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Bei Lebzeiten des Schriftstellers ist die Untersuchung über die Erlebnisse des Menschen, die ihn zum Schriftsteller gemacht haben, ein indiscretes Geschäft und ist ebenso unangenehm dem Autor, als denjenigen Personen, durch die und an denen er zum Autor geworden ist.

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Wenn Goethe sehen musste, wie man nach Erscheinen des Werther" von allen Seiten seine Freundin Charlotte Buff und ihr Verhältniss zu ihm nur in Bezug auf die Lotte des Romans und das dortige Verhältniss untersuchte und beklatschte, so war ihm das mindestens ebenso unangenehm, als es Herrn Kestner war, im Roman und damit in vieler Leute Munde als Albert zu figuriren. Der Schriftsteller ist empört, dass die Personen, die seiner dichterischen Gestaltungskraft nur zum Anhalte dienten, meinen, er habe sie abgeschrieben, und andrerseits fühlen die betroffenen Personen mit Unbehagen die Wahrheit jener Worte, welche ein guter Freund zur Tröstung an Kestner schrieb: „il est dangereux, d'avoir un auteur pour ami“ 1).

Anders aber verhält es sich, wenn sowol der Dichter, als seine Zeitgenossen nicht mehr lebende Personen sind.

Wie in einem Sterbezimmer, sobald der Sterbende die Augen geschlossen hat, alsbald von dem eben noch lebendigen Menschen in der dritten Person und über ihn, nicht mehr mit ihm gesprochen wird, ebenso ist nach dem Hingange einer literarischen Persönlichkeit das Urtheil über dieselbe und alle ihre Beziehungen vollständig frei gegeben und unterliegt nicht mehr den Schranken, die jede Persönlichkeit durch ihre Gegenwart von selbst setzt.

Möchten die folgenden Untersuchungen den Leser in die reiche Frühlingszeit unserer Literatur zu versetzen vermögen.

Es war die Zeit, in welcher Jacobi an Lavater schrieb: Wir leben in einer auffallenden Epoche; nie sind die wichtigsten Dinge von so verschiedenen Seiten angesehen worden“ 2).

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1) G. u. W., S. 23.

2) 10. Okt. 81 J. W. I, 328.

I. Goethe und Jacobi.

1774-1779.

Jacobi's Roman ,,Allwill" ist der Anregung Goethe's entsprungen, seine Abfassung und Veröffentlichung fällt zeitlich in die Jahre, in denen Goethe und Jacobi auf das Innigste mit einander verbunden waren, der Held des Romans trägt deutliche Züge Goethe's an sich, eine tief empfundene Aeusserung Jacobi's über sein Verhältniss zu Goethe findet sich fast wörtlich im Romane über Allwill ausgesprochen: Es ist daher für eine gründliche Untersuchung dieses Romanes unerlässlich, auf die Freundschaftsgeschichte beider Männer einzugehen und dieselbe wenigstens so weit zu verfolgen, als sie Einfluss auf den Roman gehabt haben kann.

Die Geschichte der Freundschaft Goethe's und Jacobi's ist ausführlich und gründlich dargestellt worden von H. Düntzer in seinen „,Freundesbildern aus Goethe's Leben, 1853, S. 125 bis 287." Da aber seit dem Jahre 1853 eine Reihe Publikationen erschienen sind, welche auf die Jünglingszeit Goethe's und damit auch auf dieses Freundschaftsverhältniss neues Licht werfen, so bedarf die Darstellung Düntzer's mancherlei Ergänzungen und Berichtigungen.

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Besonders Goethe's Briefe an Johanna Fahlmer (herausgegeben von Urlichs, 1875 G. a. J. F.), an Sophie la Roche (Briefe Goethe's aus Fritz Schlosser's Nachlass, herausgegeben von Frese, 1876 F. Sch. N.) und andere gleichzeitige Briefe in dem von Zoeppritz herausgegebenen Nachlasse Jacobi's (Leipzig, 1869, 2 Bände = Z. I, II) sind neuhinzugekommene Hilfs

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mittel. Für das innere Verständniss dieser Freundschaft hat A. Schöll in seinen ,,Briefen und Aufsätzen von Goethe aus den Jahren 1766-86, 1846" einen beachtenswerthen Beitrag gegeben.

Es wird dem Zwecke dieser Untersuchung entsprechend sein, wenn zwar alle hieher gehörigen Briefstellen citirt, aber nur diejenigen ihrem Inhalte nach angeführt werden, welche für die folgende Untersuchung wichtig sind und in der Darstellung Düntzer's noch nicht berücksichtigt werden konnten.

Die erste persönliche Bekanntschaft Goethe's mit Jacobi fällt in den Juli 74. Vorher waren die Beziehungen ,,zwischen Ober- und Unterrhein" keineswegs ganz friedliche. Die „grelle oberdeutsche Manier" Goethe's und seiner frankfurter Freunde hatte sich öfters über J. G. Jacobi's,,freundschaftliche Briefe" (erschienen 1768) lustig gemacht. Auch auf die Freundschaft der Jacobi's mit Wieland wurde z. B. in Goethe's ,,Götter, Helden und Wieland" nicht eben zart angespielt.

Jacobi und Wieland sahen in Goethe,,einen feurigen Wolf, der des Nachts an honetten Leuten hinaufsprang und sie in den Koth wälzte" (J. a. B. I, 210). Und Goethe hatte auch derbe Ausdrücke über sie. Die Frauen sollten vermitteln, zuerst Sophie la Roche, die mit dem Düsseldorfer Kreise enge befreundet war. Sie scheint Goethe nach Düsseldorf eingeladen zu haben. Er aber wollte Nichts davon wissen. „Nach Düsseldorf kann und mag ich nicht", schreibt er 1773 an Sophie la Roche (F. Schl. N. S. 145),,,Sie wissen, dass mir's mit gewissen Bekanntschaften geht, wie mit gewissen Ländern, ich könnte hundert Jahre Reisender sein, ohne Beruf dahin zu fühlen." Versöhnender stimmte Johanna Fahlmer, die Halbschwester von Jacobi's Mutter. Sie hatte seit mehreren Jahren mit dem Jacobi'schen Kreise zusammengelebt, war die beste Freundin von Fritz Jacobi und ist, wenn irgend Jemand, die Henriette in Jacobi's Woldemar. Sie zog Juni 72 mit der Mutter nach Frankfurt. Noch wichtiger wurde Frühjahr 73 ein

Besuch von Jacobi's Frau bei Johanna Fahlmer und ein längerer Aufenthalt von Charlotte Jacobi, Fritzen's Halbschwester. Jacobi's Frau hat Goethe in ,,Wahrheit und Dichtung" verherrlicht, für Lotte Jacobi scheint er eine Neigung gehabt zu haben. Aber zu einer Aussöhnung mit den Männern liess Goethe es nicht kommen. „Des Kammerrath Jacobi Frau war hier," schreibt er 15. Sept. 73 an Kestner (G. u. W., S. 181), „eine recht liebe, brave Frau, ich habe recht wohl mit ihr leben können, bin allen Erklärungen ausgewichen, und habe gethan, als hätte sie weder Mann, noch Schwager. Sie würde gesucht haben, uns zu vergleichen, und ich mag ihre Freundschaft nicht. Sie soll mich zwingen, sie zu achten, wie ich sie jetzt verachte, und dann will und muss ich sie lieben." Vergl. auch G. u. W. S. 204. Mit dem Jahre 74 gaben die Jacobi's die Zeitschrift „Iris“ für gebildete Frauen und Mädchen heraus. Sophie la Roche sammelte Abonnentinnen und dachte dabei an Kornelie Goethe. Sie schreibt darüber an Goethe, der nicht will, dass seine Schwester für die Iris ihre Freunde in Kontribution setze,,um eines Fremden willen, mit dem sie Nichts gemein gehabt hat, noch hat, noch haben kann, und dessen Keckheit unverzeihlich ist, mit der er zu seiner Geldschneiderei die Spediteurs zusammenbettelt" (F. Schl. N., S. 142). Da kommt ihm sein freundschaftlicher Verkehr mit den Jacobi'schen Frauen in's Gedächtniss, und er fährt also fort: „Da ich fertig bin, liebe Mama, fällt mir ein, dass ich ungerecht gegen die Jacobi's bin, habe ich mich denn nicht auch bei ihren Weibern, Tanten und Schwestern eingenistelt, das giebt ihnen nach der strengsten Kompensation ein Recht auf meine Kornelie, oho!" So blieb auf Goethe's Seite die Stimmung gegen Fritz Jacobi, während er mit dessen Frau, nachdem sie Frankfurt wieder verlassen, einen freundschaftlichen Briefwechsel unterhielt und derselben seine neuesten Produktionen schickte (datirte Briefe Goethe's an Betty Jacobi vom 3. Nov., 16. Nov., 31. Dez. 73, siehe G. u. J., S. 1-24).

Jacobi freut sich mit an den Sendungen Goethe's, so nennt er den Jahrmarkt von Plundersweilern,,eine allerliebste Schnurre" und Goethe selbst,,einen wunderbaren Kopf" (Jacobi an Wieland, 6. Nov. 73, J. a. B. I, 151). Enthusiastisch lobt er Wieland's humanes Betragen gegen Goethe's Ausfälle (J. a. B. I, 162).

Die erste persönliche Bekanntschaft Goethe's und Jacobi's und jene herrlichen Tage, wo zwei der grössten Männer des vorigen Jahrhunderts einen in seiner Art einzigen Bund inniger Freundschaft schlossen, schildert der greise Goethe in ,,Wahrheit und Dichtung," und diese Partie seiner Selbstbiographie ist mit einer Tiefe und Zartheit des Gemüthes geschrieben, welche zeigt, dass auch noch die Rückerinnerung den Greisen verjüngte und in ihm den Frühling seines Geistes und Herzens weckte. Diese Partie steht Ausgabe letzter Hand Bd. 26, S. 278-290. Weder Lavater's beschränkter Christusglaube, noch Basedow's ungestüme und unästhetische Reformationssucht konnten dem nach dem reinsten und vollsten Genusse einer geistigen Vereinigung strebenden Jünglinge genügen: Da traf er auf Jacobi, von dem er trotz aller zeitweiligen Entfremdung in einem schönen Briefe am Anfang des neuen Jahrhunderts sagen musste, dass seine Richtung eine der reinsten sei, die er je getroffen (G. u. J., S. 221).

Es liegen uns eine grosse Reihe von Zeugnissen vor von dem bezaubernden Eindrucke, den Jacobi's persönliche Erscheinung sein ganzes Leben lang auf jeden edler angelegten Menschen ausgeübt hat. Er war ein hoher, schlanker, schöner Mann mit feinen Gesichtszügen und blauen, Zutrauen erweckenden Augen. Die vornehme Ruhe und Sicherheit der Stimme und der Bewegungen, die sich Jacobi angeeignet hatte, und die innerliche Erregtheit bei allen Fragen, welche die edelsten Güter der Menschheit betreffen, gaben in ihrem Widerstreit einen eigenen Reiz. Von dem Lehrer seiner Jugend, Le Sage, an bis zu Allen, die dem von Jahre langen Leiden geprüften Greis in der letzten Zeit seines Lebens nahe traten, ist nur

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