat, welche Engherzigkeit und Beschränktheit seines Wesens er zum besten giebt, ähnlich wie im zweiten Gesange, wo er mit seiner Furcht wie mit einer löblichen Vorsicht prahlte. Gewiß trugen seine Worte dazu bei, die peinliche Stimmung, welche der aufbrausende Zorn des Vaters in die Gesellschaft gebracht hatte, etwas zu verwischen, wie denn Goethe den Sonderling öfter benutzt, den Ernst der Stimmung zu mildern. Daß es mit seiner Liebe zum Bessern nicht weit her ist, geht aus seinen Entschuldigungen schon sattsam hervor. Wofür man feine Opfer bringen will, das liebt man auch nicht wirklich. Aus seinen Worten spricht der echte Philister, der zwar nicht gern für einen Mann, am Alten Hangend, gelten mag, der aber dem Neuen durch eigenes Handeln ebenso wenig Vorschub leistet, als der, welcher prinzipiell dagegen ist. Im Grunde ist es dem Apotheker, trotz seiner Beteuerung des Gegenteils, ziemlich gleichgültig, daß eine bessere Richtung im Geschmack fich geltend

gemacht hat, ja, er wäre ganz zufrieden, wenn sein altmodischer Garten (der einen bezeichnenden Gegensatz zu dem des Wirtes bildet) noch Bewunderer fände, und fast verdrießt es ihn, daß dies nicht der Fall ist.

Wir sahen Hermann am Schlusse des 2. Gesanges das Zimmer in tiefem Schmerz verlassen, erfuhren aber nicht, wohin er gegangen. Auch der 3. Gesang giebt uns darüber keinen Aufschluß. Der Dichter hemmt mit dieser ungelösten Frage den Gang der Erzählung, so daß beim Lesen die Erwartung, den weiteren Fortgang der abgebrochenen Begebenheit zu erfahren, fortwährend wach bleibt. Dies ist echt episch. Das Epos eilt nicht wie das Drama in raschem Lauf auf sein Ziel Los, sondern bleibt verweilend wie ein beschauender Wanderer hier und dort auf seinem Wege stehen. Freilich ist es nicht gleichgültig, wo und wie das geschieht. Vor allem darf die Einheit des Ganzen dadurch nicht gestört, die Entwickelung von ihrem Ziele nicht abgeführt werden. Es müssen daher die eingeschobenen Episoden nicht müßige Beiwerke, sondern organische Entfaltungen des Ganzen sein, wie es in unserm Epos der Fall ist. *)

Der 2. Gesang endete nämlich mit dem Konflikte zwischen Vater und Sohn. Den äußern Anlaß dazu gab die sich offen kundgegebene Abneigung des Sohnes, eine von den Töchtern des reichen Kaufmanns zu heiraten. Der tiefere Grund des Konfliktes ist jedoch in dem ganz verschiedenen Wesen beider zu suchen. Der Sohn, eine schüchterne, langsam aus sich herausarbeitende Natur, fühlt sich am wohlsten in seiner ländlichen Beschäftigung. Ohne Neigung in die Welt hinauszutreten, ohne Neigung sich geltend zu machen, lebt er am liebsten für sich allein. Der Vater dagegen ist ein Mann, dem der enge Kreis seiner Wirtschaft nicht genügt. Unausgesett widmet er sich auch den weiteren und höheren Kreisen des Lebens. Äußerer Glanz, Beifall und Ansehen sind ihm nicht gleichgültig; er wäre sogar lieber etwas anderes als Gastwirt. Alles dieses macht erst seine gereizte Stimmung gegen Hermann erklärlich und deckt erst den tieferen Grund seiner Unzufriedenheit auf. Mit Notwendigkeit mußte derselbe im dritten Gesange nach der stattgehabten, heftigen Scene dargelegt werden. Der Wirt thut dies, indem er seine Unzufriedenheit mit Hermann rechtfertigt.

Seine Äußerungen gewähren jedoch nicht nur einen tieferen Einblick in seinen Charakter, sie geben auch zugleich ein gar treffliches Bild von dem damaligen Leben und Streben der kleineren Städte unseres Baterlandes. Einige Andeutungen hierüber finden sich schon in den beiden voraufgegangenen Gesängen. Wenn z. B. im 1. Gefange der neuen Mode, die den Schlafrock und die Pantoffeln verdrängt hat, gedacht wird, wenn ferner der Wirt von seiner zukünftigen Schwieger

*) Vergl. im 2. Gesange die Scene im Hause des reichen Kaufmanns.

tochter verlangt, daß sie das Spielen des Klaviers verstehen müsse u. f. w., so geht hieraus schon hervor, daß damals in dem Bürgerftande ein Streben, das Alte zu ändern, und auch eine Empfänglichkeit für geistige Interessen erwacht war. Weiter ausgeführt ist dieses nun im 3. Gefange. In Beziehung auf den Baustil ist der alte Rokoko-Geschmack verdrängt worden; die seltsamen Statuen (die Bettler und Zwerge von Stein), die Grotten aus Erzstufen und Muscheln, die Tapeten mit Gemälden geputzter Herren und Damen will niemand mehr sehen. Man liebt nicht mehr Schnißwert oder Vergoldung, nicht mehr geschnörkelte Formen, sondern einfache, gerade Linien und die natürlichen Farben fremder Hölzer. Kurz die steife Förmlichkeit und bizarre Geschmacklosigkeit der früheren Zeit ist im Abnehmen, in der Architektur, wie in den Gartenanlagen, in der Kleidung, wie in den Geräten. So führt uns der Dichter ganz anspruchslos und doch wohlberechnet mit der Revolutionszeit des vorigen Jahrhunderts zugleich die denkwürdigen Änderungen vor, welche das Leben auch auf anderen Gebieten als auf dem politischen erfuhr.

IV.

Mit dem 4. Gefange wird der Faden der Erzählung nach der furzen Unterbrechung wieder aufgenommen. Die Mutter sucht, während die Männer sich unterhalten, den Sohn vor dem Hause auf der Bank, seinem gewöhnlichen Size. Aber weder hier am offenen Marktplage findet sie ihn, noch im Stalle bei seinen Lieblingspferden. Sie geht nun durch die langen, doppelten Höfe an Scheunen und Ställen vorbei in den Garten. Auch da weilt er nicht. Aus einem Mauerpförtchen tretend, steigt sie über einen trockenen Graben hinweg den Weinberg hinan. Da sie ihn auch dort nicht findet, tritt sie durch die obere Thür des Weinbergs ins Kornfeld ein, das in weiter Fläche den Rücken des Hügels bedeckt. Immer noch auf eigenem Boden schreitend, geht sie auf einem Fußwege zwischen den Ädern hin, bis zur Grenze ihrer Besitzungen. Dort erhebt sich auf einem Hügel ein großer Birnbaum, weit und breit in der Gegend sichtbar. Sein Alter ragt in so ferne Zeiten zurück, daß niemand die Hand, die ihn gepflanzt, kennt. In dem Schatten dieses alten, patriarchalischen Baumes sitt Hermann, einsam und in Schmerz versunken. Oft schon hat er so dagesessen, wenn der Bater ihn unfreundlich behandelt hatte. Heute hat er Thränen im Auge. Auf den Arm gestützt, der Mutter den Rücken zukehrend, schaut er im tiefften Schmerz mit stiller Sehnsucht jenseits nach dem Gebirge, wohin der Zug der Auswanderer gegangen war, als wäre dort eine andere und bessere Welt. Sachte schleicht die Mutter hinan und rührt ihm leise die Schulter. Und er wandte sich schnell, da sah sie ihm Thränen im Auge." So führt uns der Dichter an der Hand der suchenden Mutter wieder zu Hermann hin. Mit inniger Teilnahme folgen wir ihm Schritt

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für Schritt. Damit ist auf die spannendste Weise der Faden der Erzählung wieder aufgenommen. Die Schilderung des Ganges durch die einzelnen Partieen des großen Grundbesizes ist ein Meisterstück der beschreibenden Poesie. Bild reihet sich an Bild, ohne breite Schilde= rung, ohne malerische Ausführung. Und doch ist das Ganze, wie das Einzelne sehr malerisch und klar, schön gerundet und wohl zusammenstimmend. Goethe bedient sich hier des bekannten Lessingschen Mittels, indem er die zu schildernde Landschaft nicht wie eine fertig vor ihm liegende beschreibt, sondern sie in ihren Teilen unter der Führung der suchenden Mutter, die uns gleichsam ihr Auge leihet, allmählich entstehen läßt. Eine ausgeführte Detailschilderung, wie wir solche bei Boß öfter finden, würde den poetischen Äther, welcher über das lieblich schöne, der Stimmung ganz angemessene Landschaftsbild ausgegossen ift, nur verdunsten. Unser Dichter weiß Maß zu halten. Und doch, welche Fülle neuer, charakteristischer Züge schlingt sich durch die Schilderung hindurch. So wird ganz passend hier des würdigen Ahnherrn gedacht und dabei erwähnt, daß er Burgemeister gewesen sei. Es verbreitet dies über die Familie, wie über ihre Besitzung einen altertümlichen, aristokrarischen Glanz. Die Begünstigung, daß er ein Pförtchen durch die Mauer brechen durfte, ist wieder ein Beitrag zu dem kleinstädtischen Leben des Or= tes. Das nickende Korn des Feldes, die herrlichen Trauben der Weinstöcke führen in das ländliche Treiben desselben, das in der Weinlese, der Ernten schönste, seinen Glanzpunkt erreicht. Wenn ferner der Dichter beim Gange der Mutter erwähnt, daß sie die Stüßen der Obstbäume zurechtgestellt und im Vorbeigehen einige Raupen vom Kohl weggenommen habe, in dem Augenblice, wo ihre Gedanken ganz dem geliebten Sohne zugewandt waren, so ist das wieder ein trefflicher Zug der immer geschäftigen, auf alles bedachten, Hausfrau, der die Arbeit und die Ordnung zur andern Natur geworden ist, und die darum auch das Kleinste nicht außer acht lassen kann. Ohne eine solche Frau würde der Wirt schwerlich zu feinem Wohlstande, wie zu seinem häuslichen Glück gelangt sein.

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Aus der geschilderten Lokalität tritt am lebendigsten der Birn= baum vor unsere Seele. Seine einsame Lage auf der weiten Fläche, wo er als der einzig hohe Gegenstand erscheint; sein ehrwürdiges Alter; seine einladenden, ihn umgebenden Bänke alles dieses trägt dazu bei, ihn bedeutsam hervorzuheben, ihn der Empfindung, wie der Phantasie gleich nahe zu bringen. Überhaupt hat der Dichter mit dem Gange der suchenden Mutter die ganze Scenerie der Lokalität lebendig zu machen gewußt. Kein Gegenstand wird in toter Isolierung vorgeführt, jeder ist, wie schon angedeutet, in eine lebensvolle Beziehung gesetzt worden. Selbst mit den Türmen der Stadt ist dies geschehen, durch das erfreuende und sich wiederholende Echo. Dabei bildet die ganze Lokalität obenein noch zu dem folgenden, ergreifenden Gespräch zwischen Mutter und Sohn einen schönen, Übergang, im Tone, wie in der Stimmung.

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