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Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest
Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl,

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so weisen diese Worte doch keineswegs ausschließlich auf Sparta hin, sondern symbolisieren überhaupt denjenigen kriegerischen Heroismus eines Volfs, der es für Pflicht und für eine Ehrensache hält, das Leben für das Vaterland einzusetzen. Wenn ein solcher Heroismus die Brust jedes Einzelnen erfüllt, so ist nicht nur der Sieg gewiß, es wird auch der also erkämpfte Friede ein gesicherter sein. Als Symbol desselben nennt der Dichter in antikisierender Weise den Ölbaum", worauf er dann ein prachtvolles Bild der unter den Segnungen des Friedens sich entwickelnden Kultur entwirft. Industrie, Handel, schöne Künste und Wissenschaft fönnen aber nur dann erst ungestört gedeihen, wenn die Existenz eines Volts eine gesicherte ist und nicht fortwährend durch Feinde von außen sich bedrohet sieht. Daher geht mit Recht diesem Bilde der Kultur, als erste Bedingung derselben, die Schilderung jenes spartanischen Heroismus vorauf; denn wo dieser in einem Volke lebt, da hütet sich jeder, dasselbe anzugreifen.

Die Darstellung der sich energisch und heiter entfaltenden Gewerbs= und Handelsthätigkeit, so wie die der fröhlich gedeihenden Kunst hat durch die mythologischen Beziehungen wiederum ein antites Gepräge er= halten. Der Flußgott, heißt es, ladet ein, die Natur-, wie die Kunstprodukte in die Ferne zu versenden. Die Baumnymphen, Dryaden, erseufzen unter den Schlägen der Art beim Fällen der Wälder. Mul: cibers, des Metallschmelzers, Hammer formt auf dem Ambos die Metalle um. Der Handel trägt nun die Erzeugnisse des heimischen Fleißes in die Ferne. Hafenpläge mit einem bunten Gemisch verschiedener Menschen und Sprachen entstehen, und geschäftige Hände laden daselbst mit Hülfe der Krahne die Waren in die Schiffe ein und aus. Produkte der ganzen Erde, die der heißen, wie der falten Länder (Thule), er= scheinen in den Warenniederlagen, Reichtum und Wohlbehagen gründend. Hoch mit erfreuendem Gut füllt Amalthea (die Nährerin) das Horn." *) .**)

Jeßt, nachdem durch Handel und Gewerbe der zum Erblühen der Künfte notwendige Wohlstand begründet worden ist, kann der Mensch sich auch über die materiellen Bedürfnisse und Genüsse hinaus in das Reich des Schönen erheben und seine Kraft und seine Zeit dem Jdeeellen widmen. Der Dichter führt von den Künften die Baukunft und die Bildhauerei an, die Poesie dagegen nicht, da zu ihrer Ausübung der Wohlstand nicht so unmittelbar erforderlich ist. Bei der Baukunst ge= denkt er insbesondere der „jonischen Säulen“, welche in den fünf Säulen=

*) Das Horn der Amalthea, einer Ziege, war als das Horn des Überfluffes an den Himmel verseßt worden, weil Amalthea die Milch_geliefert, mit welcher die Nymphe Adrasteia den Zeus als Kind während seines Aufenthaltes auf Kreta genährt hatte.

Pilot (V. 111)

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der die Tiefen des Meeres mit dem Senkblei mißt.

ordnungen der Alten die dritte Stelle einnahmen und mit hoher Einfachheit große Schönheit vereinigten. Auch das „Pantheon" wird er= wähnt, ein allen Göttern gewidmeter Tempel zu Rom, mit gewölbtem Dach, das Himmelsgewölbe vorstellend. Hat der Dichter bei der Darstellung der Kunst besonders die antike Kunst ins Auge gefaßt, so hebt er bei der Darstellung der sich nun auch entwickelnden Wissenschaften besonders die Erfolge, welche die moderne Zeit auf dem Gebiete der Naturwissenschaften und der Mathematik aufzuweisen hat, hervor. Mit den Worten:

Körper und Stimme leiht die Schrift dem stummen Gedanken,
Durch der Jahrhunderte Strom trägt ihn das redende Blatt

gleitet dann gewissermaßen auch unser Gedanke über den Strom der Geschichte. Wir sind jest genügend orientiert, uns die Entwicklung der Civilisation in ihrem großartigen Zusammenhange vorzustellen und als den Höhepunkt dieser Entwicklung die Befreiung des Menschen von den Fesseln der Natur, wie von den Fesseln des Aberglaubens und der Vorurteile zu erkennen. Denn, heißt es:

Da zerrinnt vor dem wundernden Blick der Nebel des Wahnes,
Und die Gebilde der Nacht weichen dem tagenden Licht.
Seine Fesseln zerbricht der Mensch, der Beglückte! Zerriss' er
Mit den Fesseln der Furcht nur nicht den Zügel der Scham!

IV. Diese inhaltsschweren Worte bilden den Übergang zu der Schilderung des folgenden Abschnittes, welcher die Auflösung der staatlichen Ordnung und den Umsturz der errungenen Kultur vorführt. Unter Scham ist hier das natürliche, moralische Gefühl, die sittliche Scheu gemeint, welche den Menschen bisher zurüchielt, das in Frage zu stellen, was seiner Kultur und seinem staatlichen Leben den festen Halt gab. Durch den Fortschritt der Wissenschaften hat sich der Mensch im Laufe der Zeit immer mehr und mehr von den Mächten der Naturkräfte und von den beengenden Fesseln des Raumes und der Zeit losgerungen. Er hat gelernt, dem Blize den Weg vorzuschreiben, gelernt, die Magnetnadel zu einem dienstbaren Geiste und sichern Führer nach fernen Ländern zu machen; er hat den Lichtstrahl zerlegt und die Klänge der Schallwellen gemessen; er hat den Lauf der Gestirne berechnet und den Zeichen am Himmel, die Jahrtausende hindurch Furcht und Grauen einflößten, ihre Schrecknisse genommen. Alles hat er seiner Prüfung und Forschung unterworfen. Vor feinem Geheimnis der Natur ist er zurückgeschreckt. Da zieht nun die entbundene Kritik alles Bestehende vor ihren Richterstuhl. Vor keinem Rätsel des Lebens, vor keinem Geheimnis der Natur schreckt sie zurück. In stolzer Überhebung werden die subjektivsten Ansichten als ausgemachte Wahrheiten hingestellt, wird eine absprechende Kritik auch von solchen geübt, denen eingehendes Denken und umfassende Bildung abgeht, wobei Eitelkeit und Herrschsucht, niedere Leidenschaften und Frivolität eine große Rolle spielen. Jede Schranke gilt als

Feffel, jedes Herkommen wird angezweifelt. Gehorsam und Pflicht, Glaube und Gewissen werden in verhängnisvoller Weise erschüttert; alles wird als veraltet negiert. Zur Losung wird das Wort Freiheit. "Freiheit! ruft die Vernunft, Freiheit! die wilde Begierde." Jeder beruft sich auf sie, als auf sein gutes Recht: der ernste Philosoph wie der selbst= süchtige Demagoge, der Tribünenheld wie die zügellose Menge, und jeder denkt sich etwas anderes unter dem berauschenden Worte. Jm Namen der Freiheit und des Fortschritts wird die Willkür sanktioniert, die freie Selbstbestimmung zur Autoritätslosigkeit, in der alle Sicherheit aufhört; der Selbsterhaltungstrieb wird zur Selbstsucht, welche einen Vernichtungskampf aller gegen alle herbeiführt; die Regel zur Fessel, wobei der bloße Schein des Gesezes eine neue Autorität gewinnt. Nichts Heiliges ist mehr; es lösen sich alle Bande frommer Scheu, und das ganze Gebäude des menschlichen Glücks, das nur bestehen kann, wenn die Freiheit sich den sittlichen Gewalten und Schranken freudig unter= ordnet, wenn Kultur und Sittlichkeit Hand in Hand gehen, stürzt im Kampfe zügellofer Leidenschaften zusammen.

Dieses ist von Vers 141-170 ausgeführt. Zuerst wird in einem Bilde dargestellt, daß der Mensch, wenn er alles Bestehende in Frage stellt, über Herkommen und Sitte sich hinwegseßt, ohne etwas Besseres an die Stelle des Alten zu bringen, dem unglückseligsten Schwanken und den traurigsten Verirrungen und Ausschweifungen anheim fällt. „Ach, da reißen im Sturm die Anker, die an dem Ufer warnend ihn hielten." Mit dem Sturm" sind die aufgeregten, zügellosen Leidenschaften gemeint, mit „den Ankern“ die Achtung vor Gesetz und Ordnung, vor Herkommen und Sitte. Losgelöst von diesen Grundlagen, die dem Leben einen festen Halt verleihen, treibt der Mensch wie ein Schiff, das die Masten verloren hat und von Stern und Kompaß nicht mehr geleitet wird, im Sturm einher. Um sich vor sich selbst zu rechtfertigen, vernünftelt der Mensch das schlechte Bewußtsein hinweg und bethört das Gewissen. „Es irrt selbst in dem Busen der Gott." Da die bestehende Sitte und das herrschende Gesetz ihr Ansehen ver Loren haben, so greifen Lüge, Egoismus und Heuchelei immer mehr um sich.

Aus dem Gespräche verschwindet die Wahrheit, Glaube und Treue
Aus dem Leben, es lügt selbst auf der Lippe der Schwur.

Keiner darf dem andern mehr trauen; Angeberei und Verleum= dung sind an der Tagesordnung, und da sie zu Amt und Stellen verhelfen, so drängt sich der „Sykophant" (der geheime Spion und Zwischenträger) selbst in der Herzen vertraulichsten Bund, in der Liebe und Freundschaft Geheimnis und reißt von dem Freunde den Freund."

"Feil ist der geschändeten Brust der Gedanke, die Liebe
Wirst des freien Gefühls göttlichen Adel hinweg."

d. h. um des Vorteils willen wird gegen die eigene Überzeugung gesprochen und gehandelt, um des Vorteils willen wird selbst die Liebe, ,,das einzige auf diesem Rund der Erde, was teinen Käufer leidet, als sich selbst," zum Gegenstand der Spekulation gemacht und wie eine Ware in Zeitungen feilgeboten, und da alle heiligen Zeichen einer wahrhaften Empfindung, das Lächeln, wie die Thräne, der Ton der Stimme, wie der Ausdruck der Miene und Gebärde, zum Deckmantel der Heuchelei und Genußsucht benutzt werden, so bleibt der wahren Empfindung, die kein Gehör mehr findet, nichts übrig, als Stummsein. Je mehr im Leben Recht und Gesetz schwinden, desto mehr macht es sich prahlend breit auf der Tribüne. Da ihm aber das wahre, das schaffende und wirkende Leben fehlt, so ist es nicht viel mehr, als ein Gespenst, um augenblicklich zu schrecken, ja der ganze Staatskörper gleicht einer Mumie, der die Seele entflohen ist, weil ihm die sittlich schaffende Kraft fehlt. Mag er als solche auch Jahrhunderte hindurch sich zu erhalten suchen, die Zeit seines Untergangs bleibt nicht aus; denn es ist ein ewiges, unwandelbares Gesez der Geschichte, daß ein Volk, dem die Treue und die Ehre, der Glaube und der Gehorsam abhanden gekommen, zum Untergange reif ist. Dieser wird um so grauenvoller sein, je tiefer es gefallen, je länger es dem Besseren den Zutritt wehrte.

Jahre lang mag, Jahrhunderte lang die Mumie dauern,
Mag das trügende Bild lebender Fülle bestehn,

Bis die Natur erwacht, und mit schweren, ehernen Händen
An das hohle Gebäu rühret die Not und die Zeit,

Einer Tigerin gleich, die das eiserne Gitter durchbrochen

Und des numidischen Walds plößlich und schrecklich gedenkt,
Aufsteht mit des Verbrechens Wut und des Elends die Menschheit
Und in der Asche der Stadt sucht die verlorne Natur.

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Jezt erst, aber wie gewöhnlich zu spät, kommt der Mensch zur Einsicht; in der Asche der Stadt sucht er die verlorne Natur", die er besaß, als er sich noch nicht losgerissen hatte von den sittlichen Mächten seines Wesens, also von seiner eigentlichen Natur, die ihm zum Unterschiede von den übrigen Geschöpfen verliehen worden ist, und die ihm in stolzer Überhebung bei den Fortschritten der Kultur abhanden gekommen.

Sicherlich hat Schiller in diesem Abschnitte des Spaziergangs auch Thatsachen aus der französischen Revolution im Auge gehabt, mehr jedoch noch den Untergang der in dem vorigen Abschnitte von ihm geschilderten Kultur der Griechen und Römer, die so grauenvoll hinweggefegt wurde, daß sie unter dem Schutt und der Asche ihrer Städte verschwand. Daß er den Untergang der Städte vorzugsweise hervorhebt, hat seinen Grund nicht allein darin, daß sie die vorhandene Kultur in ihren Bauwerken, Museen und dergl. mehr als andere Orte abspiegeln, sondern auch darin, daß von den großen Städten

der Verfall der Völker von jeher ausgegangen ist und die Nemesis stets sie zuerst und am grauenvollsten erreicht hat.

Das entworfene, trübe Bild enthält eine ernste Mahnung für alle Zeiten, auch für die unsrige. Wird nicht unsere ganze Kultur in Frage gestellt, wenn die Lehren des Kommunismus und des Sozialismus, Lehren wie: Aufhebung des Privatbesizes, Aufhebung der Ehe, der Klassen und der Standesunterschiede zur Herrschaft gelangen sollten? oder wenn die Institutionen des Staates und seine Beziehun= gen nach außen von dem Willen der blinden Menge abhängig gemacht würden? Auch unsere Tage bergen Erscheinungen einer drohenden Zukunft, und manches, was der Dichter in dem eben besprochenen Abschnitte dargelegt hat, ist prophetisch gesprochen und beschränkt sich nicht bloß auf die Revolutionen früherer Zeiten, in denen alle idealen Elemente grausam vernichtet wurden, sondern findet seine Anwendung überhaupt auf solche Zeiten, in welchen die Kultur die Unzufriedenheit mit dem Bestehenden so gesteigert hat, daß die Reflexion sich auch solcher Schichten der Bevölkerung bemächtigt, die nicht im stande sind, etwas Besseres an die Stelle des Vorhandenen zu setzen und daher, bewußt oder unbewußt, der Anarchie, worin sie das Heil zu finden wähnen, offen das Wort reden. Dem Dichter erscheint in seiner Er= regung als einzige Rettung: die Rückkehr des Menschen zur Natur, wenn auch im andern Sinne als bei Rousseau. Die Schreckensscenen der Revolution drängen ihm den Angstruf ab:

O, so öffnet euch, Mauern, und gebt den Gefangenen ledig!

Zu der verlassenen Flur kehr' er gerettet zurück!

V. Dieser Fluchtgedanke, wie das auf die Spiße getriebene Ent= sezen wecken den in sich versunkenen Dichter aus seinen trüben Reflexionen, wie es in gleicher Weise bei ängstlichen Träumen der Fall ift. Unvermerkt ist er in die majestätische Höhe einer Gebirgsregion gelangt, wo nur der Adler noch weilt, kein Laut, fein Schall menschlicher Rede den Einsamen trifft, wo der Stein noch ungeformt von des Menschen Hand liegt und der Fluß noch ungebändigt dahineilt. Frei und weit schweift hier sein Blick über die Welt da unten mit ihren endlosen Mühen und ewig wechselndem Wollen. Klein und nichtig ers scheint sie ihm gegenüber der majestätischen Ruhe da oben. Schauer ergreift den Dichter auch hier; aber die Schauer, welche eine zwar wilde, aber majestätisch schaffende Natur einflößen, sind anderer Art, als das Entsezen ist, womit der Anblick der menschlichen Verirrung und Verwilderung die Seele ergreift; denn die Natur zeigt nirgends Willkür, sondern überall das Bild einer fest geregelten Ordnung. Bei unserm Spaziergänger wirkt die wilde Erhabenheit der Natur als eine wohlthuende Ablösung. Dem zum Raube entseßlicher Leidenschaften dahingegebenen Menschen gegenüber steigert sich seine schauerliche Luft an der Größe der Natur sogar zum wahrhaften Entzücken.

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