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Ansichten einiger Neueren. Pater Baumgartner kämpft in seinem umfangreichen Werk über G., dem übrigens ein gewisses Verdienst nicht abzusprechen ist, unter anderm gegen die Behauptung, G. sei überhaupt der grösste Dichter und Universalmensch, der Höhepunkt aller Kultur.“ Von solchen Uebertreibungen kommt die Goetheforschung immer mehr ab; aber ebenso wenig ist es zu billigen, wenn Baumgartner schreibt: Wir wissen heute, dass es G. mit Religion und Wahrheit nie ernstlich gemeint war." Ein anderer Herr, welcher mit den Waffen drastischen Humors gegen übertriebene Goetheverehrung arbeitet, ist Sebastian Brunner in dem Buch:,,Die Hofschranzen des Dichterfürsten. Der Goethekult und dessen Tempeldiener, zum erstenmal aktenmässig von der humoristischen Seite betrachtet, Würzburg bei Wörl 1889."

Wir stellen nicht in Abrede, dass noch Extravaganzen im Goethekultus vorkommen. So heisst es in der Einl. zu G.s Werken, 33. Teil, naturwissenschaftliche Schriften, I. Bd., herausgegeben von Rud. Steiner, mit einem Vorworte von Prof. Dr. Schröer, Berlin und Stuttgart bei Spemann, XLIV: „Man kann annehmen, dass die Erkenntnistheorie, welche jetzt als eine philosophische Grundwissenschaft allerwärts auftritt, erst dann wird fruchtbar werden können, wenn sie ihren Ausgangspunkt von G.S Betrachtungsund Denkweise nehmen wird." Und auf derselben Seite kurz vorher wird G. „der tiefste philosophische Geist" zugesprochen. In dem 2. Bande I sagt Steiner, nachdem er hervorgehoben, dass den Dichter keine der philosophischen Richtungen, die er kennen lernte, befriedigte," er halte, um den Kern seiner Philosophie herauszuschälen, „für den richtigen Weg eine auf Grundlage der deutschen idealistischen Philosophie gewonnene Ideenrichtung." Wir sagen hierzu mit einem gewandten Kritiker (Boxberger in den „Blättern f. litt. Unterhaltung“, Nr. 49, vom 8. Dezember 1889), dass wir dies nicht ganz verstehen," Steiner hat 1886 Grundlinien einer Erkenntnistheorie der G.schen Weltanschauung mit Rücksicht auf Schiller (Berlin und Stuttgart

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bei Spemann) veröffentlicht, worin er wie in den Einleitungen zu G.s naturwissenschaftlichen Schriften, dessen wissenschaftliche Bedeutung zu hoch stellt. Der Verf. findet im

Vorwort dazu IV in G. „eine ,,eine grossartige Naturauffassung, welche die Wissenschaft so lange entbehren wird, als sie nicht direkt von ihm selbst schöpft." Überhaupt sind ihm „Goethes Dichtungen die Grundlage unserer ganzen Bildung." Beides ist Übertreibung, die fast noch stärker hervortritt in der Einl. zu dem oben angeführten 2. Bande von G.s naturwissenschaftlichen Schriften LVII und LXVII: „Indem sich heute die Philosophie immer mehr Kant nähert, entfernt sie sich von Goethe, und damit geht für unsere Zeit immer mehr die Möglichkeit verloren, die Goethesche Weltanschauung zu begreifen und zu würdigen... Wir haben das hier ausgeführt, weil uns darum zu thun war, die tiefe innere Gediegenheit der Goetheschen Weltanschauung zu zeigen. Sie liegt so tief im Weltwesen begründet, dass wir ihren Grundzügen überall da begegnen mussten, wo energisches Denken zu den Quellen des Wissens vordringt. In diesem G. war alles so sehr ursprünglich, so gar nichts nebensächliche Modeansicht der Zeit, dass auch der Widerstrebende in seinem Sinne denken muss. In einzelnen Individuen spricht sich eben das ewige Welträtsel aus, in der Neuzeit in G. am bedeutungsvollsten; deshalb kann man geradezu sagen, die Höhe der Anschauung eines Menschen kann heute in dem Verhältnisse gemessen werden, in welchem sie zur Goetheschen steht."

Ein angesehener Kirchenhistoriker, Prof. Dr. Nippold, meint in seinem Handbuch der neuesten Kirchengeschichte: „Die Heroen der modernen Bildung wahrten am entschiedensten die christliche Gottesidee," und nennt unter ihnen Goethe. Wie es damit steht, haben wir in unserer früheren Goetheschrift gezeigt und werden wir weiter nnten gegen Otto Harnack von neuem erhärten, der übrigens in dem Werke: Goethe in der Epoche seiner Vollendung (1805-1832), Versuch einer Darstellung seiner Denkweise und Weltbetrachtung, Leipzig bei Hinrichs 1887 eine der besten Schriften

zu

G.s Philosophie geliefert hat, der ich viel Anregung verdanke.

Vorstehende Angaben dürften beweisen, dass es jetzt noch nicht überflüssig ist, in der höheren Bedeutung des Wortes Goetheforschung zu treiben. Ganz richtig giebt Harpf in seinem Aufsatz Schopenhauer und Goethe" in den philos. Monatsheften, Bd. XXI, 8. Heft, 450, zu bedenken, wie wenige eigentliche Kenner des G.schen Denkens in der Legion der Goetheforscher auch heute noch vorhanden sind; die rari nantes selbst aber stehen der eigentlichen Philosophie wieder viel zu fern, um den Spuren G.s mitten in dem breiten Strom der Modephilosophie des 19. Jahrhunderts zu folgen."

In diesem Sinne möchte ich meine Schrift gewürdigt sehen. ,,Ins Unermessliche wächst die Litteratur über G. und doch, so weit es sich die Forschung angelegen sein lässt, die Gedankenschätze, welche dieser universale Geist in einem Leben von beispielloser Ausreifung aufgehäuft hat, zu erschliessen und ihn selber uns wahrhaft zu eigen zu machen, werden wir jede neue Veröffentlichung als eine Bereicherung unseres geistigen Nationalvermögens willkommen heissen" (Westermanns Monatshefte, Nov. 1888, 294).

Dass G. wie in der Philosophie überhaupt, so insbesondere in der Ethik unbeschadet der erreichten Reife sein Leben lang ein Werdender und Suchender blieb, wobei etwa vom Jahre 1775 an sein Geistesleben im ganzen eine einheitlich geschlossene, in ihrem Zusammenhang zu erklärende Entwicklung darstellt, wird der Leser erkennen. Neues Material aus dem Goethearchiv in Weimar habe ich

nicht bezogen. Ich führe das absichtlich an, weil Dilthey

im 1. Heft des 1. Bandes von Steins Archiv für Geschichte der Philosophie 139 in einer Recension des Werkes von Otto Harnack sich folgendermassen äussert: „Die Schrift von Harnack würde unter andern Verhältnissen als eine gute Zusammenstellung Anerkennung verdient haben; jedoch gegenwärtig muss darauf gehalten werden, dass über eine Seite

in

G.s, für welche wahrscheinlich wichtiges Material Weimar jedem offen liegt, nicht gearbeitet werden darf, ohne dass dieses Material dafür ausgenützt würde." Eine Anfrage über die Benutzung des Archivs trug mir folgenden Bescheid des Herrn B. Suphan vom 19. Nov. 1887 ein: „Das Archiv ist vor der Hand nur den Mitarbeitern der Goetheausgabe zugänglich und zwar immer nur für die übernommenen Bände resp. Partieen. An eine Benutzung in dem Umfange, wie ihn Prof. Dilthey der von Ihnen citierten Stelle nach anzunehmen geneigt ist, kann noch auf Jahre hinaus nicht gedacht werden."

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Die nunmehr hier folgende Darstellung von G.s ethischen Ansichten schliesst sich absichtlich nicht dem Schema irgend eines Systems an, sondern erörtert in grossen Zügen mit einer gewissen Zwangslosigkeit, eine in die Einzelheiten ausgeführte Ethik G.s würde ein Buch füllen wenn auch nicht ohne inneren Zusammenhang und Abfolge die bezüglichen wesentlichen Aufstellungen des Dichterfürsten.

I. Theoretische Grundlagen der Ethik bei Goethe.

Die theoretische und praktische Vernunft stehen im Menschengeist in einem innigen Zusammenhang; unser ethisches Bewusstsein hat das theoretische zur unumgänglichen Basis, so dass die wissenschaftliche Ethik ohne theoretischen Unterbau und als eine von metaphysischen, aus der Erforschung unseres Denkprozesses gewonnenen Voraussetzungen freie nicht besteht, dass dem sittlichen Leben ohne Gott seine ausreichende Begründung fehlt. Diese Überzeugung1) bildet in G.s ethischen Anschauungen ebenfalls die Unterlage. „Im Durchschnitt," sagt er, bestimmt die Erkenntnis des Menschen, welcher Art sie auch sei, sein

1) Vgl. die genauere Entwicklung derselben in meiner Schrift: Historisch-kritische Beiträge zur Lehre von der Autonomie der Vernunft in den Systemen Kants und Günthers, 2. Aufl., Neisse bei Josef Graveur (Gustav Neumann) 1882.

Thun und Lassen" (19,31).) Unser Geist giebt sich nach ihm zu und setzt sich voraus, ohne sich je vollständig zu begreifen und ohne dem Eindringen in seine Geheimnisse eine bestimmte Grenze setzen zu dürfen (33,123). Das Sittliche aber ist nach einer Äusse rung G.s zu Eckermann vom 1. April 1827 „durch Gott selber in die Welt gekommen; es ist kein Produkt menschlicher Reflexion, sondern angeschaffene und angeborene schöne Natur, mehr oder weniger dem Menschen im allgemeinen angeschaffen, in hohem Grade aber einzelnen, ganz vorzüglich begabten Gemütern." Will nun der Mensch das Sittliche erforschen, wie könnte er es genügend ohne die Erkenntnis Gottes, der nach unserem Dichter die Urquelle der Sittlichkeit ist?

Diese Erkenntnis basiert auf der Selbsterkenntnis. Ohne dass unser Geist sich selber zuerst im Selbstbewusstsein gefunden und den Gedanken seiner selbst erlangt hat, vermag er nichts anderes zu denken noch zum ethischen Handeln sich zu erheben. Und so spricht denn G. es auch in dem Briefwechsel mit Rochlitz (herausgegeben vom Freiherrn Woldemar von Biedermann, Leipzig bei Biedermann 1887) deutlich aus: „Handle besonnen ist die praktische Seite von: Erkenne Dich selbst." An Nees von Esenbeck schreibt er am 22. August 1823: „Wie doch alles Höhere im Wissenschaftlichen und so durchaus alsbald ethisch wirkt und so viel sittlichen Vorteil bringt!"

Diese Ausführung über die Stellung der ethischen zur theoretischen Philosophie bei G. wird nicht umgestossen durch eine Stelle der Lehrjahre (17,396), wo es heisst: Werden wir durchs Praktische doch unseres eigenen Daseins erst recht gewiss; warum sollten wir uns nicht auf dem Wege von jenem Wesen überzeugen können,

1) Wir citieren zur Raumersparnis Goethe nach der Hampelschen Ausgabe in der Art, dass die grösser gedruckte Zahl den Band, die in kleinerer Schrift daneben stehende die Seite bedeutet. E. bezeichnet Eckermanns Gespräche mit Goethe, M. Goethes Unterhaltungen mit dem Kanzler Müller.

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