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blickenden Pfarrer, die Größe des Mannes zu würdigen. Ergriffen von dem, was er eben gesehen und gehört hat, kann er nicht unterlassen, ihm seine Hochachtung auszusprechen. Er thut dies in einer feinen, zarten Weise, indem er im allgemeinen den Wert des Weisen in den Zeiten der Aufregung und der Not preisend hervorhebt, und dann, das Nahe mit dem Fernen verbindend, den Richter mit den ältesten Volksführern, mit Josua und Moses, vergleicht, ein Vergleich, der auch dem Pfarrer alle Ehre macht, indem nur der, der selbst groß ist, auch einen Maßstab für das Große hat. Der ehrenwerte Richter lenke mit edler Selbstverleugnung das Gespräch von seiner Person ab. Nur den einen Gedanken des Predigers festhaltend, erwidert er, daß mit Recht die jetzige Zeit sich vergleichen lasse mit den seltensten Zeiten der Geschichte.

Der Apotheker kann die Fortsetzung des begonnenen Gesprächs nicht abwarten. Ihm scheint diese Unterhaltung ein Zeitverlust zu sein, und behende flüstert er dem Gefährten heimlich ins Ohr, nur weiter mit dem Richter zu sprechen und das Gespräch auf das Mädchen zu bringen. Er selbst wolle gehen, um es aufzusuchen. So weiß der Dichter auf eine geschickte Weise den Apotheker zu entlassen und ihm die seinem Charakter gemäße Rolle des Aufsuchens zuzuteilen, während er dem Prediger die wichtigere Aufgabe vorbehält, über den Charakter des Mädchens Nachforschungen anzustellen.

Wir sind am Schlusse des 5. Gesanges mitten unter die Auswanderer versetzt worden. Die erste Scene, welche uns hier entgegen tritt, bietet kein erfreulicheres Bild als jene, welche der Apotheker im 1. Gesange berichtete, wo der Zug sich noch auf der Wanderung befand. Ja, der spröde Egoismus der Menge tritt in dem Gezänt der Männer, in dem Gekreisch der Weiber noch stärker hervor, als früher, wodurch der Wunsch, Dorothea möge diesem Gewühl entrückt werden und einen Platz in Hermanns Hause finden, noch gesteigert wird.

VI.

Der 6. Gesang, dem der Dichter die bezeichnende überschrift „das Zeitalter" gegeben hat, führt uns zu dem eigentlichen Quell und Ursprung der Trauerscenen, zu der furchtbaren Erschütterung der Staatsumwälzung in Frankreich. Dieses blutige, noch jest in seinen Folgen unabsehliche Ereignis wird uns in großen, mächtig ergreifenden Zügen, ohne störende Beimischung von Einzelheiten, vorgeführt, gerade hin reichend, um das Auge auf das Ungeheure in der Ferne zu richten und das Gemüt aus den alltäglichen, gewohnten Empfindungen aufzurütteln, ohne die epische Ruhe zu verlegen. Mit sicherer Meisterhand hat der Dichter das blutige Ereignis dem unmittelbaren Schauplage der Handlung zu entrücken, durch die räumliche und zeitliche Ferne zu mildern gewußt. Trotz dem ist es auf das Innigste in den Gang der Hand

lung verflochten worden. Gerade die Erwähnung dieses Ereignisses führt auf Dorothea, in einer Weise, daß dem kundschaftenden Pfarrer fein Zweifel über den Charakter des Mädchens bleiben kann. Veran= laßt wird die Schilderung der Revolution durch eine Frage des teil= nehmenden, das ganze Elend der Vertriebenen tief fühlenden Geistlichen. Der Alte, an den die Frage gerichtet ist, schildert zuerst den ungeheuren Enthusiasmus, den die Erklärung der Menschenrechte, welche die Freiheit und Gleichheit für Jeden sanktionierte, hervorgerufen hatte. Der Rausch der Freiheit ergriff zuerst Paris, von da teilte er sich schnell nicht nur den Provinzen mit, auch die Nachbarn des leicht entzündlichen Volkes wurden davon mit ergriffen, ja, in den fernsten Ländern riß die Erklärung der Menschenrechte die edelsten Menschen zur lautesten Bewunderung hin. Schien es doch, als ob nach der langen, dunklen Nacht, in welcher Müßiggang, unhaltbare Vorrechte und Eigenmug das Regiment geführt hatten, eine neue Sonne emporsteigen wollte. An allen Orten pflanzte man Freiheitsbäume, Bäume mit bunten Bändern geschmückt, in dem Wipfel mit einer roten Müße geziert. Alt und jung, Männer und Frauen schwangen sich im fröhlichen Tanz und Gesang um dieselben, die Männer mit Säbeln umgürtet, als prunkendes Zeichen der neuen Errungenschaft. Aber der Himmel trübte jich bald. Troftlos war das Ergebnis der in ihren Anfängen mit so lautem Jubel von allen Rednerbühnen begrüßten Bewegung. Die Freiheit artete aus in zügellofen Egoismus und in Willkür, die Gleichheit ward zur Ungerechtigkeit und zur Autoritätslosigkeit. Immer wilder und fanatischer wurden die Forderungen und die entfesselten Leidenschaften, immer zahlreicher die Tumulte und Aufstände, begleitet von Mord und Brandstiftungen, deren Straflosigkeit neue und frevelhaftere Aufstände gegen Leben und Eigentum veranlaßte. Ein verderbtes Geschlecht, das von dem Umsturz der Dinge nur Gewinn zu ziehen suchte, verdrängte die Edlen und Besseren und verhinderte die Herstellung einer wohlgeordneten Verfassung, wie sie dringend notwendig war, um die ungeheure Gährung der Gemüter niederzuhalten. Die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit wurden zum blendenden Aushängeschilde für räuberische und ehrgeizige Unternehmungen, für Eidbruch, Mord und Angeberei der gräßlichsten Art. Ehre, Glaube, Gehorsam wurden zum leeren Schall.

Sie ermordeten sich und unterdrückten die neuen

Nachbarn und Brüder und sandten die eigennützige Menge.
Und es praßten bei uns die Obern und raubten im Großen,
Und es raubten und praßten bis zu dem Kleinsten die Kleinen;
Jeder schien nur besorgt, es bleibe was übrig für morgen."
Aber noch schlimmer ward es, als die vorgedrungenen Franken, von
den Deutschen geschlagen, sich zurückziehen müßten.

Ach, da fühlten wir erst das traurige Schicksal des Krieges!
Denn der Sieger ist groß und gut, zum wenigsten scheint er's,

Und er schonet den Mann, den besiegten, als wär' er der seine,
Wenn er ihm täglich nügt und mit den Gütern ihm dienet.

Aber der Flüchtige kennt kein Geseß; denn er wehrt nur den Tod ab
Und verzehret nur schnell und ohne Rücksicht die Güter;

Dann ist sein Gemüt auch erhitzt, und es kehrt die Verzweiflung
Aus dem Herzen hervor das frevelhafte Beginnen.

Nichts ist heilig ihm mehr; er raubt es. Die wilde Begierde
Dringt mit Gewalt auf das Weib und macht die Lust zum Entseßen.
Überall sieht er den Tod und genießt die letzten Minuten

Grausam, freut sich des Bluts und freut sich des heulenden Jammers." Diese freche Niedertretung aller menschlichen Ordnung, diese unum wundene Herrschaft der Gewalt und des Schreckens drängte zu grimmiger Rache. Alle ergriffen die Waffen und überfielen im Verein mit den siegreich vordringenden Deutschen die auf dem Rückzuge begriffenen Fremdlinge.

"Ohne Begnadigung fiel der Feind und ohne Verschonung;
Überall ras'te die Wut und die feige, tüdische Schwäche.
Möcht' ich den Menschen doch nie in dieser schnöden Verirrung
Wiedersehn! Das wütende Tier ist ein besserer Anblick.
Sprech' er doch nie von Freiheit, als könn' er sich selber regieren!
Losgebunden erscheint, sobald die Schranken hinweg find,
Alles Böse, das tief das Gesetz in die Winkel zurücktrieb.“

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Die neue Wendung des Krieges, das erneuete Vorrücken der Franken und die dadurch veranlaßte Flucht der Gemeinde führt der Richter nicht besonders an, da mit den traurigen Folgen dieses Ereig nisses der Prediger als Augenzeuge hinlänglich bekannt ist. Die linksrheinischen Deutschen waren nicht nur um ihre Hoffnungen betrogen worden, sondern hatten auch Heimat und Besit verloren. Kein Wunder, wenn der edle Richter, der all' das Bittere unmittelbar selbst erfahren und die Freiheit auf das blutigste mißbrauchen gesehen hat, verzweifelnd ausruft: Spreche der Mensch doch nie von Freiheit, als könn' er sich selber regieren!" *) Noch stehen alle Greuel frisch in seinem Andenken und machen vergessen, wie dies zu geschehen pflegt, das Edle und Gute, was zur Ehre der menschlichen Natur in Zeiten leidenschaftlicher Aufregung und schrankenloser Ungebundenheit niemals fehlt. Nicht alle, wie der Prediger richtig bemerkt, verfallen den finstern Mächten. Diejenigen, welche wirklich einen sittlichen Fond in sich haben, erhalten sich nicht nur rein von dem hereingebrochenen Verderben, die Gefahr und der Kampf entwickeln bei solchen auch in ungeahnter Schnelligkeit Kräfte, die man ihnen nimmer zugetraut hatte. Es ist daher ganz im Sinne und Charakter des Predigers, wenn der Dichter ihn auf die letzte Äußerung des Richters erwidern läßt: „Trefflicher Mann!

Wenn Ihr den Menschen verkennt, so kann ich Euch darum nicht schelten; Habt Ihr doch Böses genug erlitten vom wüsten Beginnen!

*) Vergl. die Revolutionsscene in Schillers Glocke.

Wolltet Ihr aber zurück die traurigen Tage durchschauen,
Würdet Ihr selber gestehen, wie oft Ihr auch Gutes erblicktet,
Manches Treffliche, das verborgen bleibt in dem Herzen,

Regt die Gefahr es nicht auf, und drängt die Not nicht den Menschen, Daß er als Engel sich zeig', erscheine den andern ein Schußgott." Durch diese trostreiche Erwiderung wird auf das glücklichste die Erzählung von der Heldenthat der Jungfrau eingeleitet. Eine bessere Empfehlung, als diese ganz absichtslos neben einer Reihe anderer edlen Thaten gestellte Erzählung konnte Dorothea nicht zu teil werden. Man vergesse nicht, daß Hermanns Brautwerbung in eine Zeit fällt, in welcher die brutale Gewalt in dem nahen Nachbarlande das Regiment führte. Jeden Augenblick konnte das schreckliche Volt, das wie ein Gewitter daherzog, die Grenzen überschreiten. Vor der wilden Leidenschaft war dann auch das Heiligste nicht geschützt. In solchen Zeiten muß auch die Frau, wenn kein anderes Mittel übrig bleibt, das Außerste nicht scheuen, muß mit dem Schwerte in der Hand ihr Höch ftes, ihre Ehre und der Kinder Unschuld, verteidigen können. Daß Dorothea eines solchen sittlichen Aufschwunges fähig ist, davon über= zeugt uns der Bericht des Richters. Wer solch ein Weib in seinem Hause weiß, der kann getrost auch in die trübste Zukunft blicken. Daß Dorothea mit ganzer Hingabe auch die häuslichen Pflichten ihres Geschlechts erfüllen werde, darüber läßt uns das, was wir bereits von ihr wissen, so wie der weitere Verlauf der Dichtung nicht in Zweifel. Ohne jenen heroischen, den Zeitumständen entsprungenen und gemäßen Zug aber würde der Charakter des außerordentlichen Mädchens, wie Goethe selbst bemerkt, in die Reihe des Gewöhnlichen herabsinken. *) Und so sicher hat der Dichter den Charakter angelegt, daß wir sogleich mit dem Pfarrer ahnen, daß die gepriesene Heldin wohl dasselbe hoch= herzige Mädchen sein werde, welches Hermann angetroffen hatte. Zur Gewißheit darüber läßt es aber der Dichter nicht sofort kommen. Gerade in dem Augenblicke, als der Pfarrer den Richter fragen will, wohin jenes Mädchen geraten sei, kehrt der Apotheker zurück und meldet, daß er die von Hermann Beschriebene gefunden habe. Der vielbeschäftigte Richter aber ist inzwischen von den Seinen weggerufen, „die ihn bedürftig des Rats" verlangten, und er trifft mit den Freunden erst wieder zusammen, nachdem uns Dorothea von neuem in der gewinnend

*) Die deutsche Geschichte ist nicht arm an Frauen, welche in Zeiten der höchsten Not das Schwert zu ihrer Verteidigung ergriffen. Gothische Frauen solugen in Abwesenheit der Männer einen Angriff feindlicher Scharen ab, und den Kriegszügen der Germanen folgte nicht selten eine Schar tapferer Frauen. In den Freiheitskriegen trat Eleonore Prohaska aus Potsdam unter dem Namen August Renz unerkannt in das Lüßowsche Freicorps und starb den Heldentod. Eine andere Jungfrau, Auguste Krieger aus Mecklenburg, stellte sich unter dem Namen Lübeck in die Reihe der freiwilligen Krieger und erkämpfte sich das eiserne Kreuz. Dorothea verteidigt ihre Ehre und die Unschuld der Kinder. Fehlte dieser Zug, so fehlte ein wesentlicher Charakterzug der wilden Zeit während der Revolution. Auch der Bräutigam der Dorothea ist mit dem Schwerte in der Hand der Zügellosigkeit entgegen getreten.

sten Weise ist vorgeführt worden. Die beiden Freunde finden sie nim lich in einem Garten, beschäftigt, aus dem von Hermann ihr übergebenen Kattun und Leinen Kinderzeug für den Säugling anzufertigen. Diese echt weibliche Beschäftigung bildet nicht nur einen schönen Gegensatz zu der eben erwähnten, heroischen That der Jungfrau, es knüpft dieselbe auch an ihr erstes Auftreten im 2. Gesange unmittelbar wieder an, während die Verwendung des von der Mutter gleichsam vorahnend eingepackten Zeuges uns die Eingangsgsscene der Dichtung von neuem vor die Seele führt. Das Interesse für Dorothea hat sich seit der Zeit bedeutend gesteigert; mit um so erhöheter Teilnahme folgen wir daher jetzt der nochmaligen Beschreibung ihrer Gestalt, Zug für Zug prüfend, ob das vor uns ruhig dasigende Mädchen mit den von Hermann gege= benen Kennzeichen übereinstimmt.

Der Apotheker hat sich in der Person nicht geirrt. Nicht ohne Selbstgefälligkeit, daß er die, Gesuchte endlich gefunden habe, giebt er die Kennzeichen der Reihe nach an. Die Schönheit des Mädchens hat indes, ganz seinem Charakter gemäß, keinen Eindruck auf ihn gemacht, ebenso wenig ihre fürsorgende Beschäftigung. Der Blick des Predigers dagegen ruhet mit Wohlgefallen auf der schönen Erscheinung. „Glüdlich," ruft er aus, wem die Mutter Natur die rechte Gestalt gab! Denn sie empfiehlt ihn stets." -Diese Worte verscheuchen schon die Sorge über den Empfang, den das Mädchen bei Hermanns Vater finden wird, da dieser auf ein schönes, gewinnendes Äußere viel Wert legt. Der vorsichtige Apotheker meint indes, der Schein könne trügen; er kenne die Welt und habe das Sprichwort so oft erprobt gefunden, dem neuen Bekannten nicht eher zu trauen, ehe man nicht einen Scheffel Salz mit ihm verzehrt habe. Um so notwendiger ist die Wiedererwähnung jener heroischen That in Gegenwart des Apothekers. Und jest erfolgt denn auch vom zurückgekehrten Richter die Bestätigung, daß jene Jungfrau und das im Garten sißende Mädchen ein und dieselbe Person sei. Unaufgefordert und ohne die Absicht der Freunde zu kennen, teilt dann der Richter, erfüllt von der Tugend und dem Edelsinn der trefflichen Jungfrau, noch einige Züge aus dem Leben des früh verwaisten und in der Schule des Unglücks erzogenen Mädchens mit, Züge, die nicht minder dazu beitragen, der Vielgeprüften allgemeine Teilnahme und Achtung zu erwerben, so daß selbst der bedenkliche Apotheker zum Schweigen gebracht wird. Wie jezt die um die Wöchnerin Beschäftigte fich des Säuglings erbarmend annimmt, so hat sie mit derselben treuen, hingebenden Pflege sich eines alten Berwandten angenommen und sein Leid mit tragen helfen, bis ihn der Jammer dahinriß über des Städtchens Not und seiner Besitzung Gefahren." Und noch ein schwererer Verlust, als der ihres Verwandten und ihrer Eltern hat die starte Seele getroffen. Der Bräutigam ist ihr durch den Tod entrisssen worden. Ein Feind der Willkür und der Ränke, war er voll jugendlicher, glühender Begeisterung nach Paris gezogen, um der Willkürherr

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