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Faust
a u s t.

Eine Tragödie

von

Goethe.

Beide Theile in Einem Bande.

Stuttgart.

Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.

1867.

RB. 23.-4.2570

FEB

rús14844

Buchbruckerei der J. G. Cotta'schen Buchhandlung in Stuttgart.

Der Faust, wie wir ihn gegenwärtig befißen, trat stückweis in drei verschiedenen Malen ans Licht; zuerst erschien 1790 ein Fragment; dann 1808 der in sich abgeschlossene erste Theil, und zulezt, nach des Dichters Tode, der zweite Theil im Jahr 1832 als erster Band der nachgelassenen Werke. Die Arbeit an d'eser größten und schönsten Dichtung, die Goethe hervorgebracht, begleitete ihn sein ganzes Leben hindurch. Es ist daher begreiflich, daß sie, wie er selbst, verschiedene Epochen durchgemacht und in Gedankengehalt, Art der Composition und poetischer Darstellungs- und Ausdrucksweise das Charakteristische abweichender Bildungsstufen in sich bewahrt hat.

Nach einer Bemerkung Goethes an Zelter (6, 193), daß es keine Kleinigkeit sei, etwas, was im zwanzigsten Jahre concipiert worden, im zweiundachtzigsten außer sich darzustellen, würde die erste allgemeine Idee zum Faust in das Jahr 1769, in jene Zeit fallen, als Goethe durch Krankheit und Umgang auf das Studium mystisch - chemischer Werke geführt wurde. Eine frühe Beschäftigung mit dem Gegenstande scheint Goethes Aeußerung zu bestätigen, daß er in Straßburg seinen Faust und Göß, mit denen er sich herumgetragen, sorgfältig vor Herder geheim gehalten; doch, fügt er binzu, habe er damals noch nichts davon aufgeschrieben. Auch in Wezlar muß er sich, doch nicht so geheim wie in Straßburg, damit befaßt haben, da ihn Gotter in der Dankepistel für die Uebersendung des Göz um seinen Faust bittet, wenn sein Kopf ihn ausgebraust.' Vielleicht ist auch Faust unter den Dramen mitbegriffen, zu denen Goethe, wie er am 1. Juni 1774 an Schönborn schreibt, den Plan erfunden hatte, das heißt das interes= fante Detail dazu in der Natur und in seinem Herzen.' Directe äußere Zeugnisse bringen die folgenden Jahre. Am 15. September 1775 hat er, nach einem Brief an Auguste Stolberg, eine Scene an seinem Faust ge= macht, und nach der weiteren Bemerkung, daß ihm den ganzen Tag in zerstreutem Treiben gewesen sei, wie einer Ratte, die Gift gefressen und in alle Löcher laufe, von allen Feuchtigkeiten schlürpfe, scheint es die Scene in Auerbachs Keller gewesen zu sein. Bald darauf, zu Anfang October, meldet er an Merck, daß er an Faust viel geschrieben habe; wie denn Merck am 19. Januar 1776 Nicolai im Vertrauen mittheilt, daß Goethes Faust ein Wert sei, das mit der größten Treue der Natur abgestohlen worden. Ich erstaune, fährt er fort, so oft ich Ein neu Stück zu Fauften zu sehen bekomme, wie der Kerl zusehends wächst und Dinge macht, die ohne den großen Glauben an sich selbst und den damit verbundenen Muthwillen ohnmöglich wären.' In Weimar scheint der Faust gleich Anfangs mitgetheilt zu sein, da Wieland schon um Neujahr darauf hindeutet und Goethes Vater nicht ohne durchbrechende Liebe von seinem Sohne, 'diesem singulären Men= schen,' berichtet, er habe 'den Winter über die dortigen Herrschaften mit Vorlesung seiner ungedruckten Werckgens unterhalten.' Er nahm seine fragmentarische Dichtung, um sie zu vollenden, mit nach Italien, war Goethe, Faust.

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auch am 8. September 1787 noch dieses Sinnes, wie er denn auch wirklich Hand anlegte und, was überraschend genug ist, zu Rom im Garten der Villa Borghese die Herenküche schrieb, also, anstatt unter dem schönen Himmel, der ihn zum 'Griechen' machte, das Menschengeschick seiner Dichtung menschlich weiterzuführen, sich recht mit Neigung in das symbolische Wesen des Zauber und Herenspukes vertiefte. Nach der Heimkehr dachte er noch daran, das Werk zu vollenden, aber schon im Mai 1789 war er entschlossen Faust als Fragment erscheinen zu lassen. Und so erschien er 1790 als siebenter Band von Goethes Schriften bei Göschen in Leipzig. Ein wesentliches Stück dessen, was die abgeschlossene Redaction des ersten Theiles, der zuerst 1808 als achter Band von Goethes Werken bei Cotta herauskam, enthielt, fehlte dem Fragmente. Es fehlen außer der Zueignung, die schon sehr alt' war, das Vorspiel auf dem Theater, das schwerlich vor 1791 entstanden ist, und der Prolog im Himmel. Das Fragment beginnt sofort mit dem (ersten) Monologe Fausts und der Beschwörung des Geistes, woran sich unmittelbar das Gespräch mit Wagner anschließt, nur daß am Schluffse desselben die Verse fehlen, in denen auf das morgende Osterfest hingedeutet wird. Die schließliche Redaction hat dann ferner den zweiten Monolog Fausts mit dem melodramatischen Element des Glockenflanges und Chorgesanges hinzugefügt; ebenso die Scene vor dem Thore mit ihren tecken, frischen, derben Bildern und der Wanderung Fausts in Begleitung des bedächtigen, ängstlichen Wagner, der hier, als sich in dem kreisenden Pudel ein neues Element zur Entfaltung ankündigt, zum leztenmale auftritt. Dem Fragmente fehlt ferner die Scene in Fausts Studierzimmer, in welcher er sich an der Uebersehung der Bibel übt; das Auftreten des Mephistopheles, der Gesang der Geister und endlich der Anfang der folgenden Scene zwischen Faust und Mephistopheles, der Pact und die erwachende Glut der Leidenschaften. Das Fragment hebt mitten im Reime mit den Worten an: 'Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ift, Will ich in meinem innern Selbst genießen.' Von da an bietet es, mit Ausnahme allerdings bedeutender Umstellung der Scene 'Wald und Höhle' (die in der lezten Redaction vor den beiden Scenen 'Gretchens Stube' und 'Marthens Garten' steht, während sie im Fragment auf legtere folgt), alles was 1808 erschien und zwar, bis zu der Scene im Zwinger einschließlich, eben so wie in der lezten Redaction. Diese hat dann die Straßenscene (Ständchen; Valentins Ermordung und Valentins Vermaledeiung der ehrlofen Schwester) eingeschaltet und in der folgenden Domscene, mit welcher das Fragment schließt, die Erwähnung des Blutes auf Gretchens Schwelle nachgetragen. Es folgt dann in der schließlichen Redaction die Walpurgisnacht, der (ursprünglich unabhängige, von Schiller im October 1797 von dem Musenalmanach ausgeschlossene) Walpurgisnachtstraum (Oberons und Titanias goldne Hochzeit), die Prosascene auf dem Felde, das Vorbeiziehen am Rabensteine und als Schluß die Kerkerscene mit Gretchens Wahnsinn, Schuldbekenntniß, himmlischer Rettung und mit Fausts Wegführung durch Mephistopheles. Von dem Prolog im Himmel abgesehen, der den Blick über das Ganze der Dichtung eröffnete, als diese schon weiter vorgeschritten war, fehlt für die vollständige Darlegung des Grundgedankens des ersten, und selbst des zweiten Theiles in dem Fragmente nichts, was durchaus wesentlich wäre, als einzig die Uebereinkunst Fausts mit Mephistopheles, diesem sofort anzugehören, wenn

es jemals dahin komme, daß er sich beruhigt auf ein Faulbett lege, fich selbst gefalle und im Genuß Genüge finde. Diese Bedingung, aus der nach Goethes eigner Aeußerung gegen Sulpiz Boifferée (1, 255 im Jahr 1815) Alles folgt, versezt uns in den Mittelpunkt des Ganzen und weist vielen ausschweisenden Deutungsversuchen die gebührenden Grenzen.

Es ist danach thunlich, schon jezt', vorläufig unbekümmert um den zweiten Theil, den Gedanken der Dichtung darzulegen. Faust, der Gelehrte, wendet sich im Tiefsten angeekelt von den fruchtlosen Wissenschaften, deren Resultat es ist, einzusehen, daß man nichts wissen kann, zu der Magie, um das geheime Wefen und die Gründe der Dinge zu schauen, wird aber von dem beschwornen Geiste, über den er sich bis zur Gottähnlichkeit erhaben wähnte, zu den ihm gleichen begreiflichen Geistern zurückverwiesen, und steht also auf einem Umwege wieder da, wo er vor der Beschwörung gestanden. Zugleich wird er sehr deutlich durch den Besuch Wagners in seine Sphäre zurückgeführt. Dieser Repräsentant der historischempirischen Wissenschaften, dem in der Entfaltung eines würdigen Pergamens der ganze Himmel niedersteigt, bildet die pedantische, in Be= schränktheit selbstgefällige Kehrseite in Fausts Doppelwesen, ohne welche, wie Geist ohne Körper, das idealistisch - metaphysische Streben nicht bestehen kann, während sie selbst, des spirituellen Aufschwungs entbehrend, zur armseligen Buchstabenweisheit eintrocknet. Nach dieser dramatischen Ent= faltung Fausts, des Gelehrten, versinkt er mehr und mehr im Gefühle seiner Nichtigkeit und steht bereits auf dem Punkte, dies unzulängliche Dasein durch freiwilligen Tod abzuwerfen, als ihn die mächtigen und ge= linden Töne des Ostermorgengesanges, die füßen Himmelslieder am Staube suchen, ihm die Schale vom Munde ziehen und ihn im Tiefsten erschüttert, in Thränen aufgelöst der Erde wiedergeben. Die heitre Lebensfülle, die sich im sonnigen Freien erfreut, lockt auch ihn mit seinem zweiten Selbst, mit Wagner, hinaus; ihm begegnet die allgemeine Verehrung, von der er sich selbst nichts anzueignen vermag, da er seine Unzulänglichkeit zu tief empfindet, und ihm die Wohlthaten, welche ihm dankbar nachgerühmt werden, in seinen Augen wie Verbrechen erscheinen. Von diesen Empfindungen wendet er den Blick in die schöne Gotteswelt; ihn zieht das Streben hinauf und vorwärts. Aber wieder fühlt er, daß zwei Seelen in ihm wohnen; die eine klammert sich mit derber Liebeslust an die Welt; die andre hebt ihn zu Gefilden hoher Ahnen. Er möchte auf einem Zaubermantel über die Welt hingetragen werden, und kaum ist, unter Ab= mahnung seines Gefährten, der Wunsch laut geworden, als sich der (symbolische) Pudel zeigt, der sich ihm gesellt und den er mit sich zu Hause nimmt, wo er zur Uebersehung der Bibel zurückkehrt und bedeutsam vom Wort zur That hinübergeführt wird. Alsbald tritt der fahrende Scholast aus dem Thiere hervor und gibt sich als Geist der Verneinung zu erkennen, als deffen eigentliches Element die Sünde, das Böse (das ist die sinnliche Natur des Menschen im Gegensaß zu der geistigen, himmlischen) bezeichnet wird. Fauft hat das Wissen hinter sich geworfen und tritt in das Leben, die That, den Genuß hinüber. Er macht mit Mephistopheles den Pact, ihm zu gehören, wenn er seine ideale Natur in der Sinnlichkeit ersticken könne. Damit ist die Bahn gezeichnet, auf der sich die Dichtung fortan bewegen will. Nachdem Mephistopheles in Fausts Kleide dem Schüler gegenüber, gewissermaßen als Gloffe zu Faufts erstem Monologe, die Unzulänglichkeit

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